OGH 1Ob76/99d

OGH1Ob76/99d23.11.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj Silvia S*****, infolge Revisionsrekurses der Minderjährigen, vertreten durch die Mutter Dr. Irmgard S*****, diese vertreten durch Dr. Erhard Hackl und Dr. Karl Hatak, Rechtsanwälte in Linz, gegen den Beschluss des Landesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 28. Jänner 1999, GZ 14 R 53/99h-210, womit infolge Rekurses des Vaters Dr. Gunnar S*****, vertreten durch Mag. Klaus Fuchs, Rechtsanwalt in Linz, der Beschluss des Bezirksgerichtes Linz vom 16. Dezember 1998, GZ 2 P 1900/95v-203, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Der Vater wurde zuletzt mit Beschluss des Erstgerichts vom 4. 5. 1993 (ON 74) zu einer monatlichen Unterhaltszahlung von S 4.500 an die Minderjährige verpflichtet. Am 20. 9. 1996 beantragte diese, den vom Vater zu leistenden monatlichen Unterhalt ab 1. 10. 1993 auf monatlich S 8.000 zu erhöhen (ON 115). Am 10. 12. 1996 dehnte sie ihr Begehren für die Zeit ab 1. 12. 1996 auf monatlich S 9.000 aus (ON 127).

Das Erstgericht verpflichtete den Vater zu monatlichen Unterhaltsleistungen, und zwar vom 1. 10. 1993 bis 31. 12. 1993 von S 6.900, vom 1. 1. 1994 bis 15. 11. 1995 von S 7.000, vom 16. 11. 1995 bis 30. 11. 1996 von S 8.000 und vom 1. 12. 1996 bis 31. 12. 1996 von S 8.300, wies das Mehrbegehren ab und behielt die Entscheidung über die Unterhaltsansprüche ab 1. 1. 1997 vor. Der Vater habe jährliche Nettoeinkünfte (einschließlich des Kinderzuschusses der Sozialversicherungsanstalt der Gewerblichen Wirtschaft und der Kinderunterstützung der Ärztekammer für Oberösterreich) in Höhe von S 592.000 im Jahr 1993, S 601.000 im Jahr 1994, S 605.000 im Jahr 1995 und S 627.000 im Jahr 1996 bezogen habe. Daraus errechne sich ein monatliches Nettoeinkommen von S 49.333 für das Jahr 1993, von S 50.083 für das Jahr 1994, von S 50.416 für das Jahr 1995 und von S 52.250 für das Jahr 1996. Zinseinkünfte seien ebenso wenig feststellbar wie nennenswertes Vermögen außer einer Eigentumswohnung. Der Vater sei noch für zwei volljährige Kinder sorgepflichtig. Der Unterhaltsanspruch der Minderjährigen errechne sich bis zur Vollendung des 10. Lebensjahres unter Berücksichtigung der Sorgepflichten mit 14 %, danach mit 16 % des Einkommens.

Mit dem angefochtenen Beschluss änderte das Rekursgericht den erstinstanzlichen Beschluss dahin ab, dass es diesen schuldig erkannte, zusätzlich zu dem im Beschluss vom 4. 5. 1993 (ON 74) festgesetzten Unterhalt vom 1. 10. bis 31. 12. 1993 monatlich weitere S 1.100, insgesamt daher S 5.600, vom 1. 1. 1994 bis 15. 11. 1995 monatlich weitere S 1.200, insgesamt daher S 5.700, vom 16. 11. 1995 bis 31. 12. 1995 monatlich weitere S 2.000, insgesamt daher S 6.500 und vom 1. 1. 1996 bis 31. 12. 1996 monatlich weitere S 2.200, insgesamt daher S 6.700 an die Minderjährige zu bezahlen; das Mehrbegehren wies es ab und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Das Erstgericht habe sowohl den Kinderzuschuss zu der von der Sozialversicherungsanstalt der Gewerblichen Wirtschaft gewährten Erwerbsunfähigkeitspension als auch die Kinderunterstützung zur Pension der Ärztekammer beide jeweils für drei Kinder, in die Bemessungsgrundlage einbezogen. Zur Frage, ob auch Kinderzuschüsse für nicht unterhaltsfordernde Kinder in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen seien, sei die Rechtsprechung uneinheitlich. Das Rekursgericht erachte es als sachgerecht und den der Gewährung von Kinderzuschüssen zugrunde liegenden Intentionen entsprechend, nur die für das unterhaltsfordernde Kind gewährten Leistungen als Einkommensbestandteil in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen, weil diese Zuschüsse ebenso wie etwa die Familienzuschläge zum Arbeitslosengeld oder zur Notstandshilfe den Zweck hätten, den Pensionisten von tatsächlichen Unterhaltsaufwendungen für ein unterhaltsberechtigtes Kind zu entlasten. Nach Ausscheiden der für die beiden anderen Kinder bezogenen Zuschüsse verbleibe ein monatliches Nettoeinkommen von S 40.000 im Jahr 1993, von S 40.500 im Jahr 1994, von S 40.600 im Jahr 1995 und von S 42.200 im Jahr 1996. Ausgehend von den vom Erstgericht richtig angewendeten Prozentsätzen sei daher der Unterhalt neu festzusetzen.

Rechtliche Beurteilung

Dem dagegen erhobenen Rekurs der Minderjährigen kommt keine Berechtigung zu.

Der Revisionsrekurswerber bezieht zu seiner Erwerbsunfähigkeitspension von der Sozialversicherungsanstalt der Gewerblichen Wirtschaft Kinderzuschüsse gemäß § 144 GSVG (welche Bestimmung im Wesentlichen dem § 262 ASVG inhaltsgleich ist, der die Kinderzuschüsse zur Alters- und Invaliditätspension regelt). Des weiteren erhält er zu den von der Ärztekammer für Oberösterreich gewährten Leistungen Kinderunterstützungen gemäß § 67 ÄrzteG 1984 (nunmehr: § 101 ÄrzteG 1998). Nach den genannten Bestimmungen ist der jeweilige Leistungsempfänger auch Bezugsberechtigter der Kinderzuschüsse und der Kinderunterstützung. Gesetzliche Regelungen über die Anrechenbarkeit dieser Einkünfte auf die Unterhaltspflicht des Bezugsberechtigten bestehen nicht. Nach ständiger Rechtsprechung sind auch öffentlich-rechtliche Leistungen in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen und nicht aus dieser allein wegen der in der Leistung liegenden Zweckbestimmung auszuscheiden (SZ 65/126; SZ 68/157; SZ 69/33; 6 Ob 299/98h). Deshalb werden auch Sozialleistungen, die nicht dem Ausgleich eines bestimmten Mehraufwands für einen Sonderbedarf dienen oder nach gesetzlichen Bestimmungen auf den Unterhalt nicht anrechenbar sind, als Einkommen des Unterhaltspflichtigen qualifiziert und in die Bemessungsgrundlage einbezogen, wie zB die Ausgleichszulage, das Karenzurlaubsgeld, die Notstandshilfe oder die Sozialhilfe nach verschiedenen Landesgesetzen (SZ 68/157).

Der Oberste Gerichtshof hat in seiner Entscheidung 7 Ob 531/93 = ÖA 1993, 145 in einem Verfahren zur Gewährung von Ehegattenunterhalt ausgesprochen, dass der Kinderzuschuss zur Invaliditätspension gemäß § 262 ASVG nicht den Einkünften im Sinne des § 94 Abs 2 erster Satz ABGB zugezählt werden dürfe. Der Kinderzuschuss stelle zwar kein Eigeneinkommen des Kindes dar, solle aber vom Pensionsempfänger nicht für sich verwendet werden. Es liege somit ein der Familienbeihilfe gleichzustellender Anspruch vor, der nicht als frei verfügbares Einkommen dem Pensionisten überlassen werde. In seiner Entscheidung 7 Ob 620/93 hat derselbe Senat auf die Besonderheit des § 262 ASVG verwiesen, wonach Kinderzuschüsse ungeachtet einer bestehenden Unterhaltspflicht auch für Stiefkinder gebührten. Unter diesen Umständen könne eine Verfügungsbeschränkung des Stiefvaters, der von seinem leiblichen Kind auf Unterhalt in Anspruch genommen wurde, nicht angenommen werden. Vielmehr sei der Kinderzuschuss, da er keinen Sonderbedarf des Unterhaltspflichtigen decke, in die Bemessungsgrundlage einzurechnen.

In der Entscheidung 6 Ob 299/98h hatte sich der Oberste Gerichtshof abermals mit der Anrechenbarkeit von Kinderzuschüssen zu Pensionen nach dem ASVG auseinanderzusetzen. Er zog aus der in der erstgenannten Entscheidung des 7. Senates vorgenommenen Gleichstellung der Kinderzuschüsse mit der Familienbeihilfe den Schluss, dass auch dieser Senat der Auffassung sei, ein Kinderzuschuss für das unterhaltsberechtigte Kind müsse in die Bemessungsgrundlage einbezogen werden. Der 6. Senat führte in seiner die Legalzession eines für das unterhaltsfordernde Kind ausbezahlten Kinderzuschusses behandelnden Entscheidung weiter aus, die Kinderzuschüsse zu den Pensionen (Alters- oder Invaliditätspension) oder zur Versehrtenrente nach dem ASVG seien, da sie als finanzielle Hilfe zur Erfüllung von Unterhaltspflichten zu beurteilen seien, als Einkommensbestandteile bei der Unterhaltsbemessung zu berücksichtigen, ohne dass das Kind - wie auch nach der Judikatur zur Familienbeihilfe - einen direkten Anspruch auf Herausgabe der Zuschüsse habe.

Es ist in Lehre und Rechtsprechung unstrittig, dass die Familienbeihilfe zwar dem Unterhaltspflichtigen ausbezahlt wird und Bestandteil von dessen Einkommen ist, dass sie aber für den Unterhalt bzw die Pflege des Kindes verwendet werden muss (Pichler in Rummel ABGB2 § 140 Rz 12b; Purtscheller/Salzmann, Unterhaltsbemessung Rz 229; SZ 59/19; ÖA 1997, 190; 6 Ob 299/98h). Der Staat verfolgt mit der Gewährung der Familienbeihilfe einen doppelten Zweck: einerseits den Mindestunterhalt des Kindes zu gewährleisten und andererseits die Eltern von ihrer Unterhaltspflicht zu entlasten (RZ 1992/69). In Anbetracht dieser Zielsetzung hat der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen, dass die Familienbeihilfe nur dann Teil der Bemessungsgrundlage sei, wenn sie für das unterhaltsfordernde Kind gewährt werde (4 Ob 517/93; 8 Ob 1661/93; 10 Ob 2018/96d).

Im Einklang mit der Vorjudikatur, die immer wieder die Parallelen zwischen Familienbeihilfe und Kinderzuschuss betont, erscheint es sachgerecht, den zur Pension gewährten Kinderzuschuss ebenso wie die Kinderunterstützung durch die Ärztekammer jeweils in Befolgung der Zweckwidmung nur dann dem Einkommen des Unterhaltspflichtigen einzurechnen, wenn die Zahlung für das Kind gewährt wird, dessen Unterhalt zu bemessen ist.

Dem Revisionsrekurs ist ein Erfolg zu versagen.

Stichworte