OGH 15Os156/99

OGH15Os156/9919.11.1999

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. November 1999 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker und Dr. Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Horvath als Schriftführer, in der beim Landesgericht Linz zum AZ 16 Vr 974/99 anhängigen Strafsache gegen Dietmar S***** wegen des Verbrechens des versuchten Mordes nach §§ 15, 75 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über dessen Grundrechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz vom 20. September 1999, AZ 9 Bs 161/99 (ON 58 des Vr-Aktes), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Dietmar S***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Mit Beschluss vom 20. September 1999, AZ 9 Bs 161/99, gab das Oberlandesgericht einer Beschwerde des Dietmar S***** gegen die vom Untersuchungsrichter am 30. August 1999 (neuerlich) verlängerte (am 4. Juni 1999 verhängte) Untersuchungshaft keine Folge und setzte diese nach § 180 Abs 7 StPO (aus den nicht auszuschließenden Haftgründen der Flucht- und Tatbegehungsgefahr) fort.

Gegen den Beschuldigten richtet sich der dringende Verdacht, das Verbrechen des versuchten Mordes und der Verdacht, das Verbrechen der versuchten Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 1 und Abs 3 zweiter Fall StGB (S 3 und 3 b/I) dadurch begangen zu haben, daß er am 24. Mai 1999 in Ansfelden die 16jährige Nina N***** zu töten versuchte, indem er sie mehrfach bis zur Bewußtlosigkeit würgte und ihr mit einem Messer schwerste Schnittwunden am Hals und an beiden Unterarmen zufügte, sowie am 24. Mai 1999 im Großraum Linz Nina N***** mit Gewalt, indem er sie von ihrem Fahrrad zerrte, in sein Fahrzeug verbrachte, sie mehrmals bis zur Bewusstlosigkeit würgte, ihr das T-Shirt über die Brust schob und ihren Körper betastete, zur Duldung des Beischlafs oder einer dem Beischlaf gleichzusetzenden Handlung zu nötigen versuchte.

Der dagegen erhobenen Grundrechtsbeschwerde, mit der sowohl das Vorliegen des dringenden Tatverdachtes bestritten als auch eine unrichtige Beurteilung des Ausschlusses der Haftgründe der Flucht- und Tatbegehungsgefahr, somit der Wegfall der Haftgrundlage nach § 180 Abs 7 StPO, behauptet wird, kommt keine Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Soweit die Grundrechtsbeschwerde auf die Argumentation in der an das Oberlandesgericht gerichteten Beschwerde vom 2. September 1999 (ON 51) und den Inhalt eines (als "Rechtfertigung zugleich Enthaftungsantrag" bezeichneten) Schriftsatzes (ON 41) verweist, ohne auf die - gerade dieses prozessuale Vorbringen betreffenden - Ausführungen der angefochtenen Entscheidung zum Vorliegen der die Annahme der Haftgründe rechtfertigenden bestimmten Tatsachen einzugehen, verfehlt sie eine Ausrichtung am Gesetz (§§ 3 Abs 1 und 10 GRBG iVm §§ 281 Abs 1 Z 5 und 5a, 285a Z 2 zweiter Halbsatz StPO; EvBl 1997/61, 13 Os 189/98, 11/99, 12 Os 75/97, 11 Os 160,161/98, zuletzt 13 Os 71/99 und 13 Os 135/99 uam) und ist daher insoweit unzulässig (vgl Hager/Holzweber GRBG E 12 und Mayrhofer/E. Steininger GRBG Rz 12 je zu § 3).

Mit dem Hinweis auf die unrichtige Würdigung der "bisher schriftlich und mündlich vorgetragenen Argumente auch vom Oberlandesgericht" verkennt die Beschwerde zum einen, dass es dem Obersten Gerichtshof verwehrt ist, im Rahmen der Prüfung einer Grundrechtsbeschwerde auch nur durch den Anschein einer vorwegnehmenden Würdigung der die Verdachtsintensität tragenden Sachverhaltsprämissen der freien richterlichen Beweiswürdigung in einem allfälligen Erkenntnisverfahren vorzugreifen. Zum anderen vernachlässigt der Beschwerdeführer, wenn er die einzelnen Indizien aus dem Gesamtzusammenhang löst und isoliert zu entkräften trachtet, das Hauptargument des Beschwerdegerichtes, wonach es gerade aus deren Zusammentreffen (Aussage des Tatopfers vor dem Landesgendarmeriekommando für Oberösterreich und vor Gericht, Ergebnis einer DNA-Untersuchung eines im Fahrzeug des Beschwerdeführers aufgefundenen Haares des Opfers durch das Institut für gerichtliche Medizin, Faservergleichsuntersuchung durch die KTZ, niederschriftliche Angaben der Zeugen Harald F*****, Astrid W***** sowie Edeltraud und Ferdinand M*****) die Dringlichkeit des Tatverdachtes abgeleitet hat.

Zudem stellt die Grundrechtsbeschwerde bloß eigene Beweiswerterwägungen zu den vom Oberlandesgericht aktengetreu (auch bezüglich der Anzahl der aufgefundenen Haare - S 337/II) dargelegten (Beschluss S 3 f), gegen den Beschuldigten sprechenden Umständen an, womit sie aber keine Begründungsmängel oder sich aus den Akten ergebende Bedenken (§ 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO) gegen die Annahmen des Gerichtshofes zweiter Instanz aufzuzeigen vermag. Der Oberste Gerichtshof kommt bei der hier aktuellen Prüfung, ob der der rechtlichen Beurteilung im angefochtenen Beschluss unterstellte Sachverhalt in den bisherigen Verfahrensergebnissen Deckung findet, zum Ergebnis, dass die Sachverhaltsprämissen des angefochtenen Beschlusses unbedenklich sind.

Zu Recht hat das Oberlandesgericht aber auch bei bestehendem dringenden Mordversuchsverdacht die Haftvoraussetzungen des § 180 Abs 7 StPO als gegeben erachtet und - unter Anlegung eines strengen Maßstabes (vgl 12 Os 134/95 - mit Bezugnahme auf das bei der mit besonderer Brutalität und Gefühlskälte verübten Tat an einer fremden, minderjährigen Radfahrerin zutage getretene hohe Aggressionspotential im Zusammenhang mit der massiven Verleugnungstendenz des Beschuldigten den Ausschluss des Haftgrundes der Tatbegehungsgefahr begründet verneint. Weder die Behauptung, der Beschuldigte habe sich noch nie abartig verhalten, noch das Vorbringen, "gerade die Bestialität und Abartigkeit der angelasteten Einzelheit läßt im Zusammenhang mit meinem Charakter keinerlei seriöse Wiederholungsprognose zu", stellen konkrete Tatsachen dar, die angesichts der gegenständlichen Fallkonstellation den angeführten Haftgrund ausschließen oder dessen Substituierbarkeit indizieren.

Im Hinblick auf den nicht auszuschließenden Haftgrund der Tatbegehungsgefahr erübrigt sich im Grundrechtsbeschwerdeverfahren die Prüfung weiterer Haftgründe (Hager/Holzweber aaO§ 2 E 24) und somit ein Eingehen auf das Beschwerdevorbringen zur Fluchtgefahr.

Dietmar S***** wurde daher in seinem Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt, weshalb die Grundrechtsbeschwerde ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen war.

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