OGH 1Ob265/99y

OGH1Ob265/99y27.10.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Dr. Prückner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1) Dr. Dkfm. Herbert E*****, 2) Gertrud E*****, 3) Dipl. Ing. Harald W*****, 4) Dipl. Ing. Dorothea G*****, 5) Dr. Manfredo R*****, Italien, 6) Manfredi R*****, Italien, und 7) Edda Christina R*****, Italien, alle vertreten durch Dr. Arno Kempf, Rechtsanwalt in Spittal/Drau, wider die beklagte Partei T***** Aktiengesellschaft, Salzburg, Rainerstraße 29, vertreten durch Endl & Pressl, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen 425.000 S sA, Entfernung (Streitwert 25.000 S) und Feststellung (Streitwert 50.000 S) infolge ordentlichen Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 16. Juni 1999, GZ 6 R 94/99g-16, womit infolge Rekurses der klagenden Partei der Beschluß des Landesgerichts Salzburg vom 4. Februar 1999, GZ 9 Cg 125/97a-12, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die klagenden Parteien haben die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Das Erstgericht sprach aus, daß "hinsichtlich des Begehrens auf

Leistung einer vertraglichen Pauschalentschädigung in Höhe von

417.846 S und dem (des) Entfernungsbegehren(s) ... das örtlich

zuständige BG im Außerstreitverfahren zuständig" sei und die Klage

insoweit zurückgewiesen werde; die Klage werde jedoch auch "im

übrigen Umfang ... mangels Zuständigkeit des Gerichtshofes"

zurückgewiesen.

Das Gericht zweiter Instanz sprach aus, daß "über die vorliegende

Klage ... im streitigen Verfahren zu entscheiden" sei, der Wert des

Entscheidungsgegenstands 260.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs deshalb zulässig sei, weil die Frage, ob ein gemäß § 111 Abs 3 WRG "im Zuge eines wasserrechtlichen Verfahrens getroffenes Übereinkommen" die Beurkundung in einem Bescheid der Wasserrechtsbehörde voraussetze, nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht eindeutig beantwortbar und "noch nicht an den Obersten Gerichtshof herangetragen" worden sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der beklagten Partei ist unzulässig.

1. Der erkennende Senat mußte zur Auslegung der Bestimmungen des § 117 Abs 6 und 7 in Verbindung mit § 111 Abs 3 WRG in der geltenden Fassung nach der Wasserrechtsgesetz-Novelle 1990 - also zu Fragen im Zusammenhang mit bescheidmäßig beurkundeten Übereinkommen - in den letzten Jahren mehrmals Stellung nehmen und kam in der später fortgeschriebenen (1 Ob 211/99g; 1 Ob 2/95; 1 Ob 40/94) Grundsatzentscheidung 1 Ob 27/93 (= SZ 67/6) zu folgendem Ergebnis:

a) Soweit im Übereinkommen zivilrechtliche Rechtsverhältnisse berührt werden, das heißt solche Fragen, die im Fall der Nichteinigung von der Wasserrechtsbehörde - mangels Entscheidungskompetenz - gemäß § 113 WRG auf den Zivilrechtsweg zu verweisen wären, weil sie Rechtsbeziehungen der Bürger unter sich betreffen, ist im Streitfall nach § 1 JN die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte gegeben, weil dieser Fragenkreis von § 111 Abs 3 zweiter Satz WRG nicht erfaßt wird. Solche Fragen müssen angesichts des Fehlens von Sondervorschriften im streitigen Verfahren ausgetragen werden.

b) Soweit im Übereinkommen "freiwillig" zivilrechtliche Rechte (Eigentum, Dienstbarkeiten etc) eingeräumt werden, die sonst grundsätzlich auch zwangsweise von der Behörde eingeräumt werden oder die als kraft Gesetzes eingeräumt gelten könnten (§ 72, § 111 Abs 4 WRG), entscheidet über Umfang und Inhalt der eingeräumten Rechte - nicht der allenfalls in diesem Zusammenhang vereinbarten Entschädigungen etc - die Wasserrechtsbehörde und nur im Rahmen der "sukzessiven Zuständigkeit" nach § 117 Abs 4 und Abs 6 WRG - also über Fragen der Leistung von Entschädigungen, Ersätzen, Beiträgen und Kosten in Ermangelung einer Vereinbarung - das Gericht; für dieses ist das Verfahren außer Streitsachen die maßgebliche Verfahrensnorm.

c) Soweit im Übereinkommen im Zuge eines wasserrechtlichen Verfahrens Leistungen ausbedungen werden, die als "Entschädigungsleistungen" oder "Ersatz- oder Beitragsleistungen" iS von § 117 WRG zu deuten sind, entscheidet im Streitfall über die Auslegung oder die Rechtswirkungen eines solchen Übereinkommens gemäß § 117 Abs 7 WRG ohne vorherige Befassung der Wasserrechtsbehörde ausschließlich das Gericht. Auch in diesem Fall ist das Verfahren außer Streitsachen die maßgebliche Verfahrensnorm.

Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung wurde bereits die Zulässigkeit des Rechtswegs in Abgrenzung der Kognition der Gerichtsbarkeit und der Verwaltung mit dem Beschluß des Gerichts zweiter Instanz vom 25. Juni 1998 (ON 9) rechtskräftig bejaht. Im nunmehrigen Zwischenstreit über die von den Vorinstanzen gemäß § 40a JN gefällte Entscheidung ist daher nur noch die Kompetenzgrenze zwischen dem streitigen und dem außerstreitigen Verfahren bedeutsam; auch diese Frage ist schon auf Grundlage der eingangs zitierten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs lösbar. Sie kann sich bei Streitigkeiten aus einem Vertrag überhaupt nur dann stellen, wenn ein solches Übereinkommen im Zuge eines wasserrechtlichen Verfahrens in einem wasserbehördlichen Bescheid beurkundet und erst kraft eines solchen Hoheitsakts zu einem Übereinkommen im Sinne des § 111 Abs 3 WRG wurde.

Dieses Ergebnis stützt überdies schon die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Rechtslage vor der Wasserrechtsgesetz-Novelle 1990, als die Wasserrechtsbehörde noch alle Übereinkommen im Zuge eines wasserrechtlichen Verfahrens - von Amts wegen und nicht bloß auf Parteiantrag wie seit dieser Novelle - bescheidmäßig zu beurkunden hatte. Wurde der Wasserrechtsbehörde ein solches Übereinkommen dagegen nicht mitgeteilt und unterblieb deshalb seine Beurkundung mittels Bescheids, so kamen "nur mehr zivilrechtliche Folgen in Betracht" (SZ 60/84 mwN), nach denen die hier bedeutsame Abrenzungsfrage gar nicht mehr aufgeworfen wurde, konnten und können doch Streitigkeiten aus solchen Verträgen und über Schadenersatzansprüche nach allgemeinem bürgerlichen Recht nur im streitigen Rechtsweg ausgetragen werden. Solche Materien fallen - ohne Grenzfragen zu berühren - in den Kernbereich der streitigen Gerichtsbarkeit.

Auch Parteierklärungen, die als "Übereinkommen" in einem wasserbehördlichen Bescheid beurkundet werden, aber keine "korrespondierenden Willenserklärungen mit Bindungswillen" enthalten, also von den Vertragsparteien "nicht schriftlich ausformuliert" oder nicht unterschrieben wurden, waren und sind nicht als Übereinkommen im Sinne des § 111 Abs 3 WRG zu qualifizieren. Daher gehören selbst Streitigkeiten über solche bescheidmäßig beurkundeten Parteierklärungen, mag sich schließlich auch deren rechtsgeschäftlicher Charakter herausstellen, auf den streitigen Rechtsweg (1 Ob 2/95).

Aus dieser Praxis des Obersten Gerichtshofs ergibt sich zusammenfassend, daß über Streitigkeiten aufgrund eines im Zuge eines wasserbehördlichen Verfahrens geschlossenen Parteiübereinkommens, das der Beurkundung in einem wasserbehördlichen Bescheid entbehrt, aber auch über solche aufgrund von Schadenersatzansprüchen nach allgemeinem bürgerlichen Recht - gleichviel, ob ex contractu oder ex delicto - im streitigen Rechtsweg zu verhandeln und zu entscheiden ist.

2. Der Streitgegenstand ist nach herrschender Ansicht zweigliedrig;

er wird durch das Begehren und das ihm zugrunde gelegte Tatsachenvorbringen - den Klagegrund - bestimmt (SZ 68/220; SZ 64/71;

SZ 63/43; SZ 59/14; SZ 48/113 uva; Fasching, ZPR2 Rz 1158; Rechberger in Rechberger, Kommentar zur ZPO Rz 15 Vor § 226) und ist auch für die Beurteilung der Zulässigkeit des Rechtswegs maßgebend. Entscheidend ist also die Natur und das Wesen des geltend gemachten Anspruchs. Danach ist zu beurteilen, ob über den eingeklagten Anspruch die Zivilgerichte im streitigen Verfahren zu entscheiden haben (SZ 68/220; SZ 61/88; SZ 58/156; JBl 1973, 155; SZ 36/115; MietSlg 23.613 uva).

2. 1. Im Anlaßfall sind für die Beantwortung der Frage nach der Zulässigkeit des streitigen Rechtswegs die unter 1. dargestellten Erwägungen ausschlaggebend. Die klagenden Parteien stützen das Klagebegehren zum einen auf einen vertraglichen Entschädigungsanspruch zufolge des in keinem wasserbehördlichen Bescheid beurkundeten Übereinkommens der Streitteile vom 21. Februar 1995, zum anderen aber auch auf den Titel des Schadenersatzes. Über solche Klagegründe ist nach der unter 1. und 2. erläuterten Rechtslage im streitigen Rechtsweg zu verhandeln und zu entscheiden.

2. 2. Die Einwendung der beklagten Partei, über den geltend gemachten Entschädigungsanspruch hätte in Ermangelung einer Vereinbarung der Streitteile die Wasserrechtsbehörde abzusprechen gehabt, ist bedeutungslos, weil nicht zu klären ist, welche Lösung sich ohne einen Vertrag der Streitteile ergeben hätte. Aus dem Argument, die Wasserrechtsbehörde habe sich in der Entschädigungsfrage - nach den getroffenen Feststellungen - im Bescheid vom 25. April 1995 sogar die Erlassung eines "Nachtragsbescheides" (§ 117 Abs 2 WRG) vorbehalten, ist für den Prozeßstandpunkt der beklagten Partei gleichfalls nichts zu gewinnen, weil die hier begehrte Entschädigungsleistung sowie das Entfernungsbegehren aus dem Vertrag vom 21. Februar 1995 abgeleitet werden und das Klagebegehren sonst auf Schadenersatz als Klagegrund beruht.

Somit beruht der angefochtene, jedoch zutreffende Beschluß auf einer gesicherten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs. Dieser Streitfall ist demgemäß kein Anlaß für eine Weiterentwicklung der zur Abgrenzung der streitigen von der außerstreitigen Gerichtsbarkeit bereits geprägten Grundsätze.

Der Oberste Gerichtshof ist gemäß § 526 Abs 2 ZPO bei der Prüfung der Zulässigkeit des Revisionsrekurses an die Beurteilung des Gerichts zweiter Instanz über das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO nicht gebunden. Wie aus den voranstehenden Ausführungen folgt, ist hier keine entscheidungswesentliche erhebliche Rechtsfrage zu lösen, weshalb das Rechtsmittel der beklagten Partei zurückzuweisen ist.

3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 40, 41 ZPO in Verbindung mit § 50 Abs 1 ZPO. Danach haben die klagenden Parteien die Kosten ihrer Rekursbeantwortung selbst zu tragen, weil sie einen Hinweis auf den bestehenden Zurückweisungsgrund unterließen und der erstattete Schriftsatz einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung demnach nicht dienlich war.

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