OGH 7Ob6/99d

OGH7Ob6/99d20.10.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Dr. Huber, Hon-Prof. Dr. Danzl und Dr. Schaumüller als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Klemens D*****, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der Eva B*****, gegen die beklagte Partei Rosa H*****, vertreten durch Dr. Heinz Buchmayr, Rechtsanwalt in Linz, wegen Räumung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 25. September 1998, GZ 11 R 271/98v-12, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Linz vom 7. Mai 1998, GZ 15 C 1208/97f-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 2.436,48 (darin enthalten S 406,08 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die am 30. 9. 1976 verstorbene Armida K***** war Eigentümerin des Hauses N*****straße 1 in L*****. In ihrem Testament vom 20. 11. 1975 setzte sie folgendes Legat aus:

"Die Ehegatten H***** (dies waren die Beklagte und ihr Ehemann) haben ein lebenslanges, unentgeltliches Wohnrecht in der von ihnen zuletzt innegehabten Wohnung im zweiten Stockwerke des Hauses N*****straße 1. Auch sind sie berechtigt, für den Eigengebrauch Obst vom Garten zu entnehmen. Sollte eine Wohnung im ersten Stockwerke des Hauses frei werden, sind die Ehegatten H***** berechtigt, diese in Anspruch zu nehmen. Die Türen und Fenster sind auf Wunsch der Ehegatten H***** entsprechend zu erneuern."

In der Folge machte die Beklagte von ihrem Recht Gebrauch, in die freigewordene Wohnung im ersten Stock des Hauses zu ziehen. Ein Wohnungsrecht wurde nicht verbüchert.

Mit Kaufvertrag vom 31. 10. 1984 erwarb Eva B***** 226/892-stel Anteile an der Liegenschaft, mit denen unter anderem das Wohnungseigentum an der von der Beklagten benützten Wohnung verbunden ist. Am 3. 5. 1995 wurde über das Vermögen der Eva B***** das Konkursverfahren eröffnet und der Kläger zum Masseverwalter bestellt.

Dieser begehrt die Räumung der Wohnung. Das bloß obligatorisch eingeräumte Wohnrecht stelle nach Konkurseröffnung keinen gültigen Titel für die Wohnungsbenützung dar. Der Erwerb einer Dienstbarkeit mit dinglicher Wirkung setze die Einverleibung im Grundbuch voraus, die hier nicht erfolgt sei. Das Wohnrecht sei gemäß § 14 KO zu behandeln. Die Beklagte weigere sich trotz Aufforderung, die Wohnung zu räumen.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Räumungsbegehrens und wendete ein: Ihr sei im Legat ein dingliches Wohnrecht eingeräumt worden, dem alle Rechtsnachfolger der Legatarin zugestimmt hätten. Das Wohnrecht könne jedenfalls nicht schwächer sein als ein dem MRG unterliegendes Mietrecht, sodaß die Bestimmungen des MRG über die Auflösung von Mietverhältnissen analog anzuwenden seien. Der Konkurs der Gemeinschuldnerin sei kein Auflösungsgrund.

Das Erstgericht gab dem Räumungsbegehren statt. Die letztwillige Verfügung liefere zwar Anhaltspunkte dafür, daß Armida K***** der Beklagten eine dingliche Rechtsposition verschaffen habe wollen. Die aus dem Legat resultierende Verpflichtung, der Beklagten ein unentgeltliches und lebenslanges Wohnrecht einzuräumen, hätten die Rechtsnachfolger der Armida K***** und in weiterer Folge auch Eva B***** übernommen. Dessen ungeachtet könne aber die Absicht, ein dingliches Wohnrecht einzuräumen, die notwendige bücherliche Einverleibung zum Erwerb nicht ersetzen. Durch die Konkurseröffnung über das Vermögen der Eva B***** habe sich der Anspruch der Beklagten gemäß § 14 KO in eine vom Konkurs betroffene Geldforderung in Höhe des Schätzwertes verwandelt. Die Beklagte habe ab Konkurseröffnung keine Berechtigung mehr zur Nutzung der Wohnung.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 52.000 übersteige und daß die ordentliche Revision zulässig sei. Ein Mietverhältnis liege mangels Entgeltlichkeit nicht vor, sodaß § 24 KO nicht anwendbar sei. Aus der letztwilligen Anordnung ergäben sich zwar keine Anhaltspunkte dafür, daß die Erblasserin die Verbücherung des Wohnrechtes nicht gewollt habe, sodaß gemäß § 479 ABGB von einem dinglichen Wohnrecht auszugehen sei. Der Anspruch auf Einverleibung bestehe in einem solchen Fall auch ohne besondere Vereinbarung oder Anordnung. Das dingliche Wohnrecht entstehe allerdings grundsätzlich erst mit der Verbücherung. Von einer Offenkundigkeit des Wohnrechtes sei nicht auszugehen. Es bestehe daher auch kein außerbücherliches dingliches Recht der Beklagten, das als absolutes Recht gegen jedermann wirke und das der Masseverwalter gegen sich gelten lassen müßte. Solange es zu keiner Verdinglichung gekommen sei, habe die Beklagte bloß einen obligatorischen Wohnungsbenützungsanspruch, für den § 14 KO maßgebend sei. Mit der Konkurseröffnung könne die Beklagte nur noch ihren Anspruch in Form eines Geldanspruches geltend machen.

Die ordentliche Revision sei gemäß § 502 Abs 1 ZPO zulässig, weil keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage der Auswirkung der Konkurseröffnung auf ein nicht verbüchertes Wohnrecht vorliege.

Die Revision der Beklagten ist aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig. Sie ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Vorinstanzen haben in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung dargestellt, daß und warum im vorliegenden Fall von der Einräumung eines dinglichen Wohnrechtes im Sinne der §§ 478, 521 ABGB und nicht bloß von einem obligatorischen Wohnrecht auszugehen ist. Von einem dinglichen Wohnrecht ist immer dann auszugehen, wenn die Umstände insgesamt den Schluß rechtfertigen, daß ein gegen jedermann wirksames Recht eingeräumt werden sollte. Die Einräumung eines Wohnungsgebrauchsrechtes bloß obligatorischer Natur ist nur ausnahmsweise anzunehmen (7 Ob 605/89 = RZ 1992/82; 7 Ob 547/95; 4 Ob 545/95; 7 Ob 183/98g ua). Wie das Berufungsgericht zutreffend dargestellt hat, liegen hier keine Anhaltspunkte dafür vor, daß die Erblasserin ein bloß obligatorisches Wohnungsgebrauchsrecht der Legatare im Auge hatte. Dadurch, daß das Berufungsgericht zur Untermauerung dieser Ansicht auch auf die Auslegungsregeln der §§ 914 f ABGB verwiesen hat, kann sich die Beklagte letztlich nicht beschwert erachten.

Die Revision weist zutreffend darauf hin, daß das Erstgericht - wenn auch im Rahmen seiner Rechtsausführungen - unbekämpft die Feststellung getroffen hat, daß die Rechtsnachfolger der Legatarin einschließlich der Gemeinschuldnerin das Wohnrecht der Beklagten übernommen haben. Eine aufgrund eines gültigen Titels eingeräumte, nicht verbücherte Servitut bindet inter partes, wirkt aber auch gegen den Gesamtrechtsnachfolger und bei Übernahme gegen den Einzelrechtsnachfolger und gibt dem Berechtigten in diesen Fällen den Anspruch auf Verbücherung (Petrasch in Rummel 2 II, Rz 2 zu § 481 ABGB mwN; MietSlg 42.025; MietSlg 47.138). Infolge der vom Erstgericht unbekämpft festgestellten Übernahme des Wohnrechtes der Beklagten durch sämtliche Rechtsnachfolger der Legatarin einschließlich der Gemeinschuldnerin kommt es daher im Gegensatz zur Ansicht der Vorinstanzen auf die Frage der Offenkundigkeit des Wohnrechtes nicht an.

Ungeachtet der Übernahme des als dinglich vermachten Wohnrechtes durch die Rechtsnachfolger der Legatarin haben die Vorinstanzen jedoch zu Recht die Anwendbarkeit des § 14 KO bejaht.

Eine Verbücherung des vorliegenden Wohnrechtes könnte die Beklagte ab Konkurseröffnung trotz grundsätzlicher Verpflichtung der jeweiligen übernehmenden Einzelrechtsnachfolger, in dessen Verbücherung einzuwilligen, infolge der Grundbuchssperre des § 13 KO nicht mehr erreichen. Demnach setzt eine grundbücherliche Eintragung nach der Konkurseröffnung voraus, daß sich ihr Rang nach einem Tag vor der Konkurseröffnung bestimmt, wobei für die Beurteilung des Ranges nach § 13 KO die allgemeinen Vorschriften des Grundbuchsrechtes (§ 29 GBG) und damit - mangels Ranganmerkung - der Zeitpunkt der Einbringung des Gesuches beim Grundbuchsgericht maßgebend ist (EvBl 1993/72 ua). Diese Voraussetzung liegt hier aber nicht vor.

Rechtsprechung und Lehre erkennen zwar bei der Doppelveräußerung dem ersten Käufer gegen den zweiten Käufer, der zuerst das bücherliche Recht erworben hat, nach schadenersatzrechtlichen Grundsätzen einen Herausgabeanspruch zu (SZ 56/140 ua; Spielbüchler in Rummel 2 I, Rz 11 zu § 431 ABGB mwN). Eine Heranziehung dieser Grundsätze in dem Sinn, daß das nicht verbücherte, allerdings dinglich begründete und von der Gemeinschuldnerin auch übernommene Wohnrecht der Beklagten auch gegenüber den Konkursgläubigern wirken müßte, kommt jedoch nicht in Betracht. Die Konkursgläubiger beabsichtigen nicht, die Liegenschaftsanteile (Eigentumswohnung) zu erwerben. Es steht vielmehr eine Verwertung der Liegenschaftsanteile und die Verteilung des Erlöses an, sodaß Konkursgläubiger keine mit Liegenschaftserwerbern vergleichbare Rechtsposition, sondern vielmehr eine mit (gutgläubigen) Pfandgläubigern vergleichbare Rechtsposition einnehmen. Die Frage der Gut- oder Schlechtgläubigkeit ist im Konkursfall ebensowenig von Bedeutung wie die Frage der Offenkundigkeit der Servitut.

Gläubigern des Eigentümers gegenüber setzt sich der bloß außerbücherliche Übernehmer weder in der Exekution noch in der Insolvenz durch (Spielbüchler aaO mit Judikaturnachweisen). Dasselbe muß für ein bloß außerbücherlich erworbenes Wohnrecht gegenüber Konkursgläubigern des Wohnungseigentümers gelten.

Zum sachenrechtlichen Erwerb des Legates bedarf es des Verfügungsgeschäftes, also bei Rechten an unbeweglichen Sachen der Eintragung im Grundbuch (§§ 684, 688 letzter Satz, 437 ABGB). Das Legat gewährt dem Bedachten bloß einen Verschaffungsanspruch, der einen Aussonderungsanspruch (oder Absonderungsanspruch) nicht begründen kann. Der Umstand, daß die Beklagte die Eigentumswohnung bereits benützt, könnte selbst dann nichts an diesen Grundsätzen ändern, wenn ihr die Wohnung nicht bloß als Wohnungsberechtigte zur Benützung, sondern sogar zur Eigentumsverschaffung übertragen worden wäre (vgl SZ 42/187). Ein Aussonderungs- oder Absonderungsrecht der Beklagten im Konkurs der Gemeinschuldnerin kommt daher nicht in Betracht.

Wie bereits das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist eine analoge Anwendung des § 24 KO, wonach der Masseverwalter in den Bestandvertrag eintritt, auf das vorliegende Wohnrecht der Klägerin schon wegen dessen Unentgeltlichkeit ausgeschlossen. Die weitreichenden gesetzlichen Schutzbestimmungen betreffend den Wohnungsinhaber setzen jeweils einen Mietvertrag und damit dem Wesen nach Entgeltlichkeit der Gebrauchsüberlassung voraus. Der Sachverhaltsunterschied zwischen dem im § 24 KO geregelten Fall (Bestandvertrag und daher Entgeltlichkeit) und dem hier zu beurteilenden Fall (unentgeltliches Wohnrecht) ist nach den erkennbaren rechtlichen Wertungsmaßstäben (vgl F. Bydlinski in Rummel 2 I, Rz 3 zu § 7 ABGB) keineswegs unbedeutend. Eine planwidrige Lücke, die primäre Voraussetzung der ergänzenden Rechtsfindung wäre, ist darin, daß im § 24 KO nur von den Bestandverträgen und nicht auch von den unentgeltlichen Gebrauchsrechten die Rede ist, nicht zu erkennen. Maßstab kann nur die gesamte geltende Rechtsordnung sein, die hinsichtlich des zu beurteilenden Falles eine planwidrige Unvollständigkeit erkennen läßt (F. Bydlinski aaO, Rz 2 zu § 7 ABGB mit Judikaturnachweisen). Das Berufungsgericht hat in diesem Sinne zutreffend darauf hingewiesen, daß nach der geltenden Rechtsordnung unentgeltliche Rechtsgeschäfte in vielfacher Hinsicht anderen Regeln als die entgeltlichen unterworfen wurden und grundsätzlich geringere Bestandsgarantie haben (Koziol/Welser, Grundriß10 I, 100 und die dort angeführten Beispiele).

Die Vorinstanzen sind daher zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, daß das Wohnrecht der Beklagten dem § 14 KO unterliegt (Bartsch/Pollak 3, KO, AO, Anm 2 zu § 14 KO und Anm 3 zu § 14 AO). Das Räumungsbegehren des Masseverwalters erweist sich daher als berechtigt, sodaß die angefochtenen Entscheidungen zu bestätigen waren.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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