OGH 1Ob114/99t

OGH1Ob114/99t5.8.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Heinz W*****, wider die beklagte Partei Verlassenschaft nach dem am 26. März 1997 verstorbenen Roland J*****, vertreten durch den Verlassenschaftskurator Dr. Manfred Schreiber, öffentlicher Notar, Wien 19, Döblinger Hauptstraße 7, dieser vertreten durch Dr. Franz Bixner jun., Rechtsanwalt in Wien, wegen 318.372 S sA infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 12. Februar 1999, GZ 12 R 14/99p-13, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die vom klagenden Rechtsanwalt als "Untergerichte" bezeichneten Vorinstanzen wiesen die Honorarklage des Klägers, der seinen verstorbenen Mandanten über viele Jahre hindurch, zuletzt in seiner strittigen Scheidungsangelegenheit, vertreten hatte, gegen dessen Verlassenschaft ab, weil die vom Kläger nach dem Freitod des Mandanten besorgten Geschäfte (Detektivarbeiten zur Aufklärung von dessen wahrer Todesursache [allenfalls Fremdverschulden] und Zeugenbefragungen, eine Sachverhaltsfeststellung an die Staatsanwaltschaft und weitere Tätigkeiten) von der dem Kläger von seinem Mandanten erteilten Prozeßvollmacht nicht gedeckt gewesen seien.

Rechtliche Beurteilung

Eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO wird im Rechtsmittel nicht ins Spiel gebracht:

a) Die Prozeßvollmacht wird zwar gemäß § 35 Abs 1 ZPO nicht mit dem Tod des Auftraggebers aufgehoben, doch geht es hier nicht um die Fortsetzung eines gerichtlichen Verfahrens.

b) Gemäß § 1022 erster Satz ABGB wird die Vollmacht - und damit nach der Systematik des ABGB auch ein allfälliges Auftragsverhältnis - "in der Regel" ua wegen des besonderen Vertrauensverhältnisses durch den Tod des Gewaltgebers aufgehoben (SZ 64/13 = JBl 1991, 520 = EvBl 1991/107; Stanzl in Klang2, IV/1 870; Strasser in Rummel2, §§ 1020 bis 1026 ABGB Rz 21). Gemäß § 1022 zweiter Satz ABGB wird dieser Grundsatz in zwei Fällen durchbrochen: Wenn sich ein angefangenes Geschäft ohne offenbaren Nachteil der Erben nicht unterbrechen läßt (erster Fall) oder wenn sich die Vollmacht selbst auf den Sterbefall des Gewaltgebers erstreckt (zweiter Fall), hat der Gewalthaber das Recht und die Pflicht, das Geschäft zu vollenden. Die erste Fallgruppe kommt hier nicht zum Tragen. Das Fortbestehen einer Vollmacht und eines Auftrags nach der zweiten Fallgruppe kann sich dabei aus der Natur des Geschäfts, aus der Absicht der Parteien und der Übung des redlichen Verkehrs ergeben (7 Ob 506/92 = ÖBA 1992, 746; RIS-Justiz RS0019921; Apathy in Schwimann2, § 1022 ABGB Rz 3 mwN). Die Leistungen des Kläger beziehen sich aber hier nicht auf die Vollendung eines bereits angefangenen "Geschäfts", sondern die Tätigkeiten, deren Honorierung der Kläger nun begehrte, wurden überhaupt erst durch den Tod des Mandanten ausgelöst. Da die Regeln des § 1022 ABGB dispositives Recht enthalten (SZ 64/13; 6 Ob 639/91 = MietSlg 44.109 mwN; RIS-Justiz RS0019941), ist es möglich, Auftrag und Vollmacht auch so zu gestalten, daß sie ohne Rücksicht auf die Voraussetzungen des § 1022 ABGB über den Tod des Geschäftsherrn hinaus fortdauern (Stanzl aaO 871 f; Strasser aaO Rz 26; Apathy aaO Rz 3 mwN). Von einem iSd Ausnahmebestimmung des § 1022 zweiter Satz ABGB über den Tod des Geschäftsherrn hinaus fortgesetzten Vollmachts- oder Auftragsverhältnis kann aber beim festgestellten Sachverhalt, der nicht einmal die Annahme eines schlüssigen Auftrags des verstorbenen Mandanten rechtfertigen könnte, keine Rede sein.

c) Bei dem Auftrag oder der Vollmacht auf den Todesfall (mandatum post mortem) geht es nicht um die Fortsetzung einer noch zu Lebzeiten des Geschäftsherrn begonnenen Geschäftsführung, sondern hier soll der Machthaber überhaupt erst nach dem Tod des Geschäftsherrn in einer bestimmten Weise tätig werden und den für den Todesfall erteilten Auftrag erfüllen (vgl dazu Apathy aaO Rz 4 mwN). Zur Annahme eines solchen Auftrags des Mandanten, nach seinem Tod die Ursachen desselben zu erforschen und dazu alles Menschenmögliche zu tun, an den Kläger fehlt aber nicht nur jedes Klagevorbringen, sondern auch jeder Hinweis im Tatsachenbereich.

d) Der Kläger, der vielleicht zu Recht nicht an einen Freitod seines Mandanten glaubte, mag es zu seinen Treuepflichten gezählt haben, den Tod seines langjährigen Mandanten aufzuklären, jedoch handelte es sich dabei auch nicht um die Erfüllung rechtsanwaltlicher Treuepflichten iSd § 9 Abs 1 RAO, wonach der Rechtsanwalt ua die Rechte seiner Partei gegen jedermann mit Eifer, Treue und Gewissenhaftigkeit zu vertreten hat, und § 10 der RL-BA 1977, wonach vornehmste Berufspflicht des Rechtsanwalts die Treue zu seiner Partei ist, wie sie sich aus einem, hier indes fehlenden Auftrag des Vollmachtgebers ergeben mögen, sondern solche rein moralischer Art. Die genannten Bestimmungen sind nur im Zusammenhang mit einem Auftrag des Mandanten zu sehen. Für eine Honorierung derartiger Leistungen durch die Verlassenschaft ohne solchen Auftrag bietet die bestehende Rechtsordnung aber keinen Rechtsgrund.

Eine Fehlbeurteilung des Rechtsfalls durch die zweite Instanz, die einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedürfte, liegt somit nicht vor. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluß nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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