OGH 6Ob639/91

OGH6Ob639/9123.1.1992

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Redl, Dr. Kellner und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verlassenschaft nach dem am ***** verstorbenen Tankred D*****, vertreten durch Dr. Michael Gnesda, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien

1.) Wilhelm S*****, und 2.) Stefan M*****, beide vertreten durch Dr. Edgar Kollmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung und grundbücherlicher Löschung, infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Korneuburg als Rekursgerichtes vom 1. Oktober 1991, GZ 5 R 257/91-11, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Haugsdorf vom 20. August 1991, GZ C 215/91 g-6, abgeändert, das Verfahren erster Instanz als nichtig aufgehoben und die Klage zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluß dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit 3.590,40 S (darin 598,40 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger Tankred D***** verstarb am ***** bei einem Flugzeugabsturz. Sein Rechtsbeistand brachte am 18. Juni 1991 gegen die Beklagten eine Klage auf Räumung einer dem Kläger gehörigen Liegenschaft und Löschung des auf der Liegenschaft den Beklagten einverleibten Bestandrechts ein und berief sich auf eine ihm erteilte Vollmacht (§ 30 Abs 2 ZPO). Die Beklagten erhoben ua den Einwand mangelnder Aktivlegitimation und mangelnder Parteifähigkeit der klagenden Partei, weil die Klage nach dem Tod des Klägers, der damit seine Parteifähigkeit verloren habe, eingebracht worden sei.

Das Erstgericht wies den Antrag der Beklagten, das Verfahren als nichtig aufzuheben und demjenigen, der die Nichtigkeit schuldhaft zu verantworten habe, die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, ab. Nach seiner Rechtsauffassung sei zwar § 35 Abs 1 ZPO nicht anwendbar, weil der Vollmachtsgeber vor Klagseinbringung verstorben sei. Durch den Hinweis des § 1022 ABGB, wonach nur "in der Regel", also nicht immer, die Vollmacht durch den Tod des Gewaltgebers aufgehoben werde, sei auf Sinn und Zweck der Klagsführung abzustellen. Vorliegend sei die Klage durchaus auch im Sinn der Verlassenschaft bzw möglicher Erben, sodaß keineswegs Bedenken an der Sinnhaftigkeit der Klagseinbringung bestünden. Es sei ausschließlich Sache des Klagevertreters, sich mit potentiellen Erben auseinanderzusetzen, inwieweit diese die Prozeßführung billigen oder nicht; dies sei ohne unmittelbaren Einfluß auf das Rechtsverhältnis zu den Beklagten.

Nach Vorlage des Rekurses der Beklagten an die zweite Instanz legte der Klagevertreter mit zugelassenem (ON 3) Schriftsatz (ON 12) - der offenbar irrtümlich nicht dem Rekursgericht nachgereicht wurde - die schriftliche Vollmacht des Verstorbenen vom 22. April 1983 vor, womit dem Klagevertreter mit dem üblichen Formulartext Prozeßvollmacht erteilt und dieser überdies ermächtigt wurde, "mich (uns) und meine (unsere) Erben in allen Angelegenheiten .... zu vertreten, Prozesse anhängig zu machen und davon abzustehen ....".

Das Rekursgericht hob das Verfahren erster Instanz als nichtig auf und wies die Klage zurück. Der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteige S 50.000,--, der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig. Nach der Rechtsansicht der zweiten Instanz sei § 35 Abs 1 ZPO unanwendbar, weil der Vollmachtsgeber vor Klagseinbringung verstorben sei. Die Voraussetzungen des § 1022 zweiter Satz ABGB lägen hier nicht vor. Infolge Erlöschens der Vollmacht des Klagevertreters durch den Tod des Vollmachtsgebers sei daher bereits im Zeitpunkt der Klagseinbringung keine wirksame Vertretung für den Kläger mehr vorgelegen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der klagenden Partei ist gerechtfertigt. Wenn die Klage wie im vorliegenden Fall erst nach dem Tode einer Person erhoben und nicht deren Nachlaß, sondern sie selbst als Partei bezeichnet wird, so ist (auch von Amts wegen) die Parteibezeichnung zu berichtigen, weil in diesem Fall keine Einführung einer neuen Partei in den Rechtstreit vorliegt (EvBl 1975/65; SZ 38/175; 5 Ob 578/83 uva; Fasching III 113). Die Rechtsprechung bejaht damit die Zulässigkeit der Behebung des Mangels der Parteifähigkeit einer im Zeitpunkt der Klagseinbringung bereits verstorbenen Partei.

Wegen des in der Bevollmächtigung liegenden besonderen Vertrauensverhältnisses wird die bürgerlich-rechtliche Vollmacht grundsätzlich durch den Tod des Machtgebers oder des Machthabers aufgelöst. Für die Prozeßvollmacht gilt (§ 35 Abs 1 ZPO), daß sie durch den Tod (§ 155 ZPO) des Vollmachtsgebers nicht aufgehoben wird. Die Frage, ob die Bestimmung des § 35 Abs 1 ZPO auch dann Anwendung findet, wenn der Vollmachtsgeber vor Einleitung des Verfahrens, zu dessen Führung er Vollmacht erteilt hat,

verstorben ist (dagegen EvBl 1967/267; EvBl 1961/96 = Arb 7307;

SZ 26/164 = JBl 1953, 417; SZ 7/290; 4 Ob 564/72 ua;

Fasching II 285; Strasser in Rummel2, §§ 1020 bis 1026 ABGB Rz 21a; Apathy in Schwimann, § 1022 ABGB Rz 2; vgl auch die weiteren Nachweise bei Stanzl in Klang2 IV/1 871 FN 14; dafür EvBl 1960/141; Stanzl in Klang2 IV/1 871), muß hier nicht entschieden werden. Denn selbst, wenn die Anwendung des § 35 Abs 1 ZPO verneinend, nach § 1022 ABGB zu prüfen ist, ob der Klagevertreter zur Einleitung und Führung des Prozesses eine Vollmacht hatte, ist das Rechtsmittel berechtigt: Die Regeln des § 1022 ABGB enthalten dispositives Recht, es ist somit möglich, Auftrag und Vollmacht so zu gestalten, daß sie ohne Rücksicht auf die Voraussetzungen des § 1022 ABGB über den Tod des Geschäftsherrn bzw Vollmachtsgebers hinaus fortdauern (EvBl 1991/107; MietSlg 36.096; Strasser aaO Rz 26; Stanzl aaO 871 f). Aktenkundig ist jetzt nicht nur die Berufung des Klagevertreters auf die ihm vom Verstorbenen erteilte Prozeßvollmacht (§ 30 Abs 2 ZPO), sondern auch die dem Klagevertreter erteilte schriftliche Prozeßvollmacht des Verstorbenen vom 22. April 1983, auf die, als eine Nichtigkeit berührend, Bedacht genommen werden muß, und die eine solche Vereinbarung über die Fortdauer der Vollmacht enthält. Der ruhende Nachlaß wird dann, soweit - wie im vorliegenden Fall - noch kein anderer Vertreter bestellt ist, vom bevollmächtigten Rechtsanwalt noch aufgrund der vom Erblasser erteilten und für die Zeit nach seinem Tod auch für die Erben wirksamen (Prozeß-)Vollmacht uneingeschränkt vertreten, ohne daß es einer abhandlungsgerichtlichen Genehmigung bedürfte (EvBl 1991/107; EFSlg 54.989; EvBl 1967/267, EvBl 1961/96, alle mwN ua).

Es liegt somit weder eine in mangelnder Parteifähigkeit (§ 6 ZPO) noch in mangelnder Prozeßvollmacht (§ 37 ZPO) beruhende Nichtigkeit vor, weshalb die Entscheidung des Erstrichters wieder herzustellen war. Es muß dann nicht mehr geprüft werden, ob die Voraussetzungen des § 1022 zweiter Satz ABGB für eine Weitergeltung der Vollmacht vorliegen und ob das Gericht zweiter Instanz vor einer Klagszurückweisung ein Verbesserungsverfahren einzuleiten gehabt hätte.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO (Obsiegen der klagenden Partei in einem Zwischenstreit). Die Bemessungsgrundlage beträgt allerdings richtig S 24.000,--, mit welchem Betrag die klagende Partei ihre Begehren nach dem RATG bewertete.

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