OGH 5Ob329/98p

OGH5Ob329/98p23.3.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Baumann und Dr. Hradil und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Franziska-Maria H*****, geboren 11. November 1982 und der mj. Sophia-Maria H*****, geboren 10. Mai 1987, und der Anna-Elisabeth H*****, geboren am 23. Dezember 1979, alle *****, alle vertreten durch Dr. Helene Klaar, Rechtsanwältin in Wien, infolge des Antrags des Dr. Friedrich H*****, vertreten durch Dr. Harald Hauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Regelung des Besuchsrechtes, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der mj. Franziska-Maria H***** und mj. Sophia-Maria H***** sowie der Anna-Elisabeth H***** gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 16. September 1998, GZ 45 R 560/98f-84, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Liesing vom 2. Juli 1998, GZ 7 P 316/97s-74, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs der Anna-Elisabeth H*****, geboren am 23. Dezember 1979 wird zurückgewiesen.

Im übrigen wird der Revisionsrekurs gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Vorinstanzen haben nach einer fast dreijährigen Unterbrechung des persönlichen Kontakts zwischen den mj. Kindern und dem Vater letzterem ein zweimaliges Besuchsrecht von jeweils einer Stunde im Abstand eines Monats in Anwesenheit eines Sozialarbeiters oder Psychologen in einem vom Amt für Jugend und Familie für den ***** Bezirk angebotenen Besuchscafe eingeräumt. Das Vater-Kinder-Verhältnis ist infolge langandauernder gerichtlicher und außergerichtlicher Auseinandersetzungen mit der schwerkranken Mutter im Zuge eines Scheidungsverfahrens tiefgreifend zerrüttet. Hinsichtlich von vier von insgesamt sechs Kindern des Ehepaares H***** stehen Mißhandlungs- und Mißbrauchsvorwürfe noch ungeklärt im Raum.

In persönlichen Anhörungen durch das Erstgericht haben die Kinder und die Mutter zwar zunächst ein Zusammentreffen mit dem Vater abgelehnt, sich aber schließlich unter Hinwirken des Erstrichters bereit erklärt, den Vater auf neutralem Boden und Zuziehung eines Psychologen bzw Sozialarbeiters zu treffen, wobei die mj. Sophia-Maria, das jüngste Kind, einem solchen Treffen nur unter der Bedingung zustimmte, daß sie ihren ältesten Bruder Robert mitnehmen könne. Auch die Mutter hat sich zuletzt nicht mehr gegen die angestrebte Besuchsrechtsregelung gewendet, war allerdings nicht bereit, die mündigen Minderjährigen dazu zu zwingen. Auch der Vater stimmte der vom Erstgericht vorgeschlagenen - eingeschränkten - Besuchsrechtsregelung zu.

Das Erstgericht traf - im Wesentlichen gestützt auf die Zustimmung der Beteiligten - die eingangs wiedergegebene Besuchsrechtsregelung.

Einem dagegen von der Mutter für die mj. Kinder erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz nicht Folge. Dies in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung, daß nur eine konkrete Gefährdung des Kindeswohls, also die Bedrohung der psychischen und physischen Integrität des Kindes bei nachweisbarer erheblicher seelischer Irritation der Kinder, die die übliche konfliktbedingte Beeinträchtigung von Kindern aus Anlaß der Trennung ihrer Eltern bei weitem übersteige, eine gänzliche Untersagung des Besuchsrechts zulässig sei (vgl ÖA 1995, 124; RZ 1982, 57/16; EF 43.253, 48.344, 51.197, 51.199, 53.941, 53.910, 71.708; JBl 1993, 44).

Liege beim gegebenen Sachverhalt eine, wenn auch nur zögerlich und über Einflußnahme abgegebene Zustimmung der mj. Kinder zur vorgeschlagenen Besuchsrechtsregelung vor und werde durch die Modalitäten des geregelten Aufeinandertreffens, insbesondere durch die Zuziehung eines Psychologen oder Sozialarbeiters und Abhaltung des Treffens auf neutralem Boden gewährleistet, daß eine erhebliche Beeinträchtigung der Minderjährigen verhindert werde, sei eine konkrete Gefährdung des Kindeswohls nicht zu befürchten.

Rechtliche Beurteilung

Mit dieser nach pflichtgemäßem Ermessen getroffenen Entscheidung haben die Vorinstanzen leitende Grundsätze der Rechtsprechung zum Wohl des Kindes nicht verletzt. Die Entscheidung steht in Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, daß nur aus besonders triftigen Gründen ein Besuchsrecht zum nicht erziehungsberechtigten Elternteil vorübergehend eingestellt werden darf, wobei konkrete Umstände die Annahme rechtfertigen müssen, das Besuchsrecht werde mißbraucht werden oder in einer dem Kind nachteiligen Weise ausgeübt werden. Die bloße Befürchtung einer Irritation des Kindes oder die angstbetonte Beziehung eines Kindes reichen für eine gänzliche Untersagung des Besuchsrechts nicht aus (vgl 8 Ob 609/84; 7 Ob 563/85; RS0047950; Schwimann Rz 10 zu § 148 ABGB mwN). Nur wenn mit der Ausübung des Besuchsrechts ganz erhebliche seelische Irritationen des Kindes verbunden sind und die tatsächliche Ausübung des Besuchsrechts beim Kind merkbare und nicht bloß vorübergehende, seinem Wohl daher abträgliche Auswirkungen zeitigt, ist das Besuchsrecht des Vaters vorübergehend zu untersagen (vgl 1 Ob 527/88; 8 Ob 596/91 ua).

In Übereinstimmung damit hat das Rekursgericht erkannt, daß im besonderen Fall eine Beschränkung des Besuchsrechts und dessen nur vorläufige Anordnung unter den festgesetzten Modalitäten Gewähr dafür bietet, daß es nicht zu abträglichen Auswirkungen gegenüber den mj. Kindern kommt und daß in Anbetracht der nicht gänzlich ablehenden Haltung der Kinder unter diesen Bedingungen erhebliche seelische Irritationen hintangehalten werden können.

Dem vermag die Revisionsrekurswerberin, die der getroffenen vorläufigen Lösung der Besuchsrechtsregelung selbst zugestimmt hat, keine nicht bedachten sachlichen oder rechtlichen Argumente entgegenzusetzen. Sie verkennt, daß es sich bei der vorliegenden Entscheidung nicht um eine dauernde Regelung des persönlichen Verkehrs zwischen den Minderjährigen und ihrem Vater handelt, welche zweifellos noch einer Verbreiterung der Feststellungsgrundlagen und der Verwertung der Erfahrung mit der vorläufigen, eingeschränkten Besuchsrechtsregelung bedürfte. Überdies kommt den von ihr aufgezeigten Umständen, die als besonders schwerwiegend eine gänzliche Versagung des Besuchsrechts rechtfertigen sollen, keine über den Einzelfall hinausgehende erhebliche Bedeutung zu.

Der außerordentliche Revisionsrekurs war daher mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG unzulässig.

Die zuvor minderjährige Anna-Elisabeth H***** hat am 23. 12. 1998 die Volljährigkeit erreicht, weshalb die bekämpfte Entscheidung ihr gegenüber keine Rechtswirkungen mehr zu zeitigen vermag. Ihr fehlt daher die auch noch im Zeitpunkt der Entscheidung vorauszusetzende Beschwer, was zur Zurückweisung ihres Rechtsmittels zu führen hatte.

Stichworte