OGH 7Ob563/85

OGH7Ob563/859.5.1985

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als weitere Richter in der Vormundschaftssache der mj. Natalie A, geboren am 6. März 1977, Bregenz, Michael Gaismayrstraße 12, vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Bregenz als Amtsvormund, infolge Revisionsrekurses der Mutter Maria A, Hausfrau, Bregenz, Michael Gaismayrstraße 12, vertreten durch Richard B, Rechtsanwalt in Bregenz, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch als Rekursgerichtes vom 8. Februar 1985, GZ. 1 a R 48/85-14, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Bregenz vom 16. Jänner 1985, GZ. P 385/81-9, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen über das Besuchsrecht des Vaters werden aufgehoben. Die Rechtssache wird in diesem Umfang zur Verfahrensergänzung und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Begründung

Die Minderjährige ist die außereheliche Tochter des Josef Maria GANDER, der seine Vaterschaft am 2. Mai 1977 vor der Bezirkshauptmannschaft Lienz anerkannte. Die Minderjährige führt durch Namensgebung nach § 165 a ABGB den Familiennamen des Ehemannes der Mutter. Der Vater hat am 22. Mai 1982 Gerlinde Maria C geheiratet. Der Ehe entstammt der am 21. Mai 1983 geborene mj. Edgar Hermann. Ein Besuchsrecht übte der Vater zu seiner außerehelichen Tochter bisher nicht aus. Am 17. September 1984 begehrte er eine Herabsetzung des gerichtlich bestimmten Unterhaltes von S 1.500 monatlich auf S 1.170

monatlich und die Regelung des persönlichen Verkehrs mit dem Kinde dahin, daß ihm an einem Sonntag im Monat in der Zeit von 13 bis 17 Uhr ein Besuchsrecht eingeräumt werde.

Die Mutter, die seit 12. Dezember 1980 verheiratet ist, und die Bezirkshauptmannschaft Bregenz traten beiden Anträgen des Vaters entgegen.

Nach der Äußerung der Bezirkshauptmannschaft Bregenz hat die Minderjährige zu ihrem Stiefvater ein sehr gutes Verhältnis und betrachtet ihn als ihren leiblichen Vater.

Das Erstgericht wies beide Anträge ab. Nach den für das Revisionsrekursverfahren, in dem Gegenstand der Beurteilung nur mehr das Besuchsrecht des Vaters ist, relevanten Feststellungen des Erstgerichtes hat sich der Vater bisher persönlich nie um das Kind gekümmert. Er hat auch nie den Versuch unternommen, Kontakt mit dem Kind aufzunehmen. Sollte das Kind nunmehr gezwungen werden, Kontakt mit dem Vater aufzunehmen, sei zu befürchten, daß es in eine Krise gerät, die seiner weiteren Entwicklung abträglich wäre. Aus dem Schreiben des Vertreters des Vaters vom 25. August 1984 ergibt sich, daß es der Vater als fraglich ansieht, ob die Inanspruchnahme des Besuchsrechtes durch ihn im Familieninteresse gelegen ist. In diesem Schreiben wird ausdrücklich darauf hingewiesen, daß der Vater auf ein Besuchsrecht verzichtet, wenn das Kind vom Ehemann der Mutter adoptiert wird. Aus diesem Schreiben ergibt sich, daß der Vater indirekt Druck auf die Mutter ausüben will, ihren Ehemann zur Adoption des Kindes zu veranlassen und eine Regelung seines Besuchsrechtes nicht deswegen wünscht, um eine geordnete Vater-Kind-Beziehung aufzubauen.

Nach Auffassung des Erstgerichtes sei dem Vater ein Besuchsrecht zu versagen, weil er die Herstellung einer persönlichen Beziehung zu dem Kind gar nicht ernsthaft anstrebe, sondern lediglich die Adoption durch den Ehemann der Mutter erreichen wolle. Das Rekursgericht änderte den das Besuchsrecht betreffenden Ausspruch des Erstgerichtes dahin ab, daß es dem Vater ab April 1985 an jedem 1. Sonntag im Monat von 14 bis 16 Uhr ein Besuchsrecht einräumte. Der Umstand, daß der Vater keinen Kontakt zum Kind gehabt habe, schließe die Herstellung einer persönlichen Verbundenheit für die Zukunft nicht aus. Daraus, daß der Vater die Adoption des Kindes durch den Ehemann der Mutter und einen Verzicht auf sein Besuchsrecht vorgeschlagen habe, könne nicht gefolgert werden, daß er nicht die Absicht habe, eine persönliche Verbundenheit mit dem Kind herzustellen. Durch die nunmehrige Aufnahme eines Kontaktes zwischen Vater und Kind werde zwar eine Konfliktsituation geschaffen, die jedoch erfahrungsgemäß bei entsprechenden Bemühungen aller Beteiligten ohne erhebliche seelische Irritation des Kindes bewältigt werden könne. Nach Lage des Falles sei jedoch vorerst ein zweistündiger Kontakt an einem Samstag ausreichend. Der gegen die Entscheidung des Rekursgerichtes erhobene Revisionsrekurs der Mutter ist berechtigt.

Beizupflichten ist dem Rekursgericht und dem Vater zwar darin, daß dem außerehelichen Vater ein Recht auf persönlichen Verkehr mit seinem Kinde nicht schon deshalb zu verweigern ist, weil er bisher durch Jahre ein Besuchsrecht nicht beantragt hat (5 Ob 769/78; 3 Ob 581/78). Zweck des Besuchsrechtes eines unehelichen Vaters ist es, das Naheverhältnis zwischen ihm und dem Kind herzustellen oder aufrechtzuerhalten, sich von seinem körperlichen und geistigen Befinden zu überzeugen, verwandtschaftliche Beziehungen zu pflegen (EFSlg. 35.867, 31.233 u.a.) und dem Liebesbedürfnis beider Teile Rechnung zu tragen. Die Ausübung des Besuchsrechtes setzt also entweder eine persönliche Verbundenheit von Elternteil und Kind, zumindest aber die Absicht, eine solche persönliche Verbundenheit herzustellen, voraus (EFSlg. 40.726).

Im vorliegenden Fall besteht eine persönliche Verbundenheit zwischen Vater und Kind nicht. Für die Beurteilung der Frage, ob der Vater nunmehr die Absicht hat, eine solche Verbundenheit herzustellen, reicht jedoch der Inhalt des Schreibens vom 24. August 1984 nicht aus. Der Vorschlag des Vaters auf Adoption des Kindes durch den Ehemann der Mutter und seine Bereitschaft, in diesem Falle auf sein Besuchsrecht zu verzichten, schließen nicht aus, daß der Vater nach Ablehnung seines Adoptionsvorschlages nunmehr die Herstellung einer persönlichen Verbundenheit mit seinem Kinde anstrebt. Die Mutter hat allerdings vorgebracht, daß es dem Vater nicht um die Herstellung eines persönlichen Kontaktes mit dem Kinde gehe, sondern nur darum, 'auf diese Weise, die Adoption zu erzwingen'. Das Erstgericht wird daher nach ergänzenden Erhebungen, insbesondere nach eingehender Vernehmung des Vaters Feststellungen über die Absicht des Vaters zu treffen haben.

Rechtliche Beurteilung

Wie das Rekursgericht zutreffend hervorhob, ist jedoch für die Regelung des Besuchsrechtes letztlich allein das Wohl des Kindes ausschlaggebend (EFSlg. 35.871 u.v.a.). Nach den Feststellungen des Erstgerichtes wäre zu befürchten, daß die Minderjährige in eine Krise geriete, wenn sie gezwungen würde, nunmehr mit dem Vater Kontakt aufzunehmen. Die bloße Befürchtung einer Irritation des Kindes reicht aber für eine Versagung des Besuchsrechtes nicht aus (vgl. EFSlg. 31.254). Nur bei ernsthafter Gefährdung der seelischen oder körperlichen Gesundheit des Kindes haben die Interessen der Eltern gegenüber den Interessen des Kindes zurückzutreten (5 Ob 185/73). Auch diese Frage läßt sich, entgegen der Meinung des Rekursgerichtes, nicht ohne Verfahrensergänzung durch Einholung eines Fachgutachtens entscheiden. Nach der Aktenlage bestand bisher kein Kontakt zwischen dem Vater und der Minderjährigen, und diese soll ihren Stiefvater als ihren leiblichen Vater betrachten. Unter diesen Umständen läßt sich nicht allein auf Grund des 'allgemeinen Erfahrungswissens' beurteilen, welche Auswirkungen ein Besuchsrecht des Vaters auf die Minderjährige haben wird und ob diese jenes Maß überschreiten, das auch bei verständigen Eltern ohne Schaden für das Kind überwunden werden kann.

Demgemäß ist dem Revisionsrekurs Folge zu geben.

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