OGH 9ObA16/99i

OGH9ObA16/99i17.3.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Spenling sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Martin Krajcsir und Anton Degen als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Angestelltenbetriebsrat der Salzburger Gebietskrankenkasse, 5024 Salzburg, Faberstraße 19-23, vertreten durch seinen Vorsitzenden Wolfgang S*****, dieser vertreten durch Dr. Berndt Sedlazeck, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Salzburger Gebietskrankenkasse, 5024 Salzburg, Faberstraße 19-23, vertreten durch Dr. Johannes Honsig-Erlenburg, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Einsichtnahme in Personalakten (Streitwert S 48.000,-) und Feststellung (Streitwert S 150.000,-), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 4. November 1998, GZ 11 Ra 240/98p-14, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 2. Juli 1998, GZ 11 Cga 40/98b-10, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 9.900,00 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 1.650,00 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der klagende Betriebsrat begehrt, die Beklagte schuldig zu erkennen, ihm Einsicht in die Personalakten dreier namentlich bezeichneter pensionierter Dienstnehmer zu gewähren. Ferner wird die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten begehrt, dem klagenden Betriebsrat bei Einverständnis der Betroffenen Einsicht in die Personalakten pensionierter Dienstnehmer zu gewähren.

Das Berufungsgericht änderte die den Klagebegehren stattgebende Entscheidung des Erstgerichtes iS der Abweisung dieser Begehren ab.

Es vertrat zusammengefaßt folgende Rechtsauffassung:

Der persönliche Geltungsbereich des Betriebsverfassungsrechtes richte sich nach dem Arbeitnehmerbegriff des § 36 ArbVG. Arbeitnehmer iS dieser Bestimmung seien physische Personen, die aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages einem anderen zu Dienstleistungen in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet seien; auch ein tatsächliches Beschäftigungsverhältnis (ohne Bestand eines zivilrechtlichen Arbeitsvertrages), das durch persönliche und wirtschaftliche Abhängigkeit des Beschäftigten gegenüber dem Betriebsinhaber gekennzeichnet sei, reiche zur Begründung der Arbeitnehmereigenschaft aus. Die Arbeitnehmer eines Betriebes bildeten die Belegschaft, der aber nur solche Beschäftigte angehörten, die auch bei soziologischer Betrachtung zu den Arbeitnehmern zu zählen seien (daher etwa nicht die leitenden Angestellten; § 36 Abs 2 Z 3 ArbVG). Im Ruhestand befindliche Arbeitnehmer, deren Dienstverhältnis beendet sei und die keinerlei Tätigkeit für das Unternehmen entfalten, seien weder organisatorisch noch soziologisch der Belegschaft zuzuordnen und daher nicht Arbeitnehmer eines Betriebes iS des § 36 ArbVG.

Gemäß § 89 ArbVG habe der Betriebsrat das Recht, die Einhaltung der die Arbeitnehmer eines Betriebes betreffenden Rechtsvorschriften zu überwachen; nach Z 4 leg cit sei ihm - falls im Betrieb Personalakten geführt werden - bei Einverständnis des Arbeitnehmers Einsicht in dessen Personalakten zu gewähren. Das Überwachungsrecht des § 89 ArbVG sei auf Arbeitnehmer iS des § 36 Abs 1 ArbVG beschränkt; es stehe dem Betriebsrat daher nicht bezüglich der leitenden Angestellten und demgemäß auch nicht bezüglich der im Ruhestand befindlichen Arbeitnehmer zu.

Diese Rechtsauffassung ist zutreffend, sodaß es insoweit ausreicht, auf die Richtigkeit der ausführlichen Begründung der angefochtenen Entscheidung zu verweisen.

Ergänzend ist den Revisionsausführungen entgegenzuhalten:

Rechtliche Beurteilung

Die in der Revision dargestellten Nachwirkungen des Arbeitsverhältnisses ändern nichts daran, daß die pensionierten Dienstnehmer - wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat - nicht zur Belegschaft gehören und nicht vom Betriebsrat vertreten werden. Die Rechte des Betriebsrates nach § 89 Abs 3 ArbVG (Überwachung ua der Vorschriften über eine allfällige betriebliche Altersversorgung einschließlich der Wertpapierdeckung für Pensionszusagen) und § 6 Abs 6 Z 3 BPG (Beratung bei beabsichtigter Aussetzung oder Einschränkung der laufenden Beitragsleistungen des Arbeitgebers) rechtfertigen keine andere Beurteilung, weil der Betriebsrat auch bei Ausübung dieser Rechte die Interessen der die Belegschaft bildenden (aktiven) Arbeitnehmer an der Einhaltung der betroffenen Vorschriften bzw. der Aufrechterhaltung der Beitragsleistungen vertritt.

Richtig ist, daß sich nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes im Zusammenhang mit Feststellungsanträgen nach § 54 Abs 2 ASGG der Wirkungsbereich von Fachgewerkschaften für Verfahren, die zumindest Nachwirkungen des seinerzeitigen Arbeitsverhältnisses betreffen, auch auf Pensionisten erstreckt (SZ 61/274; SZ 61/275; SZ 62/4; Ris-Justiz RS0085676). Daraus ist aber für den Standpunkt des Revisionswerbers nichts zu gewinnen, weil das Arbeitsverfassungsrecht im Hinblick auf die Vertretung pensionierter Arbeitnehmer zwischen den Kollektivvertragsparteien und den Betriebsvereinbarungsparteien differenziert. Während der Gesetzgeber die Kollektivvertragsparteien zur Erlassung allgemein verbindlicher Regelungen auch der Ruhestandsverhältnisse ermächtigt hat (§ 2 Abs 2 Z 3 ArbVG), fehlt eine vergleichbare Regelung für die Betriebsvereinbarungsparteien. Daraus schließt der Oberste Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung, daß die Betriebsvereinbarungsparteien aufgrund der ihnen nach dem ArbVG zukommenden Kompetenz nicht in die ausgeschiedenen Arbeitnehmern kraft einer früheren Betriebsvereinbarung zustehenden Ruhegeldansprüche eingreifen können, was ausdrücklich auch mit der mangelnden demokratischen Legitimation der betrieblichen Arbeitnehmervertretung seitens der Pensionisten, die mit dem Ausscheiden aus dem Betrieb das aktive Wahlrecht zum Betriebsrat verloren haben, begründet wird (SZ 61/275; Ris-Justiz RS0050955; zuletzt EvBl 1998/136 und ARD 4991/2/98).

Auf das aus § 91 Abs 1 ArbVG resultierende allgemeine Informationsrecht des Betriebsrates (zum Umfang: Cerny in Cerny/Haas-Laßnigg/B. Schwarz, ArbVG III 44) kann dieser sein Begehren auf Akteneinsicht von vornherein nicht stützen. Das Einsichtsrecht des § 91 Abs 2 ArbVG betrifft automationsunterstützte Arbeitnehmerdaten und unterliegt - abgesehen davon, daß eine automationsunterstützte Führung der Personalakten nicht behauptet wurde - aus den oben angeführten Gründen ebenfalls der Beschränkung auf Daten jener Personen, die dem Arbeitnehmerbegriff des § 36 ArbVG unterliegen (Cerny, aaO 47).

Auch ein allfälliges Informationsbedürfnis des Betriebsrates im Zusammenhang mit der Vertretung der (aktiven) Arbeitnehmer kann das von ihm behauptete Recht, in die Personalakten von Pensionisten Einsicht zu nehmen, nicht rechtfertigen. Ein solches Recht bedarf im Hinblick auf das Grundrecht auf Datenschutz (§ 1 DSG) einer gesetzlichen Grundlage, die aber hier - weil das ArbVG dem Betriebsrat nur ein Einsichtsrecht in Personalakten der (aktiven) Arbeitnehmer einräumt - fehlt. Keiner näheren Erörterung bedürfen daher die weiteren Ausführungen des Revisionswerbers, mit denen er aus dem Umstand, daß die Pensionisten nicht dem Arbeitnehmerbegriff des § 36 ArbVG unterliegen, sein Recht ableiten will, sogar ohne die (bei Arbeitnehmern nach § 89 Z 4 ArbVG erforderliche) Zustimmung der Betroffenen in deren Personalakten Einsicht zu nehmen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

Stichworte