OGH 8Ob171/98z

OGH8Ob171/98z15.10.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer, Dr. Rohrer, Dr. Adamovic und Dr. Spenling als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Walter S*****, Tischler und Kaufmann, *****, vertreten durch Dr. Friedrich Krall, Rechtsanwalt in Kufstein, wider die beklagten Parteien 1) Anton W*****, Tischlermeister, *****, vertreten durch Dr. Andreas Widschwenter, Rechtsanwalt in Wörgl, 2) Edith W*****, 3) Maria G*****, zweit- und drittbeklagte Partei vertreten durch Dr. Herbert Gugglberger, Rechtsanwalt in Hopfgarten, wegen Aufkündigung, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 22. April 1998, GZ 2 R 763/97p-15, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Kufstein vom 13. Oktober 1997, GZ 2 C 1091/97s-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie zu lauten haben:

"Die Aufkündigung vom 8. 7. 1997 ist rechtswirksam.

Die Beklagten sind schuldig, das im Haus *****, gelegene Bestandobjekt bestehend aus Küche, Wohn-Speisezimmer, Schlafzimmer, drei Kinderzimmern, Arbeitsraum, Bad, WC und Vorräumen im Gesamtausmaß von 136,5 m**2 samt den dazugehörigen beiden Kellerräumen sowie des gesamten Raumes unter der Veranda des 1. Obergeschosses binnen 14 Tagen zu übernehmen.

Die Beklagten sind ferner zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit S 33.163,32 bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz (darin S 875,-- Barauslagen und S 5.381,39 Umsatzsteuer) sowie die mit S 18.737,23 bestimmten Kosten des Verfahrens zweiter Instanz (darin S 2.996,37 Umsatzsteuer und S 759,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Die beklagten Parteien sind ferner zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit S 6.431,03 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 700,67 Umsatzsteuer und S 2.227,-- Barauslagen) zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagten sind Miteigentümer eines Hauses in Wörgl. sie haben eine Benützungsvereinbarung geschlossen, nach der die gemietete Wohnung dem Erstbeklagten zur ausschließlichen und alleinigen Benützung überlassen wurde. Diese Wohnung wurde mit dem zwischen dem Kläger und dem Erstbeklagten abgeschlossenen Mietvertrag vom 23. 11. 1990 per 1. 12. 1990 vom Kläger zu Geschäfts- und Wohnzwecken gemietet. Er betreibt in der Wohnung einen Direktvertrieb für Haushaltsgeräte. Deshalb wird die Wohnung ab und zu von Kunden betreten. Auch Schulungen werden in der Wohnung abgehalten. In Pkt. XII des Mietvertrages wurde vereinbart, daß das Mietverhältnis vom Mieter ohne Einhaltung einer Frist schriftlich und eingeschrieben als aufgelöst erklärt werden kann, wenn ..."b) Schäden, die das Bewohnen zwar noch zulassen, jedoch die Benützbarkeit beeinträchtigen, auf Meldung des Schadens und einer angemessenen Frist nicht behoben sind."

Von Jänner bis Anfang März 1996 wurden in der über dem Bestandobjekt gelegenen Wohnung der Zweitbeklagten Umbauarbeiten durchgeführt, in deren Verlauf im Vorraum des Bestandobjektes zwei Löcher in die "Wand an der Decke" gebohrt wurde, die wieder geschlossen und (nur) verputzt wurden, sodaß sich an dieser Stelle nach wie vor "ein Fleck über eine Länge von 1,8 m befindet". Durch Schremmarbeiten entstanden überdies an den Wänden bzw. an den Kanten zur Decke im Schlafzimmer sowie an der Decke im Vorraum Sprünge. Weiters kam es zu einem Wasseraustritt, bei dem das Bad und das WC unter Wasser gesetzt wurden. Von diesem Wasseraustritt blieben aber keine Spuren zurück. Der Kläger forderte den Erstbeklagten zumindest dreimal auf, den Fleck im Vorzimmer "richten" zu lassen. Der Erstbeklagte besichtigte den Fleck und erklärte, er werde schon "gerichtet werden", wobei er davon ausging, daß die Zweitbeklagte den Schaden beheben werde. Im Frühjahr 1997 wies der Kläger auch die Zweitbeklagte auf die entstandenen Schäden hin. Diese verwies ihn an den Erstbeklagten, mit dem sie sich das ausmachen werde. Bei einem weiteren Gespräch im Mai 1997 sagte die Zweitbeklagte zu, für die Behebung der Schäden aufzukommen. Die Schadensbehebung wurde aber vom Erstbeklagten wegen einer schweren Krankheit "nicht mehr weiter verfolgt". Ebensowenig entsprach der Erstbeklagte einer Forderung des Klägers, ihm für nach den Bauarbeiten notwendige Aufräumarbeiten und für Schäden durch einen Stromausfall S 12.917,-- zu zahlen.

Die Schulungen, die in der Wohnung stattfinden, werden in den Räumen rechts neben dem Eingang abgehalten, sodaß die Schulungsteilnehmer den Vorraum nicht betreten müssen. Nur wenn sie das WC benützen wollen, müssen sie den Vorraum durchqueren. Der Kläger wurde zumindest einmal auf den Fleck im Vorraum mit der Frage angesprochen, ob er neuerdings in einem Keller wohne.

Mit der vorliegenden Aufkündigung vom 30. 6. 1996 kündigte der Kläger den Beklagten das Bestandverhältnis gerichtlich zum 31. 7. 1997 auf. Im Hinblick auf Pkt. XII des Mietvertrages sei er berechtigt, wegen der bei den Bauarbeiten entstandenen Schäden, die von den Beklagten trotz Aufforderung nicht behoben worden seien, das Mietverhältnis ohne Einhaltung einer Frist aufzulösen. Die Schäden selbst zu reparieren, sei ihm nicht zumutbar, zumal ihm die Beklagten von ihm aufgewendete Aufräumungskosten von S 12.918,-- nicht ersetzt hätten. Außerdem hätten die Beklagten entgegen einer im Mietvertrag geschlossenen Vereinbarung keinen Müllgefäßcontainer neben der Stiege zum Wohnungseingang aufgestellt.

Die Beklagten erhoben gegen die vom Erstgericht erlassene Aufkündigung Einwendungen. Der Erstbeklagte brachte vor, mit den Umbauarbeiten nichts zu tun zu haben. Darüber hinaus lägen keine Schäden vor, die den bedungenen Gebrauch des Bestandobjektes als Wohnung hindern könnten. Die Nutzung zu Geschäftszwecken sei nicht vereinbart worden. Die Zweit- und Drittbeklagte bestritten, passiv legitimiert zu sein, weil der Erstbeklagte allein aus dem Mietvertrag berechtigt und verpflichtet sei. Sie hätten von den Schäden in der Wohnung erst durch die Zustellung der Aufkündigung erfahren.

Das Erstgericht hob die Aufkündigung auf und wies das Begehren des Klägers, den Beklagten aufzutragen, den Bestandgegenstand zum 31. 7. 1997 zu übernehmen, ab. Die Benützung des Bestandobjektes sei durch die festgestellten Schäden nicht beeinträchtigt. Daran ändere auch der Umstand nichts, daß Schulungsteilnehmer, die das WC aufsuchen, den Vorraum durchqueren müssen. Da der Erstbeklagte kraft der Benützungsregelung die Wohnung "als Vertreter der Übrigen" vermietet habe, sei zudem nur er, nicht aber die Zweit- und Drittbeklagte passiv legitimiert.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es wies darauf hin, daß die vorzeitige Auflösung eines Bestandverhältnisses unter Berufung auf einen vereinbarten Auflösungsgrund ohne Einhaltung von Fristen im Wege der gerichtlichen Aufkündigung zulässig sei. Da von der Anwendbarkeit des MRG auszugehen sei, sei die vorzeitige Auflösung des Bestandvertrages ohne Einhaltung der Kündigungsfrist durch den Mieter gemäß § 29 Abs 1 Z 4 MRG nur aus dem Grunde des § 1117 ABGB zulässig. Eine vertragliche Ausweitung dieses Aufhebungsgrundes sei im Anwendungsbereich des § 29 Abs 1 MRG ausgeschlossen. Soweit der Mietvertrag den Tatbestand des § 1117 ABGB verschärfe, sei er daher unbeachtlich. Die Voraussetzungen des § 1117 ABGB seien - obwohl das Verhalten des Erst- und der Zweitbeklagten die besondere Rechtstreue vermissen lasse - nicht gegeben. Eine bloß unbedeutende oder leicht behebbare Beeinträchtigung sei kein Grund für eine vorzeitige Auflösung des Bestandvertrages. Die hier gegebenen Schäden seien ohne erkennbare Schwierigkeiten leicht zu beheben. Die rechtliche Durchsetzung der Schadensbehebung sei leicht möglich. Die Beeinträchtigungen hätten daher nicht das Gewicht eines Auflösungsgrundes. Überdies sei die Rechtsmeinung des Erstgerichtes über die mangelnde Sachlegitimation der Zweit- und der Drittbeklagten nicht zu beanstanden. Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil der Entscheidung einhellige Judikatur zugrunde liege.

Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers mit dem Antrag, es iS der Stattgebung des Kündigungsbegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagten haben sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil die Entscheidung des Berufungsgerichts mit der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht im Einklang steht. Sie ist auch berechtigt.

Vorweg ist dem Revisionswerber beizupflichten, daß die Vorinstanzen die passive Sachlegitimation der Zweit- und der Drittbeklagten zu Unrecht verneint haben. Nach völlig einheitlicher Rechtsprechung ist der kraft Benützungsvereinbarung zum Gebrauch bestimmter Räumlichkeiten der gemeinsamen Liegenschaft berechtigte Miteigentümer zum Abschluß eines Bestandvertrages im Namen aller Miteigentümer gleich einem Verwalter legitimiert. Er handelt, auch wenn er dies nicht zum Ausdruck bringt, im Zweifel als Vertreter sämtlicher Miteigentümer und begründet durch die Vermietung des ihm zur Benützung zugewiesenen Objektes ein Mietverhältnis mit allen Miteigentümern (SZ 67/130; RIS-Justiz RS0104122, RS0042537 u. RS0107642; zuletzt WoBl 1997, 237 [Dirnbacher] = immolex 1997, 266). Wollte der Miteigentümer dessen ungeachtet einen Mietvertrag nur im eigenen Namen schließen, müßte er diese Absicht dem Vertragspartner deutlich erklären, damit diesem bewußt werde, daß er damit zwar einen vertraglichen Anspruch gegen seinen Vertragspartner erwerbe, die übrigen Miteigentümer aber an den Vertrag nicht gebunden seien und gegen ihm mit Räumungsklage erfolgreich vorgehen könnten. Zweck eines Bestandvertrags kann aber nur ein gegen Räumungsansprüche aller Miteigentümer gesichertes Benützungsverhältnis sein, sodaß dem bei den Verhandlungen über den Vertrag und dessen Abschluß allein tätig gewordenen Eigentümer im Zweifel keine gegenteilige Absicht unterstellt werden kann (SZ 67/130). Eine solche gegenteilige Absicht wurde hier weder behauptet noch festgestellt.

Der nach seinem § 29 Abs 1 Z 4 auch im Anwendungsbereich des MRG maßgebende § 1117 ABGB berechtigt den Bestandnehmer zur vorzeitigen Auflösung des Bestandvertrages, wenn das Bestandstück in einem Zustand übergeben wurde oder ohne seine Schuld in einen Zustand geraten ist, der es zum bedungenen Gebrauch untauglich macht. Auf ein Verschulden des Bestandgebers kommt es dabei nicht an (Würth in Rummel ABGB2 Rz 3 zu § 1117; MietSlg. 36.179). Bei unbedeutenden Mängeln ist der Rücktritt ausgeschlossen (MietSlg 36.179; Würth, aaO Rz 3 zu § 1117). Bei leicht behebbaren Mängeln muß der Mieter zunächst die Behebung verlangen und hiefür eine angemessene Frist setzen oder zumindest gewähren (Würth/Zingher, Miet- und Wohnrecht20 Rz 37 zu § 29 MRG; MietSlg 39.159/51 mwN).

Von einem unbedeutenden Mangel, der die vorzeitige Auflösung des Bestandverhältnisses nicht rechtfertigt, kann hier nicht mehr gesprochen werden. Da § 1117 ABGB inhaltlich die Anpassung der Gewährleistung in Form der Wandlung an die Besonderheiten des Bestand- als Dauerschuldverhältnisses darstellt (Würth/Zingher aaO Rz 35 zu § 29 MRG; Schwimann/Binder, ABGB2 VI, Rz 1 zu § 1117), kann in diesem Zusammenhang auf die aus § 932 Abs 2 ABGB ersichtliche Grundwertung zurückgegriffen werden, daß nur "unerhebliche" Mängel gewährleistungsrechtlich außer Betracht zu bleiben haben, also nur Mängel, deren Geltendmachung als Schikane betrachtet werden müßte (Koziol/Welser Bürgerliches Recht10 255; RIS-Justiz RS0018637). Mängel, die diese Schwelle überschreiten, müssen hingegen - sofern der Mieter im Falle ihrer leichten Behebbarkeit unter Setzung oder Gewährung einer Nachfrist erfolglos Verbesserung verlangt hat - auch iS § 1117 ABGB beachtlich sein (zur insoweit vergleichbaren Rechtslage nach § 932 ABGB - Wandlung auch bei behebbarem Mangel im Falle der erfolglosen Aufforderung zur Verbesserung - Reischauer in Rummel, ABGB2 I Rz 12 zu § 932).

Als unerheblich iS § 932 Abs 2 ABGB kann aber der im Vorzimmer des Bestandobjektes bestehende Fleck rohen Verputzes, der sich über eine Länge von 1,8 m erstreckt (vgl dazu das vom Erstgericht in den Feststellungen angeführte Foto Beil ./G), nicht mehr betrachtet werden. Dies umso mehr, als das Bestandobjekt vereinbarungsgemäß geschäftlich genutzt wurde und Schulungsteilnehmer mitunter den Vorraum betreten. Daß dabei der Fleck die von einem geschäftlich genutzten Objekt zu erwartende Repräsentationswirkung beeinträchtigt, zeigt der festgestellte Umstand, daß der Kläger deswegen bereits angesprochen wurde.

Daß der dargestellte Mangel leicht zu beheben ist, ist nicht strittig. Wie gezeigt, rechtfertigt aber auch ein derartiger Mangel die vorzeitige Auflösung des Bestandverhältnisses, wenn der Mieter unter Setzung oder Gewährung einer Frist erfolglos Verbesserung fordert. Auch diese Voraussetzung ist hier gegeben: Der Kläger hat zumindest dreimal den ihm gegenüber als Vertreter der Miteigentümer auftretenden Erstbeklagten und zweimal auch die für die Bauarbeiten verantwortliche Zweitbeklagte zur Schadensbehebung aufgefordert und bis zur erstmaligen Erklärung der Auflösung des Bestandverhältnisses, die nach den unwidersprochenen Klagebehauptungen mit außergerichtlichem Schreiben vom 27. 5. 1997 erfolgte, mehr als ein Jahr zugewartet. Bis zur Einbringung der gerichtlichen Aufkündigung verstrich abermals mehr als ein Monat, sodaß der Kläger die im Sinne der dargestellten Rechtslage erforderliche Frist in mehr als ausreichendem Ausmaß tatsächlich gewährt hat. Die von ihm erklärte vorzeitige Auflösung des Bestandverhältnisses, die auch im Wege der gerichtlichen Aufkündigung geltend gemacht werden kann (Würth aaO Rz 4 zu § 1116), ist daher berechtigt, ohne daß es Erörterungen darüber bedarf, ob Pkt. XII des Mietervertrages eine Ausweitung des § 1117 darstellt und ob eine solche Ausweitung im Anwendungsbereich des MRG zulässig ist oder nicht.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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