OGH 11Os70/98

OGH11Os70/9816.6.1998

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Juni 1998 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Schmucker, Dr. Habl und Dr. Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Köberl als Schriftführer, in der Strafsache gegen Heinrich L***** wegen des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs 2, 224 StGB über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 16. Februar 1998, GZ 1 c E Vr 11483/97-10, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Wasserbauer, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 16. Februar 1998, GZ 1 c E Vr 11483/97-10, verletzt das Gesetz in dem im XX. Hauptstück der StPO verankerten Grundsatz der materiellen Rechtskraft.

Dieser Beschluß wird aufgehoben und der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Verlängerung der Probezeit zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Der Jugendgerichtshof Wien verhängte über Heinrich L***** mit Urteil vom 10. August 1994, Gz 18 U 47/94-13, wegen des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB eine für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe, welche mit Beschluß vom 21. Oktober 1997 (ON 19) gemäß § 43 Abs 2 StGB endgültig nachgesehen wurde.

Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 16. Februar 1998, GZ 1 c E Vr 11483/97-10, wurde Heinrich L***** wegen des während der Probezeit begangenen Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs 2, 224 StGB zu einer bedingt nachgesehen Freiheitsstrafe veruteilt. Gleichzeitig wurde "hinsichtlich der bedingten Strafnachsicht des Jugendgerichtshofes Wien, 18 U 47/94, vom Widerruf abgesehen und die Probezeit auf fünf Jahre verlängert" (S 89).

Der Ausspruch über (das Absehen vom Widerruf und) die Verlängerung der Probezeit steht, wie der Generalprokurator mit seiner deshalb erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend aufzeigt, mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Rechtliche Beurteilung

Das Landesgericht für Strafsachen Wien übersah bei seiner Beschlußfassung - obgleich ihm der betreffende Vorakt des Jugendgerichtshofes Wien in der Hauptverhandlung zur Verfügung stand (siehe ON 9 des Aktes) - , daß der Jugendgerichtshof Wien bereits mit Beschluß vom 21. Oktober 1997, GZ 18 U 47/94-19, rechtskräftig die endgültige Strafnachsicht ausgesprochen hatte. Demzufolge war kein Gericht ohne vorangegangene Aufhebung dieser Entscheidung berechtigt, über den Entscheidungsgegenstand neuerlich abzusprechen. Der (zeitlich nachfolgende) Verlängerungsbeschluß vermochte daher weder die schon vorher beschlossene endgültige Strafnachsicht zu beseitigen, noch gegen den Verurteilten irgendwelche Rechtsfolgen nach sich zu ziehen; die Sperrwirkung des Beschlusses des Jugendgerichtshofes Wien blieb vielmehr hievon unberührt (vgl 15 Os 143/95, 15 Os 149/96, 14 Os 30/97, 11 Os 197/97 ua).

Der Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien verstieß sohin gegen den aus dem XX. Hauptstück der StPO abzuleitenden Grundsatz der materiellen Rechtskraft gerichtlicher Entscheidungen. Zur Vermeidung allfälliger nachteiliger Auswirkungen dieser Gesetzesverletzung auf den Verurteilten war die Aufhebung des Beschlusses geboten (§ 292 letzter Satz StPO) und demzufolge der auf die Verlängerung der Probezeit abzielende Antrag der Staatsanwaltschaft zurückzuweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte