Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Halil Ibrahim U***** wurde (im zweiten Rechtsgang) des Verbrechens der (zu ergänzen: versuchten) Vergewaltigung nach §§ 15, 201 "Abs 1" (gemeint: Abs 2 - diese erkennbar auf einen berichtigungsfähigen Schreibfehler zurückzuführende Divergenz zwischen Urteilsspruch und Entscheidungsgründen blieb jedoch ungerügt -) StGB schuldig erkannt und nach Abs 2 des § 201 StGB zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, weil er am 5.Mai 1996 in Graz außer dem Fall des § 201 Abs 1 StGB Bianca F***** mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs zu nötigen versucht hat, indem er sie an den Handgelenken erfaßte, aufs Bett warf, ihre Beine zu spreizen trachtete und äußerte: "Ich will mit dir spielen; ich will in dich rein", wobei die Tatvollendung wegen der vom Opfer entfalteten Gegenwehr unterblieb.
Gegen den Schuldspruch erhob der Angeklagte eine auf Z 4, 5 und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde; den Strafausspruch bekämpft er mit Berufung.
Rechtliche Beurteilung
Fehl geht zunächst die gegen das schöffengerichtliche Zwischenerkenntnis gerichtete Verfahrensrüge (Z 4), mit dem zwei von seiner Verteidigerin in der Hauptverhandlung gestellte Anträge auf 1. zeugenschaftliche Vernehmung des Heimo P*****, 2. Einholung eines psychologischen Sachverständigengutachtens zur Überprüfung des psychologischen Zustandes der Zeugin Bianca F***** (213) im Ergebnis zu Recht abgelehnt wurden (215).
Der Zeuge Heimo P***** sollte bestätigen, "daß er in der Beziehung zu Bianca F***** auf sie wiederholt Druck ausgeübt habe, sodaß sie vor Heimo P***** Angst gehabt habe und deshalb den angeblichen Vorfall vom 5.5.1996 als Vorwand für ihr zu spätes Nachhausekommen angab".
Indes sind in der Hauptverhandlung weder Verfahrensergebnisse hervorgekommen, noch wurden solche vom Angeklagten bei Antragstellung konkret dargelegt, die das ins Auge gefaßte Beweisthema (Bianca F***** habe den Angeklagten unter dem Druck des Heimo P***** wegen ihrer späten Heimkehr falsch bezichtigt) indiziert hätten. Folglich läuft dieser Beweisantrag bloß auf einen unzulässigen Erkundungsbeweis hinaus, durch den der Beschwerdeführer (dem Unzuchtsopfer von vorneherein eine falsche Zeugenaussage unterstellend) das Gericht lediglich zur Vornahme von Ermittlungen zur Klärung der Frage veranlassen wollte, ob durch die Einvernahme des genannten Zeugen für die Wahrheitsfindung dienliche Anhaltspunkte zutage gefördert werden könnten (vgl ähnlich Mayerhofer StPO4 § 281 Z 4 E 19 h, 19 i, 19 j sowie zum Wesen des Erkundungsbeweises E 88 ff). Diese Intention unterstreicht das (ergänzende, prozessual verspätete) Beschwerdevorbringen noch besonders deutlich, wobei selbst die Beschwerde nicht darzulegen vermag, weshalb angesichts des Umstandes, daß die 17jährige Bianca F***** bereits gegen 21 Uhr mit ihrer Mutter zusammentraf (195; s. auch US 6 über den Zeitpunkt der Anzeigeerstattung) von einem "späten Nachhausekommen", das eine (falsche) Rechtfertigung nötig gemacht hätte, gesprochen werden kann.
Dem unter 2. angeführten Antrag hinwieder gebricht es schon vom Ansatz her an essentiellen formellen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Geltendmachung des relevierten Nichtigkeitsgrundes:
Zum einen enthält er keine im Verfahren hervorgekommene objektive Momente oder Gründe dafür, warum nach Meinung des Angeklagten die Psyche der Zeugin Bianca F***** problematisch und daher die Überprüfung ihres psychischen Zustandes durch einen psychologischen Experten geboten sein sollte, wobei dieser Mangel selbst durch die erst in der Beschwerdeschrift nachgeholten - ebenfalls unter der unzutreffenden Prämisse eines "späten Nachausekommens" stehenden - Ausführungen nicht saniert werden kann; denn abgesehen davon, daß sie präkludiert sind, rechtfertigt die bloße Behauptung, die belastenden Aussagen der einzigen Tatzeugin seien unwahr und unglaubwürdig, den in Rede stehenden Beweisantrag nicht (vgl Mayerhofer aaO E 113, 121). Zum anderen wurde im Beweisantrag (ebenso wie in der Beschwerde) nicht einmal behauptet, daß die Zeugin der Untersuchung ihrer Psyche zugestimmt hat (Mayerhofer aaO E 121 a).
Demnach wurde die Aufnahme dieser Beweisanträge - wenngleich aus anderen als vom Erstgericht angeführten Gründen - zu Recht abgelehnt.
Der aktuelle Fall veranlaßt den Obersten Gerichtshof - angesichts einer immer häufiger werdenden wahrzunehmenden Tendenz, nicht genehmen Aussagen von Zeugen mit grundlosen Anträgen auf deren psychiatrische oder psychologische Untersuchung zu begegnen -, unter dem Gesichtspunkt der Wahrung der Persönlichkeitsrechte neuerlich mit Nachdruck darauf hinzuweisen, daß sich die Verpflichtung eines Zeugen grundsätzlich darauf beschränkt, einer Vorladung Folge zu leisten, ein Zeugnis abzulegen (sofern nicht ein Entschlagungsrecht gegeben ist) und dieses Zeugnis (bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen allenfalls) zu beeiden. Nach einem die gesamte Rechtsordnung beherrschenden Grundsatz ist niemand - also weder ein Angeklagter noch viel weniger ein Zeuge - verpflichtet, sich selbst, mithin seinen Körper und seine Persönlichkeit - maW seine Psyche - als Beweismittel zur Verfügung zu stellen (Mayerhofer aaO § 202 E 11).
Eine - an sich nicht ausgeschlossene - psychiatrische oder psychologische Exploration als ein möglicherweise im Zuge dieser Untersuchung dem freien Willen des Zeugen entzogene Inanspruchnahme von Persönlichkeitskomponenten als Beweismittel ist demnach grundsätzlich an die Zustimmung des Zeugen (oder eines gesetzlichen Vertreters) gebunden (Mayerhofer aaO § 150 E 39, 41, 50; 15 Os 82/95 = ÖJZ-LSK 1996/106-108 = JUS Extra OGH-St 1985; 15 Os 73/95, 15 Os 88/97 und jüngst 15 Os 27,29/98). Daß eine solcherart erforderliche Zustim- mung der Zeugin vorliegend erteilt worden wäre, wurde - wie bereits erwähnt - weder im Beweisantrag noch in der Nichtigkeitsbeschwerde dargetan. Von der Verteidigerin wurde die Zeugin auch in der Hauptverhandlung nicht nach einer derartigen Zustimmung gefragt, noch wurde ein Antrag dahin gestellt, das Gericht möge eine Zustimmung dieser Art einholen.
Entgegen dem in der Mängelrüge (Z 5) erhobenen Vorwurf, die Urteilsbegründung stütze sich zwar im wesentlichen auf die Aussagen der Zeugin Bianca F*****, lasse aber "eine" davon völlig unerörtert, wonach sie den Angeklagten vor Betreten der Wohnung gefragt habe, ob er Sex mit ihr haben wolle (203 erster Absatz letzter Satz), war das Schöffengericht zufolge der Vorschrift des § 270 Abs 2 Z 5 StPO, nur die entscheidenden Tatsachen in gedrängter Form zu bezeichnen, nicht verpflichtet, sich mit der gerügten - fallbezogen ohnehin keinen entscheidenden Umstand berührenden - Aussagepassage gesondert auseinanderzusetzen.
Liest man nämlich diesen vom Nichtigkeitswerber bloß isoliert und sinnentstellt aus dem Kontext gerissenen Satz im gebotenen Zusammenhang, so ist darin keineswegs ein von der Beschwerde eigenmächtig unterstelltes "derartiges Ansinnen" zu erblicken, noch viel weniger "ein nicht unwesentliches Indiz" dafür zu erkennen, daß der Angeklagte den Eindruck gewinnen konnte, sie suche selbst mit ihm sexuellen Kontakt; die Zeugin bringt vielmehr ihr Bestreben zum Ausdruck, sich durch eine Frage zu vergewissern, ob der Angeklagte nicht (ihr unerwünschte) sexuelle Annäherungen im Sinn habe und daß der Angeklagte eine solche Befürchtung zu zerstreuen vermochte.
Der behauptete formale Begründungsmangel liegt daher nicht vor.
Die Rechtsrüge (Z 9 lit b) schließlich läßt zur Gänze eine gesetzmäßige Ausführung vermissen; denn dafür wird ein striktes Festhalten am gesamten festgestellten Sachverhalt und dessen Vergleichung mit dem darauf angewendeten Gesetz verlangt. Dabei dürfen keine konstatierten Umstände übergangen oder bestritten oder nur einzelne - dem Beschwerdeführer genehm scheinende - Tatsachen berücksichtigt werden (Mayerhofer aaO § 281 E 26, 30; § 281 Z 9 b E 29).
Diesen elementaren prozessualen Grundsätzen zuwider zitiert der Beschwerdeführer, der von Anfang an jedes deliktsspezifische Verhalten in Abrede gestellt hat, zwar zunächst einen Teil des entscheidenden Sachverhalts, charakterisiert dann aber dessen "rechtliche Subsumierung mehr als fragwürdig", stellt in weiterer Folge bloß selektiv aus dem Gesamtgefüge gelöste, für sich allein betrachtet unbedeutende weitere Tatsachenfeststellungen, mit höchstge- richtlichen Leitsätzen unterlegt, in den Mittelpunkt seiner rechtlichen Erörterungen und kommt zum urteilskonträren Ergebnis, daß "mein Verhalten wohl eindeutig als freiwilliger Rücktritt vom Versuch zu werten ist".
Solcherart bestreitet die Beschwerde aber prozeßordnungswidrig schlichtweg jene zentralen Urteilsfest- stellungen, denenzufolge der Angeklagte die Tat ausschließ- lich wegen des Widerstandes des Opfers, dessen vorgetäuschter Herzschwäche und Schwangerschaft und des anschließenden fluchtartigen Verlassen des Tatortes nicht vollenden konnte (abermals US 9).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als offenbar unbegründet, teils als nicht gesetzgemäß ausgeführt gemäß § 285 d Abs 1 Z 1 und 2 iVm § 285 a Z 2 StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sogleich zurückzuweisen. Die in der Äußerung gemäß § 35 Abs 2 StPO enthaltene Meinung des Beschwerdeführers, die Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes des § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO hindere eine Entscheidung in nichtöffentlicher Sitzung trifft nicht zu; nur prozeßordnungsgemäß ausgeführte Rechtsrügen haben die (zwingende) Anordnung eines Gerichtstages zur Folge (EvBl 1997/154; Mayerhofer aaO § 285 a E 61).
Zur Entscheidung über die zudem erhobene Berufung des Angeklagten ist das Oberlandesgericht Graz zuständig (§ 285 i StPO).
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