OGH 15Os73/95

OGH15Os73/9512.10.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 12.Oktober 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch, Mag.Strieder, Dr.Mayrhofer und Dr.Rouschal als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Bodner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Kurt R***** wegen des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten Beischlafes mit Unmündigen und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 22. März 1995, GZ 8 Vr 625/94-19, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr.Weiss, des Angeklagten und des Verteidigers Dr.Postlmayr zu Recht erkannt:

 

Spruch:

I. Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in den Punkten

I 1. und II des Urteilssatzes und demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben sowie im Umfang der Aufhebung gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Kurt R***** wird von der wider ihn erhobenen Anklage, er habe Ende Dezember 1991 in M***** mit der am 1.Dezember 1979 geborenen unmündigen Maria B***** den außerehelichen Beischlaf dadurch zu unternehmen versucht, daß er ihr mit heruntergezogener Hose vor dem WC auflauerte, sie an sich drückte und in der Folge auch seine Unterhose auszog, er habe hiedurch das Verbrechen des versuchten Beischlafs mit Unmündigen nach §§ 15, 206 Abs 1 StGB begangen, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Für die verbleibenden Schuldsprüche wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und § 15 StGB sowie der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB wird über Kurt R***** nach § 206 Abs 1 StGB unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von fünfzehn Monaten verhängt.

Gemäß § 43 a Abs 3 StGB wird ein Teil der Freiheitsstrafe in der Dauer von zehn Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen; der zu verbüßende Teil der Freiheitsstrafe beträgt sonach fünf Monate.

II. Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.

III. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die Neubemessung der Strafe verwiesen.

IV. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die durch den erfolglosen Teil seiner Rechtsmittel verursachten Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Kurt R***** des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und § 15 StGB (Punkt I 1 bis 7 des Urteilssatzes), des (hiemit idealkonkurrierenden) Vergehens des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB (Punkt II) und des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (Punkt III) schuldig erkannt.

Darnach hat er

(zu I) mit der am 1.Dezember 1979 geborenen unmündigen Maria B***** den außerehelichen Beischlaf

unternommen, nämlich

4. im Sommer 1992 in M***** dadurch, daß er sein steifes Glied an der Scheide des Mädchens ansetzte und

6. am 26.Juni 1993 in I***** dadurch, daß er sein Glied ein Stück in ihre Scheide einführte, sowie

zu unternehmen versucht, und zwar

1. Ende Dezember 1991 in M***** dadurch, daß er ihr mit heruntergezogener Hose vor dem WC auflauerte, sie an sich drückte und in der Folge auch seine Unterhose auszog,

2. im Sommer 1992 in S***** dadurch, daß er sich mit ihr auf ein Sofa legte und seine Hose herunterzog,

3. im Sommer 1992 in U***** dadurch, daß er sich mit ihr auf den Boden legte und seine Unterhose herunterzog,

5. im Sommer 1993 an einem unbekannten Ort zwischen Maria S***** und M***** dadurch, daß er sie auszog und

7. im Sommer 1992 dadurch, daß er sie auszog und betastete;

(zu II) durch die zu I angeführten Handlungen unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber der seiner Aufsicht unterstehenden Maria B***** diese zur Unzucht mißbraucht und

(zu III) im Sommer 1992 an verschiedenen Orten während Autofahrten wiederholt dadurch, daß er Maria B***** an der Brust betastete, eine unmündige Person auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht mißbraucht.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft die Schuldsprüche mit auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5 a, 9 lit a, 9 lit b und 10 StPO gestützter Nichtigkeitsbeschwerde.

Einen seine Verteidigungsrechte beeinträchtigenden Verfahrensmangel (Z 4) erblickt er in der Abweisung seines Antrages auf Einholung eines psychiatrischen Gutachtens zum Nachweis dafür, "daß die Aussagen der Zeugin Maria B***** nicht der Wahrheit entsprechen und der Grund für ihre unrichtigen Angaben unter Umständen darin zu finden ist, daß sie zu dem Zeitpunkt, als die Angelegenheit ins Rollen kam, Zyklusprobleme oder auf Grund ihre pubertären Entwicklung allgemein psychische Probleme hatte" (S 221, 222).

Das Erstgericht hat diesen Beweisantrag durch Zwischenerkenntnis gemäß § 238 Abs 1 StPO unter Hinweis auf Foregger/Kodek, StPO6 Anm III zu § 134 mit der Begründung abgewiesen, daß eine psychiatrische Begutachtung eines jugendlichen Zeugen auf Aussageehrlichkeit nur bei Vorliegen besonderer Gründe zulässig sei, solche jedoch weder behauptet, noch im Beweisverfahren hervorgekommen seien (S 223, 225).

Durch die Ablehnung dieses Beweisantrages wurden Verteidigungsrechte nicht verletzt.

Bloße Vermutungen - wie sie vorliegend im oben zitierten Beweisantrag, auf den allein bei Beurteilung der Verfahrensrüge abzustellen ist (Mayerhofer/Rieder StPO3 § 281 Z 4 E 40 und 41), ausgesprochen werden - über denkmögliche Ursachen für der Wahrheit allenfalls nicht entsprechende Angaben einer jugendlichen Zeugin, auf deren tatsächliches Vorliegen keinerlei im Beweisverfahren hervorgekommene Umstände hindeuten, zeigen, daß der Beschwerdeführer der Sache nach eine unzulässige Aufnahme eines Erkundungsbeweises anstrebte (Mayerhofer/Rieder aaO § 281 Z 4 E 88 ff und 113, § 150 E 41a; 13 Os 156/93; SSt 58/36 uam) und verpflichten das Gericht weder zur Zuziehung eines psychiatrischen Sachverständigen noch zu einer Auseinandersetzung mit der einschlägigen "psychiatrischen Fachliteratur", zumal die Beurteilung der Glaubwürdigkeit und Verläßlichkeit einer Zeugenaussage - woraus das Erstgericht desgleichen zutreffend hinweist (US 20) - ausschließlich den Tatrichtern obliegt. Da nach Lage des Falles keine Anhaltspunkte dafür vorliegen - geschweige denn im Beweisantrag konkret dargetan wurden -, daß die Persönlichkeit der Zeugin problematisch ist und sie auch keine in den wesentlichen Punkten widersprüchlichen Aussagen abgelegt hat, liegt in der Abweisung des Antrages weder ein die Verteidigungsrechte des Angeklagten beeinträchtigender Verfahrensmangel noch ein Verstoß gegen das im Art 6 der MRK normierte Gebot des "fair trial" (Mayerhofer/Rieder aaO § 281 Z 4 E 114, 115).

Auch die vom Beschwerdeführer zitierte Judikatur des deutschen Bundesgerichtshofes stellt auf besondere, in den jeweiligen Verfahren hervorgekommene Umstände, nämlich auf mögliche Beeinflussungen jugendlicher Zeuginnen durch unsachgemäß inquirierende Erwachsene, ab (BGHSt 2,163 ff; BGHSt 3,27 ff). Die den Schwerpunkt der Argumentation des Beschwerdeführers darstellende Entscheidung (BGHSt 7,82 ff) bezieht sich in ihrem veröffentlichten Teil auf ein sieben Jahre altes Mädchen und hebt insbesondere den möglichen eine wahrheitsgemäße Darstellung hemmenden Einfluß einer förmlichen Vernehmung in der Hauptverhandlung wegen der für das Kind ungewöhnlichen Begleitumstände hervor.

Im nunmehr zu prüfenden Verfahren war das Tatopfer nicht sieben Jahre alt, sondern das Mädchen stand, als es erstmals und zwar seinen Klassenkameradinnen von den Tathandlungen erzählte, im fünfzehnten und zum Zeitpunkt der Vernehmung durch das erkennende Gericht im sechzehnten Lebensjahr. Im Hinblick auf den beträchtlichen Altersunterschied der beiden Tatopfer ist der vom Bundesgerichtshof geprüfte Fall, der gerade auf das Gewicht der Aussage eines erst sieben Jahre alten Opfers abstellt, mit dem gegenständlichen Verfahren nicht gleichzusetzen. Abgesehen davon stand im vorliegenden Verfahren die vom Schöffengericht auch genützt Möglichkeit einer Vernehmung des Mädchens außerhalb des Verhandlungssaales (unter Videoübertragung mit der Möglichkeit einer Fragestellung durch die Prozeßbeteiligten) gemäß § 162 a StPO zur Verfügung, von der der Bundesgerichtshof zur Zeit seiner Entscheidung (1954) mangels technischer Möglichkeiten noch nicht ausgehen konnte.

Die weitere zitierte Entscheidung BGHSt 12,18 ff beschäftigt sich überhaupt nicht mit der Frage der Beiziehung eines psychiatrischen Sachverständigen zur Beurteilung der Aussage eines Kindes.

Überdies ist unter dem Gesichtspunkt der Wahrung der Persönlichkeitsrechte (auch eines Zeugen) und einer in jüngerer Zeit zu verzeichnenden Häufung, nicht genehmen Zeugenaussagen mit Psychiatrierungsanträgen zu begegnen, auszuführen:

Die Verpflichtung eines Zeugen beschränkt sich grundsätzlich darauf, einer Vorladung Folge zu leisten, ein Zeugnis abzulegen (sofern nicht ein Entschlagungsrecht gegeben ist) und dieses Zeugnis allenfalls zu beeiden. Der Zeuge ist - gleich wie ein Angeklagter (Mayerhofer/Rieder aaO § 202 E 11) - nicht verpflichtet, seinen Körper (und damit seine Persönlchkeit, maW seine Psyche) als Beweismittel zur Verfügung zu stellen. Eine - an sich nicht ausgeschlossene - psychiatrische Exploration als ein möglicherweise im Zuge dieser Untersuchung dem freien Willen des Zeugen entzogene Inanspruchnahme von Persönlichkeitskomponenten als Beweismittel ist demnach grundsätzlich an die Zustimmung des Zeugen (oder seines gesetzlichen Vertreters) gebunden (Mayerhofer/Rieder aaO § 150 E 41, 50; SSt 58/36; 15 Os 82/95; 11 Os 189/93; 15 Os 81/91; 13 Os 99/86; 13 Os 171/84; 12 Os 33/70; LSK 1976/151; LSK 1977/138; LSK 1979/177 uam). Die Bestimmungen der §§ 132 f StPO stehen dem nicht entgegen, weil auch die darin umschriebene (körperliche) Untersuchung im Weigerungsfall nicht erzwingbar wäre (Lohsing/Serini Öst Strafprozeßrecht4 313, EvBl 1954/36).

Daß eine derartige Zustimmung der Zeugin oder ihrer gesetzlichen Vertreter erteilt worden wäre, wurde weder im Beweisantrag noch in der Nichtigkeitsbeschwerde dargetan. Von der Verteidigung wurde die Zeugin oder der für sie einschreitende Rechtsanwalt auch in der Hauptverhandlung vom 2.November 1994 nicht nach einer derartigen Zustimmung befragt, noch wurde ein Antrag dahin gestellt, das Gericht möge eine Zustimmung dieser Art einholen.

Das Erfordernis der Zustimmung eines Zeugen zu einer psychiatrischen Exploration, gilt - wie der Klarstellung halber angemerkt sei - auch im deutschen Strafprozeß (Karlsruher Kommentar zur dStPO3 § 81c Rz 9; Löwe-Rosenberg Die dStPO24 § 81c Rz 8; Rudolphi ua Systematischer Kommentar zur dStPO § 244 Rz 48). Dieses Erfordernis stand - ersichtlich zufolge erteilter oder anzunehmender Zustimmung - in den vom Beschwerdeführer zitierten deutschen Rechtsmittelentscheidungen nicht zur Debatte.

Begründungsmängel in der Bedeutung der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO behauptet der Angeklagte ersichtlich - bei Bedacht auf die diesbezüglich unpräzisen Beschwerdeausführungen - lediglich in bezug auf das Schuldspruchfaktum I (wegen des Verbrechens nach § 206 Abs 1 und § 15 StGB), weil für die Feststellungen, der Angeklagte habe die Durchführung eines Geschlechtsverkehrs beabsichtigt und "zum Vorliegen des Versuches im Sinn des § 15 StGB" keine Gründe angegeben seien.

Zu den Ausführungen in der Rechtsmittelschrift (Abs 5 zum Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 5 StPO) sei angemerkt, daß das Verbrechen nach § 206 Abs 1 StGB objektiv erfüllt ist, wenn es zu einer Beührung der beiden Geschlechtsteile gekommen ist. Subjektiv ist jedoch Vorsatz (dolus eventualis genügt - vgl Leukauf/Steininger Komm3 § 206 RN 4) in Richtung der Vollziehung des Beischlafs erforderlich (Pallin in WK § 206 Rz 3, 4 sowie die von der Beschwerde zitierten Entscheidungen EvBl 1961/158 und 9 Os 6/76 = LSK 1976/198).

Daß der (nach der Feststellung des Erstgerichtes sogar direkte) Vorsatz des Angeklagten aber jedenfalls auch darauf gerichtet war, sein Glied in die Scheide des Tatopfers (zumindest teilweise) einzuführen, hat das Erstgericht über den bloßen Gebrauch der verba legalia hinaus hinlänglich durch die im Rahmen der Beweiswürdigung getroffene ergänzende Tatsachenkonstatierung zum Ausdruck gebracht, wonach der Angeklagte jeweils eine "Berührung bzw (im vorliegenden Zusammenhang gemeint: und) Vereinigung der Geschlechtsteile herbeiführen wollte" (US 15).

Den Ausführungen in der Mängelrüge zuwider ist aber auch dieser Ausspruch des Erstgerichtes über die subjektive Tatseite frei von Begründungsmängeln. Wie bereits aufgezeigt, ist trotz der Verwendung des Bindungswortes ""bzw" die ergänzende Urteilsfeststellung zur subjektiven Tatseite auf US 15 weder in sich widersprüchlich noch undeutlich. Die in diesem Zusammenhang weiters behauptete Unvollständigkeit der Urteilsbegründung entzieht sich mangels Konkretisierung, welche entscheidende, in der Hauptverhandlung erörterte Tatsachen oder aufgenommene Beweise oder sonst im Beweisverfahren hervorgekommene Umstände das Erstgericht mit Stillschweigen übergangen oder ungewürdigt gelassen haben soll, einer sachbezogenen Erörterung. Schließlich hat das Erstgericht seine bezüglichen Feststellungen auch nicht unbegründet gelassen, sondern aus der Art der Tathandlungen, sohin der Gesamtsituation der im wesentlichen gleichartigen Tathandlungen, abgeleitet (US 15).

Ob ein der Tatvollendung vorgelagertes, aber auf dieses gerichtetes Verhalten des Täters noch als straflose Vorbereitungshandlung, oder bereits als strafbarer Versuch dieses Deliktes (§ 15 Abs 2 StGB) zu werten ist, ist eine an Hand der vom Erstgericht getroffenen Feststellungen zur objektiven und subjektiven Tatseite zu lösende Rechtsfrage, zu der an anderer Stelle abgehandelt werden wird. Der vorliegend vom Beschwerdeführer behauptete Begründungsmangel kann somit aus dem Beschwerdevorbringen, das Erstgericht lasse Gründe für seine Annahme, weshalb es bereits vom Vorliegen eines strafbaren Versuches ausgegangen sei, vermissen, nicht abgeleitet werden.

Dem Angeklagten gelingt es mit der Tatsachenrüge (Z 5 a) nicht, erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrundegelegten entscheidenden Tatsachen zu erwecken. Vielmehr wird von ihm nur nach Art einer im kollegialgerichtlichen Strafverfahren unzulässigen Schuldberufung (Mayerhofer/Rieder aaO § 281 Z 5 a E 4) der Versuch unternommen, die vom Erstgericht angenommene Glaubwürdigkeit der Tatzeugin Maria B***** in Abrede zu stellen. Soweit die Angaben dieser Zeugin zu jenen anderer Zeugen und Auskunftspersonen (hinsichtlich der Tatzeitpunkte der beiden vollendeten Beischlafshandlungen laut I 4. und 6.) sowie zum medizinischen Sachverständigengutachten Dris.L***** in einem gewissen Widerspruch stehen, hat das Erstgericht diese Umstände ohnehin erörtert und ihnen mit zureichender Begründung keine für die Erschütterung der Glaubwürdigkeit dieser Zeugin ausreichende Relevanz zuerkannt (vgl US 12, 17 bis 19). Wahrscheinlichkeitsüberlegungen, inwieweit dem Angeklagten bei seinem bereit fortgeschrittenen Alter, seinem bisher ordentlichen Lebenswandel und dem drohendne Verlust des langjährigen Arbeitsplatzes und erheblicher Abfertigungsansprüche die ihm vorgeworfenen Taten zuzutrauen seien, haben als Ausführungen nach Art einer Schuldberufung bei Prüfung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes aber außer Ansatz zu bleiben.

Auch der rechtlichen Annahme eines strafbaren Versuches in Ansehung der Tathandlungen laut den Urteilspunkten I 2., 3., 5. und 7. haftet kein Rechtsfehler (Z 9 lit a) an.

Keine (straflose) Vorbereitungshandlung, sondern bereits (strafbarer) Versuch ist gegeben, wenn das Täterverhalten mit der beabsichtigten Tat schon in einem derart sinnfälligen Zusammenhang steht, daß es direkt auf sie ausgerichtet ist und nach den Zielvorstellungen des Täters der Ausführung unmittelbar vorgelagert ist. Dies ist der Fall, wenn die Tat ohne Zwischenschaltung weiterer örtlicher, zeitlicher und manipulativer Etappen ausgeführt werden soll. Bei Prüfung der subjektiven Tatbestandserfordernisse muß aus diesen objektiven, der Vollendung vorgelagerten Tathandlungen des Täters abzuleiten sein, daß er die entscheidende Hemmstufe vor der Tat schon überwunden hat (vgl Leukauf/Steininger, Komm3 § 15 RN 9 und 10). Diese Voraussetzungen sind im Fall des § 206 Abs 1 StGB dann erfüllt, wenn der Täter mit einem auf das Unternehmen des Beischlafes mit dem unmündigen Tatopfer gerichteten Vorsatz dieses und (wie im vorliegenden Fall festgestellt) sich selbst auszuziehen beginnt. Daß die Entkleidung noch nicht gänzlich erfolgt ist, vermag an dieser rechtlichen Beurteilung nichts zu ändern, steht die Tat doch jedenfalls im unmittelbaren Vorfeld der (schon mit der Berührung der Geschlechtsteile erfolgten) Deliktsvollendung.

Daß das Schöffengericht ungeprüft gelassen hat, ob die im Punkt I des Urteilssatzes bezeichneten Tathandlungen nicht den Tatbestand nach § 207 Abs 1 StGB und § 15 StGB verwirklichen, ist zum einen nicht Gegenstand einer gesetzmäßigen Ausführung des Nichtigkeitsgrundes des § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO, der stets einen Freispruch des Angeklagten und nicht die Verurteilung nach einer anderen gesetzlichen Bestimmung (diesfalls Z 10) zum Zwecke hat; zum anderen ist dieses Vorbringen mangels Substantiierung einer sachbezogenen Erwiderung nicht zugänglich.

Sofern der Angeklagte Konstatierungen zur subjektiven Tatseite vermißt, ist er auf die Ausführungen zur Erwiderung seiner Mängelrüge zu verweisen, wonach die vermißten Konstatierungen sehr wohl getroffen wurden; solcherart wird der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund, dessen prozeßordnungsgemäße Darstellung stets einen Vergleich des Urteilssachverhaltes mit dem darauf angewendeten Strafgesetz erfordert, nicht gesetzmäßig ausgeführt.

Unter dem Nichtigkeitsgrund der Z 10 (der Sache nach gleichfalls Z 9 lit a) macht der Beschwerdeführer zum Schuldspruch wegen Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (III) Feststellungsmängel geltend, weil das Erstgericht die nach Ansicht des Angeklagten gebotenen Feststellungen unterlassen hat, ob die Brüste der Unmündigen bereits entwickelt waren und ob er diese Körperzone der Unmündigen auch intensiv und nicht bloß auf eine (den Tatbestand nicht herstellende) flüchtige und oberflächliche Art berührt hat.

Dieser Rechtsrüge zuwider kommt es bei Beurteilung eines im Berühren der Brust eines unmündigen Mädchens bestehenden Tat als unzüchtige Handlung nicht ausschließlich auf die Entwicklung der Brüste an. Vielmehr ist entscheidend, ob das Mädchen insgesamt bereits eine körperliche Reife erreicht hat, daß damit das Berühren im Brustbereich objektiv eine Handlung ist, deren Beziehung zum Sexualleben nicht nur gedacht, sondern ihrer Art nach gegeben ist, sowie daß sie als solche dem Mädchen bewußt werden kann. Davon konnte das Erstgericht aber im Hinblick auf das Alter des im Sommer 1972 bereits 12 1/2jährigen Tatopfers (vgl Mayerhofer/Rieder StGB3, § 207 E 7 a und 8), das in diesem Tatzeitraum wiederholt auch noch weitergehenden sexuellen Angriffen des Angeklagten ausgesetzt war (I 1. bis 4. und 7.), irrtumsfrei ausgehen. Daß der Angeklagte die Brüste der unmündigen Maria B***** während seiner wiederholten Angriffe auf verschiedenen Autofahrten bloß flüchtig und oberflächlich auf eine Art, daß sie der Unmündigen nicht bewußt geworden wären, berührt habe, hat das Erstgericht mangels jeglicher in den Akten Deckung findenden Anhaltspunkte nicht festgestellt. Dazu bestand auch auf Grund des Umstandes, daß diese Zeugin trotz mehrerer anderer, gravierendere Tathandlungen des Angeklagten auch diese Taten gesondert hervorhob (S 98, 99), kein Anlaß.

Entgegen der sämtliche versuchte Beischlafshandlungen betreffenden Rechtsrüge (Z 9 lit b) liegt in Ansehung der Urteilspunkte I 2., 3., 5. und 7. der Strafaufhebungsgrund des Rücktritts vom Versuch (§ 16 Abs 1 StGB) mangels Freiwilligkeit der Abstandnahme von der Deliktsvollendung nicht vor.

Unfreiwilligkeit ist in diesem Zusammenhang - der Beschwerde zuwider - keineswegs nur dann anzunehmen, wenn das Opfer erheblichen Widerstand leistet oder flüchtet. Die Vollendung der Tat muß nämlich nicht schlechthin unmöglich geworden sein; vielmehr ist der Rücktritt schon dann nicht mehr freiwillig, wenn der Täter sich zur Erreichung seines deliktischen Zieles bloß außerstande glaubt (vgl Leukauf/Steininger aaO § 16 RN 2 und 3). Weil das Erstgericht daher bei den versuchten Beischlafshandlungen zu I 2., 3. und 7. des Urteilssatzes Furcht des Angklagten vor Entdeckung infolge Annäherung verschiedener Personen sowie beim Versuchsfaktum I 5. (vorübergehende) körperliche Unvermögenheit des Täters zur Vornahme eines Beischlafes als Grund für die Unterlassung der Deliktsvollendung feststellt, ist die darauf gegründete erstgerichtliche Annahme mangelnder Freiwilligkeit der Unterlassung der Deliktsvollendung irrtumsfrei (Leukauf/Steininger Komm3 § 16 RN 2 f).

Hinsichtlich des versuchten Beischlafes Ende Dezember 1991 (Faktum I 1.) hat das Erstgericht dagegen nur das Weinen der unmündigen Maria B***** als Grund dafür angenommen, daß der Angeklagte die Tatvollendung unterließ (US 5). Ausdrücklich führt das Erstgericht im Rahmen der Beweiswürdigung und der rechtlichen Beurteilung der Tat in diesem Zusammenhang an, daß nähere Feststellungen, weshalb der Angeklagte von dem Mädchen abgelassen hat, nicht getroffen werden können. Die weiteren daran anschließenden Urteilsausführungen, wonach er auch hier (wegen des Weinens) Furcht vor Entdeckung hatte und daher unfreiwillig die Deliktsvollendung unterließ, lassen erkennen, daß das Erstgericht hier von einer bloßen, auf keiner ausreichenden Feststellungsgrundlage beruhenden Vermutung ausgegangen ist. Bei dieser Feststellung ist aber auch nicht auszuschließen, daß der Angeklagte trotz des Weinens die Vollendung des Deliktes noch für möglich erachtet und aus einem autonomen Motiv heraus (etwa aus Mitleid mit dem Mädchen), somit freiwillig (vgl Mayerhofer/Rieder StGB3 § 16 E 8; Kienapfel AT5 Z 23 Rz 14), von der Tat Abstand genommen hat. Da der Angeklagte sämtliche Tathandlungen leugnet und die Zeugin Maria B***** außer ihrem Weinen keinen weiteren Grund für die Unterlassung der Deliktsvollendung durch den Angeklagten nennen konnte, wäre auch bei Verfahrenserneuerung eine andere Feststellung mit mängelfreier Begründung nicht zu treffen. Dem Angeklagten kommt demnach in Anbetracht des Schuldspruchfaktums I 1. der Strafaufhebungsgrund nach § 16 Abs 2 StGB zugute, sodaß er von diesem Anklagevorwurf sogleich freizusprechen war.

Soweit der Angeklagte in der Subsumtionsrüge (Z 10) betreffend den Schuldspruch wegen § 212 StGB (II) ein Autoritätsverhältnis zwischen ihm und der unmündigen Maria B***** bestreitet, übergeht er die gegenteilige, durch die Zeugenaussage der Unmündigen (S 81) gedeckte Urteilsfeststellung (US 4). Insoweit ist die Beschwerde nicht gesetzmäßig ausgeführt.

Allerdings kommt im gegebenen Zusammenhang dem weiteren Einwand, daß die Tathandlung unter (hier nicht gegebener) Ausnützung der Stellung des Täters gegenüber dem Opfer erfolgen muß, Berechtigung zu. Nur beim Personenkreis des ersten Deliktsfalles des § 212 Abs 1 StGB (Mißbrauch des eigenen minderjährigen Kindes, Wahlkindes, Stiefkindes oder Mündels) ist die Ausnützung der Stellung des Täters zum mißbrauchten Opfer nicht Tatbestandsmerkmal. In allen anderen Fällen setzt die Strafbarkeit des Täters die Ausnützung der Stellung gegenüber dem Opfer voraus. Seine Stellung nützt aus, wer seine Autorität einsetzt, damit die geschützte Person die Unzuchtshandlung setzt oder an sich geschehen läßt, also bewirkt, daß das Schutzobjekt gerade wegen seiner Abhängigkeit vom Täter in seinem Willen beeinflußt wird (Leukauf/Steininger aaO, § 212 RN 18 und 19).

Fallbezogen mangelt es an einer entsprechenden Feststellung des Erstgerichtes, sodaß offen bleibt, ob der Angeklagte nicht nur das sich ihm bietende Gelegenheitsverhältnis ausnützte.

Weshalb die Zeugin Maria B***** trotz vorangegangener Tathandlungen mit dem Angeklagten neuerlich verschiedene Baustellen bzw dessen Wohnung aufsuchte und Unzuchtshandlungen wiederholt zuließ, konnte von ihr trotz diesbezüglicher Befragung durch den Vorsitzenden nicht aufgeklärt werden (vgl S 89, 90, 94), sodaß auch hier entsprechende Feststellungen mit mängelfreier Begründung in einem weiteren Rechtsgang nicht zu erwarten sind.

Demnach erweist sich im gegenständlichen Strafverfahren der Schuldspruch in Punkt II des Urteilssatzes als rechtsfehlerhaft; da nach den erstgerichtlichen Konstatierungen die Tathandlungen zu diesem Faktum idealkonkurrierend begangen wurden, der bezeichnete materielle Nichtigkeitsgrund aber nur den Schuldspruch Pkt II betrifft, war letzterer lediglich aufzuheben, jedoch kein formeller Freispruch zu fällen (Mayerhofer/Rieder StPO3 § 259 E 61).

Bei der erforderlich gewordenen Strafneubemessung wertete der Oberste Gerichtshof als erschwerend das Zusammentreffen zweier Verbrechen und die Wiederholung der Straftaten durch einen längeren Zeitraum, als mildernd hingegen, daß der Angeklagte bisher langjährig einen ordentlichen Lebenswandel geführt hat und die Taten mit seinem sonstigen Verhalten in auffallendem Widerspruch stehen, sowie daß es bei einem Verbrechen teilweise beim Versuch geblieben ist.

Daß der Angeklagte sich an der Tochter seines Arbeitgebers vergangen hat, war Anlaß für seine fristlose Entlassung und seine dadurch bedingte wirtschaftlich angespannte Situation. Diese kann ihm aber deshalb, weil sie selbstverschuldet ist, nicht als strafmildernd angerechnet werden.

Den Tathandlungen des Angeklagten wohnt insbesondere in den Fakten I 4 und 6 bei Bedacht auf mögliche negative psychische Auswirkungen auf das Tatopfer ein beträchtlicher Unrechtsgehalt inne. Demnach verbieten - wie schon das Erstgericht zutreffend erkannte - generalpräventive Belange die gänzliche bedingte Nachsicht der Freiheitsstrafe.

Die Kostenentscheidung gründe sich auf die bezogenen Gesetzesstellen.

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