OGH 13Os99/86

OGH13Os99/8631.7.1986

Der Oberste Gerichtshof hat am 31.Juli 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller (Berichterstatter), Dr. Kießwetter, Dr. Schneider und Dr. Brustbauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Steinberger als Schriftführers in der Strafsache gegen Karl K*** wegen des Verbrechens der versuchten gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Jugendlichen nach §§ 15, 209 StGB. über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengerichts vom 7. April 1986, GZ. 11 Vr 540/86-9, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Scheibenpflug, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Poleschinski zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 21.September 1965 geborene Balettschüler Karl K*** wurde des Verbrechens der (versuchten) gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Jugendlichen nach §§ 15, 209 StGB. schuldig erkannt, weil er am 19.Jänner 1986 in Graz als Person männlichen Geschlechts, die das 18.Lebensjahr vollendet hatte, getrachtet hat, mit einer jugendlichen Person gleichgeschlechtliche Unzucht zu treiben, indem er den 14-jährigen Schüler Markus S*** aufforderte, gegen Bezahlung von 100 S einen Mundverkehr zu dulden.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs. 1 Z. 4, 5 und 9 lit. a StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Einen Verfahrensmangel (Z. 4) erblickt der Beschwerdeführer in der Abweisung seines Antrags auf "Einholung eines psych. (laut Urteilsbegründung und Beschwerdeschrift S. 43 und 60:

psychologischen) Gutachtens über den Zustand des Markus S*** zum Beweise dafür, daß der Zeuge wegen seiner Pubertätsentwicklung sich vor seinem Freund aufspielen wollte und ihm gegenüber die Sache erfand und dann dabei blieb" (S. 36). Entgegen der Beschwerde verfiel dieser Beweisantrag aber ohne Verletzung von Verteidigungsrechten der Abweisung (S. 37), weil die Begutachtung der Aussagen jugendlicher Zeugen durch einen Psychologen (oder Psychiater) nur in besonders gelagerten Fällen, etwa bei festgestellter abwegiger Veranlagung des Zeugen in psychischer und charakterlicher Hinsicht, bei Entwicklungsstörungen oder bei sonstigen Defekten indiziert ist; davon kann aber beim Zeugen Markus S*** nach den Verfahrensergebnissen keine Rede sein. Es ist daher hier - wie das Erstgericht in seinem abweislichen Zwischenerkennenis zutreffend ausgesprochen hat - ausschließlich Sache der richterlichen Beweiswürdigung (§ 258 StPO.), die Glaubwürdigkeit dieses Zeugen auf Grund der gesamten Ergebnisse des Beweisverfahrens, insbesondere auch seines persönlichen Eindrucks, zu beurteilen (EvBl. 1959 Nr. 276, 13 Os 21/80 u.a.). Die bloße Behauptung, die Angaben eines Zeugen seien unwahr und unglaubwürdig, weil er phantastisch veranlagt sei, rechtfertigt mangels konkreter Umstände, welche diese Behauptung stützen, die Beiziehung eines Sachverständigen zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit dieses Zeugen nicht (Mayerhofer-Rieder 2 ENr. 52 zu § 150 StPO.). Im übrigen wäre eine ärztliche (und sohin auch eine psychiatrische oder psychologische) Untersuchung eines Zeugen ohne dessen (oder seines gesetzlichen Vertreters) ausdrückliche Zustimmung überhaupt nicht zulässig, zumal (von hier nicht gegebenen, in der Rechtsordnung eigens normierten Ausnahmen abgesehen) niemand verpflichtet ist, sich selbst (seinen Körper, seine Persönlichkeit) als Beweismittel zur Verfügung zu stellen (LSK. 1976/151, 1977/138, 1979/177, 13 Os 171/84 und die dort zitierte Judikatur).

Rechtliche Beurteilung

Die Verfahrens- aber auch die Mängelrüge (Z. 5) bekämpfen in weitwendigen Darlegungen - teils unter Relevierung rechtlich völlig belangloser Umstände wie etwa des genauen (und nicht nur sinngemäßen) Wortlauts des Ansinnens an S*** und der Art seiner Ablehnung (durch das Wort "Nein" oder durch Kopfschütteln) - in massiver Weise unzulässig die Beweiswürdigung des Erstgerichts. Hat dieser doch alle entscheidungswesentlichen Konstatierungen hinreichend und im Einklang mit den Denkgesetzen und der allgemeinen Lebenserfahrung begründet und sich dabei auch mit kleineren Widersprüchen zwischen den Angaben des Zeugen S*** vor der Polizei (wo keine Niederschrift mit ihm aufgenommen worden war) und vor Gericht sowie dem Umstand, daß dieser Zeuge die Äußerungen des Angeklagten ihm gegenüber nur sinngemäß wiedergeben konnte, eingehend auseinandergesetzt, aber auch die Aussage des Zeugen Bernhard W*** gewürdigt. Eine von der Beschwerde vermißte Beweiserhebung über eine homosexuelle Veranlagung des Angeklagten war schon deshalb entbehrlich, weil es nicht um dessen sexuelle Lebenshaltung, sondern um die Aufklärung einer individuellen Straftat geht (13 Os 161/82).

In seiner Rechtsrüge (Z. 9 lit. a) vertritt der Beschwerdeführer die Ansicht, das ihm angelastete Verhalten sei noch nicht als strafbarer Versuch der Tat (§ 15 Abs. 2 StGB.), sondern als straflose Vorbereitungshandlung hiezu zu beurteilen. Auch dies zu Unrecht.

Eine Straftat ist versucht, sobald der Täter seinen Entschluß,

sie auszuführen oder einen anderen dazu zu bestimmen, durch eine der

Ausführung unmittelbar vorangehende Handlung betätigt (§ 15

Abs. 2 StGB.). Hält man sich vor Augen, daß vorliegend die

eindeutige und durch das Anbieten von Geld verstärkte Aufforderung

an einen Jugendlichen, sich für gleichgeschlechtliche Unzuchtsakte

zur Verfügung zu stellen, zeitlich und tatbildmäßig nur durch dessen

Zustimmung - nach welcher dem Beginn der Unzuchtshandlungen nichts

mehr im Wege gestanden wäre - vom Beginn der Tatbildverwirklichung

getrennt war, dann kann ein zur Verwirklichung des Tatbestands des

Verbrechens nach § 209 StGB. ausführungsnahes Verhalten nicht

bezweifelt werden. Ist doch nach ständiger Judikatur die

Aufforderung zu Unzuchtsakten an das - wenngleich hiezu nicht

bereite - Opfer eine der Tatverübung unmittelbar vorangehende

Betätigung (13 Os 32/78 = RZ. 1978, 137 = EvBl. 1978/213; S. 666;

9 Os 26/80, 12 Os 167/80, 12 Os 39/81 = JBl. 1981, 550 = SSt. 52/23,

10 Os 81/81).

Der Einwand, ein Mundverkehr wäre am Ort der Aufforderung, nämlich in einer größeren öffentlichen Toiletteanlage, gar nicht möglich gewesen, ist dadurch entkräftet, daß sich zur Tatzeit keine dritte Person dort aufhielt (S. 11; Verlesung S. 37). Auch wäre das Herannahen einer anderen Person (welche vorliegend zur unterirdisch gelegenen Toiletteanlage über eine Treppe hinuntersteigen mußte) leicht bemerkbar gewesen, wozu noch kommt, daß der Treffpunkt der potentiellen Unzuchtspartner nicht mit dem vom Täter für die Ausübung der Unzuchtsakte vorgesehenen Ort zusammenfallen muß (11 Os 183/78).

Die Bezeichnung der vom Angeklagten begangenen strafbaren Handlung im Urteilsspruch (§ 260 Abs. 1 Z. 2 StPO.) als "Verbrechen der gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Jugendlichen" (dann freilich richtig: "nach den §§ 15, 209 StGB.") begründet keine Nichtigkeit (§ 281 Abs. 1 Z. 3 StPO.): die Umschreibung der Tat (§ 260 Abs. 1 Z. 1 StPO.) läßt nämlich unmißverständlich deren Entwicklungsstufe (Versuch, nicht aber vollendete Tat) erkennen; die Vorschrift des § 260 Abs. 1 Z. 2 StPO. verlangt lediglich den Ausspruch des verwirklichten Tatbestands ("strafbare Handlung"), nicht aber auch dessen Entwicklungsstadiums (Versuch oder Vollendung - 13 Os 105/81 = LSK. 1981/180 zu § 260 Abs. 1 Z. 1 und 2 StPO.). Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war sohin zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach §§ 41, 209 StGB. eine gemäß § 43 Abs. 1 StGB. für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe von drei Monaten. Dabei war erschwerend nichts, mildernd hingegen waren die Unbescholtenheit des Angeklagten, sein Alter unter 21 Jahren und der Umstand, daß es beim Versuch blieb und kein Schaden entstand.

Mit ihrer Berufung begehrt die Anklagebehörde eine Erhöhung der Freiheitsstrafe (auf das Mindestmaß des Strafsatzes). Sie meint, daß die außerordentliche Strafmilderung (§ 41 StGB.) atypisch leichten Fällen vorbehalten bleiben müsse. Ein solcher läge hier aber nicht vor.

Der Staatsanwaltschaft kann indes hierin nicht beigepflichtet werden. Im Vergleich mit gleichartigen Delikten bleibt der Unrechtsgehalt des Unzuchtsversuchs unter dem Durchschnitt, was gewiß auch der besonnenen Reaktion des ausersehenen Opfers zu danken ist, was aber dennoch auch dem Angeklagten bei der Bemessung der Strafe zugute zu kommen hat. Von der Androhung einer bloß dreimonatigen Freiheitsstrafe kann bei einem Ersttäter wie dem Angeklagten eine sowohl spezial- wie generalpräventiv hinreichend abschreckende Wirkung erwartet werden, sodaß der Berufung ein Erfolg zu versagen war.

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