Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Rupert W***** wurde des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB schuldig erkannt und hiefür nach dieser Gesetzesstelle unter Anwendung des § 43 a Abs 2 StGB zu einer unbedingten Geldstrafe sowie zu einer - für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen - Freiheitsstrafe verurteilt, weil er am 28.Dezember 1993 in St.Leonhard außer dem Fall des § 201 Abs 1 StGB Roswitha Wi***** mit Gewalt, nämlich dadurch, daß er sich auf sie legte, sie mit dem Ellbogen niederdrückte, ihr die Pyjama- und Unterhose bis in Kniehöhe herunterzog, ihre Beine auseinanderdrückte und mit seinem erigierten Glied in die Scheide eindrang, zur Duldung des Beischlafes genötigt hat.
Rechtliche Beurteilung
Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 4 und 5 a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, den Strafausspruch mit Berufung.
Unter dem zuerst genannten Nichtigkeitsgrund (Z 4) rügt der Beschwerdeführer zu Unrecht die Abweisung von vier durch seinen Verteidiger in der Hauptverhandlung gestellten Anträgen (224 ff) durch den Gerichtshof (227):
Zu 1.:
Der Beschwerdeführer moniert die Abweisung seiner - einen Vertagungsantrag in sich begreifenden (Mayerhofer/Rieder StPO3 § 281 Z 4 E 10) - Ablehnung des Vorsitzenden des Schöffengerichtes, die er - nach einem zuvor gestellten Antrag, die anatomische Ausbildung des Gliedes des Angeklagten durch den medizinischen Sachverständigen begutachten zu lassen - deshalb begehrt hatte, "da der Vorsitzende im Zusammenhang seines Beweisantrages erklärt(e), auch das Geschlechtsteil des Verteidigers herauszunehmen und abzumessen" und "weil durch die Vorgangsweise die Unbefangenheit des Vorsitzenden bei sehr sensibler Beweislage ... nicht mehr gewährleistet ist" (225, 226).
Ungeachtet dessen, ob die Äußerung des Vorsitzenden des Schöffensenates - wie im Antrag, einem Protokollberichtigungsantrag und in einer Beschwerde gemäß § 15 StPO behauptet wird - dahin ging, man werde "den des Verteidigers vermessen", oder - wie vom Vorsitzenden in das Hauptverhandlungsprotokoll eingefügt wurde - dahin, es sei "spaßhalber" angekündigt worden, das nächste Mal werde man "den Verteidiger" vermessen, sieht sich der Oberste Gerichtshof vorerst zur unmißverständlichen Klarstellung, daß seine Entscheidung in der Sache in keiner Weise als auch nur indirekte Billigung des Verhaltens des Vorsitzenden des Schöffensenates zu deuten ist, zu folgenden Bemerkungen veranlaßt:
Von der Bestimmung des § 233 Abs 1 StPO über die Erhaltung des der Würde des Gerichtes entsprechenden Anstandes im Gerichtssaal ist selbstverständlich auch der Vorsitzende eines Schöffengerichtes nicht ausgenommen, der seine Prozeßleitung mit Anstand und Gelassenheit (vgl § 198 Abs 1 StPO) auszuüben hat. Dementsprechend sind auch vom Vorsitzenden die Formen der gebotenen Höflichkeit zu wahren und spöttische Bemerkungen zu unterlassen (§ 52 Abs 1 und 2 Geo).
Äußerungen der in Rede stehenden Art - gleichviel, welche Version gebraucht wurde -, die vom Vorsitzenden selbst als "spaßig" (227) und als "seine Art des Humors" (265) deklariert wurden, mögen in einem derben Schwank dreingehen, sind aber in einer Hauptverhandlung völlig fehl am Platz und nur geeignet, die Achtung vor dem Richterstand zu schmälern (§ 57 Abs 3 RDG).
Der Oberste Gerichtshof sieht sich veranlaßt, seine nachdrückliche Mißbilligung dieses Verhaltens zum Ausdruck zu bringen.
Dennoch ist (auch) dieser erste Teil der Verfahrensrüge im Ergebnis unberechtigt.
Eine bloß subjektive Besorgnis einer Befangenheit des Richters begründet die Ablehnung nicht hinreichend (Mayerhofer/Rieder StPO3 § 72 E 7), es müssen objektive Gründe dafür glaubhaft gemacht werden.
Befangenheit liegt vor, wenn ein Richter an eine Rechtssache nicht mit voller Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit herantritt (Mayerhofer/Rieder aaO E 9; 13 Ns 13/92, 11 Ns 14/90; 11 Ns 3/88; 14 Ns 141/87; 11 Ns 20/86 ua), somit eine Hemmung zu unparteiischer Entscheidung durch sachfremde psychologische Motive gegeben ist (Mayerhofer/Rieder aaO E 5; JBl 1990, 122; RZ 1989/110; EvBl 1988/43). Es kommt dabei nicht darauf an, ob sich der Richter befangen fühlt oder nicht; auch der Anschein einer Befangenheit genügt, wofür freilich zureichende Anhaltspunkte gegeben sein müssen, die geeignet sind, bei einem verständig würdigenden objektiven Beurteiler die volle Unbefangenheit des Richters in Zweifel zu ziehen (erneut 13 Ns 13/92 und 11 Ns 14/90; weiters Mayerhofer/Rieder aaO E 6 ff; Pfeiffer im Karlsruher Kommentar zur dStPO3 § 24 RN 3; Loewe-Rosenberg dStPO24 § 24 RN 5 f).
Vorliegend hat der Vorsitzende dem Antrag des Verteidigers auf körperliche Untersuchung des Angeklagten, mit dem eine Unfähigkeit des Angeklagten zum Geschlechtsverkehr bewiesen werden sollte, spontan - ohne erst einen Beschluß des Senates herbeizuführen - stattgegeben. Nichts weist darauf hin, daß der Vorsitzende ein Ergebnis der Untersuchung, das den Intentionen der Verteidigung entsprochen hätte, nicht zur Kenntnis genommen und nicht der abschließenden Beurteilung der Sache zugrundegelegt hätte. Er zeigte sich vielmehr durch die Zulassung des eben genannten Beweises der Möglichkeit einer dem Angeklagten günstigen Beurteilung der Sache durchaus offen.
Es verbleibt demnach die - an sich gar nicht den Angeklagten betreffende - grob ungehörige Äußerung des Vorsitzenden dem Verteidiger gegenüber, die Disziplinarsanktionen nach sich ziehen kann, für sich aber die Annahme einer Befangenheit des Schöffensenatsvorsitzenden nicht rechtfertigt (Mayerhofer/Rieder aaO E 13, 20; 11 Os 98,100/91).
Letztlich sei zum Vorbringen in der Nichtigkeitsbeschwerde über "vorhergehende tendenzielle Äußerungen" des Vorsitzenden und über dessen Verhalten in einem anderen Verfahren des Landesgerichtes Linz darauf hingewiesen, daß diese Umstände nicht Gegenstand des Ablehnungs- (= Vertagungs-)antrages waren und demnach insoweit die Beschwerdelegitimation fehlt (Mayerhofer/Rieder aaO § 281 Z 4 E 40 f).
Zu 2.:
Die Ausforschung (und die damit gemeinte Vernehmung) des Stiefvaters der Zeugin Roswitha Wi***** zum Beweis dafür, "daß ihre Behauptung, er habe sie vergewaltigt, falsch ist, da sich die Umstände, unter denen diese angebliche Vergewaltigung stattgefunden haben soll, mit dem gegenständlichen Fall vergleichen lassen, sodaß aus den konkreten Angaben dieses Zeugen erkennbar und nachzuweisen ist, daß die Behauptungen der Zeugin Wi*****, der Angeklagte habe sie vergewaltigt, in der konkreten Situation erfunden und unrichtig sind und die Zeugin in diesem Bereich unglaubwürdig ist" (224), lehnte das Erstgericht gleichfalls (im Ergebnis) zu Recht ab (227 Punkt 1.).
Während durch den ersten Teil dieses Beweisantrages gemäß dessen klaren Inhaltes lediglich ein (vom Beschwerdeführer als gegeben unterstellter) Umstand erwiesen werden soll, der außerhalb des hier aktuellen Verfahrens liegt, läuft der zweite Teil des Antrages - der Sache nach - bloß auf die Aufnahme eines unzulässigen Erkundungsbeweises hinaus, dessen Nichtaufnahme weder eine Hintansetzung noch eine unrichtige Anwendung von die Verteidigung sichernden Verfahrensgrundsätzen im Sinne des relevierten Nichtigkeitsgrundes bewirkte (Mayerhofer/Rieder aaO § 281 Z 4 E 88, 90).
Soweit die Beschwerde auch gegen die (ihrer Meinung nach zu Unrecht) vom Vorsitzenden nicht zugelassene Frage des Verteidigers nach "den Namen der angeblichen Vergewaltiger und insbesondere nach dem Namen des Stiefvaters" remonstriert, ist sie in Ansehung des Stiefvaters zur Ergreifung der Verfahrensrüge nicht legitimiert, weil es insoweit an einem bekämpften Zwischenerkenntnis des Gerichtshofes fehlt (vgl 213 unten bis 214 oben). Die Frage nach den Namen anderer "angeblicher Vergewaltiger" (213: "Wie sind die Namen ?"), die im übrigen zT den angeschlossenen Akten über die rechtskräftig erledigten Verfahren des Kreisgerichtes Steyr zu entnehmen sind, hat das Schöffengericht zu Recht mangels Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren nicht zugelassen (213 unten).
Im übrigen haben sich die Tatrichter in den Entscheidungsgründen (vgl US 6 f und 9) ohnehin ausführlich und kritisch mit dem Vorleben sowie mit der Persönlichkeitsstruktur der Zeugin Roswitha Wi***** und der Beweiskraft ihrer Aussage auseinandergesetzt.
Zu 3.:
Die Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens sowie eine Untersuchung der Zeugin Roswitha Wi***** wurde zum Beweis dafür beantragt, "daß sie aufgrund ihrer psychischen Einstellung zum Angeklagten und ihrer psychischen Konstitution sowie aufgrund des Krankheitsverlaufes in der Vergangenheit in psychischer Hinsicht, ohne daß es tatsächlich zu einem Vorfall gekommen wäre, den Angeklagten falsch beschuldigt, am 28.12.1993 an ihr unter Anwendung von Gewalt einen GV vollzogen zu haben bzw sie zur Duldung des Beischlafs genötigt zu haben" (224 f).
Zu diesem Beweisantrag ist vorerst unter dem Gesichtspunkt der Wahrung der Persönlichkeitsrechte (auch eines Zeugen) und einer in jüngerer Zeit zu verzeichnenden Häufung, nicht genehmen Zeugenaussagen mit Psychiatrierungsanträgen zu begegnen, auszuführen:
Die Verpflichtung eines Zeugen beschränkt sich grundsätzlich darauf, einer Vorladung Folge zu leisten, ein Zeugnis abzulegen (sofern nicht ein Entschlagungsrecht gegeben ist) und dieses Zeugnis allenfalls zu beeiden. Der Zeuge ist - gleich wie ein Angeklagter (Mayerhofer/Rieder StPO3 § 202 E 11) - nicht verpflichtet, seinen Körper (und damit seine Persönlichkeit, maW seine Psyche) als Beweismittel zur Verfügung zu stellen. Eine - an sich nicht ausgeschlossene - psychiatrische Exploration als ein möglicherweise im Zuge dieser Untersuchung dem freien Willen des Zeugen entzogene Inanspruchnahme von Persönlichkeitskomponenten als Beweismittel ist demnach grundsätzlich an die Zustimmung des Zeugen (oder seines gesetzlichen Vertreters) gebunden (Mayerhofer/Rieder aaO § 150 E 41, 50; SSt 58/36; 15 Os 81/91; 13 Os 99/86; 13 Os 171/84; 12 Os 33/70; LSK 1976/151; LSK 1977/138; LSK 1979/177 uam). Die Bestimmungen der §§ 132 f StPO stehen dem nicht entgegen, weil die darin umschriebene (körperliche) Untersuchung im Weigerungsfall nicht erzwingbar wäre (Lohsing/Serini Öst Strafprozeßrecht4 313, EvBl 1954/36).
Daß eine derartige Zustimmung der Zeugin erteilt worden wäre, wurde weder im Beweisantrag noch in der Nichtigkeitsbeschwerde dargetan. Von der Verteidigung wurde die Zeugin auch in der Hauptverhandlung nicht nach einer derartigen Zustimmung befragt, noch wurde ein Antrag dahin gestellt, das Gericht möge eine Zustimmung dieser Art einholen.
Überdies setzt die Psychiatrierung eines Zeugen voraus, daß objektive Momente seine geistige Gesundheit und damit seine Fähigkeit, Wahrnehmungen zu machen und diese gedächtnistreu wiederzugeben, in Frage stellen. Solche Zweifel müssen ganz erheblich und somit ihrem Gewicht und ihrer Artung nach den im § 11 StGB erfaßten Geistesstörungen gleichkommen; bloße Charakteranomalien können in der Regel noch keinen Anlaß für eine Psychiatrierung abgeben (Mayerhofer/Rieder aaO § 150 E 44 sowie § 134 E 3 und 6 mit Judikaturzitaten).
Derartige gravierende objektive Kriterien in bezug auf die genannte Zeugin wurden aber weder im Beweisantrag konkret dargetan, noch sind solche der Aktenlage (vgl ua die Krankengeschichte ON 18 iVm S 231 oben) oder den Beschwerdeausführungen zu entnehmen, sodaß auch dieser Antrag in Wahrheit (außerdem) auf die unzulässige Aufnahme eines reinen Erkundungsbeweises abzielt und somit schon aus diesem Aspekt zu Recht der Abweisung durch den Gerichtshof verfiel (Mayerhofer/Rieder aaO § 150 E 41, § 281 Z 4 E 113).
Zu 4.:
Letztlich wurde auch der Antrag auf Durchführung eines Lokalaugenscheines in der Wohnung der Zeugin Wi***** sowie auf Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür, "daß aufgrund des Tatortes, insbesondere der Beschaffenheit der Couch einerseits, der von der Zeugin Wi***** geschilderten Tathandlung andererseits, sowie wegen der beim Angeklagten bestehenden anatomischen Ausbildung seines Gliedes der Vollzug des GV medizinisch und technisch unmöglich war", mit sachgerechter Begründung abgewiesen (Punkt 3. S 227). Dem ist nur noch hinzuzufügen, daß der Beschwerdeführer bei der gegebenen Beweislage (vgl insbesonders ZV Wi***** - 208 ff und SV-Gutachten - 228 ff) schon bei Antragstellung dartun hätte müssen, aus welchen Gründen zu erwarten war, daß die beantragten Beweisaufnahmen auch tatsächlich das von ihm behauptete Ergebnis erbringen würden (Mayerhofer/Rieder aaO § 281 Z 4 E 19 und 90).
Zusammenfassend ist daher zu sagen, daß dem Schöffengericht in keinem der genannten Punkte der behauptete Verfahrensmangel unterlaufen ist.
Nach Prüfung der gesamten Aktenlage unter besonderer Berücksichtigung der von der Tatsachenrüge (Z 5 a) ins Treffen geführten Argumente (so etwa: durch die mehrmaligen, lauten Schreie der Zeugin Wi***** hätte entweder der im Nebenzimmer schlafende Lebensgefährte Johann R***** oder der im Kinderzimmer schlafende Sohn Sascha aufwachen müssen; bei der vom Opfer behaupteten "heftigen körperlichen Gegenwehr" und bei dem von ihm geschilderten Tathergang wäre "zwangsläufig" eine Verletzung am Brustkorb zumindest in Form von Blutergüssen und Druckstellen sowie Rötungen vorgelegen) hegt der Oberste Gerichtshof keine Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen, zumal das Schöffengericht in einer kritischen Gesamtschau aller vorliegenden Verfahrensergebnisse sowie unter Verwertung des persönlich gewonnenen Eindrucks in freier Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) ausführlich, aktengetreu und in Übereinstimmung mit den Denkgesetzen begründet hat, warum es der - zudem durch objektive Hinweise gestützten - Aussage der Belastungszeugin Roswitha Wi***** geglaubt, der leugnenden Verantwortung des Angeklagten hingegen den Glauben versagt hat (US 6 ff).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher schon bei einer nichtöffentlichen Beratung gemäß § 285 d Abs 1 StPO zurückzuweisen.
Daraus folgt die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Linz zur Entscheidung über die Berufung (§ 281 i StPO).
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