OGH 7Ob400/97t

OGH7Ob400/97t31.3.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W***** AG, ***** vertreten durch Dr.Wilhelm Noverka und Dr.E. Stanek-Noverka, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Ing.Werner G***** GmbH, ***** vertreten durch Dr.Gerhard Renner und Dr.Gerd Höllerl, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 83.618,76 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 22.September 1997, GZ 41 R 540/97h-31, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 17.Jänner 1996, GZ 25 C 567/94h-25, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Geschäftsführer der Beklagten, Ing.Werner G*****, betrieb zunächst ein Bewachungsunternehmen als Einzelunternehmer, das er im Juni 1992 in die Beklagte einbrachte. Er war schon davor mit der Bewachung sämtlicher Blöcke des Wohnparks A***** beauftragt.

Die Klägerin ist eine Tochtergesellschaft der G***** GesmbH, deren Geschäftsführer die Entscheidungsträger im Innenverhältnis für die Gestaltung von Verträgen, die die Klägerin abschließt, sind. Vor Abschluß des ersten Bewachungsvertrages übermittelte Ing.Werner G***** ein Anbot und seine Allgemeine Geschäftsbedingungen an die G*****, die unter anderem vorsahen:

"Haftung:

Die Firma I***** haftet für Schäden, die durch ihr oder ihres Personales fahrlässiges Verhalten bei Ausführung des Auftrages verursacht wurden, wenn und insoweit diese Haftung durch eine Haftpflichtversicherung, der die Allgemeinen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung zugrundeliegen, gedeckt werden kann. Die Beweispflicht für das Verschulden trifft den Auftraggeber. Die von der Firma I***** zu tragende Haftung ist mangels abweichender Vereinbarung der Höhe nach mit einem Betrag von S 10 Mio pauschal für Personen- und Sachschäden, S 1 Mio für reine Vermögensschäden, S 500.000,-- für reine Einbruchs- und Diebstahlsschäden pro Fall begrenzt.

Als Einbruch- oder Diebstahlschäden gelten nur solche, die bei der Polizei zur Anzeige gebracht wurden. Bei Sachschäden haftet die Firma I***** nicht für den Neuwert, sondern lediglich für den Verkehrswert zum Zeitpunkt des Schadensereignisses".

Ing.Werner G***** wurde mit vier Schreiben vom 7.12.1989 (für jeweils einen Block des Wohnparks) mit der Bewachung beauftragt, wobei jedoch hinsichtlich der Haftungsbestimmungen ausgeführt wurde:

"Punkt 10: Haftung wird wie folgt modifiziert:

Die Firma I***** haftet für Schäden, die durch ihr oder ihres Personals vorsätzliches oder fahrlässiges Verhalten bei Ausführung des Auftrages verursacht wurden. Die von der Firma I***** zu tragende Haftung......". Im übrigen erfolgte keine Abänderung der diesbezüglichen Bestimmungen in den Geschäftsbedingungen des Ing.Werner G*****.

Ing.Werner G***** unterfertigte diese Auftragsschreiben und retournierte sie an die G*****. Es wurde weder über den Inhalt des Punktes über die Haftung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Ing.Werner G***** noch über die Abänderungen seitens der G***** gesprochen. Nebenabsprachen bestanden keine.

In weiterer Folge bewachte Ing.Werner G***** als Einzelunternehmer sämtliche Blöcke des Wohnparks A*****.

Nachdem er das von ihm betriebene Einzelunternehmen in die beklagte GmbH eingebracht hatte, übermittelte die Klägerin neuerlich Auftragsschreiben zur Bewachung sämtlicher Blöcke des Wohnparks A***** an die Beklagte. Hinsichtlich der Haftung enthielten die Schreiben den identen Wortlaut wie die Schreiben vom 7.12.1989. Ing.Werner G***** unterfertigte auch diese Auftragsschreiben. Über die Vereinbarungen hinsichtlich der Haftung wurden neuerlich keine konkreten Gespräche geführt.

Die Klägerin brachte vor, Mitarbeiter der Beklagten hätten in den ersten Monaten des Jahres 1993 den Generalschlüssel "B" der Schließanlage der Klägerin für den Wohnpark A***** aus den Räumen der Hausverwaltung, die sich ebenfalls dort befänden, gestohlen. Durch die dadurch notwendige Neufertigung des Schlüssels und den Austausch der Schlösser sei der Klägerin ein Schaden von S 68.618,-- entstanden. Weiters hätten die Mitarbeiter der Beklagten bei einem Einbruch im Kaufpark-Infostand S 16.200,-- und am 23.2.1993 bei einem Einbruch im Lager der Hausbetreuung A***** S 1.150,-- an Bargeld gestohlen. Durch einen weiteren Einbruch bei der Firma W***** im Kaufpark hätten sie einen Schaden von etwa S 8.000,-- verursacht. Infolge eines Handtaschendiebstahls bei einer Veranstaltung im Kaufpark sei ein weiterer Schaden von etwa S 7.000,-- entstanden. Diese Diebstähle seien mit Hilfe des gestohlenen Generalschlüssels verübt worden. Die Beklagte habe lediglich die gestohlenen Bargeldbeträge, also insgesamt S 17.250,-- beglichen. Gestützt auf dieses Vorbringen und auf die gemäß Punkt 10. des Auftragsschreibens vom 18.12.1992 getroffene Haftungsvereinbarung begehrte die Klägerin S 83.618,76 sA.

Die Beklagte bestritt das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach. Die Zahlung von S 17.250,-- sei völlig unpräjudiziell erfolgt. Bei den polizeilichen Untersuchungen der Diebstähle hätten sich keine für eine Haftung der Beklagten sprechende Umstände ergeben. Sämtliche Mitarbeiter der Beklagten seien gut beleumundet gewesen. Sie hätten kein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten gesetzt. Der Generalschlüssel "B" habe sich niemals im Besitz der Beklagten befunden. Der Schlüssel sei auch nicht von einem Mitarbeiter der Beklagten entwendet worden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren sowohl im ersten als auch im zweiten Rechtsgang ab. Es hat lediglich Beweisaufnahmen zur Frage des Inhaltes der zwischen den Streitteilen getroffenen Haftungsvereinbarung durchgeführt und in rechtlicher Hinsicht ausgeführt: Die Gehilfenhaftung nach § 1313a ABGB trete mangels eines sachlichen Zusammenhanges zwischen den behaupteten schädigenden Verhalten der Mitarbeiter der Beklagten und der vertraglichen Verpflichtung nicht ein. Die Haftung nach § 1315 ABGB komme schon mangels einer Behauptung, daß sich die Beklagte wissentlich einer gefährlichen Person bedient habe, nicht in Frage. Von dieser vom Berufungsgericht überbundenen Rechtsansicht sei auch im zweiten Verfahrensgang auszugehen. Eine über die Bestimmungen der §§ 1313a und 1315 ABGB hinausgehende Haftung sei der festgestellten Vereinbarung über die Haftung der Beklagten nicht zu entnehmen. Mit dieser Bestimmung sei lediglich die Haftung in betraglicher Hinsicht eingeschränkt worden.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Es vertrat nunmehr im Gegensatz zu seiner aufhebenden Berufungsentscheidung im ersten Rechtsgang, in der der Rekurs an den Obersten Gerichtshof nicht zugelassen wurde, die Ansicht, daß die Gehilfenhaftung der Beklagten nach § 1313a ABGB zu bejahen sei. Es erachtete sich jedoch an die in der aufhebenden Vorentscheidung dargelegte gegenteilige Rechtsansicht gebunden. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil die in der aufhebenden Vorentscheidung überbundene Rechtsansicht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abweiche.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist zulässig und im Sinne einer Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen berechtigt.

Wer mit dem Willen des Schuldners bei der Erfüllung der diesem obliegenden Verbindlichkeit als seine Hilfsperson tätig wird, ist Erfüllungsgehilfe im Sinn des § 1313a ABGB. Normzweck dieser Bestimmung ist, daß der, der den Vorteil der Arbeitsteilung in Anspruch nimmt, auch das Risiko tragen soll, daß an seiner Stelle der Gehilfe schuldhaft rechtlich geschützte Interessen des Gläubigers verletzt. Nach herrschender Auffassung ist für die Beurteilung der Gehilfenhaftung nach § 1313a ABGB maßgebend, ob der Gehilfe bei der Verfolgung der Interessen des Schuldners tätig war, dh, ob er in das Interessenverfolgungsprogramm des Schuldners und damit in seinen Risikobereich eingebunden war (SZ 67/101; SZ 68/106 je mwN).

Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes haftet der Geschäftsherr auch für vorsätzliche unerlaubte Handlungen des Gehilfen, die dieser innerhalb des vom Geschäftsfherrn vertraglich übernommenen Pflichtenkreises setzt (SZ 32/153; 3 Ob 610/83; SZ 54/109; SZ 63/201). Es ist auch in der Lehre nicht strittig, daß der Geschäftsherr jedenfalls dann nach § 1313a ABGB für vorsätzliches Handeln des Gehilfen haftet, wenn die Hauptleistungspflicht verletzt wird. Die Schwierigkeiten in der Abgrenzung zu § 1315 ABGB ergeben sich erst, wenn es um Schutzpflichtverletzungen geht (Koziol, Haftpflichtrecht II2, 343 ff mwN).

Im vorliegenden Fall bestand die Hauptleistungspflicht der Beklagten in der Bewachung sämtlicher Gebäudeteile der Wohn- und Geschäftsanlage A*****. Die Beklagte sollte demnach für die Abwehr von Eigentumsdelikten wie insbesondere schädigende Einwirkungen auf die Substanz und die Gebäude sowie für die Abwehr von Einbrüchen und Diebstählen Sorge tragen. Durch eine derartige Bewachungstätigkeit wird zwar ein Erfolg in dem Sinne, daß jeder Diebstahl unterbleibt, nicht gewährleistet, weil ein vollkommener Objektschutz auch nach der Verkehrserwartung durch die bloße Überwachung eines Objektes nicht gefordert werden kann. Geschuldet wird aber das Bewirken eines erhöhten Sicherheitsniveaus, für das der Auftraggeber Entgelt leistet (vgl zur Rechtsnatur des Bewachungsauftrages 2 Ob 526/94).

Nach den Behauptungen der Klägerin haben die Gehilfen der Beklagten, deren sie sich zur Erfüllung dieser Verbindlichkeiten bediente, aus innerhalb des von ihnen zu bewachende Gebäudekomplexes gelegenen Räumen einen Generalschlüssel gestohlen, damit einen Teil der Schließanlagen zur weiteren Verwendung unbrauchbar gemacht und überdies weitere Diebstähle in dem zu bewachenden Gebäudeareal begangen. Damit steht außer Zweifel, daß die Gehilfen, sollten sich die Behauptungen der Klägerin als zutreffend erweisen, gerade die Hauptleistungspflicht verletzt haben, indem sie selbst dieser Verpflichtung konträre Verhaltensweisen gesetzt haben. Der vorliegende Fall ist durchaus mit den von der Rechtsprechung bereits behandelten Fällen vergleichbar, in denen jeweils eine Haftung des Geschäftsherrn infolge Verletzung der vertraglich übernommenen Verpflichtung durch den Gehilfen bejaht wurde, wie etwa bei betrügerischer Abnahme der zu verwahrenden Teppiche durch Angestellte des Verwahrers, bei Unterschlagung eines eingezahlten Betrages durch einen Postbediensteten, beim Diebstahl von eingelagerten Wertgegenständen durch einen Angestellten des Spetiteurs, bei Diebstahl des Gehilfen des Installateurs am zu reparierenden Gegenstand und bei Diebstahl des zu überwachenden Gutes durch einen Zollbeamten (vgl die von Koziol aaO, 343 angeführten Judikaturbeispiele sowie weiters SZ 32/153 und SZ 54/109). Auf die Frage der Haftung nach § 1313a ABGB bei bloßer Verletzung von Schutzpflichten und bei Überschreiten des Auftrages (vgl hiezu etwa SZ 63/201) ist daher im vorliegenden Fall nicht weiter einzugehen.

Eine Einschränkung der hier nach der Sachverhaltsdarstellung der Klägerin grundsätzlich zu bejahenden Haftung der Beklagten nach § 1313a ABGB ist der zwischen den Streitteilen getroffenen Haftungsvereinbarung - mit Ausnahme der betraglichen Begrenzung - nicht zu entnehmen. Ob diese Vereinbarung im Sinn einer gegenüber den gesetzlichen Bestimmungen erweiterten Haftung zu verstehen ist, kann im Hinblick auf obige Ausführungen dahingestellt bleiben.

Da die Vorinstanzen die Haftung der Beklagten nach § 1313a ABGB für ihre Mitarbeiter selbst ausgehend von den Klagebehauptungen aus rechtlichen Gründen verneint haben, unterblieben jegliche Feststellungen über die Richtigkeit des von der Klägerin vorgetragenen und von der Beklagten bestrittenen Sachverhaltes. Diese sekundären Feststellungsmängel, auf die die Klägerin in ihren Rechtsmitteln zu Recht hingewiesen hat und die im Gegensatz zur Ansicht der Revisionsbeantwortung nicht dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, sondern jenem der unrichtigen rechtlichen Beurteilung zuzuordnen sind und sehr wohl auch noch im Revisionsverfahren geltend gemacht werden können, führen zu einer Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen und Zurückverweisung der Rechtssache an das Erstgericht. Dieses wird sich im fortgesetzten Verfahren mit den gegen die Mitarbeiter der Beklagten erhobenen Vorwürfen zu befassen und entsprechende Feststellungen zu den Behauptungen der Klägerin über den Schadenseintritt zu treffen haben. Dabei werden auch die näheren Umstände des behaupteten Handtaschendiebstahles und des behaupteten Einbruches bei der Firma W***** anläßlich einer Veranstaltung im Kaufpark zu erörtern sein, weil selbst nach den bisherigen Ausführungen der Klägerin unklar ist, ob auch insoweit eine Bewachungspflicht der Beklagten angenommen werden kann. Weiters wird aufzuklären sein, inwieweit der Klägerin ein Schaden dadurch entstand, daß bei einer Firma W***** eingebrochen und einer bislang nicht bekannten Person eine Handtasche gestohlen wurde. Ob demnach sämtliche behauptete Diebstähle bzw Beschädigungen dem § 1313a ABGB zu unterstellen sind, kann nach dem derzeitigen Sachverhaltssubstrat nicht abschließend beurteilt werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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