OGH 9ObA17/98k

OGH9ObA17/98k11.3.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Steinbauer und Dr.Spenling als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ing.Herbert E*****,***** vertreten durch Dr.Gottfried Zandl und Dr.Andreas Grundei, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei I*****gesellschaft mbH, ***** wegen S 31.807,30 sA, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26.November 1997, GZ 7 Ra 329/97x-18, womit infolge Rekurses der klagenden Partei der Beschluß des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 10.September 1997, GZ 24 Cga 153/96m-14, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Revisionsrekurswerber hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Der Kläger begehrt mit seiner am 2.7.1996 eingebrachten Klage von der beklagten GmbH Arbeitsentgelt, Barauslagen und Bankspesen in Höhe von S 31.807,-. Da die Klage sowie der darüber erlassene Zahlungsbefehl der Beklagten nicht zugestellt werden konnten, beantragte der Kläger letztlich die Zustellung zu Handen des Prokuristen der Beklagten Anton T***** (richtig T*****) vorzunehmen, an den in der Folge - ohne Hinweis, daß Zustellempfänger die GmbH sei - die Klage und eine auf seinen Namen lautende Ausfertigung des Zahlungsbefehles zugestellt wurden. T***** erhob im eigenen Namen Einspruch gegen den Zahlungsbefehl. In der darüber anberaumten Tagsatzung vom 25.4.1997 wies er darauf hin, daß er seit Jahren nicht mehr Prokurist der Beklagten sei, die im übrigen Firmenbuch bereits gelöscht worden sei. Er erklärte letztlich, sich am Verfahren nicht mehr zu beteiligen. Das Erstgericht forderte nunmehr "zum Zweck der amtswegigen Prüfung der Vollbeendigung der beklagten Partei" den zuletzt eingetragenen Geschäftsführer der Beklagten auf, "über die Verteilung des Gesellschaftsvermögens zu berichten". Dieser teilte als "ehemaliger Geschäftsführer" der GmbH mit, daß die Gesellschaft am 18.2.1997 mangels Vermögen aus dem Firmenbuch gelöscht worden sei; sie habe zu diesem Zeitpunkt keinerlei Vermögen gehabt und sei mit ca. S 1,500.000,- überschuldet gewesen.

Der Kläger, dem diese Mitteilung des Geschäftsführer der Beklagten zur Stellungnahme zugestellt wurde, vertrat dazu den Standpunkt, daß die Parteifähigkeit der GmbH so lange gegeben sei, als sie noch eine Forderung - und sei es (wie hier) nur eine Prozeßkostenersatzforderung - besitze.

Mit Beschluß vom 10.9.1997 stellte das Erstgericht daraufhin das Verfahren infolge Verlustes der Parteifähigkeit der Beklagten ein. Es stellte fest, daß die Beklagte am 18.2.1997 von Amts wegen im Firmenbuch gelöscht worden sei; sie habe zu diesem Zeitpunkt keinerlei Vermögen gehabt und sei mit etwa S 1,500.000,- überschuldet gewesen. Ein vermögenswerter Anspruch sei nicht feststellbar. Auf diese Grundlage ging das Erstgericht davon aus, daß die Beklagte infolge Vollbeendigung ihre Parteifähigkeit verloren habe. Da nicht feststehe, daß die Beklagte schon zum Zeitpunkt der Klageerhebung vollbeendet gewesen sei, sei die Klage nicht zurückzuweisen, sondern das Verfahren einzustellen.

Das vom Kläger angerufene Rekursgericht bestätigte diesen Beschluß und sprach aus, daß der (ordentliche) Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Die Vollbeendigung einer juristischen Person trete ein, wenn kein verwertbares und verteilbares Gesellschaftsvermögen mehr vorhanden sei. Eine Liquidation bzw eine kridamäßige Verteilung sei dazu nicht erforderlich, wenn feststehe, daß die Gesellschaft über keinerlei vermögenswerte Ansprüche mehr verfüge. Ein allenfalls zu ersiegender Prozeßkostenanspruch stehe der Annahme der Vollbeendigung nicht entgegen, sodaß es auch im Zuge eines Rechtsstreites zum Verlust der Parteifähigkeit kommen könne. Dem Rekurswerber sei es freigestanden, die Richtigkeit der Mitteilung des ehemaligen Geschäftsführers der Beklagten zu bestreiten bzw konkrete Erhebungen anzuregen. Von dieser Möglichkeit habe er aber nicht Gebrauch gemacht. Der Revisionsrekurs sei nicht zulässig, weil die Entscheidung des Rekursgerichtes der neueren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes entspreche.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Revisionsrekurs des Klägers mit dem Antrag, ihn dahin abzuändern, daß der erstgerichtliche Beschluß behoben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens aufgetragen werde.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig, weil die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu Fragen der Voraussetzungen und der Folgen der Vollbeendigung einer Gesellschaft während eines anhängigen Prozesses uneinheitlich ist. Er ist aber nicht berechtigt.

Die Parteifähigkeit eines Rechtsgebildes ist eine absolute Prozeßvoraussetzung vom Beginn des Rechtsstreites an bis zu ihrem Ende (Fasching, Zivilprozeßrecht2 Rz 337). Der Verlust der Parteifähigkeit ist von Amts wegen zu beachten. Die hier erfolgte Löschung einer GmbH gemäß § 2 ALöschG im Firmenbuch wirkt allerdings nur deklarativ und beeinträchtigt ihre Partei- und Prozeßfähigkeit so lange nicht, als sie noch nicht "vollbeendet" ist (WBl 1990, 278 uva; Ris-Justiz RS0050186). Erst mit der Vollbeendigung ist die Gesellschaft als solche erloschen. Richtig ist, daß der Oberste Gerichtshof früher zum Teil ganz allgemein die Auffassung vertrat, zur Vollbeendigung bedürfe es der Abwicklung aller die Gesellschaft betreffenden Rechtsverhältnisse zu Dritten. Demgegenüber geht aber die heute herrschende Auffassung davon aus, daß die bloße Existenz von Verbindlichkeiten nicht zur Annahme der Weiterexistenz der Gesellschaft ausreicht, sondern die Vollbeendigung (schon) dann eintritt, wenn kein verwertbares und verteilbares Gesellschaftsvermögen mehr vorhanden ist (SZ 64/134; RdW 1991, 233; WBl 1990, 278; zuletzt RdW 1998, 75 und 9 ObA 412/97x; Ris-Justiz RS0050186; zu den insoweit vergleichbaren [RdW 1991, 233] Personengesellschaften: RdW 1990, 11; Ris-Justiz RS0021209 u. RS0061921; ferner Torggler-Kucsko in Straube, HGB I2, Rz 3 zu § 157; Oberhammer, Die Offene Handelsgesellschaft im Zivilprozeß 169). In diesem Zusammenhang kann daher von einer uneinheitlichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht die Rede sein. Von der zitierten Auffassung abzugehen, besteht keine Veranlassung.

Ebenso unzutreffend ist der Einwand, daß die Vollbeendigung der Gesellschaft eine (förmliche) Liquidation oder die kridamäßige Verteilung des Gesellschaftsvermögens zur Voraussetzung hat. Mit der (hier erfolgten) Eintragung der Löschung nach dem ALöschG gilt die GmbH als aufgelöst; eine Liquidation findet nicht statt (§ 2 Abs 1 ALöschG). Fehlt es - wie hier unwidersprochen festgestellt wurde - an einem Aktivvermögen, endet damit die Rechtspersönlichkeit der GmbH (WBl 1990, 278; Reich-Rohrwig, Das österreichische GmbH-Recht 690; Umfahrer, Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung Rz 761).

Richtig ist, daß der 2. Senat des Obersten Gerichtshofes in der im Revisionsrekurs zitierten Entscheidung 2 Ob 518/91 (GesRZ 1991, 225 [Dellinger] = EvBl 1991/125) die Auffassung vertrat, daß im Falle der Fortsetzung eines Verfahrens durch die beklagte Gesellschaft wegen des von ihr weiter verfolgten Interesses an einer für sie positiven Kostenentscheidung die Vollbeendigung nicht eintritt. Diese Auffassung, die auch in der Lehre auf Kritik gestoßen ist (Dellinger in GesRZ 1991, 227 und ecolex 1992, 419) wurde in der Folge in den Entscheidungen ecolex 1995, 811, ecolex 1995, 887 und 8 ObA 207/95 sowie in der Entscheidung des erkennenden Senates 9 ObA 412/97x abgelehnt. An dieser Ablehnung hält der erkennenden Senat aus den in 9 ObA 412/97x ausführlich dargestellten Überlegungen fest.

Da im vorliegenden Fall das Fehlen eines Aktivvermögens der gelöschten Gesellschaft nicht strittig ist, haben die Vorinstanzen daher zu Recht ihre Parteifähigkeit verneint.

Unterschiedlich beantwortet wurde allerdings in der jüngeren Rechtsprechung die Frage, ob die Fortsetzung eines anhängigen Passivprozesses der Gesellschaft trotz des Eintrittes ihrer Vollbeendigung möglich ist. Der 1. Senat des Obersten Gerichtshofes vertrat dazu in seiner Entscheidung SZ 62/43 die Meinung, daß einmal eingeleitetes Verfahren trotz der Vollbeendigung der beklagten Gesellschaft und des damit bewirkten Wegfalles ihrer Parteifähigkeit fortzusetzen sei. Dies entspreche dem Grundgedanken der (allerdings nicht unmittelbar anwendbaren) Schutzvorschrift des § 234 ZPO. Ein einmal zu Recht begonnenes Prozeßrechtsverhältnis solle nicht durch einseitige Aktionen einer Partei beendet werden können. Hingegen vertrat der 8. Senat in seiner Entscheidung SZ 62/127 und in mehreren Folgeentscheidungen (ecolex 1995, 811; ecolex 1995, 887; 8 ObA 207/95) die Rechtsauffassung, daß die Gesellschaft mit der Vollbeendigung erloschen sei und daher das bestehende Prozeßrechtsverhältnis ein Ende gefunden habe.

Welcher der beiden Standpunkte zutrifft, braucht hier nicht erörtert zu werden, weil unter den gegebenen Umständen auch die in SZ 62/43 vertretene Meinung des ersten Senates dem Revisionsrekurs nicht zum Erfolg verhelfen kann. Auch der erste Senat macht nämlich die Weiterführung des Verfahrens davon abhängig, daß "ein einmal zu Recht begonnenes Prozeßrechtsverhältnis" vorliegt. Dies ist aber nur dann der Fall, wenn das Verfahren durch Zustellung an die beklagte Partei streitanhängig geworden ist (§ 232 ZPO), weil erst damit ein Prozeßrechtsverhältnis mit der beklagten Partei begründet wird. Dem entspricht der Umstand, daß auch die Wirkungen des vom ersten Senat zur Begründung seiner Auffassung zitierten § 234 ZPO erst mit Streitanhängigkeit eintreten (Rechberger in Rechberger, ZPO Rz 1 zu § 234). Im hier zu beurteilenden Fall wurde die Klage aber der beklagten Gesellschaft niemals zugestellt, sodaß mangels Eintritts der Streitanhängigkeit kein Prozeßrechtsverhältnis zwischen dem Kläger und der beklagten Gesellschaft begründet wurde. Die (hier noch ausstehende) Begründung eines Prozeßrechtsverhältnisses mit einer vollbeendeten, daher nicht mehr existierenden und somit auch nicht parteifähigen GmbH kommt aber nicht in Betracht.

Die vom Revisionswerber zur Untermauerung seines Standpunktes zitierten Beispiele stellen dieses Ergebnis nicht in Frage: Sein Hinweis auf die Unmöglichkeit eines Geschädigten, einen allfälligen Deckungsanspruch der für seinen Schaden verantwortlichen, mittlerweile aber vollbeendeten Gesellschaft gegen deren Haftpflichtversicherung zu realisieren, ist schon deshalb verfehlt, weil ein solcher Deckungsanspruch als Aktivvermögen anzusehen wäre, sodaß Vollbeendigung nicht eintreten könnte. Die Unmöglichkeit, bei Vollbeendigung der gelöschten Gesellschaft die Voraussetzung für einen Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld zu schaffen, besteht nur dann, wenn man nicht der im Revisionsrekurs ohnedies zitierten Meinung folgt, wonach die Löschung einer Gesellschaft gemäß § 2 Abs 1 des ALöschG und die Zurückweisung eines nachfolgenden Antrages auf Konkurseröffnung wegen des Fehlens der Parteifähigkeit des Arbeitgebers die in § 1 Abs 1 Z 3 IESG angeführte und der Konkurseröffnung gleichzuhaltende Anspruchsvoraussetzung der Ablehnung des Konkursantrages mangels hinreichenden Vermögens erfüllt (Grießer in ZIK 1997, 37 ff). Selbst wenn man aber dieser hier nicht näher zu prüfenden Meinung nicht folgt, könnte dies nur die Bedenken Grießers gegen die Richtlinien- und Verfassungskonformität des IESG rechtfertigen, aber an dem auch von ihm nicht in Frage gestellten Ergebnis nichts ändern, daß gegen eine vollbeendete und damit nicht parteifähige Gesellschaft kein Prozeßrechtsverhältnis begründet werden kann.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekurses gründet sich auf die §§ 40, 50 Abs 1 ZPO.

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