OGH 6Ob2/98g

OGH6Ob2/98g12.2.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.Prückner und Dr.Schenk als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache der Betroffenen Elfriede P*****, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Betroffenen, vertreten durch den einstweiligen Sachwalter Mag.Stephan Podiwinsky, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 30.Oktober 1997, GZ 43 R 882/97t-18, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Betroffenen wird mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Text

Begründung

Das Rekursgericht änderte den erstgerichtlichen Beschluß, der in Ansehung der Bestellung eines Rechtsanwaltes zum Verfahrenssachwalter nach § 238 Abs 1 AußStrG unangefochten blieb und in Ansehung der Bestellung dieses Rechtsanwaltes (auch) zum einstweiligen Sachwalters nach § 238 Abs 2 AußStrG bestätigt wurde, im übrigen dahin ab, daß zu dessen Aufgabenkreis nur der Abschluß eines Vertrages betreffend die Aufnahme der Betroffenen in ein Pflegeheim mit den damit zusammenhängenden Rechtsgeschäften gehöre. Nach der Aktenlage sei derzeit dringend eine Unterbringung der Betroffenen in einem Pflegeheim geboten, weil die Betroffene trotz Heimhilfeunterstützung zu Hause allein nicht leben könne.

Die Betroffene wendet sich in ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs gegen die Bestellung des einstweiligen Sachwalters nach § 238 Abs 2 AußStrG.

Rechtliche Beurteilung

§ 238 AußStrG sieht die Bestellung von Sachwaltern in zwei völlig unterschiedlichen Fällen vor: Als Rechtsbeistand für das Verfahren hat das Gericht dem Betroffenen unter bestimmten Voraussetzungen einen einstweiligen Sachwalter nach § 238 Abs 1 AußStrG (Verfahrenssachwalter) zu bestellen; das Gericht hat aber nach § 238 Abs 2 AußStrG dem Betroffenen, wenn es sein Wohl erfordert, auch zur Besorgung "sonstiger" dringender Angelegenheiten - das sind andere als das in § 238 Abs 1 AußStrG genannte Sachwalterschaftsverfahren (4 Ob 2235/96x; 1 Ob 252/97h) - für die Dauer des Verfahrens (Bestellungsverfahrens) einen einstweiligen Sachwalter zu bestellen, der weitgehend sein Vorbild im vorläufigen Beistand nach §§ 8 ff EntmO findet (Ent/Hopf, Das Sachwalterrecht für Behinderte, 86) und keine Funktion im Verfahren nach §§ 236 ff AußStrG hat, sofern er nicht -wie hier - auch nach Abs 1 leg cit bestellt wurde. Der Beschluß nach § 238 Abs 2 AußStrG wird sofort mit der Zustellung wirksam (SZ 64/111 ua; Schlemmer in Schwimann2 § 273 ABGB Rz 12 mwN) und schränkt die Geschäftsfähigkeit des Betroffenen im Wirkungskreis des einstweiligen Sachwalters ein (EvBl 1991/34 = EFSlg 63.056; 4 Ob 573/95; 1 Ob 252/97h; Gamerith, Drei Jahre Sachwalterrecht in NZ 1988, 61 ff, 69). Die Frage, unter welchen Voraussetzungen es das Wohl des Betroffenen erfordert, ihm für die Dauer des Verfahrens einen einstweiligen Sachwalter zur Besorgung sonstiger dringender Angelegenheiten beizugeben, ist im Gesetz nicht näher geregelt (1 Ob 252/97h; Gamerith aaO 69; Gitschthaler, Verfahrenssachwalter und einstweiliger Sachwalter in ÖJZ 1990, 762 ff, 767 mwN aus der Rspr in FN 45). Daß zu den von einem Sachwalter zu besorgenden Angelegenheiten, soferne erforderlich, auch die Personensorge zählt, entspricht aber der Rspr des Obersten Gerichtshofes (SZ 59/218; 9 Ob 189/97b ua). Daß die Bestellung eines einstweiligen Sachwalters für das Wohl der Betroffenen dringend erforderlich ist, wenn diese wie hier nach den Annahmen der Tatsacheninstanzen zu Hause allein nicht leben kann und daher dringend ihre Unterbringung in einem Pflegeheim geboten ist, liegt auf der Hand.

"Dringend" sind solche Angelegenheiten, die sofort, das heißt noch vor der Beendigung des Bestellungsverfahrens erledigt werden müssen und deren Behandlung keinen Aufschub duldet. Wenn nun die zweite Instanz noch vor der Einholung eines medizinischen Gutachtens zunächst eine prima-facie Beweisführung als ausreichend ansah (so auch Maurer/Tschugguel, Das österr. Sachwalterrecht in der Praxis2, § 238 AußStrG Rz 11, 14 f), liegt darin keine auffallende Fehlbeurteilung, zumal das Unterbleiben eines Vertragsabschlusses mit einem Pflegeheim die Interessen der Betroffenen nachteilig beeinflussen könnte. Der Rechtsmittelhinweis auf die angeblich gegenteilige Entscheidung 8 Ob 652/87 = EvBl 1988/85 geht deshalb fehl, weil es dort um die Zustimmung zu einer Operation (Amputation eines Armes) und somit - anders als hier - um ein höchstpersönliches Recht ging. In der Entscheidung wurde ausgeführt, daß das Gesetz im § 273 Abs 1 ABGB die Möglichkeit gebe, die Einwilligung einer Person, die infolge einer psychischen Krankheit oder geistigen Behinderung nicht in der Lage sei, die Notwendigkeit der Vornahme einer Operation und die Bedeutung ihrer Verweigerung frei zu beurteilen, durch die Bestellung eines (einstweiligen) Sachwalters zu ersetzen, obwohl im allgemeinen für höchstpersönliche Rechte der Grundsatz gilt, daß sie mit einer gesetzlichen Vertretung unvereinbar sind (7 Ob 355/97z mwN). Es bedurfte daher dort der Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens dazu, ob die Betroffene infolge einer psychischen Krankheit oder geistigen Behinderung nicht in der Lage ist, die Notwendigkeit der Vornahme der Operation und die Bedeutung ihrer Verweigerung frei zu beurteilen.

Erhebliche Rechtsfragen stellen sich demnach nicht; Grundprinzipien des Sachwalterschaftsrechtes wie das Wohl der Betroffenen wurden nicht außer acht gelassen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluß nicht (§ 16 Abs 3 AußStrG iVm § 508a Abs 2 und § 510 Abs 3 ZPO).

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