OGH 8Ob652/87

OGH8Ob652/8721.10.1987

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Sachwalterschaftssache betreffend Rosa R***, geboren am 12. September 1919, infolge Revisionsrekurses des einstweiligen Sachwalters Dr. Peter B***, Rechtsanwalt, Bonygasse 44, 1120 Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 11. September 1987, GZ 44 R 96/87-29, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Liesing vom 27. August 1987, GZ 5 SW 27/87-25, ersatzlos behoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird ebenso wie die Entscheidung des Erstgerichtes aufgehoben. Dem Erstgericht wird die allfällige neuerliche Entscheidung nach Ergänzung des Verfahrens aufgetragen.

Text

Begründung

Das Erstgericht leitete von Amts wegen das Verfahren über die Bestellung eines Sachwalters nach § 273 ABGB für die am 12. September 1919 geborene Rosa R*** ein und bestellte mit Beschluß vom 7. April 1987 (ON 2) Dr. Peter B*** zum einstweiligen Sachwalter nach § 238 Abs. 1 AußStrG. Mit Beschluß vom 27. August 1987 (ON 25) erweiterte es den Wirkungskreis dieses einstweiligen Sachwalters dahin, daß es ihm gemäß § 238 Abs. 2 AußStrG die Veranlassung der notwendigen ärztlichen Behandlungen für die Betroffene und die Zustimmung zu sämtlichen erforderlichen Heilbehandlungen auftrug. Es genehmigte im vorhinein die allfällige Zustimmung des einstweiligen Sachwalters zur Amputation des abgestorbenen linken Armes der Betroffenen und behielt sich die Entscheidung über die Bestellung eines Sachwalters bis zum Abschluß der Heilbehandlung der Betroffenen vor.

Das Erstgericht begründete diese Entscheidung damit, daß die Betroffene nach dem Gutachten des Sachverständigen Prof.Dr. S*** an einem dementiellen Syndrom leidet. Ihr Zustand unterscheidet sich nicht wesentlich von einem geordneten Dämmerzustand. Sie ist nicht in der Lage, ihre Angelegenheiten selbst zu besorgen und die Tragweite und die Folgen des Absterbens ihres linken Armes zu begreifen. Nach dem Gutachten des Sachverständigen Dr. W*** kann es jederzeit, wenn die Gangrän auf den linken Oberarm fortschreitet, bei der Betroffenen zu einer septischen Komplikation mit Fieberschüben kommen, wodurch eine für die Betroffene lebensbedrohende Situation entstehen würde. Gemäß § 238 Abs. 2 AußStrG sei daher der Wirkungskreis des einstweiligen Sachwalters auf die dringend notwendige Vorsorge für die erforderliche medizinische Behandlung der Betroffenen zu erweitern und die Zustimmung des einstweiligen Sachwalters zur Amputation des abgestorbenen Armes zu genehmigen.

Dem gegen diese Entscheidung gerichteten Rekurs der Betroffenen gab das Rekursgericht mit dem angefochtenen Beschluß Folge. Es behob die Entscheidung des Erstgerichtes ersatzlos.

Das Rekursgericht führte im wesentlichen aus, gemäß § 273 Abs. 1 ABGB sei einer geistig behinderten oder an einer psychischen Erkrankung leidenden Person ein Sachwalter zu bestellen, falls sie alle oder einzelne ihrer Angelegenheiten nicht ohne Gefahr eines Nachteils selbst besorgen könne. Im vorliegenden Fall sei allein die Entscheidung über eine Amputation zu treffen; andere zu besorgende Angelegenheiten seien nicht vorhanden.

Die eingeholten Gutachten seien widersprüchlich, da das Gutachten Dris. W*** eine psychische Beeinträchtigung nicht erkenne, das Guthaben Dris. S*** hingegen sehr wohl. Das chirurgische Gutachten Dris. W*** rechne damit, daß es in einigen Monaten nach der im April 1987 erfolgten Gutachtenerstattung, längstens bis Juli 1987, zu einer lebensbedrohenden Situation kommen könne; dieser Zeitraum sei längst abgelaufen. Dr. W*** vermute, seine Fachkompetenz überschreitend, daß eine sogenannte "kalte" Gangrän vorliege und nur bei Hinzukommen einer Infektion mit lebensbedrohenden Komplikationen zu rechnen sei. Auf Grund der damit verbundenen Schmerzen werde dann ärztliche Intervention erfahrungsgemäß nicht mehr abgelehnt werden.

Es erscheine im gegebenen Verfahrensstadium unzweckmäßig ein drittes psychiatrisches Gutachten einzuholen. Der Gesetzgeber habe dem Richter deshalb das Recht zugewiesen und die Pflicht auferlegt, über medizinische Fragen zu entscheiden, um als Entscheidungsgrundlagen nicht nur medizinische Prämissen, sondern die ganze Lebenssituation der betroffenen Person zu beurteilen. Über Gutachtensergebnisse hinaus seien daher zutiefst menschliche Aspekte in die Entscheidung einzubeziehen. Auf diesem Wege hätten daher auch (medizinisch gesehen) laienhafte Anschauungen in die Entscheidung einzufließen. In diesem Sinn seien die medizinisch-gutächtlichen Erkenntnisse zu relativieren, insbesondere aus der Sicht des betroffenen Menschen. Daher - und nicht aus medizinisch-wissenschaftlichen Gründen - sei dem Gutachten Dris. S*** nicht dieses Gewicht beizumessen wie den noch grundlegenderen Werten und Begriffen, dem Sinn des Lebens, dem Wunsch nach dem Tod oder der Willensfreiheit, sei es auch unter bestimmten subjektiven Aspekten. Das Gutachten Dris. S*** unterstelle, es könne nicht normal sein, wenn der Tod passiv erwünscht werde (Thanatotropie) und suche nach den Ursachen für das entsprechend als krankhaft eingestufte Geschehen.

Es treffe sicherlich zu, daß der Todeswunsch in dem Sinn nicht normal sei, als normal das sei, was die meisten Menschen tun, meinen oder wünschen. Diese vom Sachverständigen gezeigte Grundhaltung erscheine insofern nicht vertretbar, als die logische Konsequenz dessen die "Behandlung" aller von dieser Norm abweichenden Personen bis zur "Normalität" sei, wobei ein "Normalwertmesser" neurologisch-psychiatrisch in objektiv meßbarer Form nicht existiere. Nur das umgekehrte Vorgehen scheine im Sinne der Absicht des Gesetzgebers bei Schaffung des Sachwalterrechtes angebracht: Die Ermittlung eines krankhaften Geschehens durch Aufdeckung solcher Vorgänge, die auch ohne Vorwertung als krankhaft erkannt werden könnten. Es erscheine nicht von vornherein krankhaft, den Tod subjektiv herbeizusehnen und ihn durch Unterlassung der Heilbehandlung als im Rahmen der (zumindest phänomenologisch gegebenen) Willensfreiheit in Kauf zu nehmen. Insofern sei der Dispositionsfreiheit eines Menschen der Vorzug vor der bedingungslosen Erhaltung des Lebens zu geben. In diesem Zusammenhang sei auch an die Aufrechterhaltung der Lebensfunktionen durch Maschinen und die unlösbare Problematik "des Abschaltens derselben" zu denken. Diese Position, nämlich die Verlängerung des Lebens mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln, die ihrerseits Folgen auslösen könnten, sei nicht von vornherein schutzwürdig. Das Gutachten Dris. S*** erachte die Dispositionsfreiheit ja nur deshalb für beeinträchtigt, weil dem drohenden Tod seitens der Betroffenen nichts entgegengesetzt werde. Aber auch hier könne dem Sachverständigen nicht gefolgt werden.

Aus dem Gesamtsachverhalt ergebe sich, daß die Betroffene keineswegs aus mangelndem Anpassungsvermögen an eine neue Situation untätig sei, sondern daß sie offenbar sehr wohl erkannt habe, daß eine Amputation sinnvoll wäre. Sie verhalte sich auch keineswegs passiv, sondern wehre sich heftig gegen die Amputation. Dispositionsfähigkeit bestehe daher. Im übrigen handle es sich bei der Situation, in der sich die Betroffene befinde, auch keineswegs um eine komplexe, wie dies von Dr. S*** unterstellt werde. Die Lage sei für die Betroffene völlig klar: Amputation bedeute Wegfall der Lebensgefahr durch Wegnahme des ohnedies nutzlos gewordenen Körperteils; Unterbleiben der Amputation bedeute Erhöhung der Lebensgefahr. Erscheine nun das Gutachten Dris. S*** nicht völlig schlüssig bzw. mit außermedizinischen Wertungen behaftet, die erst nach dem Gutachten einzubringen wären, bedürfe auch der Inhalt der Bestimmung des § 273 Abs. 1 ABGB einer neuerlichen Erörterung:

Die Norm solle "Nachteile" vom Betroffenen abwenden. Rosa R*** stehe nach ihrem Lebensalter von 68 Jahren gewiß noch nicht zwangsläufig und unabwendbar am biologisch notwendigen Ende ihres Lebens. Ihre derzeitige Lebenssituation (der erste Ehegatte im Krieg gefallen, der zweite Trinker, 1980 verstorben, ein Sohn 1986 verstorben, sie selbst schwer krank) lasse ihr das Weiterleben nicht mehr als erstrebenswert und sinnvoll erscheinen. Sie empfinde das Sterben daher nicht als Nachteil. Ohne in philosophische Erörterungen zu verfallen, erscheine diese Einstellung subjektiv durchaus verständlich. Die Betroffene erkenne keinen drohenden Nachteil, wenn sie die mit dem Unterbleiben der Amputation verbundene Lebensgefahr in Kauf nehme. Es sei der Gesellschaft nicht das Recht zuzuordnen, die Betroffene gegen ihren erklärten, nicht durch krankhaftes Geschehen beeinträchtigten Willen zur vorbeugenden Abwendung dieser Lebensgefahr zu zwingen, zumal die Gesellschaft dadurch keinen Nachteil erleide. Dazu komme, daß die für wahrscheinlich gehaltene Lebensgefahr trotz Ablauf der dafür veranschlagten Frist immer noch nicht eingetreten sei und nicht einmal nach der hiefür maßgeblichen chirurgischen Sachverständigenmeinung überhaupt zwingend eintreten müsse. Sicherlich erscheine aus chirurgisch-fachärztlicher Sicht die Amputation des abgestorbenen Gewebes als indiziert, sinnvoll und sogar notwendig, allerdings nicht gegen den erklärten Willen des Patienten. Die Vornahme der Amputation in der derzeit noch nicht lebensbedrohenden Situation erscheine daher selbst bei krankhaft beeinflußter Dispositionsfähigkeit der Betroffenen nicht absolut vom Gericht erzwingbar. Die Gefahr sei nach dem chrirurgischen Gutachten nur möglich; die Amputation erscheine nicht zur Abwendung einer akuten Lebensgefahr, sondern zur "Verbesserung der Lebensqualität" und zur Lebensverlängerung notwendig. Die Betroffene sehe ihr Leben aber subjektiv nicht als angenehm und verlängerungswert an, und zwar auch unabhängig von ihrer Erkrankung. Mangels einer glaubhaft nachgewiesenen psychischen Erkrankung der Betroffenen sei daher ihre Verweigerung der Amputation derzeit zu respektieren. Es bestehe somit kein ausreichender Grund für die Fassung des Beschlusses des Erstgerichtes, der daher ersatzlos zu beheben sei.

Gegen diese Entscheidung des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs des einstweiligen Sachwalters mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß im Sinne der Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichtes abzuändern.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Rechtsmittel ist zulässig und auch sachlich berechtigt. Gemäß § 273 Abs. 1 ABGB ist einer Person, die an einer psychischen Krankheit leidet oder geistig behindert ist und aus diesem Grund nicht imstande ist, alle oder einzelne ihrer Angelegenheiten ohne Gefahr eines Nachteiles für sich selbst zu besorgen, auf ihren Antrag oder von Amts wegen ein Sachwalter zu bestellen. Gemäß § 282 ABGB sind, soweit nicht anderes bestimmt ist, die Bestimmungen für den Vormund auch für die Rechte und Pflichten des Sachwalters maßgebend. Der Sachwalter einer behinderten Person hat auch die erforderliche Personensorge, besonders auch die ärztliche und soziale Betreuung, sicherzustellen, soweit das Gericht nicht anderes bestimmt. Gemäß § 216 Abs. 2 ABGB hat der Vormund, soweit nicht anderes bestimmt ist, in wichtigen die Person des Kindes betreffenden Angelegenheiten die Genehmigung des Gerichtes einzuholen. Gemäß § 238 Abs. 2 AußStrG hat das Gericht, wenn es das Wohl des Betroffenen erfordert, ihm zur Besorgung dringender Angelegenheiten für die Dauer des Verfahrens über die Bestellung eines Sachwalters einen einstweiligen Sachwalter zu bestellen. Die Zusammenschau dieser Rechtsvorschriften ergibt die Berechtigung des mit dem Verfahren über die Bestellung eines Sachwalters für eine behinderte Person befaßten Gerichtes, für die Dauer des Verfahrens einen einstweiligen Sachwalter zu bestellen und mit der Besorgung dringender die Personensorge betreffender Angelegenheiten des Betroffenen zu betrauen; dieser einstweilige Sachwalter hat in wichtigen die Person des Betroffenen Angelegenheiten die Genehmigung des Gerichtes einzuholen. Im vorliegenden Fall ist zu beurteilen, ob zur Besorgung einer derartigen die Personensorge betreffenden wichtigen Angelegenheit (Amputation eines von Gangrän befallenen und abgestorbenen Armes der Betroffenen) ein einstweiliger Sachwalter zu bestellen und zur Zustimmung zur Vornahme einer solchen Operation zu ermächtigen ist. Dabei ist zunächst auf die Vorschrift des § 8 Abs. 3 KAG zu verweisen, nach der operative Eingriffe an einem Pflegling nur mit dessen Zustimmung, wenn er aber das 18. Lebensjahr noch nicht zurückgelegt hat oder mangels geistiger Reife oder Gesundheit die Notwendigkeit oder Zweckmäßigkeit der Behandlung nicht beurteilen kann, nur mit Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters durchgeführt werden dürfen. Die Zustimmung ist aber nicht erforderlich, wenn die Behandlung so dringend notwendig ist, daß der mit der Einholung der Zustimmung des Pfleglings oder seines gesetzlichen Vertreters oder mit der Bestellung eines gesetzlichen Vertreters verbundene Aufschub das Leben gefährden würde oder mit der Gefahr einer schweren Schädigung der Gesundheit verbunden wäre.

In den zuletzt genannten Fällen besonderer Dringlichkeit kann somit eine allenfalls plötzlich notwendig werdende operative Versorgung der Betroffenen auch ohne deren Zustimmung bzw. die Zustimmung eines für sie bestellten einstweiligen Sachwalters erfolgen.

Abgesehen von diesen Fällen besonderer Dringlichkeit ist im Sinne des § 238 Abs. 2 AußStrG zu prüfen, ob eine derartige Maßnahme (Bestellung eines einstweiligen Sachwalters zur Besorgung der erforderlichen Personensorge und dessen Ermächtigung zur Zustimmung einer erforderlichen Amputation) im Interesse des Wohles der Betroffenen erforderlich ist.

Dazu ergibt sich im vorliegenden Fall aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. W***, das von beiden Vorinstanzen insoweit als zutreffend erachtet wurde, daß bei der Betroffenen eine trockene Gangrän mit Mumifikation des gesamten linken Unterarmes einschließlich der Hand besteht, wobei die Finger in Krallenstellung fixiert sind. Es besteht eine deutliche Demarkationslinie im Bereich der linken Cubita. Die Situation ist derzeit von seiten des abgestorbenen linken Armes für die Betroffene zwar nicht unmittelbar lebensbedrohlich, doch kann es jederzeit, wenn die Gangrän auf den linken Oberarm fortschreitet, zu einer septischen Komplikation mit septischen Fieberschüben bzw. auch mit Resorptionsfieber im Rahmen der bestehenden Gangrän kommen. Es besteht daher chirurgischerseits jedenfalls eine absolute Indikation zur Oberarmamputation links, wodurch sicherlich eine Lebensverlängerung bzw. eine Verbesserung der Lebensqualität der Betroffenen erzielt werden könnte. Mit dieser chirurgischerseits bejahten Indikation zur Amputation ist aber zunächst die Frage, ob ein derartiger von der Betroffenen abgelehnter Eingriff zu ihrem Wohl erforderlich ist, noch nicht erschöpfend beantwortet. Es muß vielmehr zunächst klargestellt werden, ob die Vornahme eines derartigen Eingriffes gegen den Willen der Betroffenen nicht zu derartigen psychischen und physischen Beeinträchtigungen der Betroffenen führen könnte, daß er bei Berücksichtigung ihres Wohles abgelehnt werden müßte. Für die Beantwortung dieser Frage fehlt es bisher an jeder sachlichen Grundlage.

Was die weitere Frage anlangt, ob ein derartiger Eingriff überhaupt gegen den Willen der Betroffenen vorgenommen werden dürfte, ist zunächst auf die bereits oben wiedergegebene Vorschrift des § 8 Abs. 3 KAG zu verweisen, aus der sich ergibt, daß grundsätzlich ein volljähriger und in seiner Handlungsfähigkeit nicht durch geistige Erkrankung oder Behinderung beeinträchtigter Mensch selbst darüber zu entscheiden hat, ob er einen operativen Eingriff an seinem Körper vornehmen lassen will oder nicht und daß diese Entscheidung zu respektieren ist (vgl. SZ 55/114; SZ 57/207). Anders liegt der Fall allerdings dann (und nur dann), wenn eine Person infolge einer psychischen Krankheit oder geistigen Behinderung nicht in der Lage ist, die Notwendigkeit der Vornahme einer Operation und die Bedeutung ihrer Verweigerung frei zu beurteilen. In derartigen Fällen (und nur in derartigen Fällen) gibt das Gesetz im § 273 Abs. 1 ABGB die Möglichkeit, die aus diesen Gründen fehlerhafte Willensbildung einer Person bei Besorgung ihrer Angelegenheiten (wozu auch die erforderliche Personensorge zählt) durch die Bestellung eines gesetzlichen Vertreters, eines Sachwalters, zu substituieren. Andere Möglichkeiten der Ersetzung einer Zustimmung des Betroffenen zu einer für erforderlich gehaltenen Operation sind dem Gesetz nicht zu entnehmen. Die gleiche Beschränkung muß auch für einen einstweiligen Sachwalter im Sinne des § 238 Abs. 2 AußStrG gelten. Im vorliegenden Fall ist daher zu fragen, ob die Verweigerung der Amputation durch die Betroffene darauf beruht, daß diese infolge einer psychischen Krankheit oder geistigen Behinderung nicht in der Lage ist, ihre Notwendigkeit und die Bedeutung ihrer Verweigerung frei zu beurteilen. Auch für die Lösung dieser dem Tatsachenbereich zuzuordnenden Frage fehlen bisher die erforderlichen Grundlagen, weil das Erstgericht von der Richtigkeit des Gutachtens des Sachverständigen Prof.Dr. S*** ausging, das Rekursgericht aber - soweit seine Ausführungen eine solche Beurteilung überhaupt zulassen - die Richtigkeit dieses Gutachtens verneinte, ohne sich allerdings mit wesentlichen Teilen des Gutachtens dieses Sachverständigen, so etwa seinem Befund, daß die chronisch entzündlichen und immunologischen Prozesse im Bereich der Demarkationslinie des linken Oberarmes der Betroffenen gegenüber dem abgestorbenen Gewebe eine chronische toxische Hirnschädigung bewirken, auseinanderzusetzen.

Diese mangelhafte Sachverhaltsgrundlage muß zur Aufhebung der Entscheidung der Vorinstanzen führen.

Das Erstgericht wird nach entsprechender Ergänzung der vorliegenden Sachverständigengutachten eindeutige Feststellungen darüber zu treffen haben, welche Folgen gesundheitlicher Art bei Durchführung der chirurgischerseits indizierten Amputation gegen den Willen der Betroffenen zu erwarten sind und ob die Weigerung der Betroffenen, diese Amputation durchführen zu lassen, darauf beruht, daß sie infolge einer psychischen Krankheit oder geistigen Behinderung nicht in der Lage ist, die Notwendigkeit der Vornahme dieser Operation und die Bedeutung ihrer Verweigerung frei zu beurteilen.

Erst nach dieser erforderlichen Klärung des Sachverhaltes wird im Sinne obiger Rechtsausführungen erschöpfend darüber abgesprochen werden können, ob im Sinne des § 238 Abs. 2 AußStrG für die Betroffene ein einstweiliger Sachwalter zu bestellen ist, der ihre aus medizinischen Gesichtspunkten notwendige Operation zu veranlassen und die fehlende Zustimmung der Betroffenen zu dieser Maßnahme zu ersetzen hat.

Darauf, daß bei Eintritt eines Notfalles im Sinne der Vorschrift des § 8 Abs. 3 zweiter Satz KAG vorzugehen sein wird, wurde bereits oben hingewiesen.

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