Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben und dem Erstgericht eine neuerliche, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällende Entscheidung aufgetragen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die beiden Minderjährigen entstammen der zwischen dem Beklagten und ihrer Mutter 1987 in Bukarest geschlossenen Ehe. Eltern und Kinder sind rumänische Staatsangehörige. Mit Urteil des zuständigen Amtsgerichtes in Bukarest vom 22.3.1994 wurde die Ehe der Eltern geschieden, beide Kinder "zur Versorgung und Erziehung" ihrer in Bukarest lebenden Mutter anvertraut und der Beklagte zu einer Unterhaltsleistung von 50.000 Leu monatlich je Kind verpflichtet.
Die Mutter verdient als Elektrikerin seit 1.11.1995 175.500 Leu monatlich. Der Vater arbeitet durchschnittlich drei Tage pro Woche als Taxifahrer in Österreich, sein monatliches Nettoeinkommen beträgt ca 5.680 S zuzüglich Trinkgeld von durchschnittlich 30 S pro Tag. Er hat am 10.6.1995 neuerlich geheiratet und ist für die nicht berufstätige Gattin und einen weiteren am 10.6.1990 geborenen Sohn - beide leben in seinem Haushalt - sorgepflichtig.
Am 22.3.1994 (Schaffung des Unterhaltstitels in Rumänien) betrug der Ankaufskurs für 100 rumänische Leu 0,2 ATS, der Verkaufskurs 1 ATS. Am 15.2.1995 (Erhebung der vorliegenden Klage) betrug der Ankaufskurs für 100 Leu 10 Groschen, der Verkaufskurs 60 Groschen. Am 1.11.1995 betrug der Ankaufskurs 0,25 S, der Verkaufskurs 0,55 S. Am 7.2.1997 (Schluß der Verhandlung) betrug der Ankaufskurs für 100 Leu 0,22 S, der Verkaufskurs 0,42 S. Am 27.3.1997 (Entscheidung erster Instanz) betrug der Mittelkurs für 100 Leu 0,20 S.
Mit ihrer am 15.2.1995 bei Gericht eingelangten Klage begehrten die Minderjährigen einen monatlichen Unterhalt von zunächst 3.020 S, zuletzt eingeschränkt auf je 2.000 S ab 1.3.1995. Der Vater komme zwar seiner vom rumänischen Gericht festgesetzten Unterhaltsleistung in der Form nach, daß er seinen Bruder zum Garanten bestellt habe. Diese in Rumänien zugesprochenen Unterhaltsbeiträge könnten jedoch die Bedürfnisse der Minderjährigen nicht ausreichend decken. Diesen stünde schon aufgrund der inflationären Entwicklung in Rumänien ein Unterhaltstitel in österreichischer Währung zu, zumal der Vater sein Einkommen - dessen Höhe bei Schaffung des rumänischen Titels noch nicht habe festgestellt werden können - ausschließlich in Österreich beziehe. Er sei auch in der Lage, die begehrten Zahlungen zu leisten.
Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Die Rechtskraft des rumänischen Unterhaltstitels stehe dem in Österreich gestellten Begehren entgegen. Überdies sei er seinen Unterhaltspflichten stets nachgekommen. Die nun begehrten Unterhaltsbeiträge seien sowohl in Anbetracht seiner Leistungsfähigkeit als auch in Relation zu den als Beurteilungskriterium heranzuziehenden Lebensverhältnissen in Rumänien überhöht.
Das Erstgericht verpflichtete den Beklagten zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 2.000 S je Kind ab 1.3.1995. Die Schaffung eines österreichischen Titels sei schon deshalb gerechtfertigt, weil der rumänische Titel in Österreich nicht vollstreckbar sei. Der auf österreichische Schilling lautende Titel sei überdies zur Sicherung der Kaufkraft erforderlich. Der für zwei Kinder zu leistende Unterhalt sei nach rumänischem Recht mit bis zu einem Drittel des Gewinnes oder des Einkommens zu bemessen. Dem Beklagten müsse es möglich sein, durch Erzielung eines monatlichen Einkommens von rund 12.000 S im Sinne der Anspannungstheorie den zuerkannten Unterhaltsbeitrag zu leisten.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge, wies das Klagebegehren ab und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Der Oberste Gerichtshof habe sich noch nicht mit der Frage befaßt, ob rumänische Unterhaltsberechtigte Anspruch auf Schaffung eines Schillingtitels haben, wenn der Unterhaltspflichtige seiner in Rumänien statuierten Unterhaltsverpflichtung voll nachkomme.
Ein Zuspruch des Unterhaltes in Österreich sei zwar in Anbetracht der drastischen Abwertung des Leu gegenüber dem österreichischen Schilling grundsätzlich gerechtfertigt. Die Unterhaltsverpflichtung richte sich aber auch nach rumänischem Recht nach den Bedürfnissen des Berechtigten und den Mitteln des Verpflichteten. Nach Art 94 des rumänischen Familiengesetzbuches sei der Unterhalt bei drei oder mehr Kindern mit bis zur Hälfte des Arbeitseinkommens zu bemessen. Das entspreche der Hälfte der mit 6.100 S monatlich berechneten Unterhaltsbemessungsgrundlage für drei Kinder, wovon dem in Österreich lebenden Kind ein höherer Bedarf zuzumessen sei. Die Bedürfnisse der Kläger seien durch die vom Vater geleisteten Beiträge abgedeckt. Wie sich aus Beilage ./14 ergebe, scheine der Vater seit Juli 1996 durch seinen Bruder Unterhaltsleistungen von insgesamt 150.000 Leu pro Monat zu erbringen. Durch diese Zahlungen habe er auch den zwischen Leu und österreichischem Schilling aufgetretenen Kaufkraftverlust ausgeglichen. Ein Anspruch der Kläger auf Schaffung eines österreichischen Titels bestehe daher schon deshalb nicht, weil der Beklagte seine durch den rumänischen Titel bestimmte Unterhaltsverpflichtung nicht verletzt habe. Für eine Vollstreckung des rumänischen Unterhaltstitels bestehe daher derzeit keine Notwendigkeit. Daß die Bedürfnisse der Kläger selbst bei Bedachtnahme auf einen erhöhten Aufwand durch die geleisteten Zahlungen gedeckt seien, ergebe sich schon daraus, daß die Mutter über ein durchschnittliches Einkommen von 175.000 Leu verfügt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Kläger ist zulässig und berechtigt.
Die Unterhaltsverpflichtung des Beklagten richtet sich entsprechend § 24 IPRG (das Haager Übereinkommen ist mangels Beitritts Rumäniens auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar) nach dem Personalstatut der unterhaltsberechtigten Kläger, somit nach rumänischem Recht (Schwimann, Internationales Privatrecht 87; derselbe, Grundriß 238).
Zur Frage, in welcher Währung Unterhalt zu leisten ist, hat der erkennende Senat unter Bezugnahme auf die Entscheidungen SZ 51/43 und 7 Ob 687/85 (= EFSlg 51.452) und den diesen folgenden Lehrmeinungen (Reischauer in Rummel, ABGB2 Rz 21 zu § 905, und Schwimann, Rz 2 zu § 24 IPRG; vgl Schwind, Internationales Privatrecht Rz 287) schon bisher die Auffassung vertreten (6 Ob 567/93 = ZfRV 1994, 71), das Kindeswohl müsse den Ausschlag geben. Verschlechtere sich der Wert der Währung im Aufenthaltsort des Unterhaltsberechtigten seit Jahren gegenüber dem Schilling, hätte dies bei Festsetzung des Unterhalts in Auslandswährung zur Folge, daß der Beklagte im Laufe der Zeit einen immer geringeren Schillingbetrag benötige, um der festgelegten Unterhaltsverpflichtung zu entsprechen, während das Kind mit dem bestimmten Betrag das Auslangen immer weniger finden würde. In einem solchen Fall spreche daher das Wohl des Kindes, das Bestreben, dem Unterhaltsberechtigten die seinem Bedarf entsprechende Kaufkraftmenge zufließen zu lassen, für den Zuspruch des Unterhalts in Schillingwährung. Diese Auffassung wird aufrecht erhalten. Eine inflationäre Entwicklung im Aufenthaltsstaat verbunden mit einem Kursverfall der Auslandswährung gegenüber dem österreichischen Schilling spricht für den Zuspruch des Unterhalts in österreichischer Währung.
Im vorliegenden Fall erbringt der Beklagte seine Unterhaltsleistungen aufgrund eines rumänischen Titels in Leu. Die Vorinstanzen haben wohl starke Kursschwankungen der rumänischen Währung im Vergleich zum österreichischen Schilling berücksichtigt, nicht jedoch festgestellt, ob Rumänien unter einer inflationären Entwicklung leidet, die die Kaufkraft des Leu zu Lasten des Unterhaltsberechtigten herabmindert und ungeachtet der bereits erfolgten Unterhaltsbemessung in rumänischer Währung zu einer Festsetzung des Unterhalts in österreichischen Schilling Anlaß gibt.
Dem Berufungsgericht ist wohl darin zuzustimmen, daß eine Unterhaltsbemessung in österreichischen Schilling - wie hier begehrt - für die Zukunft ein vom Prozeßrecht gebilligtes Interesse der Kläger an der Rechtsschutztätigkeit voraussetzt. Der Zuspruch wäre dann gerechtfertigt, wenn der Schuldner seine Verpflichtungen verletzt hat oder eine solche Verletzung droht. Hat sich der Unterhaltsschuldner jedoch keiner Verletzung seiner Verpflichtungen schuldig gemacht und etwa die bisher auferlegten Unterhaltszahlungen freiwillig und zeitgerecht den aufgetretenen Veränderungen angepaßt und durch sein Verhalten zu erkennen gegeben, seinen Verpflichtungen auch weiterhin pünktlich nachzukommen, müßte ein Rechtsschutzinteresse verneint werden (6 Ob 567/93 = ZfRV 1994/71).
Der erkennende Senat hat dazu bereits ausgesprochen (ZfRV 1994, 71), daß bei Unterhaltsforderungen ausländischer Unterhaltsberechtigter kein strenger Maßstab anzulegen sei und eine Verletzung der Unterhaltspflicht schon bei geringfügigen Verstößen angenommen werden müßte. Insbesondere müsse das Rechtsschutzinteresse, mit Hilfe des Gerichts die Ansprüche auszumitteln und zu konkretisieren, schon dann zugebilligt werden, wenn die tatsächlichen Einkommensverhältnisse durch die Unterhaltsberechtigten nicht ermittelt werden können, eine Voraussetzung, die im vorliegenden Fall jedenfalls gegeben ist, war doch das Einkommen des Vaters schon im Zeitpunkt der Schaffung des rumänischen Titels nicht bekannt.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes reichen die von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen jedoch nicht zur Beurteilung aus, ob der Vater die ihm durch das rumänische Gericht auferlegten Unterhaltsleistungen freiwillig und zeitgerecht und den aufgetretenen Veränderungen entsprechend (Kursschwankungen und Inflation) vollständig angepaßt erbracht hat. Das Erstgericht hat die vom Vater tatsächlich geleisteten Zahlungen nicht festgestellt. Der Vater begehrte in seiner Berufung die ergänzende Feststellung. Das Berufungsgericht sah diese jedoch als entbehrlich an, weil die Kläger außer Streit gestellt hätten, daß der Beklagte seiner nach rumänischem Recht statuierten Unterhaltsverpflichtung nachgekommen sei. Die Kläger haben jedoch lediglich außer Streit gestellt, daß der Beklagte der in Leu auferlegten Unterhaltsverpflichtung nachgekommen ist. Nicht jedoch steht außer Streit, daß er über den rumänischen Unterhaltstitel hinaus Zahlungen erbracht und damit - wie das Berufungsgericht in seiner rechtlichen Beurteilung vermeint - den Kaufkraftverlust des Leu ausgeglichen hätte. Das Berufungsgericht hat selbst dazu festgehalten, der Vater "scheine" seit Juli 1996 Unterhaltsleistungen von insgesamt 150.000 Leu pro Monat erbracht zu haben. Daß er diese Zahlungen jedoch tatsächlich geleistet hat, hat es nicht festgestellt (eine solche Feststellung wäre in der Urkunde Beilage ./14 auch nicht gedeckt).
Nach Art 94 des für die Bemessung maßgeblichen rumänischen Familiengesetzbuches richtet sich der Unterhalt nach den Bedürfnissen des Berechtigten und den Mitteln des Verpflichteten. Der Bedarf der in Rumänien lebenden Kinder wurde bisher nicht festgestellt. Überdies macht die Mutter einen Sonderbedarf wegen Erkrankungen geltend, für dessen Höhe jegliche Anhaltspunkte fehlen. Daß ein Unterhaltsbedarf in Höhe der bisher zugesprochenen 50.000 Leu ausreicht, kann schon deshalb nicht zwingend angenommen werden, weil dieser Bemessung vom 22.3.1994 der Umstand zugrundelag, daß das Einkommen des Vaters nicht eruierbar war und daher bloß geschätzt wurde.
Gemäß Art 94 ist der Kindesunterhalt bei drei oder mehr Kindern mit bis zur Hälfte des Arbeitseinkommens zu bemessen. Können nicht alle Unterhaltsberechtigten befriedigt werden, hat das Gericht unter Berücksichtigung der Bedürfnisse eines jeden nach billigem Ermessen zu entscheiden (Art 92).
Im gegenständlichen Fall stehen maximal 3.050 S monatlich zur Verfügung. In Anbetracht der den Beklagten treffenden Sorgepflichten scheint es gerechtfertigt, diesen Betrag angemessen zu verteilen, wobei die den Klägern zuzusprechenden Unterhaltsbeiträge in angemessenem Verhältnis zu den durchschnittlichen Lebensverhältnissen und zur Kaufkraft in ihrem Heimatland im Vergleich zum Aufenthaltsort der übrigen Unterhaltsberechtigten (Österreich) stehen müssen. Um eine angemessene Verteilung im Sinn des Art 92 des rumänischen Familiengesetzbuches sicherzustellen, wird ein Kaufkraftvergleich zwischen Rumänien und Österreich erforderlich sein.
Aus diesen Erwägungen erweist sich eine Verfahrensergänzung als unumgänglich.
Das Erstgericht wird im fortgesetzten Verfahren zunächst zu beurteilen haben, ob der Bedarf der Kläger durch die vom Beklagten tatsächlich geleisteten Zahlungen gedeckt ist und dieser nicht nur den rumänischen Unterhaltstitel erfüllt, sondern auch Wechselkursschwankungen und Geldentwertung abdeckt. Bejahendenfalls bestünde kein Anspruch auf einen Unterhaltstitel in österreichischen Schilling.
Ist der Bedarf der Kläger einschließlich der Abdeckung der Geldentwertung und der Wechselkursschwankungen höher als die erbrachten Leistungen, besteht grundsätzlich ein Anspruch auf Zuerkennung von Unterhalt in österreichischen Schilling. Seine Bemessung wäre nach dem durchschnittlichen Devisenkurs eines Jahres vor Titelschaffung vorzunehmen (vgl 6 Ob 184/97w).
Der Anspruch der Kläger findet jedoch seine Grenze in der Leistungsfähigkeit des Beklagten (Art 92). Findet der errechnete Unterhaltsbetrag unter gleichzeitiger Berücksichtigung der weiteren Sorgepflichten keine Deckung in der Hälfte des Arbeitseinkommens des Beklagten, wäre die Forderung der Kläger unter Berücksichtigung der weiteren Sorgepflichten angemessen zu kürzen.
Eine Anspannung des Vaters käme nur dann in Betracht, wenn sie auch nach rumänischem Recht zulässig ist. Es könnte sich unter den dargestellten Voraussetzungen als erforderlich erweisen, diesbezüglich das ausländische Recht zu ermitteln und anzuwenden (§§ 3 und 4 IPRG).
Der Vorbehalt der Entscheidung über den Ersatz der Kosten der Rechtsmittelverfahren beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
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