OGH 13Os148/97

OGH13Os148/971.10.1997

Der Oberste Gerichtshof hat am 1.Oktober 1997 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Rouschal und Dr.Habl als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Grems als Schriftführer, in der beim Landesgericht für Strafsachen Graz zum AZ 12 Vr 1748/95 anhängigen Strafsache gegen Heinz P***** und einen weiteren Angeklagten wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB über die Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten Heinz P***** gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz vom 14.August 1997, AZ 10 Bs 312,313/97, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Durch den angefochtenen Beschluß wurde Heinz P***** im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

In der gegen ihn wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB geführten Voruntersuchung wurde über Heinz P***** am 11.August 1995 aus dem Haftgrund des § 180 Abs 1 und Abs 7 StPO die Untersuchungshaft verhängt. Ihm wird (von der nunmehr rechtswirksamen Anklageschrift - ON 240) vorgeworfen, im bewußt gemeinsamen Zusammenwirken mit Herbert L***** als unmittelbare Täter am 30.Juni 1995 im Gemeindegebiet von Osterwitz, Bezirk Deutschlandsberg, Werner H***** durch Abgabe von drei Schüssen aus einer Maschinenpistole der Marke Skorpion, Kaliber 7,65 mm, vorsätzlich getötet zu haben.

Wiederholten Enthaftungsanträgen und Haftbeschwerden Heinz P*****s blieb der Erfolg versagt; anläßlich zweier Grundrechtsbeschwerden (13 Os 147/95 und 13 Os 106/96) hat auch der Oberste Gerichtshof das Vorliegen der Haftvoraussetzungen bejaht.

Mit Beschluß vom 14.August 1997, AZ 10 Bs 312,313/97 (ON 263), hat das Oberlandesgericht Graz nach Einsprüchen Heinz P*****s und Herbert L*****s gegen die Anklageschrift der Anklage Folge gegeben (Punkt II 1 und 2), die Fortsetzung der über Heinz P***** verhängten Untersuchungshaft aus den bisherigen Haftgründen unter Bestimmung eines Haftfristendes am 14.Oktober 1997 angeordnet (Punkt II 3.) und einer Haftbeschwerde Heinz P*****s nicht Folge gegeben (Punkt I).

Gegen die Haftentscheidungen (Punkte I und II 3.) richtet sich die Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten Heinz P*****, die jedoch nicht berechtigt ist.

Rechtliche Beurteilung

Der Vorwurf der Überschreitung der höchstzulässigen Dauer der Untersuchungshaft von zwei Jahren (§ 194 Abs 2 StPO) geht ins Leere, weil sich Heinz P***** gemäß § 180 Abs 4 StPO vom 22.November 1996 bis zum 21.April 1997 im Vollzug einer (Ersatz-)Freiheitsstrafe in der Dauer von 150 Tagen befunden hat (ON 230). Diese Strafhaft (s. § 1 Z 5 StVG) ist - auch im Falle der Anordnung von Abweichungen im Strafvollzug nach § 180 Abs 4 zweiter Satz StPO - keine Untersuchungshaft und hat daher bei der Berechnung deren höchstzulässiger Dauer außer Betracht zu bleiben (14 Os 95/93, 14 Os 176/94); auch Haftverhandlungen finden nicht statt. Demgemäß erübrigt sich ein Eingehen auf die unter Bezug auf die Entscheidung des Oberlandesgerichtes Innsbruck AZ 7 Bs 149/97 (ON 220) weiter erhobenen Beschwerdeeinwände bzw die dort geäußerte Rechtsansicht des Beschwerdegerichtes, zumal mit der genannten Entscheidung ohnehin dem (damaligen) Standpunkt des Beschwerdeführers, die in Untersuchungshaft verbrachte Zeit auf die Ersatzfreiheitsstrafe anzurechnen, entsprochen wurde.

Soweit die Beschwerde eine überlange Dauer der Untersuchungshaft durch Verfahrensverzögerungen des Unter- suchungsrichters sowie durch eine unterlassene Rechtsbelehrung und in diesem Zusammenhang - wie die gemäß § 35 Abs 2 StPO erstattete Äußerung zur Stellungnahme der Generalprokuratur - auch Verstöße gegen Art 5 Abs 3 sowie Art 6 Abs 1 MRK behauptet, ist sie ebenfalls nicht im Recht:

Abgesehen davon, daß die letztgenannte Bestimmung auch gar nicht das GRBG unmittelbar betrifft (s. § 2 GRBG) ergibt sich aus Art 5 Abs 3 MRK keine Höchstdauer der U-Haft (Foregger-Kodek, StPO6 Art 6 MRK Anm zu Abs 3). Als Abhilfe gegen etwaige Verzögerungen ist die Beschwerde an die Ratskammer vorgesehen (§ 113 StPO; vgl JAB 152 BlgNR 18.GP, 5). Zur vorgeworfenen Unterlassung entsprechender Rechtsbelehrung betreffend Vorgänge in einem anderen Verfahren sei zusätzlich darauf hingewiesen, daß der Beschwerdeführer rechtsfreundlich vertreten war und ist (ON 28). Eine Prüfung, ob behauptete Unterlassungen bzw Verzögerungen eine Grundrechtsver- letzung bewirkten, erfolgt erst dann, wenn sie zu einer Unverhältnismäßigkeit der Haft führen, was aber hier im Hinblick auf die notwendigen, umfangreichen Erhebungen und deren Schwierigkeit sowie unter Berücksichtigung der vorgeworfenen Tat und der dafür bestehenden aktuellen Strafdrohung (Freiheitsstrafe von zehn bis zwanzig Jahren bzw lebenslange Freiheitsstrafe) nicht der Fall ist.

Der Schluß der Voruntersuchung ist für die Dauer der Untersuchungshaft nicht unmittelbar relevant.

Die Annahme des dringenden Tatverdachtes wurde bereits in den beiden vorangehenden Grundrechtsbeschwerdeverfahren bejaht, auf die zu verweisen ist, zumal sich die Verdachtslage nicht verringert, sondern verdichtet hat (vg 14 Os 30/94).

Das Vorliegen der Haftgründe nach § 180 Abs 1 und Abs 7 StPO hat die Grundrechtsbeschwerde ohnedies nicht bestritten.

Durch den angefochtenen Beschluß wurde sohin Heinz P***** im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt, sodaß seine Beschwerde ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen war.

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