Spruch:
Durch den angefochtenen Beschluß wurde Heinz P***** im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Text
Gründe:
Mit Beschluß vom 11.August 1995, ON 30, verhängte die Untersuchungsrichterin des Landesgerichtes für Strafsachen Graz über den am 6.August 1995 um 22.30 Uhr festgenommenen und am 8.August 1995 um 16.15 Uhr in die Justizanstalt Graz-Jakomini eingelieferten Heinz P***** wegen des dringenden Verdachtes des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB die Untersuchungshaft aus dem Haftgrund des § 180 Abs 1 und 7 StPO.
Die Untersuchungsrichterin hatte zwar (rechtzeitig: § 179 Abs 1 StPO) am 10.August 1995 um 15.25 Uhr mit der Vernehmung des Beschuldigten begonnen, mußte diese aber - nach einer Unterbrechung, weil sich der Beschuldigte mit seinem Verteidiger besprechen wollte - um 16.55 Uhr wegen der "Schließung des Verhörbereiches" abbrechen, konnte sie erst am nächsten Tag um 8.15 Uhr fortsetzen und nach deren Beendigung um
9.30 Uhr den Beschluß auf Verhängung der Untersuchungshaft verkünden (S 369/I).
Nach der am 21.August 1995 durchgeführten Haftverhandlung ordnete die Richterin die Fortsetzung der Untersuchungshaft an und begrenzte die Wirksamkeit dieses Beschlusses mit 21.September 1995 (ON 41). Dabei wurde ausgesprochen, daß Haftgründe nach § 180 Abs 2 StPO nicht nur nicht auszuschließen, sondern solche nach Z 1, Z 2 und Z 3 lit b leg cit ausdrücklich anzunehmen wären.
Der Beschuldigte erhob gegen beide Haftbeschlüsse (ON 30, 41) Beschwerden an das Oberlandesgericht, mit welchem unter anderen die Gesetzwidrigkeit der Haft zufolge verspäteter Verhängung behauptet wurde.
Rechtliche Beurteilung
Mit dem angefochtenen Beschluß hat das Oberlandesgericht Graz diesen Beschwerden nicht Folge gegeben, die Gesetzmäßigkeit des Beschlusses ON 30 festgestellt (§ 179 Abs 6 StPO) und die Fortsetzung der über Heinz P***** aus dem Haftgrund des § 180 Abs 1 und Abs 7 (§§ 180 Abs 2 Z 1, 2 und 3 lit b) StPO - mit Wirksamkeit bis längstens 8.November 1995, der aus dem Haftgrund der Verdunkelungsgefahr angeordneten Beschränkungen bis längstens 6.Oktober 1995 - angeordnet. Die von der Untersuchungsrichterin unverschuldete Nichteinhaltung des Gebotes des § 179 Abs 2 letzter Satz StPO erachtete das Oberlandesgericht nicht grundrechtsverletzend, weil die materiellen Haftvoraussetzungen vorlagen und auch die Dauer der Haft (dadurch) nicht unverhältnismäßig geworden war.
Dagegen erhebt Heinz P***** Grundrechtsbeschwerde, der jedoch keine Berechtigung zukommt.
Vorweg ist festzuhalten, daß die durch das StPÄG 1993 erfolgte Neuverteilung der Kompetenzen, die Entscheidung in Haftfragen des Vorverfahrens (über die Verhängung der Untersuchungshaft - § 179 StPO - und über deren Aufrechterhaltung - § 182 StPO) dem Untersuchungsrichter überträgt, dessen Beschlüsse beim Gerichtshof zweiter Instanz anfechtbar sind, wogegen die Ratskammer über Beschwerden gegen alle sonstigen Verfügungen oder Verzögerungen des Untersuchungsrichters zu entscheiden hat (Foregger/Kodek StPO6, § 114 Erl I).
In diesem Sinne bestimmt § 179 Abs 5 StPO, daß gegen einen Beschluß nach Abs 2 (auf Verhängung der Untersuchungshaft durch den Untersuchungsrichter) - ohne Einschränkung auf bestimmte Beschwerdepunkte - die Beschwerde an den Gerichtshof zweiter Instanz zusteht, die auch noch mit der Beschwerde gegen einen Beschluß auf Fortsetzung der Untersuchungshaft verbunden werden kann, der auf Grund der innerhalb der ersten Haftfrist (§ 181 Abs 2 Z 1 StPO) durchgeführten Haftverhandlung ergeht. Der Gerichtshof zweiter Instanz erkennt gemäß § 179 Abs 6 StPO (lediglich) über die Gesetzmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses (sofern nicht auch zufolge einer Beschwerde nach § 182 Abs 4 StPO auf Fortsetzung der Untersuchungshaft zu entscheiden ist).
Dies bedeutet, daß über eine etwaige Gesetzwidrigkeit eines Haftbeschlusses durch Verzögerung des Untersuchungsrichters (sohin in einer Haftfrage) die Rechtsmittelkompetenz nicht wie bei sonstigen Verzögerungen des Verfahrens der Ratskammer, sondern dem Gerichtshof zweiter Instanz zukommt (s Anm Bertel, JBl 1995 S 184), was hier auch zutreffend geschah.
Soweit sich nun die Grundrechtsbeschwerde unter Hinweis auf die Überschreitung der im § 179 Abs 2 StPO festgesetzten Frist von 48 Stunden auf § 2 Abs 2 GRBG stützt, ist sie schon deshalb verfehlt, weil diese Bestimmung eine verspätete, die Freiheitsbeschränkung beendende Entscheidung betrifft, hier jedoch außerhalb einer normierten Frist ein die Freiheit beschränkender Beschluß gefaßt wurde.
Der hier vorliegende Verstoß gegen die Frist des § 179 Abs 2 StPO begründet aber für sich noch keine Grundrechtsverletzung im Sinne des § 2 Abs 1 GRBG.
Während nämlich § 181 StPO bei Ablauf der Haftfristen ausdrücklich die Enthaftung anordnet, bestimmt § 179 StPO solches (bei Vorliegen der sonstigen Haftvoraussetzungen) nicht (vgl 13 Os 83/94).
Ein solcher Auftrag (zur Enthaftung) läßt sich aber auch aus den im § 2 Abs 1 GRBG zitierten Bestimmungen des Bundesverfassungsgesetzes über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl 684/1988 und Art 5 EMRK nicht entnehmen; vielmehr werden durch Art 5 EMRK organisatorisch begründete Verzögerungszeiten durchaus akzeptiert (s ÖIMR Newsletter 1995/4 S 152).
Für einen vorwerfbaren Verzug (s. Art 4 Abs 3 PersFrG) oder gar eine diesbezügliche Behördenwillkür bietet indes das Verfahren keinerlei Anhaltspunkt, hat doch die Untersuchungsrichterin den Festgenommenen in der ihr möglichen kurzen Frist über die Gründe seiner Festnahme und über die gegen ihn gerichteten Anschuldigungen unterrichtet (Art 5 Abs 2 EMRK), nachdem ihr dieser unverzüglich vorgeführt worden war (Art 5 Abs 3 EMRK).
Bloße manipulativ und organisatorisch bedingte kurze Fristüberschreitungen des § 179 Abs 2 StPO (hier: weniger als 24 Stunden, die überwiegend der Erholung und Nachtruhe dienten) bilden daher noch keine Grundrechtsverletzung (vgl auch § 181 Abs 4 StPO).
Entgegen den Beschwerdeausführungen ist aber auch der gegen den Beschuldigten Heinz P***** gerichtete Verdacht, in der Nacht vom 30. Juni auf den 1.Juli 1995 im Gemeindegebiet von Osterwitz Werner H***** durch drei Schüsse aus einer Maschinenpistole der Marke Skorpion getötet zu haben, aus den vom angefochtenen Beschluß ausführlich aktenkonformen und denkrichtig dargelegten Indizien und Tatsachen objektiv derzeit noch als dringend einzustufen. Daran ändert nichts, daß der Beschuldigte (subjektiv) seinen von der Beschwerde und der Äußerung zur Stellungnahme der Generalprokuratur angeführten Umständen eine den Tatverdacht (zur Gänze) entkräftende Bedeutung zumißt.
Aus der unbegründet (siehe ON 65) behaupteten Befangenheit der Untersuchungsrichterin kann eine Grundrechtsverletzung nicht abgeleitet werden.
Die im Eingangsvermerk auf der Stellungnahme der Generalprokuratur genannten, in der Äußerung dazu unter Hinweis auf das Gebot der fair trial als dem Verteidiger nicht übermittelt, monierten "diversen Beilagen" waren: Der (dem Verteidiger bekannte) Gerichtsakt sowie die Vorstrafakten.
Da durch den angefochtenen Beschluß Heinz P***** sohin in seinem Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt wurde, war die Beschwerde ohne Kostenzuspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.
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