OGH 4Ob251/97h

OGH4Ob251/97h23.9.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzenden, durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek und Dr. Niederreiter sowie durch die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** AG, ***** vertreten durch Dr. Clement Achammer und andere Rechtsanwälte in Feldkirch, wider die beklagten Parteien 1. O***** Gesellschaft mbH, ***** 2. Christof W*****, beide vertreten durch Dr. Andreas Brandtner, Rechtsanwalt in Feldkirch, 3. Markus K*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Blum, Rechtsanwalt in Feldkirch, wegen Unterlassung, Urteilsveröffentlichung und Zahlung (Streitwert im Provisorialverfahren S 80.000,--), infolge Revisionsrekurses aller Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 1. Juli 1997, GZ 2 R 171/97g-22, mit dem der Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch vom 16. Mai 1997, GZ 9 Cg 80/97t-14, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs der Beklagten wird nicht Folge gegeben.

Dem Revisionsrekurs der Klägerin wird hingegen Folge gegeben; der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß der Auftrag zum Erlag einer Sicherheit zu entfallen hat; im übrigen wird der Beschluß bestätigt.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens vorläufig selbst zu tragen.

Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsmittelverfahrens endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Klägerin stellt ein Nagelhaftgel her, das sich durch Lichthärtung unter UV-Licht und weitgehende Säurefreiheit auszeichnet. Die Entwicklungsarbeiten erstreckten sich über etwa vier Jahre. Der Geschäftsführer der Klägerin war aufgrund seiner Ausbildung als Chemiker und seiner besonderen Kenntnisse und Erfahrungen im Bereich lichthärtender Chemikalien in der Lage, das Gel zu entwickeln. Die Klägerin war mit dem Gel seit 1988 auf dem Markt erfolgreich; die Unternehmen A***** und L***** waren Großkunden.

Auch andere Hersteller erzeugen lichthärtende Haftgels für die Finger- und Fußnägelkosmetik. Ihre Erzeugnisse unterscheiden sich jedoch nicht unerheblich von jenen der Klägerin. Amerikanische Hersteller erzeugen ihre Gels auf Acrylatbasis. Die Klägerin verwendet Methacrylat, welches wesentlich hautverträglicher ist und dem Produkt auch einen feineren Geruch verleiht. Im Gegensatz zu den anderen Herstellern verwendet die Klägerin keine Säurehaftmittel; auch ihr Fotoinitiatoren-System unterscheidet sich von dem anderer Hersteller.

Die Erstbeklagte wurde mit Notariatsakt vom 18.4.1996 gegründet. Der Zweitbeklagte ist Mehrheitsgesellschafter und Geschäftsführer der Erstbeklagten. Er führt alle Arbeiten, auch in der Produktion, selbst aus; die Erstbeklagte hat keine weiteren Dienstnehmer.

Weder der Zweitbeklagte noch der Drittbeklagte haben eine abgeschlossene Ausbildung als Chemiker. Der Zweitbeklagte war eineinhalb Semester an der Universität für Bodenkultur in Wien inskribiert; nach Tätigkeiten als Lebensmittelkontrolleur und bei der Umweltschutzanstalt besuchte er ein kaufmännisches College, war Verkäufer in einer Buchhandlung, dann selbständiger Vertreter in der Werbebranche und schließlich Kundenberater bei der Firma C*****.

Der Drittbeklagte war in den Jahren 1990 und 1991 im Vertrieb und im Marketing der Klägerin beschäftigt; er half aber auch bei der Produktion, unter anderem auch von Haftgels, mit. Der Drittbeklagte hatte Zugang zum Personal Computer des Unternehmens, in dem damals die Rezepturen, darunter auch jene des Nagelhaftgels, gespeichert waren. Nach Meinungsverschiedenheiten schied der Drittbeklagte mit 31.12.1991 aus dem Unternehmen der Klägerin aus.

1993 oder 1994 kam es wieder zu einer Zusammenarbeit der Klägerin mit dem Drittbeklagten. Anlaß dafür war, daß der Kunde A***** Druck auf die Klägerin ausübte, das Konkurrenzunternehmen L***** nicht mehr mit Haftgels zu beliefern. Die Klägerin "arrangierte" sich, indem sie den Kunden L***** über den Drittbeklagten unter "K***** Großhandel" weiterbelieferte, ohne dem Kunden gegenüber offenzulegen, daß er weiterhin von der Klägerin erzeugte Haftgels erhielt.

1995 übergab die Klägerin ihre Nagellackproduktion dem Drittbeklagten. Die Klägerin stellte dem Drittbeklagten Produktionsräume zur Verfügung. Der Drittbeklagte hatte mit seinen Mitarbeitern, unter denen auch der Zweitbeklagte war, Zugang zu den Betriebsräumen der Klägerin und auch zum Personal Computer, in dem sowohl die Rezepturen für Nagellacke als auch die für Haftgels gespeichert waren. Der Speicherbereich des Computers war lange Zeit nur durch ein einfaches Codewort geschützt, das aus den Anfangsbuchstaben des Namens des Geschäftsführers der Klägerin bestand.

Im Laufe des Jahres 1996 begann die Erstbeklagte, Haftgels für die Nagelkosmetik zu erzeugen und zu vertreiben. Sie verwendete die Bezeichnungen "5*****", "6*****" und "60*****". Der Drittbeklagte vertreibt die Haftgels; er übernimmt 80 % der Produktion. Seine Kunden sind bisherige Abnehmer der Klägerin, insbesondere auch die Firma L*****.

Das Gel der Klägerin und die Gels der Erstbeklagten beruhen auf derselben Rezeptur, welche der Geschäftsführer der Klägerin entwickelt hat. Die Beklagten haben sich ohne Wissen und gegen den Willen der Klägerin die Rezeptur verschafft; es konnten jedoch weder der genaue Zeitpunkt noch die genaue Vorgangsweise ermittelt werden.

Es werden auch weitestgehend die von denselben Herstellern erzeugten Rohstoffe verwendet, wenn auch zum Teil in einem anderen Mengenverhältnis als im Gel der Klägerin. Die Abweichungen können ihre Ursache in einfachen Mengenveränderungen zur Korrektur von Eigenschaften wie Fließverhalten, Gestehungskosten usw. haben. Der hohe Grad von Übereinstimmung kann nicht zufällig erreicht worden sein. Es gibt dafür auch keine technischen Gründe; auf dem Markt bieten zB verschiedene Hersteller eine sehr große Anzahl chemisch unterscheidbarer Methacrylate an.

Die Klägerin begehrt zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, den Beklagten ab sofort zu verbieten, auf Rezepturen der Klägerin und auf weitgehend identischen Rohstoffen, ua Hydroxyethylmethacrylat, Urethanacrylath, Triethylengly.dimethycryl, Irgacur, BisGMA und BHD beruhende lichthärtende, säurefreie Haftgels unter der bisherigen Produktbezeichnung 5*****, 6***** und 60***** oder ähnlichen oder neuen Produktbezeichnungen herzustellen, zu bewerben, zu verkaufen und zu vertreiben. In eventu begehrt die Klägerin, der Erstbeklagten und dem Zweitbeklagten zu verbieten, auf Rezepturen der Klägerin und auf weitgehend identischen Rohstoffen, ua Hydroxyethylmethacrylat, Urethanacrylath, Triethylengly.dimethycryl, Irgacur, BisGMA und BHD beruhende lichthärtende, säurefreie Haftgels unter der bisherigen Produktbezeichnung 5*****, 6***** und 60***** oder ähnlichen oder neuen Produktbezeichnungen herzustellen, zu bewerben, zu verkaufen und zu vertreiben, und dem Drittbeklagten zu verbieten, auf Rezepturen der Klägerin und auf weitgehend identischen Rohstoffen, ua Hydroxyethylmethacrylat, Urethanacrylath, Triethylengly.dimethycryl, Irgacur, BisGMA und BHD beruhende lichthärtende, säurefreie Haftgels unter der bisherigen Produktbezeichnung 5*****, 6***** und 60***** oder ähnlichen oder neuen Produktbezeichnungen von der Erstbeklagten zu kaufen und an Dritte zu verkaufen und zu vertreiben.

Der Drittbeklagte habe die Rezepturen der Klägerin kopiert. Er habe dem Geschäftsführer der Klägerin gestanden, die Rezepturen auf Diskette abgespeichert zu haben. Die Beklagten hätten das Haftgel der Klägerin in identischer Form nachgeahmt, um die Klägerin in unbilliger Weise um die Früchte ihrer Arbeit zu bringen und zu schädigen. Damit hätten sie sich der schmarotzerischen Ausbeutung fremder Leistung schuldig gemacht.

Die Beklagten beantragen, den Sicherungsantrag abzuweisen.

Die Erstbeklagte und der Zweitbeklagte bestritten, über die Rezepturen der Klägerin zu verfügen. Der Zweitbeklagte habe sich - nach einem geschäftlichen Kontakt mit dem Geschäftsführer der Klägerin - entschlossen, selbst Nagelgels auf der Basis lichthärtender Stoffe herzustellen. Er habe einen erfahrenen Dentalchemiker beigezogen, sich im Internet die notwendigen Informationen verschafft und durch aufwendige Versuche eigene Rezepturen erarbeitet. Die jeweiligen Produkte seien keineswegs völlig identisch.

Der Drittbeklagte brachte vor, im Betrieb der Klägerin mit der Erfindung und Produktion kosmetischer Produkte nicht befaßt gewesen zu sein. Er habe nie Rezepturen kopiert; mit der Produktion von Haftgels habe er nichts zu tun.

Das Erstgericht gab dem Hauptsicherungsantrag statt.

Es könne kein Zweifel daran bestehen, daß das Haftgel der Klägerin bewußt nachgeahmt worden sei. Ziel sei es gewesen, wichtige Kunden der Klägerin zu beliefern. Von wesentlicher Bedeutung sei, daß die Klägerin den Kunden L***** bereits über den Drittbeklagten beliefert habe, ohne die Herkunft des Produktes offenzulegen. Diesem Hauptabnehmer gegenüber sei lediglich von einem "anderen Chemiker" gesprochen worden; somit sei eher die Identität mit dem bisher von der Klägerin gelieferten Produkt betont worden. Die Beklagten hätten sich dieser Umsatzmöglichkeit der Klägerin bemächtigt, wobei dem Kunden wohl (verwechselbar) gleichartige Qualität zuzusichern gewesen sei. Der Kunde habe nicht gewußt, daß er die Haftgels weiterhin von der Klägerin bezogen habe; er habe daher über die Auswechslung des Herstellers im unklaren gelassen werden können.

Das Rekursgericht änderte die Entscheidung des Erstgerichtes dahin ab, daß es den Vollzug der einstweiligen Verfügung vom Erlag einer Sicherheit von S 1,000.000,-- abhängig machte. Das Rekursgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Die Klägerin behaupte, mit der Erstbeklagten in den Vertriebsgebieten Schweiz, Österreich und Deutschland in einem unmittelbaren Konkurrenzverhältnis zu stehen. Es sei demnach auf das Wettbewerbsrecht aller drei Staaten Bedacht zu nehmen. Die Beklagten hätten die Leistung der Klägerin unmittelbar übernommen; sie hätten sich ohne einen sachlich anzuerkennenden Grund ein fremdes schutzwürdiges Leistungsergebnis zur Gänze angeeignet. Das in mehrjährigen Versuchen entwickelte Haftgel der Klägerin sei wettbewerblich eigenartig. Es liege ein nahezu identisches Nachmachen vor; die Erstbeklagte habe sich durch Beschaffung der Rezepturen unter nicht näher aufgeklärten Umständen erhebliche Entwicklungskosten erspart. Nach österreichischer und deutscher Auffassung komme es auf die Art des Nachahmens nicht entscheidend an; nach § 5 lit c Schweizer UWG sei die Sittenwidrigkeit auf technische Reproduktionsverfahren beschränkt. Nach § 5 lit a und b Schweizer UWG sei die Verwertung fremder Leistung auch dann unlauter, wenn ein anvertrautes Arbeitsergebnis unbefugt verwertet wird. Ob die Beklagten die Rezepturen unter Mißachtung eines ihnen geschenkten Vertrauens beschafft haben, könne aufgrund der unzureichenden Bescheinigungslage nicht zweifelsfrei beurteilt werden. Wenn demnach der Unterlassungsanspruch nach Schweizer Recht auch nicht berechtigt wäre, so sei der Sicherungsantrag doch begründet, weil sich der Wettbewerber im Zweifel nach dem strengsten Recht richten müsse. Der Klägerin sei aber eine Sicherheitsleistung aufzuerlegen, weil die Feststellungen aufgrund von im Sicherungsverfahren nicht näher überprüfbaren Privatgutachten getroffen worden seien und auch insgesamt wegen der Größe des Eingriffes in die Interessen der Beklagten Bedenken gegen die einstweilige Verfügung bestünden. Die einstweilige Verfügung greife tief in die Sphäre der Beklagten ein. Aufgrund der Bewertung des Unterlassungsanspruches in der Klage mit S 800.000,-- und der Tatsache, daß die Klägerin einen ihr durch die wettbewerbswidrigen Handlungen der Beklagten entstandenen Schaden von S 400.000,-- behaupte, erscheine eine Sicherheitsleistung von S 1,000.000,-- angemessen.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diese Entscheidung richten sich die Revisionsrekurse aller Parteien; die Klägerin bekämpft den Auftrag, eine Sicherheit von S 1,000.000,-- zu erlegen; die Beklagten bekämpfen das Unterlassungsgebot. Die Revisionsrekurse sind zulässig, weil die angefochtene Entscheidung von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abweicht. Der Revisionsrekurs der Klägerin ist auch berechtigt; die Revisionsrekurse der Beklagten sind nicht berechtigt.

1. Zu den Revisionsrekursen der Beklagten

Die Erstbeklagte und der Zweitbeklagte vertreten die Auffassung, daß Schweizer Recht als das "freizügigste" Recht anzuwenden sei. Jedenfalls müsse aber die Herstellung des Gels zulässig sein, wenn es in der Schweiz vertrieben werden dürfe. Zwischen den Gels der Streitteile bestünden Unterschiede, die auf eigene Leistungen der Beklagten schließen ließen. Aber auch bei einer unmittelbaren Leistungsübernahme fehle die Sittenwidrigkeit, weil keine besonderen Umstände vorlägen, aus denen sich die Sittenwidrigkeit ergäbe.

Der Drittbeklagte meint, daß sich die Produktion eines Gels auf keinen Markt auswirke und sich die Frage des anwendbaren Rechts daher nicht stelle. Der Handel mit nachgeahmten Produkten müsse für jedes Land gesondert beurteilt werden. Das Begehren sei hinsichtlich jener Länder, in denen ein Wettbewerbsverstoß verneint werde, abzuweisen. Nach den Feststellungen sei auf Grundlage der Rezeptur der Klägerin ein neues Produkt geschaffen worden. Ein in sittenwidriger Weise nachgeahmtes Produkt liege weder nach deutschem noch nach Schweizer noch nach österreichischem Recht vor. Dem Produkt der Klägerin fehle die wettbewerbliche Eigenart. Von einem allenfalls sittenwidrigen Handeln der Erstbeklagten und des Zweitbeklagten habe der Drittbeklagte keine Kenntnis gehabt.

Gemäß § 48 Abs 2 IPRG sind Schadenersatz- und andere Ansprüche aus unlauterem Wettbewerb nach dem Recht des Staates zu beurteilen, auf dessen Markt sich der Wettbewerb auswirkt. Sind durch dasselbe Wettbewerbsverhalten die Märkte mehrerer Staaten betroffen, so sind die Folgen nach dem Recht jedes von ihnen gesondert zu beurteilen (Schwimann in Rummel, ABGB**2 § 48 IPRG Rz 11 mwN). Bei der Beurteilung grenzüberschreitender Werbung ist demnach für jedes betroffene Land an Hand des in diesem Land geltenden Wettbewerbsrechtes die Unlauterkeit jeweils gesondert zu prüfen; rechtlich darf jeweils nur derjenige Teil der Wettbewerbshandlung untersagt werden, der auf den Markt des betreffenden Landes einwirkt, dessen Wettbewerbsrecht angewendet wird (Sack, Probleme des Inlandswettbewerbs mit Auslandsbezug nach deutschem und österreichischem Kollisions- und Wettbewerbsrecht, ÖBl 1988, 113, 145 [117]). Betrifft ein Wettbewerbsverhalten (auch) den österreichischen Markt, so ist insoweit österreichisches Recht anzuwenden (s MR 1988, 122 - Apotheke Gottes III; ÖBl 1989, 74 - Erlagscheinwerbung III; ecolex 1990, 493 = IPRax 1991, 412 [Sack, IPRax 1991, 386] - Digitaluhr, jeweils mwN). Ist das beanstandete Verhalten nach österreichischem Recht verboten, so ist dem Klagebegehren stattzugeben, auch wenn das Verhalten nicht gegen das Recht eines weiteren Absatz- oder Werbemarktes verstoßen sollte. Für eine Anwendung des "freizügigsten" Rechtes fehlt jede Grundlage. Ist das beanstandete Verhalten hingegen nach österreichischem Recht erlaubt, so kann es für das Gebiet der Republik Österreich unabhängig davon nicht verboten werden, ob es gegen das Recht eines anderen Absatz- oder Werbemarktes verstößt.

Die Klägerin hat ihren Sitz in der Schweiz; die Beklagten haben ihren Sitz in Österreich. Die Erstbeklagte stellt das Haftgel in Österreich her; sie vertreibt den weitaus überwiegenden Teil über den Drittbeklagten. Das Verhalten der Beklagten wirkt sich demnach (jedenfalls auch) auf den österreichischen Markt aus, so daß österreichisches Recht anzuwenden ist. Das deutsche und das Schweizer Recht sind nicht heranzuziehen, weil die Beklagten das als wettbewerbswidrig beanstandete Verhalten in Österreich setzen und der Sicherungsantrag darauf gerichtet ist, dieses in Österreich gesetzte Verhalten zu verbieten.

Das Nachahmen eines fremden Produktes, das keinen Sonderrechtsschutz genießt, ist an sich nicht wettbewerbswidrig; aus der gesetzlichen Anerkennung besonderer ausschließlicher Rechte für technische und nichttechnische geistige Schöpfungen folgt ja zwingend, daß die wirtschaftliche Betätigung des einzelnen außerhalb der geschützten Sonderbereiche frei sein soll. An diese sowohl im Interesse der Mitbewerber als auch im Interesse der Allgemeinheit gebundene Entscheidung ist die wettbewerbsrechtliche Beurteilung gebunden (Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht19 § 1 dUWG Rz 439; ÖBl 1997, 34 - Mutan-Beipackzettel mwN). Jeder muß daher die Ergebnisse seiner Arbeit, mag er sie mit noch soviel Mühe und Kosten erreicht haben, der Allgemeinheit im Interesse des Fortschritts zur Verfügung stellen, soweit kein Sonderrechtsschutz besteht. Sein Vorteil im Wettbewerb liegt in dem natürlichen Vorsprung, den er vor seinen Mitbewerbern dadurch gewinnt, daß sie ihn erst wieder durch die nachahmende Leistung ausgleichen müssen, was keinesfalls immer so einfach ist und oft ebenfalls Mühe und Kosten erfordert. Die nachahmende Leistung ist noch Leistungswettbewerb (Baumbach/Hefermehl aaO § 1 dUWG Rz 495 mwN).

Das Nachahmen fremder Leistungen verstößt (nur) dann gegen § 1 UWG, wenn im Einzelfall besondere Umstände hinzutreten, aus denen sich die Sittenwidrigkeit der Handlung ergibt (stRsp ua ÖBl 1991, 213 - Cartes Classiques; ÖBl 1997, 34 - Mutan-Beipackzettel). Der Nachahmende darf nicht die eigene als fremde Leistung ausgeben. Eine "vermeidbare Herkunftstäuschung" setzt voraus, daß eine bewußte Nachahmung vorliegt, daß damit die Gefahr von Verwechslungen herbeigeführt wird und daß eine andersartige Gestaltung zumutbar gewesen wäre (stRsp ua ÖBl 1992, 109 - Prallbrecher mwN; ÖBl 1996, 292 - Hier wohnt). Der Nachahmende darf auch nicht die Qualität seiner Waren oder Leistungen mit der bekannter und geschätzter Konkurrenzerzeugnisse ohne rechtfertigenden Grund in Beziehung setzen, um den guten Ruf der Waren oder Leistungen eines Mitbewerbers als Vorspann für eigene wirtschaftliche Zwecke auszunutzen (Baumbach/Hefermehl aaO § 1 dUWG Rz 547ff mwN). Unlauter handelt auch, wer sich die zur Nachbildung nötige Kenntnis auf unredliche Weise gegenüber dem Ersthersteller verschafft, wie zB durch Werkspionage oder unreelle Erlangung der Vorbilder. Sein durch Erschleichen möglich gewordenes Nachahmen ist sittenwidrig (Baumbach/Hefermehl aaO § 1 dUWG Rz 476ff; Koppensteiner, Österreichisches und europäisches Wettbewerbsrecht3 § 33 Rz 73; ÖBl 1994, 68 - Elektrodenproduktionsautomat).

Sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG handelt nach ständiger Rechtsprechung auch, wer ohne jede eigene Leistung, ohne eigenen ins Gewicht fallenden Schaffensvorgang das ungeschützte Arbeitsergebnis eines anderen ganz oder doch in erheblichen Teilen glatt übernimmt, um so dem Geschädigten mit dessen eigener mühevoller und kostspieliger Leistung Konkurrenz zu machen; er macht sich schmarotzerischer Ausbeutung fremder Leistung schuldig (ÖBl 1993, 156 - Loctite; ÖBl 1995, 116 - Schuldrucksorten mwN). Glatt übernommen wird ein Arbeitsergebnis, wenn Vervielfältigungsmethoden eingesetzt werden (SZ 53/35 = ÖBl 1980, 97 - Österreichisches Lebensmittelbuch; ÖBl 1987, 95 - Dentsoft-Computerprogramm) oder wenn die Leistung des Geschädigten - zB mit Mühe und Kosten entwickelte allgemeine Geschäftsbedingungen - einfach durch Abschreiben übernommen wird (ÖBl 1993, 156 - Loctite).

Die Klägerin hat ihr Haftgel in langjähriger Arbeit entwickelt; es unterscheidet sich in Zusammensetzung und Eigenschaften von den Konkurrenzprodukten, die vor der Aufnahme der Produktion durch die Erstbeklagte auf dem Markt waren. Daß dem Haftgel der Klägerin wettbewerbliche Eigenart zukommt, kann daher nicht ernsthaft in Zweifel gezogen werden.

Die Beklagten haben sich die Rezeptur der Klägerin verschafft. Die Erstbeklagte erzeugt das Gel aufgrund dieser Rezeptur, sie hat allerdings beim Mischungsverhältnis der einzelnen Inhaltsstoffe gewisse Änderungen vorgenommen. Dem Gel der Beklagten liegt demnach weder eine glatte Übernahme des Arbeitsergebnisses der Klägerin zugrunde noch ist es dem Gel der Klägerin identisch oder nahezu identisch nachgemacht. Es braucht daher im vorliegenden Fall nicht geprüft werden, ob die Unlauterkeitskriterien bei der identischen Nachahmung im wesentlichen gleich zu bewerten sind wie bei der glatten Übernahme (s dazu Baumbach/Hefermehl aaO § 1 dUWG Rz 506ff; Koppensteiner aaO § 33 Rz 69).

Zu prüfen ist, ob besondere Umstände vorliegen, die das Verhalten der Beklagten sittenwidrig machen. Eine vermeidbare Herkunftstäuschung scheidet aus, weil die Beklagten nicht den Anschein erwecken, das Produkt der Klägerin zu vertreiben. Aus dem festgestellten Sachverhalt ist aber der Schluß zu ziehen, daß sie sich die Rezeptur auf unreelle Weise verschafft haben. Zwar ist es der Klägerin nicht gelungen zu bescheinigen, wie die Beklagten in den Besitz der Rezeptur gekommen sind; sie hat aber, jedenfalls prima facie, Umstände bescheinigt, aus denen sich ergibt, daß die Beklagten unredlich vorgegangen sein müssen.

Es steht nämlich fest, daß die Klägerin die Rezeptur in ihrem Computer gespeichert hatte; feststeht auch, daß sowohl der Zweitbeklagte als auch der Drittbeklagte Zugang zu diesem Computer hatten. Bei dieser Sachlage hätten die Beklagten bescheinigen müssen, daß sie sich das zur Herstellung des Gels nötige Wissen auf andere Weise verschafft haben. Diese Bescheinigung ist ihnen nicht gelungen. Haben die Beklagten aber die ihnen zu anderen Zwecken eingeräumte Möglichkeit, die Betriebsräume der Klägerin zu betreten, dazu genützt, sich deren als Betriebsgeheimnis zu wertende Rezeptur durch einen eigenmächtigen Zugriff auf die gespeicherten Daten anzueignen, so haben sie sich das zur Herstellung des Gels nötige Wissen auf unreelle Weise beschafft. Dies macht ihr Verhalten sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG.

2. Zum Revisionsrekurs der Klägerin

Die Klägerin bekämpft die Auferlegung der Sicherheitsleistung. Die Beklagten hätten keine Sicherheitsleistung begehrt; daß das Gericht auch ohne entsprechenden Antrag eine Sicherheitsleistung auferlegen könne, sei in einem Verfahren mit Anwaltszwang nicht vertretbar. Die Klägerin habe ihren Anspruch ausreichend bescheinigt. Könne die Frage, ob und in welcher Höhe durch den Vollzug der einstweiligen Verfügung ein Schaden entstehen werde, nicht mit Sicherheit beantwortet werden, so genüge die Festsetzung einer verhältnismäßig niedrigen Sicherheit, die bei Bedarf erhöht werden könne. Welcher Schaden der Klägerin entstanden sei, sei für die Höhe der Sicherheit ohne Bedeutung.

Der Oberste Gerichtshof hat über die Berechtigung des Auftrages zum Erlag einer Sicherheitsleistung unabhängig davon zu entscheiden, ob dem dagegen erhobenen Rechtsmittel aufschiebende Wirkung im Sinne des § 524 Abs 2 ZPO zuerkannt wurde oder nicht und ob die Frist des § 396 EO allenfalls abgelaufen ist. Beseitigt der Oberste Gerichtshof den Ausspruch über die Sicherheitsleistung, ist die einstweilige Verfügung ohne diese Bedingung und ohne Rücksicht auf die Frist des § 396 EO (wieder) wirksam (MietSlg 33.754/28 mwN). Die Klägerin ist demnach durch die angefochtene Entscheidung beschwert; ihr Rechtsmittel ist zulässig.

Gemäß § 390 EO kann das Gericht sowohl bei nicht ausreichender Bescheinigung des behaupteten Anspruches als auch dann, wenn Bedenken wegen tiefgreifender Eingriffe in die Interessen des Antragsgegners bestehen, den Vollzug der einstweiligen Verfügung vom Erlag einer Sicherheit abhängig machen. Das Gericht hat die Sicherheit nach freiem Ermessen zu bestimmen. Die Sicherheit dient der Sicherstellung der Kosten und des Ersatzanspruches, den der Gegner hat, wenn sich die einstweilige Verfügung als unberechtigt erweist. Wenn die Frage, ob in welcher Höhe durch den Vollzug der einstweiligen Verfügung ein Schaden entstehen wird, gegenwärtig noch nicht mit Sicherheit beantwortet werden kann, genügt die Festsetzung einer verhältnismäßig niedrigen Kaution. Sollte sie sich als unzureichend herausstellen, kann sie jederzeit erhöht werden (stRsp SZ 42/125 = EvBl 1970/47 = NZ 1970, 69; MietSlg 31.859; 33.754/28; AnwBl 1991, 742 [Graff]).

Das Rekursgericht hat den Vollzug der einstweiligen Verfügung von einer Sicherheit abhängig gemacht, weil es den Anspruch der Klägerin im Hinblick darauf, daß der Entscheidung nur Privatgutachten zugrunde gelegt werden konnten, für nicht ausreichend bescheinigt erachtet hat. Das Rekursgericht hat auch darauf hingewiesen, daß die einstweilige Verfügung tief in die Sphäre der Beklagten eingreift.

Daß kein entsprechender Antrag der Beklagten vorlag, hat die Auferlegung der Sicherheit, wie auch die Klägerin zugesteht, nicht gehindert. Sie meint aber, daß diese Befugnis im Anwaltsprozeß nicht zeitgemäß sei. Dabei übersieht die Klägerin, daß der Entscheidungsspielraum des Gerichtes erheblich eingeengt wäre, wäre die Auferlegung der Sicherheit an einen Antrag des Gegners gebunden. Das kann sich auch zum Nachteil des Klägers auswirken, so vor allem dann, wenn der Anspruch nicht ausreichend bescheinigt ist. In einem solchen Fall könnte der Sicherungsantrag nur abgewiesen werden.

Der Klägerin ist aber zuzustimmen, daß sie ihren Anspruch ausreichend bescheinigt hat. Das Erstgericht hat die Bescheinigungsergebnisse für genügend erachtet, die für die Entscheidung notwendigen Feststellungen zu treffen. Daß es sich dabei nur auf Privatgutachten stützen konnte, liegt in der Natur der Sache. Die Einholung von Sachverständigengutachten durch das Gericht ist kein parates Bescheinigungsmittel (ÖBl 1973, 34 - EDV-Lehrgang; SZ 61/9 = EFSlg 64.397). Weder die Herkunft noch der Inhalt der von der Klägerin vorgelegten Gutachten geben zu Zweifeln Anlaß.

Auch der mit der einstweiligen Verfügung verbundene Eingriff in die Sphäre der Beklagten erscheint nicht so gravierend, daß eine Sicherheitsleistung notwendig wäre. Die Erstbeklagte ist ein aus dem Zweitbeklagten bestehender "Ein-Mann-Betrieb"; die Auswirkungen des Produktions- und Vertriebsverbotes halten sich daher in Grenzen. Das wird dadurch bestätigt, daß keiner der Beklagten in erster Instanz ein entsprechendes Vorbringen erstattet hat.

Dem Revisionsrekurs der Klägerin war daher Folge zu geben; der Revisionsrekurs der Beklagten mußte erfolglos bleiben.

Die Entscheidung über die Kosten der Klägerin beruht auf § 393 Abs 1 EO; jene über die Kosten der Beklagten auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 40, 50 ZPO.

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