OGH 6Ob153/97m

OGH6Ob153/97m17.7.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.Prückner und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei Pius S*****, vertreten durch Dr.Georg Freimüller ua Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagten Parteien und Gegner der gefährdeten Partei 1. Ö***** - Landespartei Wien, ***** 2. Johannes P*****, 3. Georg F*****, alle vertreten durch Dr.Karl Schön, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung, Widerrufs und Veröffentlichung des Widerrufs (Streitwert im Provisorialverfahren 120.000,-- S), infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 21.März 1997, GZ 16 R 272/96d-12, womit der Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 26. November 1996, GZ 15 Cg 253/96b-8, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

1. Der Revisionsrekurs der drittbeklagten Partei wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung hinsichtlich der drittbeklagten Partei vorläufig selbst zu tragen.

2. Dem Revisionsrekurs der erstbeklagten und der zweitbeklagten Partei wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, daß der Sicherungsantrag gegen diese Parteien abgewiesen wird.

Die klagende Partei hat der erstbeklagten und der zweitbeklagten Partei die mit 5.841,54 S (darin 973,59 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Provisorialverfahrens erster Instanz, die mit 3.645,28 S (darin 607,55 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens und die mit 4.375,98 S (darin 729,33 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger stand einer sowohl im Nationalrat als auch im Wiener Gemeinderat und Landtag vertretenen, von der Erstbeklagten verschiedenen politischen Partei nahe und übte politische Funktionen aus, die er im März 1996 niederlegte. Er war und ist noch Mitglied des Kuratoriums des Österreichischen Rundfunks und Obmann eines Vereins "K*****", dessen Zweck in der Förderung des Stadtteils S***** besteht. Der Verein organisiert Märkte (ua auch den S***** Weihnachtsmarkt), Lesungen und Konzerte. Der Kläger forderte für den Verein von Gewerbetreibenden am S***** freiwillige Beitragszahlungen. Es waren aber nur wenige zu freiwilligen Zahlungen bereit. In der Folge wurden die Gebühren für die Stände am Weihnachtsmarkt erhöht.

Die erstbeklagte politische Landespartei lud am 16.9.1996 zu einem Pressegespräch für den 18.9.1996, an dem der Zweitbeklagte, der Klubobmann der Erstbeklagten im Wiener Gemeinderat ist, und der Drittbeklagte, ein Gemeinderat der Erstbeklagten, teilnahmen. Zweck der Pressekonferenz war die Aufdeckung verschiedener (aus der Sicht der Beklagten gesehen) Mißstände rund um Immobiliengeschäfte des Klägers und seine Funktion als Obmann des zitierten Vereins. In der Pressekonferenz wurde ua ausgeführt, daß der Kläger von Gewerbetreibenden für den Verein einen Unkostenbeitrag von 10 S pro Sitzplatz (zB eines Gastlokals) je Monat verlangt habe. Bei Nichtzahlung sei eine Erhöhung der Standplatzgebühr für den Weihnachtsmarkt bzw eine Eliminierung des Gewerbetreibenden vom Markt in Aussicht gestellt worden. Der Drittbeklagte bezeichnete die von ihm kritisierte Vorgangsweise des Klägers als "Schutzgeldforderung". Schon vor der Pressekonferenz hatte der Drittbeklagte in einer Gemeinderatssitzung den Vorwurf erhoben, daß Gewerbetreibende des S***** zu einer "Schutzgebühr verdonnert" worden seien.

Mit der am 25.10.1996 beim Erstgericht eingelangten Klage stellte der Kläger, gestützt auf § 1330 ABGB, ein Begehren auf Unterlassung ehrenrühriger und rufschädigender Behauptungen sowie auf Widerruf der Behauptungen und Veröffentlichung des Widerrufs. Neben der Unterlassung von seine geschäftlichen Aktivitäten betreffenden Behauptungen begehrt der Kläger die Unterlassung der Behauptung, er würde von am S***** ansässigen Gewerbetreibenden "Schutzgeld" fordern. Zur Sicherung dieses Unterlassungsanspruchs stellte der Kläger einen gleichlautenden Sicherungsantrag. Die bekämpfte Behauptung sei unwahr. Der Kläger habe niemals die Zahlung von "Schutzgeldern" verlangt oder derartige Zahlungen entgegengenommen. Dem Kläger werde eine strafgesetzlich verpönte Handlung vorgeworfen. Die Behauptung deute auf einen "erpresserisch-mafiosen" Zusammenhang hin.

Die Beklagten beantragten die Abweisung des Sicherungsantrags. Die Erstbeklagte und der Zweitbeklagte seien nicht passiv legitimiert. Die Pressekonferenz sei vom Drittbeklagten veranstaltet worden. Der Zweitbeklagte habe daran wohl teilgenommen, es hätten aber weder er noch der Drittbeklagte für die Erstbeklagte gesprochen. Sie seien auch nicht Organe der Erstbeklagten. Der Drittbeklagte habe schon in einer Gemeinderatssitzung vom 9.8.1996 die Vorgänge am S***** öffentlich kritisiert und ausgeführt, daß die dort ansässigen Gewerbetreibenden zu einer "Schutzgebühr verdonnert" worden seien. In der Pressekonferenz habe der Drittbeklagte nur auf diesen Vorwurf hingewiesen. Der Vorwurf sei wahr. Damit werde dem Kläger aber nicht vorgeworfen, er gehe verbrecherisch vor. Die Äußerung des Drittbeklagten sei wegen des Rechtes der freien Meinungsäußerung ein zulässiges politisches Werturteil. Überdies hätten selbst Gewerbetreibende von "Mafiamethoden" und "erpresserischem Ansinnen" gesprochen.

Der Kläger replizierte, daß die Pressekonferenz als eine solche der Erstbeklagten angekündigt worden sei, an welcher der Zweitbeklagte als Klubobmann der Erstbeklagten teilgenommen habe. Die Passivlegitimation der Erstbeklagten und des Zweitbeklagten sei daher zu bejahen. Als Täter sei nicht nur der unmittelbare Störer, sondern jeder Mittäter, Anstifter und Gehilfe aufzufassen. Auf eine berufliche Immunität könnten sich die Beklagten nicht berufen, weil die Äußerung im Rahmen einer Pressekonferenz gefallen sei. Es liege kein Werturteil, sondern eine ehrenrührige Tatsachenbehauptung vor.

Zur Replik des Klägers erstatteten die Beklagten eine Gegenäußerung, in der sie im wesentlichen nur ihren schon vorgetragenen Standpunkt wiederholten.

Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung. Es stellte über den schon wiedergegebenen Sachverhalt hinaus im wesentlichen noch fest, daß in einer Vorstandssitzung des Vereins am 13.1.1995 der Beschluß gefaßt worden sei, den Gewerbetreibenden am S***** das Angebot zu machen, daß jeder Gastronomiebetrieb einen als Unkostenbeitrag zu bezeichnenden Betrag von 10 S pro Sitzplatz und Monat bezahlen solle. Dieser Beschluß sei den Gastronomiebetrieben des S***** mitgeteilt worden. Da nur wenige Gastronomiebetriebe sich zur Zahlung des Unkostenbeitrags bereit erklärt hätten, seien die Gastronomiebetriebe noch einmal angeschrieben und gefragt worden, ob sie nicht doch bereit seien, den finanziellen Beitrag zu leisten. In einem weiteren Schreiben vom 14.11.1995 habe der Kläger die Gastronomiebetriebe darüber informiert, daß sich bloß acht Gewerbetreibende zur Zahlung verpflichtet hätten. Anstelle der Finanzierung über einen Unkostenbeitrag würden die Gebühren für die Stände am Weihnachtsmarkt angehoben werden.

Zum Pressegespräch der Beklagten sei unter dem Titel "K***** & S***** die grünen Spekulanten - woher sie kommen, was sie tun - ihre Seilschaften und Subventionen" eingeladen worden. Der Zweitbeklagte habe eine Vorrede gehalten. Danach hätten sowohl der Zweitbeklagte als auch der Drittbeklagte Fragen beantwortet. Der Drittbeklagte habe ausgeführt, daß der Kläger gigantische Rücklagen in Millionenhöhe mache (gemeint: für den Verein) und monatliche Zahlungen pro Sitzplatz von den Gewerbetreibenden verlange. Der Drittbeklagte habe dies bereits als Schutzgeld bezeichnet. Der Kläger habe für den Fall der Nichtzahlung eine höhere Standgebühr beim Weihnachtsmarkt angekündigt. Kritische Personen hätten vom Verein eliminiert werden sollen.

Das Erstgericht traf weiters noch die Negativfeststellung, daß nicht festgestellt werden könne, daß der Kläger Gewerbetreibenden gegenüber geäußert habe, diese würden im Fall der Nichtzahlung des Unkostenbeitrages keinen Standplatz am Weihnachtsmarkt erhalten.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Beklagten nicht Folge. Es beurteilte den vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt rechtlich dahin, daß die Einladung zur Pressekonferenz von der Erstbeklagten ausgegangen sei. Die Äußerungen des Zweitbeklagten und des Drittbeklagten seien der Erstbeklagten zuzurechnen. Die Teilnahme und das Agieren des Zweitbeklagten bei der Pressekonferenz könne objektiv nur so verstanden werden, daß er den erhobenen Vorwürfen des Drittbeklagten vollinhaltlich beitrete. Seine Passivlegitimation sei daher zu bejahen. Es lägen überprüfbare Tatsachenbehauptungen vor. Dem Vorwurf, "Schutzgeld" zu verlangen, wohne die Aussage inne, der Kläger bediene sich erpresserischer und strafbarer Methoden. Der Vorwurf sei ehrenbeleidigend und rufschädigend. Da der Kläger alle politischen Funktionen bereits zurückgelegt gehabt habe, komme es nicht auf einen "erhöhten Duldungsmaßstab" eines Politikers in bezug auf Ehrenbeleidigungen an. Bei einem Eingriff in die Ehre und den wirtschaftlichen Ruf drohe ein unwiederbringlicher Schaden. Eine einstweilige Verfügung könne auch ohne gesonderte Gefahrenbescheinigung erlassen werden.

Das Rekursgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige und daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Mit ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs beantragen die Beklagten die Abänderung dahin, daß der Sicherungsantrag abgewiesen werde.

In der Revisionsrekursbeantwortung beantragt der Kläger, den Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen; hilfsweise wird beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Drittbeklagten ist unzulässig.

Der Revisionsrekurs der Erstbeklagten und des Zweitbeklagten ist zulässig.

Zur Rechtsfrage der Haftung einer juristischen Person für ehrenbeleidigende Äußerungen von Personen, die zu ihr in einem Naheverhältnis stehen (Repräsentanten), bedarf es hier unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit (Fallgerechtigkeit) einer oberstgerichtlichen Stellungnahme. Der Revisionsrekurs der Erstbeklagten und des Zweitbeklagten ist auch berechtigt.

Entgegen den Rekursausführungen des Drittbeklagten kommt es hier nicht auf die Zulässigkeit eines Werturteils in der politischen Auseinandersetzung und einen "erhöhten Duldungsmaßstab" eines Politikers an. Nach den Feststellungen hat der Verein, dessen Obmann der Kläger ist, nur um einen freiwilligen Kostenbeitrag ersucht. Die Standplatzgebühren für den Weihnachtsmarkt wurden zwar in der Folge erhöht, ein strafrechtlich relevantes Nötigen wurde aber nicht festgestellt, insbesondere auch nicht, daß die Nichtzahler vom Weihnachtsmarkt ausgeschlossen werden sollten. Der Vorwurf, der Kläger habe "Schutzgeld" gefordert, ist nach dem maßgeblichen Gesamtzusammenhang (vgl 6 Ob 2300/96w uva), in dem die Äußerung fiel, als Werturteil auf der Basis des in der Pressekonferenz bekanntgegebenen Sachverhalts aufzufassen. Der Vorwurf inkludiert zweifelsfrei verbrecherische Methoden (vgl MR 1988, 87 "Mafia-Methoden") und ist beleidigend. Nach ständiger oberstgerichtlicher Rechtsprechung kann ein auf der Basis falscher Tatsachen beruhendes Werturteil nicht mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung gerechtfertigt werden (MR 1993, 14; 6 Ob 2105/96v uva). Auf die relevierte Rechtsfrage des "Duldungsmaßstabs" bei in die Ehre eingreifenden Werturteilen in der politischen Auseinandersetzung kommt es daher hier nicht an. Die Wahrheit des im Gesamtzusammenhang zu verstehenden Vorwurfs einer strafbaren (nötigenden) Zahlungsaufforderung hätte der beweispflichtige Drittbeklagte bescheinigen müssen (zur Beweislast: MR 1992, 203 uva). Die Frage der Immunität des Drittbeklagten infolge seiner Eigenschaft als Landtagsabgeordneter ist im Revisionsrekursverfahren nicht mehr strittig. Die Vorinstanzen haben zutreffend eine Immunität bei im Rahmen einer Pressekonferenz aufgestellten ehrenbeleidigenden Behauptungen verneint (MR 1988, 88). Mangels erheblicher Rechtsfrage ist der Revisionsrekurs des Drittbeklagten zurückzuweisen.

Zur Frage der Haftung der erstbeklagten politischen Partei und des Zweitbeklagten für die Äußerungen des Drittbeklagten:

Politische Parteien erlangen Rechtsfähigkeit durch Hinterlegung ihrer Satzung beim zuständigen Bundesminister. Auch Landesorganisationen von politischen Parteien sind parteifähig, soweit dies im Statut vorgesehen ist (Aicher in Rummel, ABGB2 Rz 7 zu § 26). Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall, infolge ausdrücklicher Einräumung der Parteifähigkeit der Erstbeklagten durch alle Beklagten, als bescheinigt anzusehen.

Juristische Personen sind nicht selbst deliktsfähig, es sind ihr aber die Delikte ihrer Repräsentanten zuzurechnen. Der Umfang der Deliktshaftung der juristischen Person hängt vom Personenkreis ab, für den sie einzustehen hat. Zu dieser Frage hat in der Vergangenheit eine eingehende, kontroversielle Diskussion in der Lehre stattgefunden. Auch die oberstgerichtliche Rechtsprechung schwankte zwischen zwei Extremen. Einerseits wurde ausgesprochen, daß die juristische Person für alle bei ihr Beschäftigten zu haften habe, andererseits wurde diese Haftung auf Delikte der gesetzlichen oder statutenmäßig berufenen Vertreter beschränkt (vgl die zahlreichen Zitate aus Lehre und Rechtsprechung bei Aicher aaO Rz 26). Die jüngere und einheitliche oberstgerichliche Rechtsprechung orientiert sich an den unter dem Schlagwort "Repräsentantenhaftung" zusammengefaßten, auf die Lehre Ostheims (in Gschnitzer Gedenkschrift 328; JBl 1972, 317; Entscheidungsbesprechung zu JBl 1978, 61) zurückgehenden Grundsätzen. Die Haftung der juristischen Person für Repräsentanten kann dogmatisch auf verschiedene Arten begründet werden, von denen nur die Gehilfenhaftung (§§ 1313 ff ABGB), die Haftung für Organisationsmängel sowie die Haftung für das Organ (abgeleitet aus der Gleichstellung juristischer Personen mit natürlichen Personen im § 26 ABGB sowie aus § 337 ABGB) und die Haftung für den Machthaber, der seine Vertretungsmacht vom Organ ableitet, hervorgehoben werden sollen. Die grundsätzlich einhellig bejahte Deliktshaftung der juristischen Person ist nach jüngerer oberstgerichtlicher Rechtsprechung nicht auf die verfassungsmäßigen Organe beschränkt. Schon Ostheim hatte vorgeschlagen, die Haftung der juristischen Person auf die Personen auszuweiten, die im Namen der juristischen Person in verantwortlicher, leitender oder überwachender Funktion Tätigkeiten ausüben. Auch Koziol vertritt diese Auffassung (Haftpflichtrecht II 377). Unter Berufung auf diese Lehrmeinungen vertritt auch der Oberste Gerichtshof die Ansicht, daß es nicht auf die verfassungsmäßige Berufung zur Vertretung der juristischen Person ankomme. Organ sei jeder Repräsentant, der eine leitende Stellung mit selbständigem Wirkungsbereich habe (SZ 60/49 uva). Auch für den Bereich des § 1330 ABGB hat der Oberste Gerichtshof die Repräsentantenhaftung für in Medien verbreitete, kreditschädigende Äußerungen bejaht (MR 1987, 93 uva) und die Haftung der juristischen Person (Medieninhaber) für Äußerungen etwa des Chefredakteurs ausgesprochen (zustimmend Korn/Neumayer, Persönlichkeitsschutz 56). Der Grundsatz, daß juristische Personen für Personen in leitender Stellung deliktisch haften, gilt auch für politische Parteien mit Rechtspersönlichkeit. Die Haftung der Erstbeklagten für Äußerungen des Drittbeklagten könnte also dann bejaht werden, wenn der von einer politischen Partei in eine gesetzgebende Körperschaft entsandte Mandatar als "leitende Person" in der Organisation der politischen Partei qualifiziert werden könnte. Dies ist ohne Hinzutreten zusätzlicher Kriterien jedoch zu verneinen. Der einfache Abgeordnete übt sein Mandat grundsätzlich frei aus, wenngleich er im politischen Alltag (notorischerweise) häufig der von den maßgeblichen Organen der Partei vorgegebenen Linie folgen und nur in Ausnahmsfällen davon abweichen wird. Einen maßgeblichen rechtlichen Einfluß auf die Willensbildung seiner Partei hat der "einfache" Abgeordnete jedoch nicht, er ist im Regelfall auch nicht a priori der zur Vertretung der Parteimeinung in der Öffentlichkeit bestimmte leitende Repräsentant der politischen Partei. Dies sind zweifellos die Parteiobleute und die übrigen Mitglieder des Parteivorstandes, allenfalls auch die sogenannten Ressortsprecher der Partei. Auf die Frage, ob auch der Obmann des Abgeordnetenklubs zu diesen leitenden Personen gehört, wird noch einzugehen sein. Der Kläger hat eine leitende Funktion des Drittbeklagten nicht einmal behauptet. Eine solche ergibt sich - wie ausgeführt - nicht schon aus dem Umstand, daß der Drittbeklagte Wiener Gemeinderat und damit gleichzeitig auch Landtagsabgeordneter ist. Mangels Bescheinigung des für eine Repräsentantenhaftung maßgeblichen Sachverhalts ist die Haftung der Erstbeklagten für die Äußerung des Drittbeklagten daher zu verneinen.

Für Äußerungen des Obmanns des Abgeordnetenklubs der politischen Partei könnte diese nach den angeführten Grundsätzen allenfalls haften. Für den Bereich des Nationalrats sieht die Nationalratsgeschäftsordnung im § 7 das Recht der Nationalräte der wahlwerbenden Parteien vor, sich in einem Klub zusammenzuschließen. Hiefür sind mindestens fünf Nationalräte erforderlich. Die Obmänner der konstituierten Klubs bilden mit dem Präsidenten des Nationalrats die Präsidialkonferenz (d.i. gemäß § 8 der Nationalratsgeschäftsordnung ein beratendes Organ). Das Klubfinanzierungsgesetz 1985 normiert einen Anspruch der insoweit teilrechtsfähigen parlamentarischen Klubs auf einen Beitrag zur Deckung der ihnen erwachsenden Kosten. Dieser aus öffentlichen Mitteln zu leistende Beitrag steht für die von den Abgeordneten zu leistende Öffentlichkeitsarbeit zu. Die Rechtsvorschriften für Wiener Landtagsabgeordnete sind in der Frage des Klubs und dessen Obmanns den Bestimmungen für Nationalräte nachgebildet. Gemäß § 3 Abs 1 der Geschäftsordnung des Landtages für Wien idgF LGBl 1996/39 ist der gemäß § 18 Wiener Stadtverfassung-WStV konstituierte Klub des Gemeinderats zugleich der Klub des Landtages, sein Obmann ist Mitglied der Präsidialkonferenz des Landtages. Dem Klubobmann obliegt (notorischerweise) die Koordinierung der parlamentarischen Arbeit der Abgeordneten des Klubs. Insofern hat er zweifellos eine leitende Stellung, hat er doch die im politischen Alltag von den Parteien üblicherweise angestrebte einheitliche Parteilinie durchzusetzen (vgl das Schlagwort "Klubzwang" und die in Einzelfällen von den Parteiführungen zugelassene Aufhebung des "Klubzwangs"). Ob die nur kurz dargestellte Rechtslage und der als notorisch anzusehende Sachverhalt über das Aufgabengebiet des Klubobmanns der Mandatare einer politischen Partei bereits ausreicht, ihn als Repräsentanten der politischen Partei anzusehen, für dessen Äußerungen sie zu haften hat, müßte hier nur dann näher untersucht werden, wenn die bekämpfte Äußerung vom Zweitbeklagten selbst stammte oder aber der Zweitbeklagte als Mittäter, Anstifter oder Gehilfe in bezug auf die Äußerung des Drittbeklagten zu qualifizieren wäre. Ersteres wurde nicht festgestellt, letzteres ist aus folgenden Gründen zu verneinen:

Das österreichische Strafrecht sieht grundsätzlich die Haftung für ein fremdes Delikt nicht vor, geht aber bei der Beurteilung, wer Täter ist, von einem weiten Beteiligtenbegriff aus. Gemäß § 12 StGB begeht nicht nur der unmittelbare Täter die strafbare Handlung, sondern auch jeder, der einen anderen dazu bestimmt, sie auszuführen oder der sonst zu ihrer Ausführung beiträgt. Eine strafbare Handlung kann auch durch Unterlassung begangen werden. § 2 StGB setzt allerdings eine rechtliche Erfolgsabwendungspflicht voraus. Nach dieser Rechtslage könnte dem Zweitbeklagten strafrechtlich die vom Drittbeklagten begangene strafbare Handlung gegen die Ehre eines anderen (§§ 111 ff StGB) nur dann angelastet werden, wenn er als Beteiligter qualifiziert werden könnte. Eine Rechtspflicht, das Ehrenbeleidigungsdelikt eines anderen zu verhindern, gibt es grundsätzlich nicht. Auch im Bereich des Zivilrechtes ist bei rechtswidrigen Eingriffen in Rechtsgüter anderer nicht nur der unmittelbare Störer haftbar. Im Wettbewerbsrecht (vgl den mit § 1330 ABGB verwandten § 7 UWG) vertritt der Oberste Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß sich der wettbewerbsrechtliche Unterlassungsanspruch nicht nur gegen den unmittelbaren Täter (Störer), also gegen jene Person, von der die Beeinträchigung ausgeht und auf deren maßgeblichem Willen sie beruht, sondern auch gegen Mittäter, die Anstifter und Gehilfen des eigentlichen Störers, richte. Für wettbewerbswidriges Verhalten eines anderen - auch eines selbständig handelnden Dritten - habe jeder einzustehen, der den Wettbewerbsverstoß durch eigenes Verhalten gefördert oder überhaupt erst ermöglicht habe (MR 1991, 162). Gehilfe sei nur, wer den Täter bewußt fördere, die bloß adäquate Verursachung reiche für die Haftung noch nicht aus (WBl 1997, 260). Zufolge § 18 UWG haftet der Betriebsinhaber für Wettbewerbsverstöße anderer Personen, wenn die Handlung im Betrieb seines Unternehmens begangen worden ist. Wenn diese Voraussetzung nicht vorliegt, etwa im Fall der Förderung fremden Wettbewerbs durch einen selbständigen Dritten, kann dessen Qualifizierung als Gehilfe auf § 1301 ABGB gestützt werden. Diese Bestimmung ist auch hier maßgeblich, zumal in den nach § 1330 ABGB zu beurteilenden Fällen § 18 UWG keine Anwendung finden kann. § 1301 ABGB normiert, daß für einen widerrechtlich zugefügten Schaden mehrere Personen verantwortlich sind, indem sie gemeinschaftlich, unmittelbar oder mittelbar durch Verleiten, Drohen, Befehlen, Helfen, Verhehlen u.dgl.; oder, auch nur durch Unterlassung der besonderen Verbindlichkeit, das Übel zu verhindern, dazu beigetragen haben (vgl zur Gehilfenhaftung Gamerith in WBl 1991, 305). Der erkennende Senat hat im Einklang mit der angeführten Rechtsprechung in Wettbewerbssachen die angeführten Grundsätze zur Gehilfenhaftung bereits mehrfach in Fällen, die nach § 1330 ABGB zu beurteilen waren, angewandt (6 Ob 125/97v uva). Auch hier ist maßgeblich, daß als Gehilfe nur derjenige angesehen werden kann, der den unmittelbaren Täter durch eigenes Verhalten bewußt gefördert hat. Dies ist im vorliegenden Fall jedoch nicht bescheinigt. Die bloße Teilnahme an der Pressekonferenz rechtfertigt noch nicht die Annahme, der Zweitbeklagte habe die Abgabe einer exzessiven, ehrenbeleidigenden Äußerung des Drittbeklagten bewußt gefördert und ermöglicht. Es wurde schon ausgeführt, daß die bloß adäquate Verursachung noch nicht ausreicht. Eine Identifikation des Zweitbeklagten mit den Sachverhaltsbehauptungen des Drittbeklagten in der Pressekonferenz reicht noch nicht aus, auch eine Identifikation mit dem bekämpften ehrenbeleidigenden Werturteil anzunehmen. Wenn man für die Bejahung dieser Frage schon die bloße Anwesenheit der Pressekonferenz als ausreichend erachtete, käme dies einer im Gesetz nicht vorgesehenen Erfolgshaftung für fremde Äußerungen gleich. Der Revisionsrekurs des Zweitbeklagten ist daher berechtigt und damit auch derjenige der Erstbeklagten. Diese haftet für die Äußerung des Drittbeklagten mangels dessen Repräsentantenstellung nicht, ihre allfällige Haftung für den Zweitbeklagten ist mangels Bescheinigung seiner Täterschaft (Gehilfeneigenschaft) zu verneinen.

Im Provisorialverfahren hat die gefährdete Partei den obsiegenden Gegnern die Verfahrenskosten zu ersetzen (§§ 78 und 402 EO, §§ 41 und 50 ZPO). Gegenstand des Provisorialverfahrens ist nur eine von vier mit der Klage bekämpften Äußerungen. Kostenbemessungsgrundlage ist daher ein Viertel des Gesamtstreitwertes des Unterlassungsanspruches (d.i. 30.000 S).

Stichworte