OGH 6Ob2105/96v

OGH6Ob2105/96v4.7.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.Prückner und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei Dr.Matthias M*****, vertreten durch die Rechtsanwaltsgemeinschaft Mory & Schellhorn OEG in Salzburg, wider die beklagte Partei und Gegner der gefährdeten Partei Pius Z*****, vertreten durch Mag.Christian Posch, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Unterlassung, Widerruf und Veröffentlichung des Widerrufs (Streitwert im Provisorialverfahren 240.000,-- S), infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 1.Februar 1996, GZ 2 R 9/96y-12, womit dem Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg vom 5.Dezember 1995, GZ 13 Cg 261/95b-5, Folge gegeben und die beantragte einstweilige Verfügung erlassen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Der Kläger ist Landtagsabgeordneter einer Bürgerliste in Salzburg. Er war von 1989 bis 1994 erster Vizebürgermeister der Marktgemeinde K*****. Der Beklagte ist Mitglied einer anderen politischen Partei und Bürgermeister der Marktgemeinde K*****. Sowohl auf Gemeinde- als auch auf Landesebene besteht seit Jahren ein politischer Streit um die Flächenwidmung bestimmter Grundstücke. Der Kläger und seine Fraktion treten für die Beibehaltung der Gründlandwidmung ein, der Beklagte strebt mit seiner Fraktion die Umwidmung in ein Gewerbegebiet an.

In der Ausgabe der T***** Rundschau vom 28.September 1995 erschien auf Seite 2 ein ganzseitiger Leserbrief des Klägers, der mit "Argumentationsnotstand der Ö*****" überschrieben war. In diesem Leserbrief nahm er Bezug auf einen Leserbrief des Liberalen K***** Gemeindevertreters Egon W***** in den "T***** Nachrichten" vom 21. September 1995, in dem (angeblich) der Vorwurf erhoben worden sei, "das wirkliche Problem beim B***** sind die juristischen Spitzfindigkeiten und Winkelzüge von Bürgerinitiativen, mit denen der Wille der Mehrheit der Gemeindevertretung ausgehebelt wird". Der Inhalt des Leserbriefs des Klägers wird im folgenden auszugsweise wiedergegeben:

".... in der Causa B***** hat die Mehrheit der K***** Gemeindevertretung immer die Gesetze gebrochen. Die Einstellung dieser Mehrheit zu Gesetzen wird durch die von Bürgermeister Z***** mehrfach getätigten Äußerung: "Wo kämen wir hin, wenn wir die Gesetze immer genau einhalten würden !" eindrucksvoll zum Ausdruck gebracht.

Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 2.Dezember 1991 festgehalten, die K***** Gemeindevertretung hat bei der Umwidmung des B***** das Raumordnungsgesetz gebrochen, weil diese Umwidmung nicht begründet und objektiv nachvollziehbar gewesen ist.

....

Die Gemeindevertretung und auch die Landesregierung war charakterlich zu schwach, diesen vom Verfassungsgerichtshof aufgezeigten Gesetzesbruch einzugestehen. Vielmehr schloß man sich der vom Rechtsanwalt der Grundbesitzer entwickelten juristischen Spitzfindigkeit einer "Weißfleck-Theorie" an, um einen Gesichtsverlust zu verhindern.

Dieser Rechtsstandpunkt ist insoferne fatal, als er einen weiteren

Gesetzesbruch beinhaltet. ......

Viele mögen sich fragen, warum die Beseitigung des "weißen Fleckes"

am B***** so lange dauert. ....Diese Verzögerung ist auch nach

Ansicht der Volksanwaltschaft ein Amtsmißbrauch, somit ein weiterer

Gesetzesverstoß durch die Mehrheit der Gemeindevertretung. ......

Die juristischen Spitzfindigkeiten und Winkelzüge sind somit auf

Seiten der Verbauer des B*****. Sie sind die wahren Täter und

Gesetzesbrecher, die den Willen der Mehrheit des Landtages nach einer

geordneten Raumnutzung nicht akzeptieren wollen......

Dieser Argumentationsnotstand zwang den Bürgermeister, für teures Geld einen Rechtsanwalt zu engagieren, der natürlich keine Gegenargumente finden konnte und daher nur mit Polemiken seine Seite vertritt."

Die Formulierung "Wo kämen wir hin, wenn wir Gesetze immer genau einhalten?" ist innerhalb der ersten Spalte des Leserbriefes in Fett- und Großdruck gesondert herausgehoben.

Hierauf verfaßte der Beklagte in der September-Ausgabe der K***** Rundschau auf Seite 2 unter der Rubrik "Am Wort: Der Bürgermeister" einen Artikel, den er mit "politisches Sommergewitter" überschrieb und der auszugsweise lautet:

"Auf die Leserbriefe in den T***** Nachrichten vom 31.8. und 28.9.1995, Verfasser Herr B***** und Herr M*****, möchte ich gar nicht näher eingehen, weil sie mir zu primitiv und polemisch sind.

Möchte jedoch beide Herren ersuchen, doch endlich ihre haßstreuenden und völlig erfundenen Zeitungsgeschichten einzustellen.

Wenn man sich schon von einem Herrn B***** nicht viel Anstand und Intelligenz erwarten darf, so ist dies normal, aber wenn ein Abgeordneter zum Salzburger Landtag mit puren Verleumdungen argumentiert, so ist dies nach meiner Ansicht schon beschämend......"

Der Kläger brachte in seiner auf Unterlassung, Widerruf und Veröffentlichung des Widerrufs gerichteten Klage sowie im damit verbundenen Sicherungsantrag vor, daß der Vorwurf des Beklagten, der Kläger habe als Abgeordneter zum Salzburger Landtag mit puren Verleumdungen argumentiert eine ehrenbeleidigende Äußerung und eine unrichtige Tatsachenbehauptung darstelle, welcher geeignet sei, das Fortkommen des Klägers zu gefährden. Im Leserbrief des Klägers seien keine Verleumdungen enthalten gewesen. Es bestehe die Gefahr, daß der Beklagte im Zuge der politischen Auseinandersetzungen um die Flächenwidmung erneut zur ehrverletzenden Äußerungen greifen werde.

Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage und des Sicherungsantrages. Seine Äußerung sei im Zusammenhang mit dem Leserbrief des Klägers zu beurteilen. Sie stelle eine zwar scharf formulierte aber zulässige Kritik im Rahmen einer politischen Auseinandersetzung dar. Die Äußerung sei überdies wahr, weil die vom Kläger in seinem Leserbrief erhobenen Vorwürfe unwahr und durch nichts bewiesen seien. Der Verfassungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis lediglich von einer Gesetzwidrigkeit, nicht aber von Gesetzesbrüchen gesprochen. Der Beklagte habe nicht geäußert "Wo kämen wir hin, wenn wir die Gesetze immer genau einhalten würden?".

Er habe lediglich die Äußerung gemacht: "Man könne im Leben nicht alles nach Punkt und Strich einhalten, sowie es auch im Straßenverkehr tagtäglich zu unzähligen kleinen Übertretungen kommt, ohne daß deshalb dort Rechtslosigkeit herrscht". Die sogenannte "Weißfleck-Theorie" besage nichts anderes, als daß ein eine Verordnung aufhebendes Erkenntnis des Verfassungs- gerichtshofes kein automatisches Wiederinkrafttreten früherer Verordnungsbestimmungen zur Folge habe. Dies entspreche der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes. Es sei unrichtig, daß die Gemeindevertretung eine neuerliche Widmung der betreffenden Grundstücke verzögern würde und daß die Volksanwaltschaft die Meinung geäußert habe, die Verzögerung der Widmung stelle einen Amtsmißbrauch dar. Es habe auch nicht der Beklagte die Wahrheit seiner Äußerung zu beweisen. Der Kläger habe vielmehr die Unwahrheit der Äußerung zu beweisen.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Es beurteilte den schon wiedergegebenen Sachverhalt rechtlich dahin, daß bei der Verletzung der Ehre ein verschuldensunabhängiger Unterlassungsanspruch zustehe. Die Äußerung des Beklagten sei im Zusammenhang mit der politischen Tätigkeit beider Beteiligter im allgemeinen und mit dem Leserbrief des Beklagten im besonderen zu beurteilen. Das Niveau der Kommunikation zwischen den Beteiligten entspreche nicht dem des üblichen zwischenmenschlichen Umganges. Damit sei aber auch die Schwelle zwischen zulässiger Kritik und Ehrbeleidigung wesentlich höher als sonst. Im Leserbrief des Klägers fänden sich neben sachlichen Darlegungen auch massive Vorwürfe. Wenn man die dortige Diktion als Maßstab nehme, so hebe sich die Äußerung des Beklagten davon nicht wesentlich ab. Wer den politischen Gegner des immerwährenden Gesetzesbruches zeihe, müsse in Kauf nehmen, daß er einer puren Verleumdung bezichtigt werde. Beide Äußerungen würden für sich alleine betrachtet eine Ehrenbeleidigung darstellen. Die Wortwahl des Beklagten sei nicht unverhältnismäßig tiefgreifender als jene des Klägers. Wegen des Umfeldes werde die Äußerung des Beklagten (noch) nicht als Eingriff in das absolut geschützte Persönlichkeitsrecht des Klägers gewertet.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers Folge und erließ die beantragte einstweilige Verfügung. Wegen nicht geteilter Rechtsauffassung des Erstgerichtes ergänzte das Rekursgericht aufgrund der vorgelegten Urkunden die Feststellungen zum Thema der Richtigkeit der Äußerung des Beklagten wie folgt:

Mit dem Erkenntnis vom 2.12.1991, V 16/91-13 (Beilage ./9) hat der Verfassungsgerichtshof über Antrag der Volksanwaltschaft die von der Gemeindevertretung der Marktgemeinde K***** in ihrer Sitzung am 22.8.1989 beschlossene Änderung des Flächenwidmungsplanes insofern "als gesetzwidrig aufgehoben", als dadurch der Bereich des "B*****" in der Katastralgemeinde K***** als "Bauland" mit der Nutzungsart "Gerwerbegebiet" gewidmet wurde. In der Begründung führte der VfGH im wesentlichen aus, daß die gesetzlich vorgeschriebneen Strukturuntersuchungen vor der Beschlußfassung über die Änderung des räumlichen Entwicklungskonzepts durch die Gemeindevertretung nicht in ausreichendem Umfang durchgeführt worden seien. Das Unterbleiben der gebotenen Grundlagenforschung vor der Beschlußfassung der Gemeindevertretung belaste die am 4.7.1989 beschlossene Änderung des räumlichen Entwicklungskonzepts und den Flächenwidmungsplan mit Gesetzwidrigkeit. Außerdem wies der VfGH darauf hin, daß der Volksanwaltschaft beizupflichten sei, wenn sie insbesondere aus der Vorgangsweise der zuständigen Organe der Marktgemeinde K***** (wird im Erkenntnis erläutert) den Schluß zog, das mit der Änderung des Flächenwidmungsplanes angestrebte Ergebnis sei bereits zu einem Zeitpunkt festgestanden, in dem noch nicht einmal die formellen Voraussetzungen für dessen Änderung erfüllt gewesen seien (vgl S 17 f des Erkenntnisses).

Das Rekursgericht stellte ferner noch aus der vorgelegten Stellungnahme des Volksanwaltes Dr.K***** in der Sitzung des Verfassungs- und Verwaltungsausschusses des Salzburger Landtages vom 25.1.1995 fest, daß dieser (gemeint: der Volksanwalt) grundsätzlich eine Verzögerung bei der Erlassung des Flächenwidmungsplanes als bedenklich befunden und auf die Gefahr eines Amtsmißbrauches durch Unterlassung hingewiesen habe. Weiters stellte es fest, daß eine Verzögerung bei der Erlassung des Flächenwidmungsplanes nunmehr seit einigen Jahren vorliege, was unstrittig sei.

In rechtlicher Hinsicht beurteilte das Rekursgericht den festgestellten Sachverhalt dahin, daß dem in seiner Ehre Verletzten ein verschuldensunabhängiger Unterlassungsanspruch zustehe. Wenn eine rufschädigende Tatsachenbehauptung zugleich eine Ehrenbeleidigung im Sinne des § 1330 Abs 1 ABGB darstelle, habe der Kläger nur die Verbreitung der Tatsachen, nicht aber die Unwahrheit dieser Tatsachen zu beweisen. Der Wahrheitsbeweis obliege dem Beklagten. Tatsachen im Sinne des § 1330 Abs 2 ABGB seien im Gegensatz zu objektiv nicht überprüfbaren Werturteilen Umstände, die ihrer allgemeinen Natur nach objektiv überprüfbar seien. Bei der Beurteilung der Frage, ob Tatsachen verbreitet worden seien, komme es immer auf den Gesamtzusammenhang und den dadurch ermittelten Gesamteindruck der beanstandeten Äußerung an. Maßgebend sei das Verständnis des unbefangenen Durchschnittslesers. Die Äußerung des Beklagten, der Kläger argumentiere mit puren Verleumdungen stelle sowohl eine Tatsachenbehauptung als auch eine Ehrenbeleidigung dar. Wenn auch der unbefangene Durchschnittsleser die verwendeten Worte nicht unbedingt im Sinne eines strafrechtlichen Tatbestandes verstehe, so habe der Beklagte doch nach dem allgemeinen Sprachverständnis zum Ausdruck gebracht, daß die Darstellung des Klägers nicht nur unwahr sei, sondern daß der Kläger wider besseres Wissen den Beklagten fälschlich eines verwerflichen Verhaltens bezichtigt habe. Der konkrete Vorwurf sei einer objektiven Überprüfung zugänglich und daher eine Tatsachenbehauptung. Die Äußerung habe aber auch den Charakter eines Werturteils über die sittliche Qualität des Klägers. Der öffentliche Vorwurf sei geeignet, den politischen Einfluß des Klägers zu schwächen und damit auch seine wirtschaftlichen Verhältnisse zu beeinträchtigen. Der Beklagte hätte die Richtigkeit seiner Behauptung im Provisorialverfahren bescheinigen müssen. Diese Bescheinigung sei ihm nicht gelungen. Da sich das Erstgericht nicht mit der Richtigkeit der beanstandeten Äußerung auseinandergesetzt habe, habe das Rekursgericht die Feststellungen aus den nur aus Urkunden bestehenden Bescheinigungsmitteln ergänzt. Der Beklagte habe nicht bescheinigt, daß der Kläger wider besseres Wissen unwahre Anschuldigungen aufgestellt habe. Auch wenn der Verfassungsgerichtshof nicht ausdrücklich die Worte "Gesetzesbruch" oder "Gesetze gebrochen" verwendet habe, so gehe die wertende Behauptung des Klägers, der begründet habe, worin seiner Meinung nach der "Gesetzesbruch" bestehe, nicht über die grundsätzliche Richtigkeit des der Behauptung zugrundeliegenden Tatsachenkerns hinaus. Aus der Stellungsnahme des Volksanwaltes ergebe sich auch, daß dieser grundsätzlich eine Verzögerung bei der Erlassung des Flächenwidmungsplanes als bedenklich befunden und auf die Gefahr eines Amtsmißbrauches durch Unterlassung hingewiesen habe. Eine umfassende Interessenabwägung schließe im vorliegenden Fall die Rechtswidrigkeit des Verhaltens des Beklagten nicht aus. Auch bei Beurteilung der Äußerung im Gesamtzusammenhang habe der Beklagte das Maß einer zulässigen Kritik überschritten. Das Recht auf freie Meinungsäußerung rechtfertige die Herabsetzung des politischen Gegners durch unwahre Tatsachenbehauptungen nicht.

Das Rekursgericht bewertete den Entscheidungsgegenstand mit über 50.000,-- S und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Bei der Vermengung von "Tatsachensubstrat" und Werturteil könne allenfalls aus einer jüngeren Entscheidung des Obersten Gerichtshofes (MR 1995, 177) die Auffassung abgeleitet werden, daß die Richtigkeit der Tatsachenbehauptung nicht zu prüfen, sondern sofort die für das Rechtswidrigkeitsurteil erforderliche Interessenabwägung vorzunehmen sei.

Mit seinem Revisionsrekurs beantragt der Beklagte die Abänderung dahin, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt und der Sicherungsantrag abgewiesen werde.

Der Kläger beantragt, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, hilfsweise wird dessen Abweisung beantragt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Beklagten ist entgegen dem Ausspruch des Rekursgerichtes unzulässig, weil es hier auf die in der jüngsten Spruchpraxis des erkennenden Senates entwickelten Grundsätze zur Zulässigkeit von Werturteilen in der politischen Auseinandersetzung (vgl MR 1995, 177 und 1996, 26) nicht ankommt. Es ist dem Rekursgericht zuzustimmen, daß die Äußerung des Beklagten, der Kläger argumentiere in der umstrittenden Frage der Flächenwidmung mit "puren Verleumdungen" nicht als Werturteil, sondern als überprüfbare Tatsachenbehauptung zu qualifizieren ist. Tatsachen im Sinne des § 1330 Abs 2 ABGB sind Umstände, die ihrer allgemeinen Natur nach objektiv überprüfbar sind. Die Richtigkeit der verbreiteten Äußerung muß grundsätzlich einem Beweis zugänglich sein, sodaß das Verbreiten nicht nur subjektiv angenommen oder abgelehnt, sondern als richtig oder falsch beurteilt werden kann. Der Begriff der Tatsachenbehauptung ist weit auszulegen. Tatsachen können auch "konkludent" behauptet werden. Dies ist dann der Fall, wenn dem Urteil, das eine rein subjektive Auffassung wiedergibt, entnommen werden kann, daß es von bestimmten Tatsachen ausgeht. Daß das Verhalten des Dritten aufgrund eigener gedanklicher Tätigkeit interpretiert und einer wertenden Stellungnahme unterzogen wird, schließt das Vorliegen einer Tatsachenmitteilung noch nicht aus. Werturteile sind hingegen rein subjektive Aussagen, die objektiv nicht überprüfbar sind. Sie werden vom § 1330 Abs 2 ABGB nicht erfaßt, können aber als Ehrenbeleidigungen gegen § 1330 Abs 1 ABGB verstoßen (MR 1994, 111 mwN). Bei Anwendung dieser Grundsätze ist hier nach dem Gesamtzusammenhang, in dem die Äußerung des Beklagten fiel (also auch unter Berücksichtigung des Umstandes, daß sie eine Replik auf rufschädigende Äußerungen des Klägers darstellte) davon auszugehen, daß der Beklagte dem Kläger wenn schon nicht eine nach dem Strafrecht zu verfolgende Verleumdung, so doch das bewußte Verbreiten falscher Vorwürfe, also jedenfalls ein unehrenhaftes Verhalten in der Form des "Anschwärzens" des politischen Gegners mit falschen Tatsachenbehauptungen vorwarf. Ob dies mit dem Zeitungsartikel des Klägers tatsächlich geschehen ist, kann überprüft werden.

In der Frage der Beweislast ist das Rekursgericht nicht von der ständigen oberstgerichtlichen Rechtsprechung abgewichen. Bei rufschädigenden Tatsachenbehauptungen, die - wie hier - gleichzeitig auch eine Ehrenbeleidigung nach § 1330 Abs 1 ABGB darstellen, trifft den Beklagten die Beweislast für die Richtigkeit der Äußerung.

Entgegen der Auffassung des Rekurswerbers ist die Frage der

Beweislast auch nicht deshalb anders zu beurteilen, weil der Kläger

"ungeheuerliche Vorwürfe" gegen den Beklagten erhoben hatte und mit

der Replik des Beklagten nur diese Vorwürfe als unwahr zurückgewiesen

worden seien, sodaß den Kläger die Beweislast für die Richtigkeit

(seiner Behauptungen) und damit auch für die Unrichtigkeit der

Behauptungen des Beklagten treffe. Diese Rechtsansicht des Beklagten

kann aus dem Gesetz nicht abgeleitet werden. Ihr ist die einfache

Überlegung entgegenzuhalten, daß der Beklagte wegen der Vorwürfe des

Klägers selbst eine Klage nach § 1330 ABGB erheben hätte können. In

diesem Prozeß hätte den Kläger (dort Beklagten) die Beweislast für

die Richtigkeit seiner Vorwürfe (des Gesetzesbruches bzw des

Amtsmißbrauches) getroffen. Wenn der Kläger diesen Weg nicht

beschritt, sondern zum Mittel einer Replik griff, in welcher er

selbst rufschädigende Tatsachen behauptete, muß er die für jeden Ehrenbeleidigungsprozeß gültige Beweislastverteilung zur Kenntnis nehmen. Der vom Kläger aufgeworfenen Rechtsfrage kommt nicht die Qualität der besonderen Erheblichkeit im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO zu.

Auf die im Revisionsrekurs zitierte oberstgerichtliche Judikatur zur Rechtfertigung einer auch die Ehre eines anderen verletzenden Kritik unter dem Gesichtspunkt der freien Meinungsäußerung (Art 10 Abs 1 MRK, Art 13 Abs 1 StGG) muß hier nicht weiter eingegangen werden, weil - worauf das Rekursgericht zutreffend verwies - selbst eine im Zuge eines politischen Meinungsstreites erfolgende Herabsetzung durch unwahre Tatsachenbehauptungen das Maß einer zulässigen politischen Kritik überschreitet und auch im Wege einer umfassenden Interessenabwägung oder mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung nicht gerechtfertigt werden kann (NRSp 1992/199; ÖBl 1993, 84; MR 1993, 14; 4 Ob 40/93; 6 Ob 17/94; 6 Ob 21/94).

Mangels erheblicher Rechtsfragen ist der Revisionsrekurs des Beklagten zurückzuweisen.

Der Ausspruch über die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung des Klägers beruht auf § 393 Abs 1 EO.

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