OGH 1Ob31/97h

OGH1Ob31/97h24.6.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Benedikt B*****, vertreten durch Dr.Andreas Brugger, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Gemeinde S*****, vertreten durch Dr.Christoph Schneider und Dr.Thomas Zelger, Rechtsanwälte in Kufstein, wegen Unterlassung, Wiederherstellung und Feststellung (Gesamtstreitwert S 300.000,- -) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 10.September 1996, GZ 1 R 162/96z-75, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 19.März 1996, GZ 41 Cg 1028/92f-67, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 13.725,-- (darin S 2.287,50 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 26 der Tiroler Gemeindeordnung 1966 (TGO) ist der Gemeinderat zur Beschlußfassung und Überwachung der Vollziehung in allen Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereichs der Gemeinde berufen, soweit die Beschlußfassung nicht durch Gesetz ausdrücklich einem anderen Organ zugewiesen ist. Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereichs sind insbesondere die Übernahme privatrechtlicher Verpflichtungen, die nicht zur laufenden Geschäftsführung gehören (SZ 54/111; 1 Ob 669/90). Dem Bürgermeister obliegt gemäß § 41 Abs 2 TGO nur die „verantwortliche“ Vollziehung der Beschlüsse der Gemeindeorgane. Ein dringender oder ein Notstandsfall im Sinne der §§ 43 und 44 TGO, in welchen Fällen dem Bürgermeister weitergehende Befugnisse zustehen, lag im hier zu entscheidenden Fall der Einräumung eines Wassernutzungsrechts durch den Rechtsvorgänger des Klägers an die Beklagte unbestrittenermaßen nicht vor. Der Oberste Gerichtshof erkennt in ständiger Rechtsprechung, daß in der Gemeindeordnung enthaltene Vorschriften über die Vertretung der Gemeinden nicht bloße Organisationsvorschriften über die interne Willensbildung öffentlich-rechtlicher Körperschaften darstellen, sondern Einschränkungen der Vertretungsmacht des Bürgermeisters nach außen beinhalten. Eine durch einen erforderlichen Gemeinderatsbeschluß nicht gedeckte Willenserklärung des Bürgermeisters bindet daher mangels der hiefür erforderlichen Vertretungsbefugnis die Gemeinde grundsätzlich nicht (SZ 54/111; 1 Ob 669/90; JBl 1991, 517; SZ 66/98; SZ 68/13 ua). Signifikante Abweichungen der TGO von anderen Gemeindeordnungen, die diese gesicherte Rechtsprechung gerade auf die Gestion Tiroler Gemeinden nicht anwendbar erscheinen ließen, liegen nicht vor. Der erkennende Senat hat bereits in 1 Ob 48/82 ausgesprochen, daß die dem Gemeinderat im § 26 TGO eingeräumte umfassende Kompetenz weitestgehend sinnlos wäre, wollte man es anderen Organen der Gemeinde ermöglichen, unter Umgehung des zuständigen Organs mit Wirkung für die Gemeinde tätig zu werden. In 1 Ob 669/90 hat sich der erkennende Senat ebenfalls mit den relevanten Bestimmungen der Tiroler Gemeindeordnung beschäftigt und gelangte dabei zu dem Ergebnis, daß ein vom Bürgermeister einer Tiroler Gemeinde mündlich erklärter Auftrag wegen der fehlenden Zustimmung des Gemeinderats schwebend unwirksam sei. In Anbetracht dieser Judikatur bedarf es daher keiner neuerlichen Auseinandersetzung mit der Frage der sich aus der Tiroler Gemeindeordnung ergebenden Vertretungsbefugnis des Bürgermeisters.

Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin hat auch die Einführung der Direktwahl des Bürgermeisters keinen Einfluß auf dessen Stellung in der Organisation der Gemeinde. Die von der Revisionswerberin zitierte Änderung der TGO durch die Novelle LGBl 79/1991, mit der die Direktwahl des Bürgermeisters in Tirol eingeführt wurde, wurde mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 1.7.1993, GZ G 75/93, als verfassungswidrig aufgehoben. Durch Art 118 Abs 5 B-VG werde gegenüber allen anderen Gemeindeorganen eine Verantwortlichkeit gegenüber dem Gemeinderat festgelegt. Dieses System werde durch Bestellung des Bürgermeisters unter Ausschaltung des Gemeinderats verletzt. Die Direktwahl entleere den Begriff der Verantwortlichkeit gegenüber dem Gemeinderat weitgehend und schaffe ein duales, auf zwei voneinander unabhängigen Säulen beruhendes Organisationssystem. Mit B-VG-Novelle 1994 (BGBl 504) wurde daraufhin Art 117 B-VG der (neue) Abs 6 eingefügt, wonach zwar der Bürgermeister vom Gemeinderat gewählt werde, in der Landesverfassung jedoch vorgesehen werden könne, daß die Staatsbürger, die zur Wahl des Gemeinderats berechtigt seien, den Bürgermeister wählen. Art 118 Abs 5 B-VG, wonach der Bürgermeister, die Mitglieder des Gemeindevorstands und allenfalls bestellte andere Organe der Gemeinde für die Erfüllung ihrer dem eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde zugehörigen Aufgaben dem Gemeinderat verantwortlich sind, blieb dagegen unberührt. Der der B-VG-Novelle 1994 zugrundeliegende Initiativantrag (1642 BlgNR 18.GP) verweist auf das bereits zitierte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs und führt aus, daß mit der vorgeschlagenen Änderung des B-VG die landesverfassungsgesetzliche Einführung der Direktwahl des Bürgermeisters ermöglicht, im übrigen aber am verfassungsrechtlichen Verhältnis zwischen Bürgermeister und den anderen Organen nichts geändert werden solle. Wenngleich somit die Direktwahl des Bürgermeisters als nicht systemkonform zu beurteilen ist, wurde durch sie die Kompetenzverteilung innerhalb der Gemeinde nicht verändert. Es blieben daher auch die entsprechenden Bestimmungen der TGO, nämlich § 26 über den Wirkungskreis des Gemeinderats und § 41 über die Aufgaben des Bürgermeisters im eigenen Wirkungsbereich unverändert. Auch § 54 TGO über die Vertretung der Gemeinde durch den Bürgermeister verweist in seinem Abs 2 unverändert darauf, daß in Urkunden, mit denen die Gemeinde privatrechtliche Verpflichtungen übernimmt, unter anderem der Beschluß des Gemeinderats anzuführen sei. Eine Änderung des Umfangs der Vertretungsbefugnis des Bürgermeisters ist schon nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes nicht erfolgt. Es liegt daher deshalb keine vom Obersten Gerichtshof zu entscheidende Rechtsfrage von der im § 502 Abs 1 ZPO genannten Bedeutung vor; es kann aber auch unerörtert bleiben, inwieweit die von der Revisionswerberin vermutete Stärkung der rechtlichen Stellung des Bürgermeisters nach der derzeitigen Rechtslage auf die Gültigkeit der im Jahre 1967 oder 1968 abgeschlossenen strittigen Vereinbarung von Einfluß sein könnte.

Überschreitet der Gewalthaber die Grenzen seiner Vollmacht, so ist der Gewaltgeber gemäß § 1016 ABGB nur insofern verbunden, als er das Geschäft genehmigt oder den aus dem Geschäft entstandenen Vorteil sich zuwendet. Nach dieser auch für Gemeinden geltenden Regel (EvBl 1988/128; SZ 64/151) kann das vom Bürgermeister ohne Vertretungsmacht geschlossene Rechtsgeschäft auch nachträglich genehmigt und geheilt werden (vgl SZ 52/50). Voraussetzung einer Genehmigung im Sinne des § 1016 ABGB ist allerdings nach ständiger Rechtsprechung unter anderem, daß dem unwirksam Vertretenen bekannt war, daß der Vertreter in seinem Namen abgeschlossen hat und daß der angeeignete Vorteil aus diesem Geschäft stammt (EvBl 1962/90; MietSlg 20.203; SZ 44/21; JBl 1975, 595; SZ 49/162; JBl 1978, 32; 8 Ob 581/85). Von den Parteien wurde im Berufungsverfahren jedoch außer Streit gestellt, daß der Gemeinderat über die mündliche Dienstbarkeitseinräumung bis zum Prozeßbeginn nicht informiert war (S 24 des angefochtenen Urteils). Damit konnte aber auch eine Genehmigung durch schlüssiges Verhalten oder durch Vorteilszuwendung nicht stattfinden.

Bis zur Sanierung im Sinne des § 1016 ABGB ist das Geschäft schwebend unwirksam. Von der Rechtsprechung wird in derartigen Fällen § 865 letzter Satz ABGB insoweit analog angewendet, als der an die genehmigungsbedürftige Vereinbarung einseitig Gebundene eine angemessene Frist für die Genehmigung setzen kann, nach deren fruchtlosem Ablauf seine Bindung ohne besondere Rücktrittserklärung beendet ist (SZ 31/52, 10.948; 5 Ob 615/79). Die in der zitierten Bestimmung genannte angemessene Frist wird unter sinngemäßer Heranziehung des § 862 ABGB bestimmt, wonach dann, wenn keine ausdrückliche Frist gesetzt wurde, die bei vernünftiger Einschätzung zu erwartende Zeitspanne zugrundezulegen ist (MietSlg 25.073; RdW 1993, 303; Rummel in Rummel ABGB2 § 865 Rz 7). Dem von den Parteien im Berufungsverfahren außer Streit gestellten Sachverhalt ist zu entnehmen, daß der Rechtsvorgänger des Klägers gegenüber dem damaligen Bürgermeister mehrmals die Perfektionierung des Geschäfts, nämlich die Erbringung der vereinbarten Gegenleistung durch kostenlose Wegerrichtung, urgiert hat (S 24 des angefochtenen Urteiles). Des weiteren hat nach den vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen des Erstgerichts auch der Kläger mehrmals mit dem Bürgermeister über die Wegerrichtung gesprochen (S 20 des angefochtenen Urteiles). In diesen Verlangen auf Zuhaltung der getroffenen Vereinbarung ist auch die Forderung auf Herbeiführung der erforderlichen Genehmigung enthalten, weil anders die vom Bürgermeister namens der Beklagten übernommene Verpflichtung zur Wegerrichtung nicht durchsetzbar gewesen wäre. Gemäß § 54 Abs 1 TGO wird die Gemeinde nach außen durch den Bürgermeister vertreten. Die an diesen gerichteten mehrfachen Aufforderungen sind daher als gegenüber der Beklagten abgegeben anzusehen. Damit ist aber zumindest ab der letzten Aufforderung des Klägers, die nach den Feststellungen vom Bürgermeister mit dem Hinweis rundweg abgelehnt wurde, die Quelle läge auf Nachbargrund (S 20 des angefochtenen Urteiles), das Rechtsgeschäft endgültig unwirksam geworden. Daß sich die Beklagte nun im Prozeß bereit erklärte, den vom Kläger getragenen Teil der Wegerrichtungskosten zu ersetzen, kann daher nicht mehr als Genehmigung der ursprünglichen Vereinbarung, sondern lediglich als (nicht angenommenes) Anbot zum Abschluß eines neuen Vertrags angesehen werden.

Da die Vorinstanzen somit sämtliche anstehenden Rechtsfragen richtig gelöst haben und entgegen der Begründung des - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) - Zulässigkeitsausspruchs des Berufungsgerichts zur Vertretungsbefugnis des Bürgermeisters, auch wenn sich diese nach der Tiroler Gemeindeordnung richtet, eine einheitliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliegt, ist die Revision als unzulässig zurückzuweisen, ohne daß es einer über die Darstellung der Zurückweisungsgründe hinausgehenden Begründung bedürfte (§ 510 Abs 3 ZPO).

Der Kläger hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen, weshalb ihm gemäß den §§ 50 und 41 ZPO die verzeichneten Kosten zuzusprechen sind.

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