OGH 10ObS150/97z

OGH10ObS150/97z4.6.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Bauer und Dr.Danzl als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Peter Scheuch (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Helmut Stöcklmayer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Gyula B*****, vertreten durch Dr.Wolfgang Berger ua, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, vertreten durch Dr.Andreas Grundei, Rechtsanwalt in Wien, wegen Pflegegeld, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 19.Februar 1997, GZ 7 Rs 215/96f-40, womit das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 13.März 1996, GZ 11 Cgs 114/94y-36, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, dem Kläger den Hilflosenzuschuß bzw das Pflegegeld im gesetzlichen Ausmaß zu gewähren, abgewiesen wird.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens sämtlicher Instanzen selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 15.6.1921 geborene und in Ungarn lebende Kläger gehört dem in § 500 ASVG umschriebenen begünstigten Personenkreis an. Nach den vom Erstgericht im einzelnen festgestellten Leidenszuständen ist er noch in der Lage, sich allein an- und auszuziehen, benötigt jedoch einige Minuten Fremdhilfe beim Anlegen eines Schnürmieders; er kann allein die Körperpflege durchführen, nicht jedoch allein eine Badewanne besteigen, wobei einmal täglich Duschen oder Baden erforderlich ist. Er kann seine automatische Gasheizung warten, jedoch weder die Wäschereinigung noch eine gründliche Wohnungsreinigung durchführen. Es ist ihm auch nicht möglich, allein auszugehen oder einzukaufen. Der Kläger kann die Toilette alleine aufsuchen und sich auch nachher reinigen. Er kann auch einfache Hausmannskost zubereiten und alleine essen. Zufolge einer Dickdarmblasenfistel nach Operation mit künstlichem Dickdarmausgang und ständigen Harnblasenentzündungen besteht erhöhter Wäschebedarf aus urologischer Sicht.

Mit Bescheid vom 18.3.1994 lehnte die beklagte Partei den Antrag des Klägers vom 12.1.1994 auf Gewährung des Hilflosenzuschusses bzw Pflegegeldes ab.

Mit seiner Klage stellte er das Begehren auf Zuerkennung dieser Leistungen im gesetzlichen Ausmaß.

Das Erstgericht verurteilte die beklagte Partei zur Zahlung des Pflegegeldes der Stufe 2 ab 1.1.1994 sowie zum Kostenersatz. Es beurteilte den einleitend zusammengefaßt wiedergegebenen Sachverhalt rechtlich dahingehend, daß der Kläger einen monatlichen Hilfsbedarf von 34 Stunden aufweise (und zwar 13 Stunden für Wohnungsreinigung, 8 Stunden für Einkaufen und 13 Stunden für Körperreinigung/Baden); bei Zugrundelegung eines Bedienerinnenlohnes von S 80,-- pro Stunde ergebe sich ein Betrag von S 2.720,-- monatlich. Dazu kämen noch weitere S 1.600,-- für den erhöhten Wäschebedarf zufolge seiner chronischen Harnblasenentzündung und S 150,-- für die Reinigung der Vorhänge, sodaß der Kläger aufgrund seines leidensbedingten Zustandes S 4.470,-- pro Monat aufwenden müsse, welcher Betrag weit über dem zuletzt S 3.300,-- betragenden Mindesthilflosenzuschuß liege.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Abweichend vom Erstgericht führte es allerdings im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung aus, daß die Reinigung der Vorhänge abzurechnen sei, weil hier der Bereich der lebensnotwendigen Verrichtungen überschritten werde; auch seien für die Wohnungsreinigung 8 Stunden monatlich ausreichend. Bei 29 Stunden a S 80,-- ergebe sich ein Betrag von (gerundet) S 2.300,-- zuzüglich S 1.000,-- für den erhöhten Wäschereinigungsbedarf im Zusammenhang mit seinen Unterleibsleiden (Verwendung von Einlagen, Windelhosen, Bettwäsche, Putzereikosten für Oberkleidung). Hiedurch würde der Betrag von S 3.300,-- monatlich "gerade erreicht".

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern. Die Revision ist gemäß § 46 Abs 3 ASGG auch ohne Vorliegen der Voraussetzungen des Abs 1 leg cig zulässig und auch berechtigt. Eine Revisionsbeantwortung wurde vom Kläger erstattet.

Die beklagte Partei wendet sich in ihrem Rechtsmittel ausschließlich gegen die Art der Berechnung des Berufungsgerichtes. Der gemäß § 105 a ASVG grundsätzlich im halben Ausmaß der Pension gebührende Hilflosenzuschuß sei 1993 höchstens mit S 3.028,-- zugestanden. Da die gegenständliche Leistung erst ab dem 1.1.1994 verlangt werde, sei der Anpassungsfaktor für 1994 dazuzurechnen, sodaß sich ein Hilflosenzuschuß von mindestens S 3.077,05 bzw höchstens S 3.103,70, unter Berücksichtigung der Sonderzahlungen (14 x jährlich) mindestens S 3.590,-- für 1994 ergebe. Dieser Betrag werde nach den Ausführungen des Berufungsgerichtes deutlich unterschritten.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat in der Grundsatzentscheidung 10 ObS 204/95, veröffentlicht in SSV-NF 9/97 und SZ 68/215, ausgesprochen, daß sich bei Zutreffen der sonstigen - hier nicht strittigen - Leistungsvoraussetzungen nach § 5 a Opferfürsorgegesetz (OFG) iVm § 500 ASVG zwar die materiellen Leistungsvoraussetzungen für das Pflegegeld nicht nach den Bestimmungen des Bundespflegegeldgesetzes (BPGG), sondern nach dem früheren § 105 a ASVG richten; die betraglichen Voraussetzungen, also die Kosten der notwendigen Betreuungsmaßnahmen - zur Beurteilung des Anspruches eines solchen Klägers auf Pflegegeld der Stufe 2 - sind jedoch auf der Grundlage des Betrages des Pflegegeldes der Stufe 2, und nicht (worauf die Ausführungen der Revisionswerberin und auch der Vorinstanzen hinauslaufen) der Höhe des früheren Hilflosenzuschusses zu prüfen. Diese Frage kann nämlich nur anhand der aktuell in Frage kommenden Leistung beurteilt werden. Das Pflegegeld der Stufe 2 betrug im Jahre 1994 - ab welchem Jahr der Antrag gerichtet ist - monatlich S 3.580,-- und gebührt 12 x jährlich (§ 5 Abs 1 BPGG). Da der vom Berufungsgericht gemäß § 273 ZPO beurteilte und zeitlich wie betraglich ermittelte Betreuungsaufwand des Klägers von monatlich S 3.300,-- - wogegen keine Bedenken bestehen, zumal sich der vom Berufungsgericht unterstellte Zeitbedarf auch mit der Lebenserfahrung durchaus in Einklang bringen läßt (vgl SSV-NF 10/8) - unter diesem Betrag des in Frage kommenden Pflegegeldes liegt, ist das Klagebegehren sohin abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen Kostenzuspruch nach Billigkeit liegen nicht vor und werden auch in der Revisionsbeantwortung nicht dargetan.

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