Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin, die zum begünstigten Personenkreis gemäß § 500 ASVG gehört, bezieht von der beklagten Partei seit 1.1.1990 eine Alterspension. Sie kann sich selbständig an- und auskleiden, sich waschen, die Toilette aufsuchen und sich reinigen. Zum Baden und Duschen benötigt sie fremder Hilfe. Sie kann sich komplette Mahlzeiten (Hausmannskost wie Schnitzel und gebratenes Fleisch) selbst zubereiten und einnehmen. Für sämtliche Beschaffungen, auch der Lebensmittel braucht sie jedoch fremde Hilfe, auch die Reinigung der Wohnung und der Wäsche (sowohl der großen wie der kleinen) ist nur mit fremder Hilfe möglich. Die Klägerin kann die vorhandene Gasheizung bedienen und die Wohnung verlassen.
Mit Bescheid vom 31.1.1994 lehnte die beklagte Partei den am 15.7.1993 gestellten Antrag der Klägerin auf Gewährung von Pflegegeld ab, weil die Klägerin nicht hilflos im Sinne des § 105 a ASVG in der bis zum 30.6.1993 geltenden Fassung sei.
Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin das Begehren, die beklagte Partei zur Gewährung des Pflegegeldes zu verpflichten. zufolge gesundheitsbedingter Einschränkungen ihrer Leistungsfähigkeit seien die Voraussetzungen für die begehrte Leistung erfüllt.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Da die Klägerin Begünstigte im Sinne des § 500 ASVG sei, bestehe gemäß § 5 a Opferfürsorgegesetz (OFG) Anspruch auf Pflegeld der Stufe 2, wenn sie hilflos im Sinne des § 105 a ASVG in der bis 30.6.1993 in Kraft gestandenen Fassung sei. Diese Voraussetzung liege jedoch nicht vor. Wenn die Klägerin auch nicht in der Lage sei, einen Ofen mit festen Brennstoffen zu beheizen, den Wohnraum und die Wäsche zu reinigen und Nahrungs- und Bedarfgüter selbst zu besorgen und zum Duschen und Baden fremder Hilfe bedürfe, könne doch nicht davon ausgegangen werden, daß ihre Fähigkeit zur Besorgung der lebensnotwendigen alltäglichen Verrichtungen so weit herabgesunken sei, daß Hilflosigkeit im Sinne der zitierten Gesetzesstelle vorliege.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Anspruch auf Hilflosenzuschuß habe bis zum Inkrafttreten des Bundespflegegeldgesetzes bestanden, wenn der Pensionist ständig der Wartung und Hilfe bedurft habe und der hiefür erforderliche Aufwand mindestens einen Betrag in der Höhe des Hilflosenzuschusses erfordert habe, dem entspreche nunmehr das Pflegegeld der Stufe 2 im Betrag von ca 3.500 S monatlich. Hier stehe fest, daß die Klägerin für alle Beschaffungen, für die Wohnungs- und Wäschereinigung sowie für das Baden und Duschen fremder Hilfe bedürfe. Für die Einschätzung des Hilfsbedarfes sei zwar das Bundespflegegeldgesetz nicht unmittelbar anzuwenden, doch könnten die Regelungen der Einstufungsverordnung zum BPGG zumindest sinngemäß herangezogen werden. Nach dieser gälten als Hilfsverrichtungen die Herbeischaffung von Nahrungsmitteln und Medikamenten, die Reinigung der Wohnung und der persönlichen Gebrauchsgegenstände, die Pflege der Leib- und Bettwäsche. Gehe man von einem nicht zu niedrig angesetzten Zeitwert von jeweils 10 Stunden monatlich aus, ergebe sich für diese Verrichtungen ein Pflegebedarf der Klägerin von 30 Stunden wozu noch ein Zeitaufwand von 4 Stunden für zweimalige Baden (offenbar wöchentlich) komme. Insgesamt ergebe sich daher ein Pflegeaufwand von 34 Stunden, der damit unter den geforderten 50 Stunden monatlich liege. Basierend auf einem Stundensatz von 70 S errechne sich der finanzielle Aufwand der Klägerin für eine Hilfsperson mit 2.380 S und bleibe damit weit hinter dem Hilflosenzuschuß zurück, der für 1993 3.002 S betragen habe.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß ihrem Begehren stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
§ 5 a OFG wurde im Rahmen des Sozialrechtsänderungsgesetzes 1993 (Art IV) geschaffen. Absatz I dieser Bestimmung normiert, daß die Ansprüche von Berechtigten nach diesem Bundesgesetz (OFG) auf Pflegegeld durch das BPGG geregelt werden. Gemäß Abs 2 leg cit haben Personen im Sinne der Z 1 bis 6 des § 3 Abs 1 BPGG, die in der im § 500 ASVG angeführten Zeit und aus den dort angeführten Gründen auswanderten und hilflos im Sinne des § 105 a ASVG in der bis 30.Juni 1993 geltenden Fassung sind, auf Antrag und unter den sonstigen Voraussetzungen des BPGG Anspruch auf eine monatliche Leistung in der jeweiligen Höhe eines Pflegegeldes der Stufe 2, wenn sich ihr gewöhnlicher Aufenthalt aufgrund dieser Auswanderung im Ausland befindet. Die Zuständigkeit zur Entscheidung über diese Ansprüche und das Verfahren richten sich nach dem BPGG. Die Gesetzesmaterialien (AB 968 BlgNR 18. GP, 6) verweisen darauf, daß das Pflegegeld, das frühere pflegebezogene Leistungen ersetzt habe, nur Personen gebühre, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben. Personen, die im Ausland wohnen und denen eine pflegebezogene Leistung (in der Regel ein Hilflosenzuschuß) vor Inkrafttreten des BPGG zuerkannt wurde, würde diese Leistung durch eine Übergangsbestimmung (§ 46 BPGG) gewahrt. Personen, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben und nach dem 30.6.1993 ein Pflegegeld oder einen Hilflosenzuschuß beantragen, seien dagegen von der Zuerkennung ausgeschlossen. Dieser im BPGG normierte und sachlich gerechtfertige Grundsatz bedürfe jedoch für jene Personen einer Ausnahme, die Österreich nicht freiwillig verließen, sondern aufgrund der politischen Verfolgung in den Jahren 1933 bis 1945 erzwungenermaßen auswanderten und aus diesem Grund im Ausland leben. Ihnen solle das Recht auf ein pflegebezogene Leistung, deren Voraussetzung und Höhe der Rechtslage vor dem Inkrafttreten des BPGG entspreche gewahrt bleiben.
Absicht des Gesetzgebers war es daher für den in § 500 ASVG umschriebenen begünstigen Personenkreis (dem die Klägerin unstrittig angehört) die durch das Inkrafttreten des BPGG (durch die Bindung des Anspruches auf Pflegegeld an den Inlandsaufenthalt) ansonst eintretenden Nachteile hintanzuhalten. Durch § 5 a Abs 2 OFG sollte für diese Personen die bis 30.6.1993 geltende Rechtslage im wesentlichen perpetuiert werden. Was die Anspruchsvoraussetzungen betrifft, wurde die Weitergeltung des gemäß Art 1 Z 12 des 2.Teiles BPGG iVm dem 3.Teil 1. Abschnitt Z 1 BPGG mit 30.6.1993 außer Kraft getretenen § 105 a ASVG angeordnet. Dem Begünstigten soll damit das Recht auf eine pflegebezogene Leistung, deren Voraussetzungen und deren Höhe der Rechtslage vor dem Inkrafttreten des BPGG entspricht, gewahrt bleiben (Pfeil, Die Neuregelung der Pflegevorsorge in Österreich 170). Die materiellen Leistungsvoraussetzungen (Umfang der Betreuungsbedürftigkeit) richten sich nicht nach den Bestimmungen des BPGG, sondern nach dem früheren § 105 a ASVG.
Gemäß § 4 Abs 2 BPGG besteht Anspruch auf Pflegegeld in Höhe der Stufe 1 für Personen, deren Pflegebedarf nach § 4 Abs 1 durchschnittlich mehr als 50 Stunden monatlich beträgt. Auf diese Bestimmung nimmt das Berufungsgericht offenbar Bezug, wenn es zur Begründung seiner Entscheidung ua ausführt, daß der Pflegeaufwand der Klägerin unter den geforderten 50 Stunden liege. Eine dem § 4 Abs 2 BPGG vergleichbare Bestimmung war der früheren Rechtslage, von der bei Prüfung des Begehrens der Klägerin auszugehen ist, jedoch fremd. Diesem Kriterium kommt daher für die Entscheidung keine Bedeutung zu (10 Ob S 135/95; 10 Ob S 141/95).
Auch soweit das Berufungsgericht für die Ermittlung des Pflegeaufwandes auf die Werte der Einstufungsverordnung zurückgreift, kann dem nicht beigetreten werden. § 4 Abs 5 BPGG enthält insbesondere auch die Ermächtigung zur Normierung bestimmter zeitlicher Vorgaben im Hinblick auf den für die einzelnen Verrichtungen in Rechnung zu stellenden Aufwand. Diese Pauschalierungsfunktion kommt in der Anordnung von fixen Zeitwerten in § 2 Abs 3 EinstV besonders deutlich zum Ausdruck (idS auch Pfeil aaO 184 f), die dort angeordneten Werte sind ohne Rücksicht auf den im Hinblick auf die besondere Situation im Einzelfall tatsächlich erforderlichen Aufwand heranzuziehen. Die Festsetzung der Pauschalwerte in § 2 Abs 3 EinstV hat ihre ausschließliche Grundlage in der Verordnungsermächtigung des § 4 Abs 5 BPGG. Diese können nur im Zusammenhang mit den Grenzwerten des § 4 Abs 1 BPGG gesehen, für die Frage, ob Hilflosigkeit im Sinne des früheren § 105 a ASVG vorliegt, jedoch nicht herangezogen werden. Dies ergibt sich etwa auch daraus, daß die EinstV bei der Anordnung des § 2 Abs 3 keinen Spielraum offenläßt; ist im Bereich einer der in § 2 Abs 2 EinstV genannten Hilfsverrichtungen ein Bedarf nach fremder Hilfe gegeben, so ist ohne Rücksicht darauf, wie weitgehend dieses Hilfsbedürfnis ist, der in der Verordnung angeordnete fixe Zeitwert zugrundezulegen, wobei der Umstand, daß der Anspruchswerber einzelne einfachere Verrichtungen selbst besorgen kann, außer Betracht zu bleiben hat (SSV-NF 8/61 ua). Für den Anspruch auf Hilflosenzuschuß war hingegen konkret zu prüfen, für welche Verrichtungen der Pensionist fremder Hilfe bedurfte und auf dieser Grundlage der Betreuungsaufwand zu ermitteln. Anspruch auf Hilflosenzuschuß bestand nur, wenn die hiefür aufzuwendenden Kosten den Betrag des Hilflosenzuschusses überschritten (stRsp des erkennenden Senates seit SSV-NF 1/46). Es ist daher nicht zulässig, die Pauschalwerte der EinstV zur Prüfung eines nach dem früheren § 105 a ASVG zu beurteilenden Anspruches heranzuziehen.
Nach den Feststellungen ist die Klägerin nicht in der Lage, Einkäufe durchzuführen, die Wäsche zu waschen und die Wohnung instandzuhalten. In einem vergleichbaren Fall (SSV-NF 3/114) wurde ausgesprochen, daß das Erfordernis fremder Hilfe für die Säuberung der Wohnung, zum Besorgen der Wäschen und zum Einkaufen nicht den Anspruch auf Hilflosenzuschuß begründet. Auch der Umstand, daß die Klägerin zum Baden und Duschen fremder Hilfe bedarf, erhöht den Betreuungsaufwand nicht wesentlich. Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, daß die Klägerin nicht in der Lage wäre, in anderer Weise eine Ganzkörperreinigung allein durchzuführen, so daß sie nicht dem Verkommen ausgesetzt ist, wenn sie nur in größeren Zeitabständen badet oder duscht. Diese Hilfe kann anläßlich anderer Hilfsmaßnahmen, etwa anläßlich des Saubermachens der Wohnung oder bei Gelegenheit der Wäschereinigung geleistet werden und fällt damit zeitmäßig wesentlich ins Gewicht. Insgesamt kann davon ausgegangen werden, daß für die Unterstützung bei den Verrichtungen, die die Klägerin nicht selbst besorgen kann, die Hilfe einer anderen Person im Durchschnitt während einer Stunde täglich ausreicht.
Bei Zutreffen der Leistungsvoraussetzungen hätte die Klägerin Anspruch auf Pflegegeld der Stufe 2. Ob die Kosten der notwendigen Betreuungsmaßnahmen die Höhe der pflegebezogenen Leistung erreichen, ist auf der Grundlage des Betrages des Pflegegeldes der Stufe 2, nicht jedoch (worauf die Ausführungen des Berufungsgerichtes hinzuweisen scheinen) der Höhe des früheren Hilflosenzuschusses zu prüfen, weil diese Frage nur an Hand der aktuell in Frage kommenden Leistung beurteilt werden kann. Das Pflegegeld der Stufe 2 betrug im Jahr 1993 monatlich 3.588 S und gebührt 12 mal jährlich (§ 5 Abs 1 BPGG). Selbst wenn man in Betracht zieht, daß die Kosten für eine Hilfsperson (inkl Sonderzahlungen) 14 mal jährlich anfallen, stehen der Klägerin für jede Zahlung ca 3.075 S zur Verfügung. Selbst wenn man die Kosten für eine Pflegeperson mit 90 S monatlich veranschlagt (der Lohnentwicklung angemessene Anpassung gegenüber SSV-NF 6/121) ergibt sich für den Betreuungsaufwand der Klägerin ein Betrag von monatlich 2.700 S der deutlich unter dem Betrag des in Frage kommenden Pflegegeldes liegt. Sozialversicherungsbeiträge fallen nur in äußerst geringfügigem Umfang an, da der Betrag unter der Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs 2 lit b ASVG idF der V BGBl 1992/854 für das Jahr 1993 3.102 S) liegt und daher nur Beiträge zur Unfallversicherung zu entrichten sind.
Die Vorinstanzen haben daher das Begehren der Klägerin im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe, die einen Kostenzuspruch aus Billigkeit rechtfertigen könnten, wurden weder geltend gemacht noch ergeben sich Anhaltspunkte für solche Gründe aus der Aktenlage.
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