OGH 8ObA33/97d

OGH8ObA33/97d23.5.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Langer und Dr.Rohrer sowie durch die fachkundigen Laienrichter Brigitte Augustin und Alfred Klair als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Waltraud C*****, vertreten durch Dr.Peter Cardona, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Marie-Luise R*****, vertreten durch Dr.Helmut Edenhauser, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen S 129.862,13 brutto sA (Revisionsstreitwert: S 92.143,99 brutto sA), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25.September 1996, GZ 12 Ra 199/96p-13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 18.April 1996, GZ 20 Cga 190/95h-9, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 6.086,40 (darin S 1.014,40 USt) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht hat die Entlassung der Klägerin richtigerweise als berechtigt angesehen, sodaß es gemäß § 48 ASGG genügt, auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Urteiles zu verweisen.

Ergänzend ist anzumerken:

Nach ständiger Rechtsprechung hat der Dienstnehmer, der zwar selbst gekündigt hat, dann aber während der Kündigungsfrist vom Dienstgeber ohne wichtigen Grund entlassen wurde, einen Abfertigungsanspruch (EvBl 1972/160; ArbSlg 9471; JBl 1986, 537; 9 ObA 172/87; 9 ObA 106/94). Die Vorinstanzen haben daher auf Grundlage dieser Rechtsprechung - deren Richtigkeit hier mangels Relevanz nicht zu untersuchen ist - das Vorliegen eines Entlassungsgrundes geprüft. Dieser ist unter anderem gemäß § 82 lit d GewO dann verwirklicht, wenn sich der Arbeiter eines Diebstahls, einer Veruntreuung oder einer sonstigen strafbaren Handlung schuldig macht, welche ihn des Vertrauens des Gewerbeinhabers unwürdig erscheinen läßt. Diese Bestimmung enthält zwei voneinander verschiedene Tatbestände. Bei Diebstahl (§§ 127 ff StGB) und Veruntreuung (§ 133 Abs 1 StGB) bedarf es keiner Prüfung, ob eine Vertrauensunwürdigkeit für den Arbeitgeber eingetreten ist; diese wird vom Gesetz als gegeben angesehen. Nur bei Vorliegen einer anderen strafbaren Handlung muß diese, um eine Entlassung zu rechtfertigen, objektiv geeignet sein, den Verlust des Vertrauens des Arbeitgebers herbeizuführen (ZAS 1993/19; RdW 1994, 287; RdW 1996, 24; RdW 1996, 182). Auch die Entwendung einer Sache geringen Wertes aus dem Besitz des Dienstgebers bildet im Normalfall einen Entlassungsgrund, da ein bewußtes und vorsätzliches Zuwiderhandeln gegen die Interessen des Dienstgebers vorliegt (zuletzt: 9 ObA 77/89; 9 ObA 198/95). Ob das vom Arbeitnehmer begangene Delikt gemäß § 42 StGB strafwürdig ist oder nicht, hat für die Beurteilung dieses Entlassungsgrundes keine Bedeutung (SZ 63/207; 9 ObA 198/95).

Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin ist ihr vom Erstgericht festgestelltes Verhalten tatbildmäßig im Sinne des Vorliegens einer Veruntreuung gemäß § 133 Abs 1 StGB. Durch diesen Tatbestand sind nämlich alle jene Fälle, in denen der Täter - vorerst ohne Zueignungsvorsatz - den Gewahrsam an fremdem Gut zwar mit seinem Zutun, aber einvernehmlich mit dem Berechtigten erlangt, abschließend geregelt (14 Os 87/95). Die Gewahrsame wird "durch Anvertrauen" und nicht wie im Falle der Unterschlagung (§ 134 StGB) "auf andere Weise" erlangt (EvBl 1976/291; 10 Os 155/82). Für die Beurteilung der Tatbildmäßigkeit des Verhaltens der Klägerin ist es ohne Bedeutung, daß sie den Boniermechanismus der Kaffeemaschine irrtümlich außer Betrieb gesetzt hat, weil diese Handlung lediglich im Bereich der Tatvorbereitung liegen kann. Das Einkassieren der nicht bonierten Portionen durch die Klägerin erfolgte grundsätzlich berechtigt im Einvernehmen mit der Beklagten. Dieses der Klägerin anvertraute Gut eignete sie sich im Sinne des § 133 Abs 1 StGB erst in dem Moment zu, als sie die entsprechenden Beträge nach Erkennen der unterbliebenen Bonierung nicht abführte. Der Hinweis in der Revision, es sei von der Klägerin nach der zwischen den Parteien gepflogenen Übung nur ein "Pauschalinkassobetrag" abzuführen, die Klägerin habe darauf vertrauen dürfen, "daß sie sich innerhalb der Toleranzgrenzen bewegte", vermag an dieser Beurteilung nichts zu ändern, weil jedenfalls hinsichtlich des verkauften Kaffees die Abrechnung aufgrund der Bonierung erfolgte und es daher unerheblich ist, ob hinsichtlich anderer Getränke und Speisen ein abweichender Verrechnungsmodus bestand.

In Anbetracht des im Zeitpunkt der Zueignungshandlung bestehenden Schädigungsvorsatzes, welcher sich bei insgesamt sieben Portionen Kaffee jedenfalls nicht auf einen unbedeutenden Betrag bezog, vermag die Klägerin auch ihre behauptete langjährige tadellose Arbeit nicht zu entschuldigen. Auch die Tatsache, daß die Entlassung nur einen Tag vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Selbstkündigung lag und die Klägerin zudem an diesem letzten Tag arbeitsfrei hatte, somit Erbringung weiterer Arbeitsleistungen für die Beklagte nach Ausspruch der Entlassung nicht mehr in Frage kam, spricht nicht gegen die Berechtigung der Entlassung. Die eine Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Entlassung bildende Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung auch nur bis zum nächsten Kündigungstermin bedeutet lediglich, daß sofortige Abhilfe durch Entlassung erforderlich ist. Nicht kommt dadurch hingegen zum Ausdruck, daß die jeweilige Dauer der (noch) zur Verfügung stehenden Kündigungsfrist als Maßstab für die Beurteilung der Unzumutbarkeit heranzuziehen wäre. Entscheidend ist ausschließlich, ob das zur Entlassung Anlaß gebende Verhalten an sich geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung im konkreten Fall zu begründen, nicht jedoch, ob und wie lange noch Arbeitsleistungen zu erbringen wären (EvBl 1976/128; RdW 1986, 279; ArbSlg 10.614; 9 ObA 240/89).

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO.

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