OGH 9ObA6/97s

OGH9ObA6/97s12.2.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Bauer und Dr.Steinbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Friedrich Stefan und Dr.Michaela Windischgrätz als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Franz P*****, Bauarbeiter, ***** vertreten durch Mag.Jochen Buchacher, Rechtsreferent der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Steiermark, Hans-Resel-Gasse 8-10, 8020 Graz, wider die beklagte Partei Asphalt*****gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Reinhard Tögl, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 12.464,03 brutto sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26.September 1996, GZ 7 Ra 203/96v-12, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 17. April 1996, GZ 31 Cga 5/96p-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war vom 13.3. 1995 bis zu seiner Selbstkündigung zum 31.8.1995 bei der beklagten Partei als angelernter Bauarbeiter beschäftigt. Auf sein Arbeitsverhältnis war der Kollektivvertrag für Bauindustrie und Baugewerbe anzuwenden. Dieser enthält in § 12 (Weihnachtsgeld) Z 5 eine Bestimmung, wonach dem Arbeitnehmer der aliquote Teil des nach den vorhergehenden Grundsätzen errechneten Weihnachtsgeldes gebührt, wenn das Arbeitsverhältnis nach mindestens 5monatiger Dauer vom Arbeitnehmer nach dem 1.10. des laufenden Jahres gelöst wird.

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger die Zahlung des ihm vorenthaltenen Weihnachtsgeldes. Die kollektivvertragliche Stichtagsregelung sei unwirksam, weil sie zu einer unzulässigen Einschränkung des Kündigungsrechts des Arbeitnehmers führe.

Die beklagte Partei beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Sonderzahlungen seien eine zusätzliche Entlohnung für Betriebstreue, sodaß der kollektivvertragliche Anspruch auf Weihnachtsgeld erst mit dem kollektivvertraglichen Stichtag entstehe. Da der Kläger das Arbeitsverhältnis vor dem 1.10.1995 gelöst habe, stehe ihm dieser Anspruch nicht zu. Die gegenteilige Judikatur, welche das "Institut der Gesetzesumgehung" insoweit überstrapaziert habe, sei abzulehnen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die kollektivvertragliche Einschränkung des Anspruches auf Weihnachtsgeld beschränke das Kündigungsrecht des Arbeitnehmers in einem Maße, daß ein durchschnittlicher Arbeitnehmer wegen des Entgeltverlustes von einer beabsichtigten Kündigung abgehalten werde.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß die Revision nach § 46 Abs 1 ASGG zulässig sei. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes und führte ergänzend aus, daß Sonderzahlungen nur eine Form aperiodischen Entgelts seien, das wie das laufende Entgelt die Tag für Tag geleistete Arbeit abgelten soll (9 ObA 19/96). Die Judikatur vertrete in zahlreichen Entscheidungen die Rechtsauffassung, daß eine Kollektivvertragsbestimmung, die dem allgemeinen Rechtssatz, daß der Arbeitnehmer in seiner Kündigungsfreiheit nicht stärker als der Arbeitgeber beschränkt werden dürfe, widerspreche, unwirksam sei. Ein gewisser Wertungswiderspruch zum aufgezeigten Entgeltbegriff ergebe sich aber daraus, daß in Fällen verschuldeter Entlassung des Arbeitnehmers für Sonderzahlungen oftmals der Grundsatz der Honorierung der Vertragstreue in den Vordergrund gestellt worden sei. Dieser Grundsatz widerspreche aber der neueren Judikatur.

Gegen dieses Urteil richtet sich die aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Nach nunmehr ständiger und insoweit gefestigter Rechtsprechung darf

die Kündigungsfreiheit des Arbeitnehmers nicht durch

kollektivvertragliche Regelungen eingeschränkt werden, die für den

Fall der Arbeitnehmerkündigung nachteilige Folgen für diesen,

insbesondere den Verlust der durch die Arbeitsleistung bereits

verdienten Sonderzahlungen vorsehen (vgl 9 ObA 275/90 - Blumenbinder

= DRdA 1991/45 [Binder] = SZ 63/199 = WBl 1991, 103 [Grillberger] =

Arb 10.902; 9 ObA 142/92 - Bäckergewerbe = DRdA 1993/12 [Grillberger]

= ZAS 1994/5 [Micheler] = SZ 65/103; 9 ObA 154/92 - Maler = DRdA

1993/19 [Runggaldier] = ZAS 1993/18 [Gruber]; 9 ObA 263/92 -

Bauhilfsgewerbe; 9 ObA 1004/94 - Bewachungsgewerbe = infas 1995 A 44

= Arb 11.183; 8 ObA 2252/96a - Maler, wo auch zu der vom

Berufungsgericht zitierten Entscheidung 8 ObA 240/94 = RdW 1995, 69

[Runggaldier] Stellung genommen wird, ua). Diesselbe Rechtsauffassung vertrat der Oberste Gerichtshof bereits mehrmals zu § 12 Z 5 des hier anzuwendenden Kollektivvertrags für Bauindustrie und Baugewerbe (vgl 8 ObA 2277/96b mwH; 8 ObA 2323/96t).

Soweit die Revisionswerberin ihre bereits vom Berufungsgericht widerlegten Argumente wiederholt, Sonderzahlungen seien kein Entgelt im engeren Sinn, sondern freiwillige Leistungen zur Abgeltung der Betriebstreue, wodurch das Kündigungsrecht der Arbeitnehmer nicht beeinträchtigt werde, ist ihr entgegenzuhalten:

Während die Abfertigung eine besondere, nicht regelmäßig anfallende Entgeltart darstellt, sind Sonderzahlungen eine Form aperiodischen Entgelts, das wie das laufende Entgelt die Tag für Tag geleistete Arbeit abgelten soll (vgl 9 ObA 2132/96 mwH). Eine Zerteilung dieses Entgeltbegriffes an sich in nicht abgrenzbare Begriffe ist abzulehnen (vgl W.Schwarz, Der OGH hat recht! ÖJZ 1995, 201 ff, der für diese Fälle wie Grillberger (DRdA 1993, 120 ff) auch eine erweiterte Anwendung des verallgemeinerungsfähigen Prinzips des § 16 AngG nahelegt). Sind diese Sonderzahlungen aber aufgrund des Kollektivvertrags geschuldetes echtes Entgelt, sind sie keine freiwilligen Leistungen des Arbeitgebers und eine Stichtagsregelung kann nicht mit Bezug auf die "Betriebstreue" zum Wegfall der Leistungen führen (W.Schwarz aaO 205). Da die verbleibenden Regelungen über das Weihnachtsgeld nicht in einem solchen inneren Zusammenhang mit der nichtigen Bestimmung stehen, daß deren Nichtigkeit die Unwirksamkeit auch der übrigen Regelungen nach sich ziehen müßte (vgl Strasser in Floretta/Strasser, KommzArbVG 39; 8 ObA 2277/96b ua), kann keine Rede davon sein, daß die gesamte Weihnachtsgeldregelung des § 12 des Kollektivvertrags unwirksam geworden sei.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 40, 50 Abs 1 ZPO.

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