OGH 9ObA2132/96m

OGH9ObA2132/96m10.7.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Petrag sowie durch die fachkundigen Laienrichter Mag.Erich Deutsch und Dr.Gerhard Dengscherz als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Güler E******, Angestellte, ***** vertreten durch Dr.Georg Grießer und Dr.Roland Gerlach, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei D***** Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Mag.Erhard d' Aron, Wirtschaftskammer Wien, Schwarzenbergplatz 14, 1041 Wien, dieser vertreten durch Dr.Wolfgang Aigner, Rechtsanwalt in Wien, wegen 3.123,34 S brutto sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29.Februar 1996, GZ 7 Ra 171/95-11, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 18.Oktober 1995, GZ 13 Cga 122/95w-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie zu lauten haben:

"Das Klagebegehren, die beklagte Partei ist schuldig, der Klägerin den Betrag von 3.123,34 S brutto samt 4 % Zinsen seit 1.März 1995 zu bezahlen, wird abgewiesen.

Die Klägerin ist schuldig, den pauschalen Aufwandsersatz von 5.100 S für das Verfahren erster Instanz an die Wirtschaftskammer Wien binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen."

Die Klägerin ist weiters schuldig, der beklagten Partei die mit 2.031,36 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 338,56 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war bei der beklagten Partei vom 6.Mai 1991 bis 28. Februar 1995 mit einem Bruttomonatsgehalt von 9.370 S als Angestellte beschäftigt. Das Dienstverhältnis endete durch Dienstgeberkündigung. Die Klägerin befand sich seit 18.Juni 1994 bis zum Ende ihres Dienstverhältnisses im Krankenstand.

Die Klägerin begehrt die Zahlung von 3.123,34 S brutto sA an aliquoten Sonderzahlungen für das Jahr 1995. Dem Kollektivvertrag für die Handelsangestellten sei in den Abschnitten B und C der Gehaltungsordnung eine Kürzung für entgeltfreie Zeiträume bei Berechnung der Sonderzahlungen nicht zu entnehmen. Der aliquote Sonderzahlungsanspruch für 1995 betrage jeweils 1.561,67 S, so daß insgesamt die Klagsforderung offen sei.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt, da als Dienstzeit auch die Krankenstandszeiten zu werten seien.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes und sprach aus, daß die Revision zulässig sei. Es vertrat die Rechtsauffassung, der Kollektivvertrag für die Handelsangestellten mache die Sonderzahlungen - losgelöst vom Vorliegen des Anspruches auf laufendes Entgelt - lediglich vom aufrechten Bestand des Arbeitsverhältnisses abhängig. Weiters verwies das Rekursgericht auf die Änderung des UrlG durch Art III BGBl 1995/832.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinne einer gänzlichen Abweisung des Klagebegehrens abzuändern.

Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und berechtigt.

Es entspricht herrschender Ansicht, daß das allgemeine funktionelle Leistungssynallagma in der Regel auch für die Entgeltpflicht des Arbeitgebers von Bedeutung ist. Die synallagmatische Beziehung zwischen Arbeitsleistung und Entgelt zeigt sich darin, daß ohne Arbeitsleistung in der Regel auch keine Entgeltpflicht besteht (vgl Spielbüchler in Floretta/Spielbüchler/Strasser ArbR3 I 172 mwH; Krejci in Rummel ABGB2 § 1154 b Rz 1; auch Wilhelm in ecolex 1996, 6 ua). Dieser Grundsatz ist zwar vielfach durchbrochen, doch bedürfen die Ausnahmen einer Ausgestaltung durch einen Normgeber oder die Vertragsparteien. Hinsichtlich der Sonderzahlungen ist der allenfalls früher motivierende Zusammenhang mit Urlaub und Weihnachten weitestgehend weggefallen, wie sich aus der Fälligkeit und dem Umstand ergibt, daß der Anspruch keine bestimmte Widmung voraussetzt. Es geht dabei im wesentlichen nur mehr um die Inanspruchnahme der Lohnsteuerbegünstigung gemäß § 67 Abs 1 EStG (8 ObA 289/95 mwH; 9 ObA 19/96). Sonderzahlungen sind demnach eine Form aperiodischen Entgelts, das wie das laufende Entgelt die Tag für Tag geleistete Arbeit abgelten sollen (vgl Martinek/M.Schwarz/W.Schwarz AngG7 449 ff mwH; B.Trost, Anspruch auf Sonderzahlungen in entgeltfreien Zeiten DRdA 1995, 116 ff, 117 mwH; aM Runggaldier, Anspruch auf anteilige Remuneration doch beschränkbar? RdW 1995, 64 ff, 66, der damit auch eine bestimmte Betriebstreue abgegolten haben will).

Im Abschnitt B und C der einen integrierenden Teil des gegenständlichen Kollektivvertrages bildenden Gehaltsordnung findet sich bezüglich der als Weihnachtsremuneration und Urlaubsbeihilfe bezeichneten Sonderzahlungen außer der Begründung des Anspruches lediglich die Einschränkung, daß für das Ein- und Austrittsjahr der aliquote Anspruch gebührt, sowie eine Sonderregelung über die Berechnung dieser Sonderzahlungen für den Fall, daß in ein Kalenderjahr Lehrzeit und Dienstzeit als Angestellter fallen. Hingegen finden sich keine Aliquotierungsbestimmungen für die Zeit des aufrechten Arbeitsverhältnisses, so daß es - wie der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung 9 ObA 2047/96m vom 15.Mai 1996 ausgesprochen hat - bei den gesetzlich ohnehin vorgesehenen Einschränkungen bleibt (siehe Trost aaO 127; vgl auch Schrank, Sonderzahlungen bei entgeltfreien Krankenständen, ecolex 1995, 193 ff [195]). Soweit Trost aber in der Besprechung der Entscheidungen DRdA 1995/31 und 32 in DRdA 1995, 341 ff (342) die Auffassung vertritt, aus einem Kollektivvertrag, der die Aliquotierung im Krankheitsfall nicht ausdrücklich anorde, den ungekürzten Anspruch im Krankheitsfalle aber ebensowenig explizit gewähre, sei ein Vollanspruch auf Sonderzahlungen für den entgeltlosen Krankenstand zu folgern, folgt ihr der erkennende Senat nicht. Daraus, daß gemäß § 125 Abs 3 ASVG die Sonderzahlungen durch einen entsprechenden Zuschlag zum Krankengeld zu berücksichtigen sind, ist zu folgern, daß der Gesetzgeber davon ausgeht, daß für die Dauer des Krankengeldbezuges keine Sonderzahlungen gebühren, da es ansonsten zu einem sachlich problematischen Doppelbezug käme (sie Schrank aaO, 196). Aus dem Fehlen von ausdrücklichen Regelungen über die Aliquotierung oder ungekürzte Weitergewährung von Sonderzahlungen während des entgeltfreien Krankenstandes kann daher nicht erschlossen werden, daß die Kollektivvertragsparteien ungeachtet der grundsätzlichen Abgeltung auch der Sonderzahlungen durch den Krankengeldbezug die Sonderzahlungen für diesen Zeitraum ungekürzt weitergewähren wollten. Dies bedürfte einer klaren Regelung im Kollektivvertrag.

Soweit sich die Revisionsgegnerin auf die Entscheidung WBl 1993, 403 beruft, ist ihr zu erwidern, daß, wie auch Trost (in "Anspruch auf Sonderzahlungen in entgeltfreien Zeiten" DRdA 1995, 116 ff [127]) überzeugend dargelegt hat, aus der Aliquotierung für die Rumpfjahre für die Frage, ob Sonderzahlungen für entgeltfreie Zeiten während des aufrechten Dienstverhältnisses ungekürzt gebühren, nichts zu gewinnen ist (siehe auch Schrank, ecolex 1995, 193 ff [195]). Wie der Oberste Gerichtshof bereits in den Entscheidungen 8 ObA 2019/96m und 9 ObA 2047/96m dargelegt hat, wird die Entscheidung WBl 1993, 403, in der aus der Aliquotierung lediglich für die Rumpfjahre abgeleitet wurde, daß für die Sonderzahlungen nur auf die Dauer des Dienstverhältnisses abgestellt werde und daher auch für die Dauer entgeltfreien Krankenstandes Sonderzahlungen gebührten, nicht mehr aufrechterhalten. Ebensowenig kann die - gleichfalls eine nur die Aliquotierung für das Ein- und Austrittsjahr vorsehende kollektivvertragliche Regelung betreffende - Entscheidung 9 ObA 221/89 (= DRdA 1990, 141) aufrechterhalten werden, ohne daß es einer Auseinandersetzung mit der Frage der analogen Anwendung des § 14 Abs 4 MSchG auf entgeltfreie Krankenstandszeiten bedürfte.

Nach nunmehr schon gefestigter Rechtsprechung besteht daher für die

Zeiten, in denen dem Arbeitgeber gegenüber kein Entgeltanspruch mehr

besteht - etwa im Fall der Ausschöpfung des

Entgeltfortzahlungsanspruches wegen Krankheit (§ 8 Abs 1 AngG; § 2

Abs 1 EFZG) - auch kein Anspruch auf Sonderzahlunngen, sofern nichts

Gegenteiliges vereinbart oder durch Kollektivvertrag angeordnet ist

(9 ObA 38/94 = Arb 11.197 = SZ 67/94 = WBl 1994, 339 = RdW 1994, 405

= DRdA 1995/31 [Trost]; 8 ObA 264-266/94 = SZ 67/108 = RdW 1995, 26 =

ecolex 1994, 705; 8 ObA 279/94 = DRdA 1995/32 [Trost] = JBl 1995, 603

= RdW 1995, 144 = ecolex 1995, 201; 8 ObA 289/95; 9 ObA 19/96; 8 ObA

2019/96m; 9 ObA 2047/96m).

An diesen Grundsätzen hat auch das Sozialrechts-Änderungsgesetz 1995, BGBl 832, nichts geändert, weil darin nur bezüglich des grundsätzlich in natura zu verbrauchenden Urlaubs bestimmt wird, daß er für Zeiten, in denen kein Anspruch auf Entgelt besteht, nicht verkürzt wird und daß bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu einem Zeitpunkt, in dem der Entgeltanspruch nicht zur Gänze fortbesteht, der Urlaubsentschädigung bzw Urlaubsabfindung das ungeschmälerte Entgelt - unter Einschluß der Sonderzahlungen als Teil dieses Entgeltes - zugrundezulegen ist, ohne daß eine Aussage darüber getroffen wird, ob bestimmte Entgeltteile auch für entgeltfreie Perioden gebühren (siehe 9 ObA 19/96; 9 ObA 2047/96m).

Soweit schließlich die Revisionsgegnerin auf die Regelung in Abschnitt C der Gehaltsordnung verweist, wonach ein Angestellter oder Lehrling im Falle der Dienstgeberkündigung nach Erhalt der für das laufende Kalenderjahr gebührenden Urlaubsbeihilfe sich nicht den anteilsmäßig zuviel bezogenen Teil dieser Sonderzahlungen anrechnen lassen muß, ist für ihren Standpunkt nichts zu gewinnen, weil die Urlaubsbeihilfe nicht zu einem Zeitpunkt fällig geworden war, zu dem ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung bestand. Es erübrigt sich daher, zur Frage Stellung zu nehmen, ob in diesem Fall aufgrund dieser Ausnahmsbestimmung eine nachfolgende, in das betreffende Kalenderjahr fallende entgeltfortzahlungsfreie Dienstzeit ebensowenig schadet, wie die Beendigung des Dienstverhältnisses durch Dienstgeberkündigung vor Ablauf des Kalenderjahres.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster Instanz gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO iVm § 58a ASGG, die über die Kosten des Revisionsverfahrens auf die §§ 41, 50 ZPO.

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