OGH 10ObS2424/96k

OGH10ObS2424/96k13.12.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Bauer und Dr.Ehmayr als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Peter Wolf (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Leopold Smrcka (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Karl B*****, Pensionist, ***** vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, vertreten durch Dr.Andreas Grundei, Rechtsanwalt in Wien, wegen Pflegegeld, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26.Juli 1996, GZ 9 Rs 169/96f-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 1. Dezember 1995, GZ 3 Cgs 215/95k-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen, die im Umfang des Zuspruches eines Pflegegeldes in Höhe der Stufe 1 ab 1.3.1995 als unangefochten unberührt bleiben, werden im übrigen, also hinsichtlich des Begehrens eines Pflegegeldes in Höhe der Stufe 2 ab 1.3.1995 und ein solches der Stufe 3 ab 1.7.1995 aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sozialrechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Text

Begründung

Der am 11.2.1950 geborene Kläger war als Hilfsarbeiter berufstätig; er bezieht seit 1.3.1995 die Invaliditätspension.

Mit Bescheid vom 7.6.1995 wies die beklagte Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter den Antrag des Klägers auf Gewährung von Pflegegeld im wesentlichen mit der Begründung ab, daß der Genannte keinen 50 Stunden monatlich überschreitenden Pflegebedarf habe.

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Klage mit dem Begehren, Pflegegeld im gesetzlichen (höchstmöglichen) Ausmaß zu gewähren. Dazu brachte er im wesentlichen vor, daß er auf Grund seiner Sehschwäche nicht mehr in der Lage sei, die lebensnotwendigen Verrichtungen des täglichen Lebens durchzuführen.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens.

Das Erstgericht erkannte die Beklagte schuldig, dem Kläger ab 1.3.1995 Pflegegeld in Höhe der Stufe 1 zu zahlen; ein "allfälliges" Klagemehrbegehren wies es ab. Es stellte fest, daß der Kläger am rechten Auge erblindet und am linken Auge hochgradig kurzsichtig sei; mit Korrektur durch eine Brille (21 Dioptrien) weise dieses Auge nur noch eine Sehschärfe von 0,2 auf. Im Hinblick auf dieses Sehvermögen könne er sich zwar noch selbst reinigen, die Notdurft verrichten, sich an- und auskleiden und seine Mahlzeiten einnehmen, er benötige auch keine Mobilitätshilfe im engeren Sinn. Er sei jedoch nicht mehr in der Lage, sich Mahlzeiten selbst zuzubereiten, Medikamente einzunehmen, diese oder Nahrungsmittel zu besorgen oder die Wohnung und Gebrauchsgegenstände zu reinigen sowie seine Wäsche zu pflegen; er bedürfe auch der Mobilitätshilfe "im weitesten Sinn".

Rechtlich folgerte das Erstgericht, daß der Kläger zwar mehr als 50 Stunden Pflegebedarf habe, daß jedoch keine hochgradige Sehbehinderung vorliege, die ein Pflegegeld in Höhe der Stufe 3 rechtfertigen würde: Eine solche sei erst bei einem Sehvermögen von 0,1 anzunehmen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge und änderte das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß es die Beklagte schuldig erkannte, dem Kläger ab 1.3.1995 Pflegegeld in Höhe der Stufe 2 (S 3.688,-) und ab 1.7.1995 Pflegegeld in Höhe der Stufe 3 (S 5.690,- monatlich) zu zahlen. Nach § 7 Abs 1 der Einstufungsverordnung zum BPGG (EinstV) sei bei hochgradig sehbehinderten Personen von einem durchschnittlichen Pflegebedarf von mehr als 120 Stunden monatlich auszugehen. Wer als hochgradig sehbehindert gelte, sei im § 7 Abs 2 EinstV umschrieben. Der Kläger habe sein Sehvermögen so weit eingebüßt, daß er sich zwar in nicht vertrauter Umgebung allein zurechtfinden könne, jedoch trotz gewöhnlicher Hilfsmittel zu wenig sehe, um den Rest an Sehvermögen wirtschaftlich verwerten zu können. Der ohne nähere Begründung vom Erstgericht herangezogene Grad eines Sehvermögens von 0,1 als Festlegung der hochgradigen Sehbehinderung finde sich in den vom Hauptverband der Sozialversicherungsträger erlassenen Richtlinien für die einheitliche Anwendung des BPGG nach § 31 Abs 5 Z 23 ASVG. In deren 6. Abschnitt "diagnosebezogene Mindesteinstufungen" lege § 21 fest, daß bei Vorliegen eines aktuellen augenärztlichen Befundes im Regelfall eine weitere augenfachärztliche Begutachtung durch einen Vertrauensarzt nicht mehr notwendig sei, wobei folgender augenfachärztlicher Befund der Definition der hochgradigen Sehbehinderung in der EinstV entspreche und die Mindesteinstufung in Stufe 3 anzunehmen sei:

Visus Gesichtsfeld

kleiner kleiner

oder gleich oder gleich

0,05 entspricht 3/60 unauffällig

0,1 6/60 Quadrantenanopsie

0,3 6/20 Heminanopsie

1,0 6/6 röhrenförmige Einengung

Da die Gerichte jedoch grundsätzlich nicht an die vom Hauptverband erlassenen Richtlinien gebunden seien, sei auch die Umschreibung der hochgradigen Sehbehinderung im § 21 dieser Richtlinien für die Gerichte nicht verbindlich. Es sei daher lediglich zu prüfen, ob der Kläger als hochgradig sehbehindert im Sinne des § 7 Abs 2 EinstV gelte. Bei der danach maßgeblichen Frage, ob der Kläger seinen Rest an Sehvermögen wirtschaftlich verwerten könne, sei auf die Frage der Möglichkeit zur Verrichtung jener Tätigkeiten abzustellen, die ansonsten im Rahmen der Betreuung und Hilfe von anderen Personen wahrgenommen werden müßten. Es wäre also als ausreichend anzusehen, wenn festgestellt werde, daß der Pflegebedürftige in seinem Sehvermögen so weit eingeschränkt ist, daß er von den Verrichtungen im Sinne der §§ 1 und 2 EinstV oder wesentlicher Teile davon, für die ein Sehvermögen erforderlich sei, keine mehr selbst leisten könne. Dies könne aber nur für solche Verrichtungen gelten, für die "typischerweise" ein Sehvermögen erforderlich sei, wie etwa das Kochen, Einkaufen, die Reinigung der Wohnung und Wäsche oder die Mobilität im weiteren Sinn. Verrichtungen, wie etwa das An- und Ausziehen, für die "grundsätzlich" ein Sehvermögen nicht "unbedingt" erforderlich sei, könnten in diesem Zusammenhang nicht herangezogen werden. Auf Grund seiner Sehbehinderung seien dem Kläger keine maßgeblichen Verrichtungen oder wesentliche Teilbereiche davon mehr möglich. Es sei daher davon auszugehen, daß er nicht mehr über ein Sehvermögen verfüge, das "wirtschaftlich" verwertet werden könne.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Sie beantragt die Abänderung dahin, daß dem Kläger lediglich Pflegegeld in Höhe der Stufe 1 zuerkannt und das darüber hinausgehende Mehrbegehren abgewiesen werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

Der Kläger beteiligte sich am Revisionsverfahren nicht.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Sinne ihres Aufhebungsantrages berechtigt.

Nach § 4 Abs 5 Stammfassung, nunmehr Abs 3 BPGG ist der Bundesminister für Arbeit und Soziales unter anderem (Z 4) ermächtigt, Mindesteinstufungen für bestimmte Gruppen von behinderten Personen mit einem weitgehend gleichartigen Pflegebedarf vorzunehmen. Dazu ordnet § 7 Abs 1 der Einstufungsverordnung zum BPGG, BGBl 1993/314 (EinstV) an, daß bei hochgradig sehbehinderten, blinden und taubblinden Personen mindestens folgender Pflegebedarf ohne weitere Prüfung nach § 4 BPGG anzunehmen ist: 1. Pflegebedarf von durchschnittlich mehr als 120 Stunden monatlich für Personen, die hochgradig sehbehindert sind; 2. Pflegebedarf von durchschnittlich mehr als 180 Stunden monatlich für Personen, die blind sind; 3. Pflegebedarf von durchschnittlich mehr als 180 Stunden monatlich und ein außergewöhnlicher Pflegeaufwand für Personen, die taubblind sind. Als hochgradig sehbehindert gilt nach § 7 Abs 2 EinstV, wer das Sehvermögen so weit eingebüßt hat, daß er sich zwar in nicht vertrauter Umgebung allein zurechtfinden kann, jedoch trotz der gewöhnlichen Hilfsmittel zu wenig sieht, um den Rest an Sehvermögen wirtschaftlich verwerten zu können. Als blind gilt nach § 7 Abs 3 EinstV, wer nichts oder so wenig sieht, daß er sich in einer ihm nicht ganz vertrauten Umgebung allein nicht zurechtfinden kann. Während also das BPGG und die EinstV grundsätzlich vom Konzept der funktionsbezogenen Beurteilung des Pflegebedarfes ausgehen, das heißt von der individuell erforderlichen Betreuung und Hilfe, so werden für bestimmte Behindertengruppen mit weitgehend gleichartigem Pflegebedarf - insoweit diagnosebezogen - Mindesteinstufungen im Verordnungsweg vorgenommen. Ungeachtet dieser abstrakten Pauschalierung ("ohne weitere Prüfung") hat aber auch bei diesen Pflegebedürftigen die individuelle Situation Berücksichtigung zu finden; sie kann im Einzelfall zur Gewährung einer höheren Leistung führen (Gruber/Pallinger BPGG Rz 59 und 60 zu § 4; Pfeil, Neuregelung der Pflegevorsorge in Österreich, 199; derselbe, BPGG 99).

Zur Umschreibung der hochgradigen Sehbehinderung im § 7 Abs 2 EinstV hat der Senat bereits ausgeführt, daß diese Definition ziemlich unklar und auslegungsbedürftig sei, daß es aber zweifellos keine reine Tatfrage darstelle, ob jemand sein Sehvermögen noch "wirtschaftlich verwerten" könne (10 ObS 188/95). Eine solche nähere Umschreibung des Begriffes der hochgradigen Sehbehinderung wird im § 21 der genannten Richtlinien versucht, deren wesentlicher Inhalt bereits oben wiedergegeben wurde und der auf das sogenannte "Konsensuspapier" zur Vereinheitlichung der ärztlichen Begutachtung nach dem BPGG zurückgeht. Nach § 31 Abs 2 Z 3 ASVG obliegt dem Hauptverband unter anderem die Erstellung von Richtlinien zur Förderung oder Sicherstellung der gesamtwirtschaftlichen Tragfähigkeit, der Zweckmäßigkeit und der Einheitlichkeit der Vollzugspraxis der Sozialversicherungsträger. Solche Richtlinien sind auch für die einheitliche Anwendung des BPGG aufzustellen (§ 31 Abs 5 Z 23 ASVG), sie sind für die im Hauptverband zusammengefaßten Versicherungsträger verbindlich (§ 31 Abs 6 ASVG) und in der Fachzeitschrift "Soziale Sicherheit" zu verlautbaren (§ 31 Abs 8 ASVG). Der Oberste Gerichtshof hat mit ausführlicher Begründung dargelegt, daß die hier maßgeblichen Richtlinien für die einheitliche Anwendung des BPGG zwar im Hinblick auf den einheitlichen Vollzug des BPGG von den davon erfaßten Entscheidungsträgern anzuwenden sind, jedoch keine verbindliche Kraft für die in Sozialrechtssachen berufenen Gerichte beanspruchen können (10 ObS 2349/96f, 10 ObS 2396/96t). Als weiteres Argument für diese Auffassung kann gerade im vorliegenden Fall der Inhalt des § 21 der Richtlinien herangezogen werden: Bei Vorhandensein eines "aktuellen augenärztlichen Befundes" soll danach "im Regelfall" eine weitere augenfachärztliche Begutachtung durch einen "Vertrauensarzt" nicht mehr notwendig sein ..... Diese Bestimmung bezweckt wohl eine Erleichterung des Ermittlungsverfahrens für den Entscheidungsträger, ist aber im Verfahren vor den Sozialgerichten prinzipiell unanwendbar, und zwar nicht bloß deshalb, weil hier eine Begutachtung durch gerichtsärztliche Sachverständige, nicht aber durch Vertrauensärzte zu erfolgen hat. Auch das oben erwähnte "Konsensuspapier" dient nur als Arbeitsunterlage zur Vereinheitlichung der ärztlichen Begutachtung ohne eine Verbindlichkeit für die Gerichte. Insoweit ist daher den Ausführungen des Berufungsgerichtes beizutreten.

Wie bereits dargelegt, unterscheidet § 7 EinstV zwischen hochgradiger Sehbehinderung und Blindheit. Die Bestimmung des § 7 Abs 2 wurde aus dem Versorgungsrecht übernommen (Pfeil BPGG 99) und folgt bei der Definition dieser Behinderung den in den Versorgungsgesetzen enthaltenen Umschreibungen (zB § 19 KOVG 1957, wo in Absatz 3 allerdings der hochgradig Sehbehinderte als praktisch Blinder bezeichnet wird). Insbesondere wird vorausgesetzt, daß der Behinderte zu wenig sieht, um den Rest an Sehvermögen wirtschaftlich verwerten zu können. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs kommt es bei der Beurteilung des Begriffes der wirtschaftlichen Verwertung nicht auf die Verwertungsmöglichkeit des Sehrestes in dem Beruf an, der dem Behinderten nach seinem früheren Beruf oder nach seiner Vorbildung zugemutet werden kann, sondern es ist lediglich von Bedeutung, daß überhaupt eine wirtschaftliche Verwertungsmöglichkeit des Sehrestes vorliegt; diese Beurteilung hat sich auf alle möglichen Berufssparten zu erstrecken (VwGH 29.5.1969, Zahl 1238/68/2, teilweise veröffentlicht Slg 7580 A und ÖJZ 1970, 164/55; vgl auch Gruber/Pallinger aaO Rz 61). Der Oberste Gerichtshof tritt dieser Auslegung bei. Wenn also zu prüfen ist, ob der Pflegebedürftige trotz der gewöhnlichen Hilfsmittel (also etwa Brillen) zu wenig sieht, um den Rest an Sehvermögen wirtschaftlich verwerten zu können, dann kommt es auf die wirtschaftliche Verwertungsmöglichkeit des Sehrestes in allen möglichen Berufsspartenan. Nicht zu folgen vermag der Senat der Auffassung des Berufungsgerichtes, die wirtschaftliche Verwertbarkeit des Restes an Sehvermögen sei anhand der einzelnen in den §§ 1 und 2 EinstV umschriebenen Betreuungs- und Hilfsverrichtungen zu messen. Einerseits würde dies auf eine vom Verordnungsgeber nicht gemeinte bloß "hauswirtschaftliche" Verwertung des Sehvermögens hinauslaufen, andererseits geriete dies in Widerspruch zu § 7 Abs 1 EinstV, wonach ein Mindestpflegebedarf "ohne weitere Prüfung" anzunehmen ist: Die Auslegung des Berufungsgerichtes würde doch wieder dazu führen, die einzelnen Verrichtungen im Rahmen der Betreuung und Hilfe in Beziehung auf den Rest des Sehvermögens zu untersuchen. Dieses Ergebnis entspricht im wesentlichen auch der in der Bundesrepublik Deutschland vertretenen Auffassung. Nach der auf eine WHO-Klassifikation zurückgehenden Klassifizierung der Sehminderung in verschiedene Gruppen wird etwa zur Gruppe III; Visus 0,3 bis 0,125 folgendes ausgeführt: "Diese beträchtlich Sehbehinderten sind nur noch in ausgewählten Berufen und teilweise an Arbeitsplätzen mit besonderen Einrichtungen einsetzbar. Sich stets wiederholende Arbeitsverrichtungen (Kontrolle von gröberen Werkstücken auf Vollständigkeit, Teilebearbeitung, Montage, Endarbeiten etc.) können vollschichtig gut ausgeführt werden. Ebenso empfiehlt sich eine Arbeit an Bildschirmgeräten - mit ggf besonderer Maskeneinstellung - zum Zwecke der Datenerfassung oder Abfrage. Viele Büro- und kaufmännische Arbeiten können (ggf mit besonderen Sehhilfen) ausreichend gut wahrgenommen werden ........... " (Burggraf, Krankheiten des Auges, in: Sozialmedizinische Begutachtung der gesetzlichen Rentenversicherung5 1995, 519 ff, 524). Die zentrale Sehschärfe ist der Hauptparameter für das Gesamtsehvermögen. Die Gebrauchsfunktion des Auges wird als um die Hälfte gemindert eingestuft, wenn nur noch Visus-Werte um 0,2 erreicht werden (Burggraf aaO 521). Aus der Sicht der paarigen Augenfunktion ergibt sich, daß die praktische Leistungsbeurteilung beider Augen zueinander nicht im Verhältnis 1 : 1, sondern etwa 1 : 2 angesetzt wird (Burggraf aaO 522). Wesentliche Kriterien über Art und Ausmaß bestehender Funktionsbeeinträchtigungen werden aber auch mit der Gesichtsfeldbestimmung gewonnen. So führen etwa konzentrische Einengungen der Gesichtsfelder zum Verlust der Umfeldwahrnehmung im Sinne eines Fernrohreffektes (Burggraf aaO 525).

Im vorliegenden Fall wurde zwar der Visus des Klägers auf dem noch sehfähigen Auge mit 0,2 festgestellt, doch finden sich keine Feststellungen über eine allfällige Einengung des Gesichtsfeldes. Von Bedeutung ist aber vor allem, daß nicht festgestellt wurde, in welchem Ausmaß und in welchem Umfang der Kläger trotz seines eingeschränkten Sehvermögens auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Tätigkeiten verrichten und dadurch den Rest seines Sehvermögens wirtschaftlich verwerten könnte. Erst wenn feststeht, welche Arbeiten der Kläger noch verrichten kann, ist die wirtschaftliche Verwertbarkeit des Restes an Sehvermögen zu beurteilen. Sogenannte "Blindenberufe" (wie etwa Telefonist) haben dabei selbstverständlich außer Betracht zu bleiben.

Da die Vorinstanzen zu den maßgeblichen Umständen keine Feststellungen getroffen haben, erweist sich die Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen im angefochtenen Umfang und die Zurückverweisung der Sache an das Erstgericht als notwendig.

Kosten des Rechtsmittelverfahrens wurden nicht verzeichnet.

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