OGH 3Ob2307/96b

OGH3Ob2307/96b20.11.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Graf, Dr.Pimmer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Anna T*****, vertreten durch Dr.Arno Kempf, Rechtsanwalt in Spittal/Drau, wider die verpflichtete Partei Manfred T*****, vertreten durch Dr.Franz P.Oberlercher, Rechtsanwalt in Spittal/Drau, wegen S 188.388,- sA infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der verpflichteten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgerichtes vom 31.Juli 1996, GZ 3 R 236/96g-10, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Spittal/Drau vom 1.Juli 1996, GZ 7 E 741/96t-6, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wieder hergestellt wird.

Die betreibende Partei ist schuldig, der verpflichteten Partei die mit S 9.900,- (darin S 1.650 Umsatzsteuer) bestimmten Revisionsrekurskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Aus dem Akt 2 C 85/95b des Erstgerichtes ergibt sich, daß die Klägerin (hier betreibende Partei) mit Klage vom 9.6.1995 die Scheidung der Ehe der Streitteile aus dem Alleinverschulden des Beklagten (hier der verpflichteten Partei) gemäß § 49 EheG sowie dessen Verurteilung zur Zahlung des monatlichen Unterhaltsbetrages von S 5.233,- ab 1.6.1995 begehrte. Sie brachte vor, der an der Zerrüttung der Ehe allein schuldige Beklagte erziele aus zwei Einkunftsquellen monatlich durchschnittlich S 28.333,-, sie verdiene fallweise als Altenbetreuerin monatlich rund S 2.000,-, so daß der Beklagte verpflichtet wäre, ihr monatlichen Unterhalt von S 10.000,-

zu zahlen. Der Beklagte habe mit Schreiben vom 1.6.1995 seine monatliche Unterhaltsverpflichtung ab Juni 1995 mit S 4.733,-

anerkannt. Vorbehaltlich der späteren Ausdehnung nach Vorliegen der Lohnauskünfte werde vorerst nur ein weiterer Betrag von monatlich S 500,-, insgesamt daher ein Unterhalt von S 5.233,- geltend gemacht. In der mündlichen Streitverhandlung vor dem Erstgericht vom 28.6.1995 anerkannte der Beklagte sein Alleinverschulden an der Zerrüttung der Ehe und nach Darlegung seiner Erwägungen für das außergerichtliche Anerkenntnis eines monatliches Unterhaltsanspruches von S 4.733,-

nunmehr einen solchen von monatlich S 5.233,-, wobei unter Berücksichtigung der "Überlassung eines aus der gemeinsamen Tätigkeit der Streitteile für die *****zeitung resultierenden Betrages von S 6.000,- an die Klägerin an Zahlungsstatt" der anerkannte Unterhaltsbetrag für Juni 1995 vollständig und für Juli 1995 mit S 767,- teilweise entrichtet sei. Über Antrag der Klägerin verkündete das Erstgericht das Anerkenntnisurteil (mit der Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung eines Unterhaltsbetrages von S 4.466,- für Juli 1995 und S 5.233,- ab August 1995). Sodann bestritt die Klägerin in der gleichen Tagsatzung das zum Unterhaltsbegehren über das Anerkenntnis hinaus erstattete Bestreitungsvorbringen des Beklagten und dehnte ihr Unterhaltsbegehren um weitere S 1.600,- monatlich ab 1.6.1995 aus. Nach weiterem Vorbringen zur Unterhaltssache anerkannte der Beklagte weiters bereits ab Juli 1995 einen Gesamtunterhaltsbetrag von monatlich S 5.233,-, worüber ein entsprechendes weiteres Teilanerkenntnisurteil erging. Nach weiterem übereinstimmendem Vorbringen beider Parteien zur Scheidungssache verkündete der Erstrichter das Teilurteil auf Scheidung der Ehe aus dem Alleinverschulden des Beklagten unter Kostenvorbehalt. Das Scheidungsurteil wurde den Streitteilen am 19./20.9.1995 zugestellt. Eine Anmeldung einer Berufung nach § 461 Abs 2 ZPO war nicht erfolgt. In der weiteren Verhandlungstagsatzung vom 19.1.1996 vereinbarten die Parteien über das verbliebene Unterhaltsbegehren Ruhen des Verfahrens. Über Antrag der Klägerin wurde das Verfahren fortgesetzt und in der Verhandlung vom 22.5.1996 vor dem Erstgericht das Klagebegehren auf Kosten eingeschränkt. Sodann erging ein Kostenurteil des Erstgerichtes vom 1.7.1996. In dieser Entscheidung ging das Erstgericht davon aus, daß das seinerzeit ausgedehnte Unterhaltsbegehren einen Ehegattenunterhalt bei aufrechter Ehe darstelle, der über die Rechtskraft der Scheidung nicht mehr gebühre.

Auf Grund des erstgenannten Anerkenntnisurteiles des Erstgerichtes vom 28.6.1995 beantragte die betreibende Partei beim Erstgericht am 23.2.1996 zur Hereinbringung eines Unterhaltsrückstandes von S 557,-

sowie des laufenden Unterhaltes von S 5.233,- ab März 1996 Fahrnis- und Gehaltsexekution. Das Erstgericht bewilligte die beantragte Exekution.

Der Verpflichtete brachte am 21.6.1996 beim Erstgericht eine Oppositionsklage mit dem Begehren ein, der betriebene Anspruch sei mangels eines nach Rechtskraft der Scheidung wirksamen Unterhaltstitels gänzlich, hilfsweise wegen eines von der Beklagten (betreibenden Partei) bezogenen Eigeneinkommens von monatlich S 3.500,- hinsichtlich eines den monatlichen Betrag von S 4.681,-

übersteigenden Betrages erloschen. Mit dieser Klage verband er einen Antrag auf Aufschiebung der zur Hereinbringung des laufenden Unterhaltes bewilligten Gehaltsexekution.

Das Erstgericht schob die Gehaltsexekution bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Oppositionsklage gemäß § 42 Abs 1 Z 5 EO auf, weil das vor der Ehescheidung erflossene Urteil über den Unterhaltsanspruch der Frau gemäß § 94 ABGB (der vorliegende Exekutionstitel) nicht über die Scheidung hinauswirke und der Frau nach der Rechtskraft der Scheidung nur ein Anspruch nach § 66 EheG zustehe. Der Unterhaltsanspruch auf Grund des Urteils vom 28.6.1995 sei mit der Rechtskraft des Scheidungsurteils erloschen. Dies rechtfertige die Aufschiebung der Exekution.

Das Gericht zweiter Instanz wies infolge Rekurses der betreibenden Partei den Aufschiebungsantrag ab und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig.

Der Rechtsansicht des Erstgerichtes sei zwar grundsätzlich beizupflichten. Da der Verpflichtete im Titelverfahren in der Tagsatzung vom 28.6.1995 nach Anerkennung seines Alleinverschuldens an der Zerrüttung der Ehe das Unterhaltsbegehren auch für einen nach der - in der gleichen Tagsatzung erfolgten - Scheidung der Ehe liegenden Zeitraum ab August 1995 anerkannt habe, könnte der dem Anerkenntnisurteil (Exekutionstitel) zugrundeliegende Unterhaltsanspruch nicht nur ein solcher nach § 94 ABGB, sondern im Sinne der Entscheidung 3 Ob 14/89 auch der nach der Scheidung der Frau zustehende Unterhaltsanspruch nach § 66 EheG sein. Dies sei hier aber nicht zu erörtern, weil nach ständiger Rechtsprechung eine Aufschiebung der Exekution zur Hereinbringung laufenden Unterhaltes nur dann zulässig sei, wenn der notwendige Unterhalt des Berechtigten dadurch nicht gefährdet wäre, sohin vom Betreibenden (wohl gemeint Verpflichteten) behauptet und bescheinigt werde, daß der Unterhalt der betreibenden Partei anderweitig sichergestellt sei. Eine solche Behauptung habe der Verpflichtete nicht aufgestellt. Auf "freiwillige" Leistungen des Verpflichteten könne diese Sicherstellung nicht gegründet werden.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen die zweitinstanzliche Entscheidung erhobene außerordentliche Revisionsrekurs der verpflichteten Partei ist zulässig, weil zur vorliegenden Fallkonstellation keine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vorliegt; er ist auch berechtigt.

Nach ständiger Rechtsprechung wird ein während der Ehe gefälltes, nur den ehelichen Unterhalt festsetzendes gerichtliches Urteil durch eine Scheidung unwirksam, es sei denn, es läge ein Fall des § 55 EheG mit Ausspruch nach § 61 Abs 3 EheG vor (SSV-NF 4/51; SSV-NF 3/83; EvBl 1987/18; SZ 55/74 uva; Zankl in Schwimann, Rz 5 zu § 66 EheG; Pichler in Rummel2 Rz 10 zu § 94 ABGB und Rz 4 zu § 66 EheG). Dem Erlöschen des Titels könnte die Beklagte auch nicht wirksam entgegensetzen, derselbe Betrag gebühre ihr auf Grund des Gesetzes (SZ 67/221).

Während der Unterhaltsanspruch bei aufrechter Ehe sich grundsätzlich nach der verbindlichen autonomen Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft richtet (Pichler aaO Rz 2 zu § 94 ABGB), sodaß der einvernehmlich gestaltete Lebenszuschnitt und der Stil der Lebensführung für die Angemessenheit des zu gewährenden Unterhalts maßgeblich sind (1 Ob 529, 530/92; Schwimann in Schwimann, Rz 12 zu § 94 ABGB; vgl SSV-NF 6/42), erweist sich der gesetzliche Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten nach § 66 EheG nicht als Modifikation des ehelichen Unterhaltes, sondern als bloße Nachwirkung früherer ehelicher Bestandspflicht (Zankl aaO Rz 1 zu § 66 EheG mwN). Dem schuldlos oder minder schuldig geschiedenen Ehegatten steht nach § 66 EheG ein Unterhaltsanspruch nur zu, wenn etwa von ihm die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nicht verlangt werden kann, dh. er ist im Umfang der Zumutbarkeit zur Erwerbstätigkeit verpflichtet; dieses - wenn auch nur fiktive - Einkommen ist nicht nur angemessen, sondern in vollem Umfang zu berücksichtigen (EvBl 1992/27).

Unter diesen Gesichtspunkten ist der von der betreibenden Partei verwendete Exekutionstitel, das Anerkenntnisurteil vom 28.6.1995, nach objektiver Auslegung des vor seiner Verkündung von den seinerzeitigen Prozeßparteien erstatteten Vorbringens als ein Unterhaltstitel gemäß § 94 ABGB zu beurteilen und im Sinne der zutreffenden Auffassung des Erstrichters (wie im Grunde auch des Gerichtes zweiter Instanz) jedenfalls mit der Wirksamkeit der Scheidung außer Kraft getreten.

Die 46-jährige hier Beklagte hat nämlich im Scheidungsverfahren zwar vorgebracht, als Altenbetreuerin teilzeitbeschäftigt zu sein und monatlich S 2.000,- ins Verdienen zu bringen. In der Verhandlung vom 28.6.1995 stellte sie ein schließlich als unzulässig zurückgewiesenes weiteres Begehren, in dem sie davon ausging, gemeinsam mit ihrem Gatten Zeitungen ausgetragen und durch den Wegzug ihres Gatten dadurch einen monatlichen Ausfall von S 5.000,- erlitten zu haben.

Da zu den Anspruchsvoraussetzungen des § 66 EheG auch die Unzumutbarkeit einer eigenen Beschäftigung gehört, die Beklagte dazu aber ungeachtet ihrer schon bei aufrechter Ehe erfolgten eigenen Erwerbstätigkeit nichts vorbrachte, kann daraus nur der Schluß gezogen werden, daß die Beklagte - anders als im Fall 4 Ob 509 - 511/92 die Auslegung nach objektiven Gesichtspunkten ergab - nur Ehegattenunterhalt begehrte und auch zugesprochen erhielt.

Auf Grund der Aktenlage hätte der Kläger ohne Verletzung des Neuerungsverbotes das gleiche Rechtsschutzziel statt mit einer Oppositionsklage mit Rekurs gegen die Exekutionsbewilligung erreicht. Dies führt aber nicht wie Sprung, Konkurrenz von Rechtsbehelfen im zivilrechtlichen Verfahren 101, FN 88 f, dazu, daß die Oppositionsklage aus dem Mangel des Rechtsschutzbedürfnisses keinen Erfolg haben könne. Der erkennende Senat hat in seiner Entscheidung vom 20.10.1993, 3 Ob 75/92 = MietSlg 45.766/25 mit ausführlicher Begründung diese Lehre abgelehnt und klargestellt, wenn der Verpflichtete die Wahl zwischen dem Rekurs gegen die Exekutionsbewilligung und einer Oppositionsklage hat, die Nichterhebung des Rekurses nicht den Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses für eine Klage nach § 35 EO nach sich zieht; dies könne nur Kostenfolgen haben.

Nach § 44 Abs 2 Z 1 EO ist die Aufschiebung der Exekution von einer entsprechenden Sicherheitsleistung abhängig zu machen, wenn die Tatsachen, auf die sich die Einwendungen gegen den Anspruch nach § 35 EO stützen, nicht durch unbedenkliche Urkunden dargetan sind. Gerichtsakten sind solche unbedenkliche Urkunden (RZ 1936, 98; Feil EO4 Rz 11 zu § 44).

Aus dem Titelakt ergibt sich nun, daß dort Unterhalt für die Zeit nach der Scheidung weder begehrt noch zuerkannt wurde. Das Rekursgericht stellt zwar zutreffend die Rechtsprechung dar, daß grundsätzlich die Aufschiebung der Exekution zur Hereinbringung laufenden Unterhaltes nur dann zulässig sei, wenn der notwendige Unterhalt des Berechtigten nicht gefährdet, wenn also bescheinigt wird, daß der Unterhalt anderweitig sichergestellt ist (Rechberger/Simotta, Exekutionsverfahren2 Rz 273 mwN). In dieser Allgemeinheit wird aber übersehen, daß die Frage, ob eine Aufschiebung überhaupt erfolgen und ob sie von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden soll, nur nach Abwägung der Aufschiebungs- und des Fortsetzungsinteresses beantwortet werden kann, wobei sich, wie sich aus der Bestimmung des § 44 Abs 3 EO ergibt, den Erfolgsaussichten besondere Bedeutung zukommt (Rechberger/Simotta aaO). Auf Grund der Aktenlage liegt für die Zeit nach der Scheidung ein vollstreckbarer Unterhaltstitel nicht vor. Das muß aber bei der vorzunehmenden Abwägung den Ausschlag geben, erscheint es doch zweifelhaft, ob titellos bezahlte Beträge hereinbringbar sind. Da die betreibende Partei, würde ihr der nach § 66 EheG zustehende Unterhalt vom Verpflichteten verweigert werden, nach § 382 Z 8 lit a EO auf schnellem Weg zur Bestimmung eines an sie zu leistenden einstweiligen Unterhalts käme, kommt einer drohenden Gefährdung der Befriedigung allfälliger Unterhaltsansprüche im Sinn des § 44 Abs 2 Z 3 EO kein entscheidendes Gewicht mehr zu.

Die Entscheidung des Erstrichters ist daher wieder herzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 41 ZPO, 78 EO.

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