OGH 4Ob538/82

OGH4Ob538/8218.5.1982

SZ 55/74

Normen

EO §81 Z4
Deutsch-österreichischer Vollstreckungsvertrag Art2 Z1
ZPO §411
EO §81 Z4
Deutsch-österreichischer Vollstreckungsvertrag Art2 Z1
ZPO §411

 

Spruch:

Ist die Entscheidung eines ausländischen Gerichtes in Österreich anzuerkennen, dann ist sie in ihren prozeßrechtlichen Auswirkungen so zu beurteilen, als ob sie durch ein inländisches Gericht gefällt worden wäre

Es begrundet keinen Verstoß gegen den ordre public, wenn ein ausländisches Recht die Frage, ob ein während aufrechter Ehe geschaffener Unterhaltsexekutionstitel über die Scheidung der Ehe hinaus wirkt, anders löst als das österreichische Recht

OGH 18. Mai 1982, 4 Ob 538/82 (LGZ Wien 43 R 2117/81; BG Döbling 3 C 6/81)

Text

Die Streitteile sind österreichische Staatsbürger. Mit Vergleich vor dem Landgericht Berlin vom 15. 11. 1960 verpflichtete sich der Kläger, an die Beklagte, mit der er damals noch in aufrechter Ehe lebte, über die mit einstweiliger Anordnung des Landgerichtes Berlin vom 14. 7. 1960 zugesprochene Unterhaltsrente von 500 DM hinaus vom 1. 7. 1960 an eine weitere monatliche Unterhaltsrente von 100 DM zu bezahlen. Mit Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 6. 10. 1967 wurde die Ehe der Streitteile auf Grund der von der nunmehrigen Beklagten eingebrachten Scheidungsklage gemäß § 55 EheG ohne Ausspruch eines Verschuldens geschieden. Anläßlich des Scheidungsverfahrens verpflichtete sich der Kläger außergerichtlich, der Beklagten, beginnend ab 1. 11. 1967, einen monatlichen Unterhalt von 4500 S wertgesichert zu bezahlen. Die Beklagte stimmte dem Ersuchen des Klägers, diese Unterhaltsvereinbarung aus steuerlichen Gründen vor einem deutschen Gericht protokollieren zu lassen, zu. Die vor dem Amtsgericht München im Februar 1968 erfolgte Protokollierung wurde jedoch nicht rechtswirksam, weil der Kläger den bedingt abgeschlossenen Vergleich widerrief. Die Beklagte brachte gegen den Kläger beim Amtsgericht München eine Klage auf Unterhaltszahlung ein, mit der sie zuletzt - neben der Berichtigung von Unterhaltsrückständen - Zahlung von 5500 S monatlich begehrte. Der Kläger wendete ua. ein, daß der Klage das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis fehle, weil seine geschiedene Ehegattin bereits einen Titel für ihre Unterhaltsansprüche habe. In der Verhandlung von 28. 11. 1974 erklärte der Vertreter der nunmehrigen Beklagten (damals Klägerin), "daß die Klägerin auf die Rechte aus dem Urteil vom 15. 11. 1960 vor dem Landgericht Berlin im Hinblick auf die außergerichtliche Vereinbarung, getroffen im Ehescheidungsverfahren vor dem Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien, verzichte." Mit Urteil vom 8. 4. 1976 wies das Amtsgericht München das Klagebegehren mit der Begründung ab, daß der Klägerin (nunmehr Beklagten) das Rechtsschutzbedürfnis fehle, weil sie nach wie vor aus dem Unterhaltsvergleich vom 15. 11. 1960 vollstrecken könne. Auf die Rechte aus diesem Vergleich habe sie auch nicht wirksam verzichtet, da die Erklärung nur im Hinblick auf die bindende Wirkung des außergerichtlichen Vergleiches abgegeben worden sei und der Beklagte dem Verzicht widersprochen habe. Soweit der Klagsanspruch den vollstreckbaren Anspruch von 600 DM übersteige, sei das Begehren mangels einer Verbesserung des Einkommens des geschiedenen Ehemannes als unbegrundet abzuweisen.

Gestützt auf diesen Sachverhalt, insbesondere auf die Verzichtserklärung der Beklagten, begehrt der Kläger die Feststellung, daß der Anspruch der Beklagten auf Geltendmachung von Ansprüchen aus dem vor dem Landgericht Berlin am 15. 11. 1960 abgeschlossenen Vergleich erloschen sei. Infolge Scheidung der Ehe sei der während ihres aufrechten Bestandes abgeschlossene Vergleich unwirksam geworden. Der Beklagten stehe gemäß § 69 Abs. 2 EheG (jetzt § 69 Abs. 3 EheG) kein Unterhaltsanspruch zu, weil sie selbst die Scheidung verlangt habe. Der Kläger habe ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung, weil die Beklagte nach wie vor den Standpunkt vertrete, aus dem Exekutionstitel vom 15. 11. 1960 zur Exekutionsführung gegen den Kläger berechtigt zu sein.

Die Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Sie habe sich nur unter der Voraussetzung, daß ihr dadurch keine Kosten entstunden, mit der Protokollierung des anläßlich der Scheidung geschlossenen außergerichtlichen Unterhaltsvergleiches vor einem deutschen Gericht bereit erklärt.

Gleichzeitig sei vereinbart worden, daß die Beklagte im Falle der Säumigkeit des Klägers weiterhin aus dem Vergleich vom 15. 11. 1960 zu vollstrecken berechtigt sein sollte. Auf die Rechte aus diesem Vergleich habe sie für den Fall der Schaffung eines Exekutionstitels auf Grund der außergerichtlichen Vereinbarung verzichtet. Daß sie nach wie vor berechtigt sei, aus dem Vergleich vom 15. 11. 1960 zu vollstrecken, ergebe sich nicht nur aus der Entscheidung des Amtsgerichtes München, sondern auch aus der von einem Obergericht bestätigten Entscheidung des Amtsgerichtes Charlottenburg über die Erteilung einer weiteren Ausfertigung des Exekutionstitels an die Beklagte.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Der am 15. 11. 1960 zwischen den Streitteilen abgeschlossene Unterhaltsvergleich sei gemäß § 7 der 4. DVzEheG bzw. § 18 Abs. 1 Z 1 IPRG nach österreichischem Recht als dem letzten gemeinsamen Personenstatut der Ehegatten zu beurteilen. Im Gegensatz zur deutschen Rechtsprechung vertrete die österreichische den Standpunkt, daß ein Urteil, mit welchem dem Ehemann die Bezahlung des Unterhaltes an seine Gattin aufgetragen werde, ebenso wie ein während der Ehe geschlossener Vergleich mit der Scheidung der Ehe unwirksam werde, es sei denn, daß im Vergleich dessen Fortgeltung nach der Ehe ausdrücklich vereinbart worden wäre. Da Unterhaltsansprüche während und nach der Ehe in verschiedenen Bestimmungen ihre Rechtsgrundlage hätten, sei der Anspruch aus dem Urteil oder dem Vergleich über den Unterhaltsanspruch aus § 94 ABGB erloschen. Ein derartiger Titel könne nicht mehr für Ansprüche, die auf §§ 66 ff. EheG gestützt würden, als Exekutionstitel verwendet werden. Unterhaltsansprüche nach § 94 ABGB entstunden mit dem Abschluß der Ehe und endeten mit deren Auflösung. Der Alimentationsanspruch nach § 69 Abs. 3 EheG beruhe auf der Scheidung und sei in seinem Bestande von Billigkeitserwägungen abhängig. Der Unterhaltsvergleich aus dem Jahre 1960 habe daher infolge geänderter Verhältnisse seine Gültigkeit verloren.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und änderte das angefochtene Urteil iS der Abweisung des Klagebegehrens ab.

Das Berufungsgericht war der Ansicht, daß das Urteil des Amtsgerichtes München vom 8. 4. 1976 gemäß Art. 1 des Vertrages vom 6. 6. 1959 zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen, Vergleichen und öffentlichen Urkunden in Zivil- und Handelssachen, BGBl. 105/1960, in seiner formellen und materiellen Rechtskraftwirkung genauso wie ein inländisches Urteil anzuerkennen sei. Österreichische Gerichte seien daher an dieses Urteil insoweit gebunden, als darin festgehalten werde, daß der Vergleich der Streitteile vom 15. 11. 1960 noch immer wirksam sei, während der außergerichtliche Vergleich aus dem Jahre 1987 unwirksam sei. Es würde sonst zu dem unbefriedigenden Ergebnis kommen, daß der Kläger der Beklagten vor dem Amtsgericht München mit Erfolg habe einwenden können, daß ihr Unterhaltsanspruch noch immer auf dem rechtswirksamen Vergleich aus dem Jahre 1960 beruhe und er andererseits vor dem österreichischen Gericht mit Erfolg die Feststellung begehren könne, die Unterhaltsansprüche der Beklagten aus dem Vergleich vom Jahre 1960 seien infolge Scheidung der Ehe erloschen. Die Bindungswirkung der materiellen Rechtskraft eines Urteils ergreife auch die Feststellung und Entscheidung des mit dieser Rechtsfeststellung unvereinbaren genauen Gegenteils. Die Feststellung "des unvereinbaren Gegenteils" sei dadurch gekennzeichnet, daß die Ansprüche beider Rechtsstreitigkeiten in einem rechtlich ausschließenden Alternativverhältnis stunden, daß also aus dem identen Tatsachenkomplex rechtlich nur der eine oder der andere Anspruch abgeleitet werden könne und damit die Bejahung des einen Anspruchs zwangsläufig zur Verneinung des anderen Anspruchs führen müßte, wodurch die Rechtskraftwirkung auch für jene Fälle gesichert bleibe, für welche die jeweils formell verschiedenartig gestalteten Anspruchsbegehren überhaupt nicht ident sein könnten. Nicht die Identität, sondern der teleologische Sinnzusammenhang begrenze die Rechtskraftwirkung objektiv. Dieser komme insbesondere in der wechselseitigen Abhängigkeit der beiden Streitgegenstände zum Ausdruck. Aus den Wirkungen der materiellen Rechtskraft folge, daß die Richtigkeit des Urteiles des Amtsgerichtes München, insbesondere auch im Hinblick auf das österreichische Recht, das gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 IPRG anzuwenden (gewesen) wäre, im vorliegenden Fall nicht überprüft werden könne.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Frage, ob der Anspruch der Beklagten aus dem vor dem Landgericht Berlin am 15. 11. 1960 geschlossenen gerichtlichen Vergleich infolge Scheidung ihrer Ehe oder infolge Verzichts erloschen ist, betrifft den Grund des Anspruches, sodaß dem Rechtsmittel des Klägers die Revisionsbeschränkung des § 502 Abs. 2 Z 1 ZPO nicht entgegensteht. Die Zulässigkeit seiner Revision ist auch nicht von einem Ausspruch des Berufungsgerichtes iS des § 500 Abs. 2 ZPO abhängig. Oppositionsurteile sind nicht zu bewerten (Fasching ErgBd. 66; EvBl. 1968/162). Dasselbe gilt für Feststellungsklagen, die auf Feststellung des Bestandes oder Nichtbestandes einer Geldforderung gerichtet sind (5 Ob 545, 546/79). Ansprüche auf Leistung des Unterhaltes in Geld sind Geldansprüche, für die eine Bewertung gemäß § 500 Abs. 2 ZPO überhaupt nicht in Betracht kommt. Ihre Bewertung hat nach § 58 Abs. 1 JN zu erfolgen, auf den § 500 Satz 2 JN verweist (Fasching IV 231; derselbe, ErgBd. 66). Auch Urteile der zweiten Instanz, mit denen über das Begehren auf Feststellung des Erlöschens eines Unterhaltsanspruches für die Vergangenheit und (vorbehaltlich einer Neufestsetzung) auch für die Zukunft (vgl. Heller - Berger - Stix I 379; SZ 22/62; SZ 18/234) abgesprochen wird, sind somit nicht zu bewerten. Die Anfechtbarkeit solcher Entscheidungen richtet sich, soweit nicht ohnehin ein bestimmter Unterhaltsrückstand geltend gemacht wird, nach dem gemäß § 58 Abs. 1 JN zu berechnenden Streitwert.

In der Sache selbst ging das Berufungsgericht zutreffend davon aus, daß das rechtskräftige Urteil des Amtsgerichtes München vom 8. 4. 1976 nach den Bestimmungen des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen, Vergleichen und öffentlichen Urkunden in Zivil- und Handelssachen, BGBl. 105/1960 (im folgenden kurz: "Vertrag"), in Österreich anzuerkennen ist. Gemäß Art. 1 Abs. 1 des Vertrages werden die in Zivil- und Handelssachen ergangenen Entscheidungen der Gerichte des einen Staates, durch die im streitigen Verfahren oder im Verfahren außer Streitsachen (in einem Verfahren der streitigen oder der freiwilligen Gerichtsbarkeit) über Ansprüche der Parteien erkannt wird, im anderen Staat anerkannt. Über Ansprüche der Parteien wird auch mit abweisenden Entscheidungen erkannt. Die auf Holzhammer (Zivilprozeßrecht[2], 296) gestützten Ausführungen des Revisionswerbers, ausländische Urteile würden in Österreich nur dann der Rechtskraft teilhaft, wenn sie als stattgebende Leistungsurteile in Österreich vollstreckbar wären, beziehen sich auf den Fall, daß es an einer besonderen staatsvertraglichen Regelung über die Anerkennung und Vollstreckbarkeit fehlt. Für den vorliegenden Vertrag ist aber die Anerkennung einer Entscheidung von ihrer Vollstreckbarkeit unabhängig. Eine Entscheidung des Partnerstaates ist anzuerkennen, soweit der Vertrag anwendbar, die Qualifikation nach Art. 1 gegeben und kein Versagungsgrund nach Art. 2 und 3 Abs. 2 des Vertrages vorhanden ist. Nur für die Vollstreckung einer Entscheidung des Partnerstaates ist nach Art. 5 Abs. 1 und 2 die Anerkennung Voraussetzung (Matscher, Der neue österreichischdeutsche Vertrag über die Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen im Lichte der allgemeinen Lehren des Internationalen Zivilprozeßrechts, JBl. 1960, 265 ff., 271). Versagungsgrunde iS des Vertrages - auf den vom Revisionswerber behaupteten Verstoß der anzuerkennenden Entscheidung gegen den ordre public (vgl. Art. 2 Z 1 des Vertrages) wird noch zurückzukommen sein - liegen nicht vor. Insbesondere kommt der Versagungsgrund des Art. 3 Abs. 2 des Vertrages ("wenn die Entscheidung auf der Beurteilung eines familienrechtlichen oder eines erbrechtlichen Verhältnisses, der Rechts- oder Handlungsfähigkeit, der gesetzlichen Vertretung oder der Todeserklärung eines Angehörigen des Staates beruht, in dem die Entscheidung geltend gemacht wird) nicht in Frage. Diese Bestimmung findet ihre Rechtfertigung darin, daß sich die Staaten seit jeher die Entscheidung über Statusfragen eigener Staatsangehöriger vorbehalten (Sedlacek, Neuregelung der Zwangsvollstreckung zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland ZfRV 1960, 58, 65 FN 34). Gegenstand der Entscheidung des Amtsgerichtes München sind keine Statusfragen, sondern die Frage der Fortgeltung eines vor der Ehescheidung geschaffenen Exekutionstitels.

Damit ist die Entscheidung des Amtsgerichtes München in Österreich anzuerkennen. Eine ausländische Entscheidung anzuerkennen heißt, sie hinsichtlich ihrer prozeßrechtlichen Wirkungen - Rechtskraft und allenfalls auch Vollstreckbarkeit - einer inländischen Entscheidung vollkommen gleichzustellen (Matscher aaO 270; SZ 49/87). Die Entscheidung des Amtsgerichtes München ist daher in ihren prozeßrechtlichen Auswirkungen so zu beurteilen, als ob sie durch ein inländisches Gericht gefällt worden wäre.

Davon ausgehend hat das Berufungsgericht auch die inhaltlichen Voraussetzungen der Bindungswirkung zutreffend bejaht. Auch ohne Identität der Begehren kann ein Urteil eines Vorprozesses zufolge seiner materiellen Rechtskraft zur inhaltlichen Bindung des später entscheidenden Gerichtes führen, insbesondere wenn Parteien und rechtserzeugender Sachverhalt identisch sind und beide Prozesse in einem so engen inhaltlichen Zusammenhang stehen, daß die Gebote der Rechtssicherheit und der Entscheidungsharmonie eine widersprechende Beantwortung derselben in beiden Fällen entscheidenden Rechtsfrage nicht gestatten (RZ 1977/49; RZ 1980/31; JBl. 1980, 541 ua.). Diese Bindungswirkung schließt die Verhandlung, Beweisaufnahme und neuerliche Prüfung des rechtskräftig bereits entschiedenen Anspruches aus, nicht aber auch die Verhandlung und Entscheidung über das neue Klagebegehren. Der Richter hat hiebei von dem bereits rechtskräftig entschiedenen Anspruch auszugehen und ihn ohne weiteres seiner neuen Entscheidung zugrunde zu legen. Die Voraussetzungen für eine solche Bindungswirkung liegen unter anderem dann vor, wenn das Begehren das begriffliche Gegenteil des rechtskräftig entschiedenen Anspruches darstellt (Fasching III 694 f., 705 ff.; 2 Ob 228/77). Das Ausmaß der Bindungswirkung wird zwar nur durch den Urteilsspruch bestimmt, doch sind die Entscheidungsgründe zur Auslegung und Individualisierung des rechtskräftigen Anspruches heranzuziehen. Dies gilt insbesondere, wenn der Umfang der Rechtskraftwirkung des abweisenden Urteiles festgestellt werden soll (Fasching III 714).

Im gegenständlichen Fall hat das Amtsgericht München die Unterhaltsklage der nunmehrigen Beklagten im Umfang eines Betrages von 600 DM monatlich ausschließlich wegen Fehlens des erforderlichen Rechtsschutzbedürfnisses abgewiesen. Notwendige rechtliche Voraussetzung dieser Abweisung war die Annahme, daß die (damalige) Klägerin aus dem rechtswirksam gebliebenen Vergleich vom 15. 11. 1960 weiterhin vollstrecken könne. Gerade das begriffliche Gegenteil dieser die Entscheidung allein tragenden Annahme würde aber festgestellt, wenn dem Begehren des Klägers, der Vergleich vor dem Landgericht Berlin vom 15. 11. 1960 sei erloschen, stattgegeben würde.

Die sogenannte Bindungswirkung betrifft somit gerade jene Fälle, in denen eine Rechtskraftwirkung mangels Identität der Begehren nicht besteht. Die sowohl unter dem Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit als auch der unrichtigen rechtlichen Beurteilung vorgetragene Rüge des Revisionswerbers, den beiden Prozessen lägen verschiedene Begehren zugrunde, geht daher ins Leere. Die Behauptung des Revisionswerbers, er habe sich im Rechtsstreit vor dem Amtsgericht München nicht auf die Rechtswirksamkeit des Vergleiches vom 15. 11. 1960 berufen, ist aktenwidrig. Aus dem Urteil des Amtsgerichtes München geht hervor, daß der (dortige) Beklagte vorbrachte, der Klage mangle das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis, da die (vormalige) Klägerin bereits einen Titel für ihre Unterhaltsansprüche habe.

Es kann auch keine Rede davon sein, daß der Entscheidung des Amtsgerichtes München die Anerkennung zu versagen wäre, weil sie der öffentlichen Ordnung in Österreich, also des Staates, in dem die Entscheidung geltend gemacht wird, widerspreche (Art. 2 Z 1 des Vertrages). Es ist wohl richtig, daß die deutsche und die österreichische Rechtsprechung in der Frage, ob ein über die Leistung des gesetzlichen Unterhaltes an einen Ehegatten während aufrechter Ehe geschaffener Exekutionstitel nach der Ehescheidung weiter gilt, verschiedener Ansicht sind. Die deutsche Rechtsprechung nimmt Identität zwischen der ehelichen (§§ 1360 bis 1361 BGB) und der nachehelichen (§§ 1569 ff. BGB) Unterhaltspflicht an, sodaß während der Ehe gemäß § 1360 oder § 1361 BGB erwirkte Unterhaltstitel über die Scheidung hinaus ihre Gültigkeit behalten und nicht mit der Vollstreckungsgegenklage angegriffen werden können (Palandt, BGB[40] 1273). Die durch das Amtsgericht München mit der Berufung auf diese Rechtsprechung offenbar erfolgte Anknüpfung an das deutsche Recht bildet keinen Grund, der Entscheidung die Anerkennung zu versagen (Art. 3 Abs. 1 des Vertrages). Die Prüfung hat sich vielmehr auf das Vorliegen der in Art. 2 und Art. 3 Abs. 2 des Vertrages genannten Versagungsgrunde zu beschränken (Art. 4 des Vertrages).

Die österreichische Lehre und Rechtsprechung vertreten hingegen den Standpunkt, daß ein Urteil, mit dem einem Ehegatten die Leistung des Unterhaltes an den anderen Ehegatten aufgetragen wird, im Regelfall nicht über die Scheidung der Ehe hinauswirkt.

Das Gericht habe sich im Oppositionsprozeß darauf zu beschränken festzustellen, ob die Ehe rechtskräftig geschieden wurde und ob sich der Titel nur auf den Unterhalt während des Bestandes der Ehe bezieht. Ein Titel für Unterhaltsansprüche aus aufrechter Ehe erlösche mit der Scheidung und könne nicht für Ansprüche, die auf §§ 66 ff. EheG gestützt würden, als Exekutionstitel verwendet werden. Im Oppositionsprozeß habe eine Festsetzung des nachehelichen Unterhaltes nicht stattzufinden (Heller - Berger - Stix I 381; SZ 24/75; SZ 27/116; JBl. 1956, 206). Im Falle einer Ehescheidung gemäß § 55 EheG mit Verschuldensausspruch gemäß § 61 Abs. 3 EheG wird allerdings ein während der Ehe geschaffener, den gesetzlichen Unterhalt bestimmender Exekutionstitel nicht unwirksam, weil das Gesetz für diesen Scheidungsfall vorsieht, daß die unterhaltsrechtliche Stellung des beklagten Ehegatten durch die Scheidung nicht geändert werden darf (EvBl. 1980/58; EvBl. 1981/147; AnwBl. 1981, 257 ua.).

Auch die österreichische Rechtsprechung anerkennt somit seit dem Eherechtsänderungsgesetz unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit einer Weitergeltung des während aufrechter Ehe geschaffenen Exekutionstitels für die Zeit nach der Ehescheidung.

Eine Erweiterung dieses Grundsatzes auf alle jene Fälle, in denen ein Ehegatte nach der Scheidung einen gesetzlichen Unterhaltsanspruch (wenn auch in geringerer Höhe als während aufrechter Ehe) behält, erschiene auch für das österreichische Recht nicht unvertretbar; daraus folgt aber, daß der vom Amtsgericht München angewendete Grundsatz der Identität zwischen ehelichem und nachehelichem Unterhalt nicht zu einem Ergebnis führt, das mit den Grundwerten der österreichischen Rechtsordnung völlig unvereinbar wäre (vgl. § 6 IPRG).

Da die Entscheidung des Amtsgerichtes München über das Aufrechtbleiben des vor dem Landgericht Berlin am 15. 11. 1960 geschlossenen Vergleiches in Österreich anzuerkennen ist, kommt auch ein Ausspruch, mit dem dieser Vergleich nur für den österreichischen Rechtsbereich für erloschen erklärt wird, nicht in Frage.

Auch die gerügte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor. Es ist zwar richtig, daß die zweite Instanz zur Frage des Verzichtes der Beklagten auf die Rechte aus dem Unterhaltsvergleich vom 15. 11. 1960 nicht Stellung genommen hat. In diesem Punkt erweist sich jedoch die damit von der zweiten Instanz ohne weitere Ausführungen übernommene rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes als zutreffend. Über die prozessualen Wirkungen der vor dem Amtsgericht München abgegebenen Verzichtserklärung hatte allein das Prozeßgericht zu entscheiden, das zum Ergebnis gelangte, daß ein wirksamer Verzicht nicht vorliege. Privatrechtliche Wirkungen vermag diese Erklärung schon deshalb nicht zu entfalten, weil der Kläger die sowohl nach österreichischem als auch nach deutschem Recht (Palandt aaO 399) annahmebedürftige Verzichtserklärung der Beklagten nicht angenommen hat. Zwar genügt zur Annahme eines Verzichtes im allgemeinen Stillschweigen (SZ 19/184; EvBl. 1971/229 uva.); der Kläger hat aber seinen Standpunkt, die Beklagte brauche keinen neuen Exekutionstitel, weil sie weiterhin aus dem gerichtlichen Vergleich vom 15. 11. 1960 vollstrecken könne, aufrechterhalten und sich damit auch durchgesetzt. Ein solches Verhalten ist aber mit der Annahme der Verzichtserklärung unvereinbar.

Das Berufungsgericht ist daher zutreffend zum Ergebnis gelangt, daß infolge Bindung an die Entscheidung des Amtsgerichtes München vom Weiterbestehen des am 15. 11. 1960 vor dem Landgericht Berlin abgeschlossenen Unterhaltsvergleiches zwischen den Streitteilen auszugehen ist.

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