OGH 2Ob2286/96g

OGH2Ob2286/96g19.9.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Günther J*****, vertreten durch Dr.Friedrich Flendrovsky und Dr.Thomas Pittner, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) E*****gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Hildegard Hartung, Rechtsanwalt in Wien, 2.) Ludwig H*****, vertreten durch Dr.Manfred Ainedter und Dr.Friedrich Trappel, Rechtsanwälte in Wien, und 3.) Walter H*****, vertreten durch Dr.Alfred Strommer u.a. Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 29.April 1996, GZ 14 R 290/95-37, womit das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 19.September 1995, GZ 17 Cg 6/95t-31, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig den beklagten Parteien die mit je S 6.086,40 (darin enthalten Umsatzsteuer von S 1.014,40, keine Barauslagen) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortungen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Sämtliche Parteien sowie Sonja G***** (1/6) und Gretchen H***** (1/9) waren Miteigentümer der Liegenschaft mit dem Haus *****, M*****straße

181. Der frühere Miteigentümer Herbert H***** hatte mit Zustimmung aller Miteigentümer 1983 die in dem genannten Haus befindliche Wohnung Nr. 5 gemietet. Am 4.12.1990 vermietete er diese Wohnung mit Zustimmung des Zweit- und Drittbeklagten an die erstbeklagte Partei. Die Miteigentümer Sonja G***** und Gretchen H***** widersprachen diesem Mietvertrag. Am 5.12.1990 verkaufte Herbert H***** seinen 1/6 Anteil an die erstbeklagte Partei.

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger die Feststellung der Unwirksamkeit des zwischen Herbert H***** und der erstbeklagten Partei abgeschlossenen Mietvertrages mit der Begründung, dieser hätte nur mit den Stimmen aller Miteigentümer wirksam abgeschlossen werden können. Der Mietvertrag enthalte nämlich extrem nachteilige Bedingungen, durch die die Verwertung des Hauses aufgrund des bereits anhängigen Teilungsverfahrens wesentlich verschlechtert worden sei. Zur Schädigung der übrigen Miteigentümer sei ein "Scheinvertrag" abgeschlossen worden. Die nicht geklagten Miteigentümer hätten schon vor Klagseinbringung das Klagebegehren anerkannt. Zur Begründung des rechtlichen Interesses an der begehrten Feststellung brachte der Kläger vor, daß aufgrund des ungünstigen Mietvertrages das Haus im anhängigen Teilungsverfahren wesentlich entwertet werde, sowie daß Ansprüche aufgrund schleppender Mietzinszahlungen bestünden.

Die Beklagten wendeten ein, der Mietvertrag sei von der Mehrheit der Miteigentümer verbindlich abgeschlossen worden, er enthalte keine für die Miteigentümer nachteiligen Bestimmungen. Überdies hätte die Klage gegen alle Miteigentümer gerichtet werden müssen.

Im ersten Rechtsgang wies das Erstgericht das Klagebegehren kostenpflichtig ab, wobei es im wesentlichen von folgenden Feststellungen ausging:

Am 22.9.1989 war Herbert H***** Eigentümer der eingangs genannten Liegenschaft, die übrigen Miteigentümer waren der Zweitbeklagte Ludwig H***** zu 1/6 Anteil, Sonja G***** zu 1/6 Anteil, Gretchen H***** zu 1/9 Anteil, der Drittbeklagte Walter H***** zu 8/36 Anteilen, Friedrich Z***** zu 1/12 Anteil und Robert Z***** ebenfalls zu 1/12 Anteil.

Zum Abfragedatum am 5.4.1991 war die erstbeklagte Partei anstatt Herbert H***** Miteigentümer zu 1/6 Anteil. Anstelle von Friedrich und Robert Z***** war der Kläger Miteigentümer zu 1/6 Anteil.

Diese Eigentumsverhältnisse bestanden auch zum Zeitpunkt der Abfrage vom 23.9.1993.

Im Jahre 1983 erklärten die damaligen Miteigentümer der Liegenschaft schriftlich die Zustimmung zur Vermietung der Wohnung top Nr. 5 an Herbert H*****. Am 4.12.1990 schlossen Herbert H***** als Miteigentümer der Liegenschaft und die erstbeklagte Partei einen Mietvertrag über diese Wohnung auf unbestimmte Zeit. Als Hauptmietzins wurde der nach § 16 Abs 2 bis 4 MRG jeweils zulässige Mietzins vereinbart und wurden dem Mieter das Recht zur Weitergabe der Wohnung zu denselben Bedingungen, wie im bestehenden Vertrag vereinbart, sowie das Recht zur gänzlichen Untervermietung eingeräumt.

Der Kläger sowie die Miteigentümer Gretchen H***** und Sonja G***** stimmten den Mietvertrag nicht zu. Am 5.12.1990 erwarb die erstbeklagte Partei den Miteigentumsanteil des Herbert H*****. Zu diesem Zeitpunkt war eine vom Kläger angestrengte Teilungsklage bereits im Grundbuch angemerkt, wovon die erstbeklagte Partei Kenntnis hatte. Die Wohnung top Nr. 5 wurde weiterhin von Herbert H***** benutzt.

Am 21.2.1992 wurde zwischen der erstbeklagten Partei und Herbert H***** ein gerichtlicher Räumungsvergleich geschlossen, in dem sich Herbert H***** verpflichtete, die Wohnung bis 30.11.1992 geräumt zu übergeben, seit April 1993 ist die Wohnung geräumt.

Dieses Urteil wurde mit Beschluß des Obersten Gerichtshofes vom 12.1.1995, 2 Ob 603/94, aufgehoben, wobei ausgeführt wurde, daß ein Miteigentümer, der - wie im vorliegenden Fall - geltend mache, der abgeschlossene Mietvertrag stelle eine außerordentliche Maßnahme dar, die seiner Zustimmung bedurft hätte, sofort auf Räumung klagen könne. Dessen ungeachtet sei aber die Möglichkeit einer Feststellungsklage im vorliegenden Fall gegeben, weil sich das Ergebnis einer Räumungsklage wegen titelloser Benützung nicht unbedingt mit dem Ergebnis einen auf Feststellung des Nichtbestehens eines Bestandverhältnisses gerichteten negativen Feststellungsklage decken müsse, weil sich die Räumungsklage nur gegen den Bestandnehmer richten könne, er mit der vorliegenden Klage aber das Rechtsverhältnis gegenüber den übrigen Miteigentümer klären wolle.

Die Feststellungsklage müsse aber grundsätzlich gegen alle Miteigentümer gerichtet werden, weil diese eine einheitliche Streitpartei nach § 14 ZPO bildeten. Die Klage könne ausnahmsweise gegen jene Miteigentümer unterbleiben, die das Feststellungsbegehren anerkannt haben. Im vorliegenden Fall müsse noch geklärt werden, ob Sonja G***** und Gretchen H***** das Klagebegehren anerkannten oder nicht.

Im fortgesetzten Verfahren wurde von der Vertreterin der erstbeklagten Partei ergänzend vorgebracht, der Kläger sei aufgrund des Teilungsverfahrens inzwischen Alleineigentümer der Liegenschaft geworden.

Mit der daraufhin ergangenen Entscheidung wies das Erstgericht das Klagebegehren neuerlich ab, wobei es ergänzend feststellte, daß die Liegenschaft bei der Versteigerung am 29.9.1994 der Ersteherin A*****gesmbH zugeschlagen wurde. Aufgrund der Amtsurkunde vom 28.12.1994 wurde im Jahre 1995 das alleinige Eigentumsrecht der A*****gesmbH im Grundbuch eingetragen.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, daß keine der Parteien nunmehr noch Miteigentümer des gegenständlichen Hauses sei und es dem Kläger daher am rechtlichen Interesse an der begehrten Feststellung fehle. Allfällige Schäden seien spätestens mit der Versteigerung bezifferbar und mit Leistungsklage geltend zu machen.

Das vom Kläger angerufene Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte die ordentliche Revision für zulässig. Das Berufungsgericht schloß sich der Rechtsansicht des Erstgerichtes, es fehle dem Kläger am rechtlichen Interesse, an. Wenngleich prinzipiell auch nach Beendigung eines Rechtsverhältnisses das Feststellungsinteresse weiter bestehen könne, wenn das Urteil für die gegenwärtige Rechtslage noch von Bedeutung sei, müßten konkrete Behauptungen aufgestellt werden, aus denen ein Interesse zu folgern wäre. Diesbezüglich habe der Kläger jedoch lediglich vorgebracht, daß aufgrund des ungünstigen Mietvertrages das Haus im anhängigen Teilungsverfahren wesentlich entwertet werde und daß Ansprüche aufgrund schleppender Mietzinszahlungen bestünden. Es wäre Sache des Klägers gewesen, insbesonders nach Beendigung des Teilungsverfahrens, neues Vorbringen zum Feststellungsinteresse zu erstatten. Aufgrund des Teilungsverfahrens wären die vom Kläger vorgebrachten möglichen Ansprüche nunmehr bezifferbar und daher mit Leistungsklage geltend zu machen. Der Kläger habe auch kein rechtliches Interesse an einer Klärung der Rechtslage für die Ersteherin als Rechtsnachfolger aller übrigen Miteigentümer geltend gemacht.

Die Revision an den Obersten Gerichtshof wurde für zulässig erklärt, weil es eine erhebliche Rechtsfrage bilde, ob nach Versteigerung der gesamten Liegenschaft, hinsichtlich welcher die Unwirksamkeit eines Mietvertrages festgestellt werden soll, ein Feststellungsinteresse des klagenden bisherigen Miteigentümers weiter besteht, weil durch die Feststellungsklage die Rechtslage für den Ersteher der ganzen Liegenschaft geklärt werden könne, oder ob der Kläger konkret darlegen müsse, worin nach dieser Änderung der Eigentumslage für ihn noch ein rechtliches Interesse an der Feststellung bestehe.

Dagegen richtet sich die Revision des Klägers mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahingehend abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagten Parteien haben Revisionsbeantwortungen erstattet und beantragt, dem Rechtsmittel des Klägers nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

Der Kläger macht in seinem Rechtsmittel geltend, daß es im Verhältnis zwischen den früheren Miteigentümern nicht nur um allfällige Schadenersatzansprüche gehe, sondern daß als Folgewirkung des Miteigentumsverhältnisses regelmäßig weitere Rechtsziehungen entstehen, wie die Aufteilung der Erträgnisse, die Abstattung von Verbindlichkeiten, die Einziehung von Forderungen usw. Diese beispielsweise Aufzählung habe das Berufungsgericht zu Unrecht als unzulässige Neuerungen qualifiziert, weil es sich um selbstverständliche Konsequenzen handle, die als offenkundige Tatsachen weder der Behauptung noch des Beweises bedürften. Gerade bei einem überwiegend mietengeschützten Zinshaus würden die Rechtsfolgen selbst nach Beendigung der Eigentumsgemeinschaft auf der Hand liegen, so stehe der Aufwand auf Ersatz für Investitionen nur dem Hauptmieter zu, nicht aber dem titellosen Benützer. Auch bei der Erstellung der Hauptmietzinsabrechnung nach § 20 MRG sei es im Verhältnis der Hauseigentümer untereinander auch nach Beendigung des Miteigentumsverhältnisses von Bedeutung, ob ein Mietverhältnis vorgelegen hat oder nicht. Schließlich rechtfertige auch das Interesse des Rechtsnachfolgers der früheren Miteigentümer die Feststellungsklage.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden:

Wie die Vorinstanzen zutreffend ausgeführt haben, setzt eine Feststellungsklage ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder Rechts voraus, und mangelt es an einem derartigen Interesse vor allem dann, wenn der Kläger bereits eine Leistungsklage erheben kann, deren Erfolg die Feststellung des Rechtsverhältnisses gänzlich erübrigt (Rechberger in Rechberger, ZPO Rz 11 zu § 228 mwN; 2 Ob 203/94 uva). Das rechtliche Interesse ist auch dann zu verneinen, wenn das gerichtliche Feststellungserkenntnis in seiner Wirkung auf den Feststellungsprozeß selbst beschränkt bleiben würde und weder für das weitere Verhalten noch für die Rechtsphäre der beteiligten Parteien von Bedeutung sein könnte (GesRZ 1980, 37 = GesRZ 1980, 86 mwN). Das rechtliche Interesse im Sinne des § 228 ZPO ist dabei vom Kläger durch Geltendmachung konkreter Umstände zu behaupten (SZ 54/180; 7 Ob 642/86). Gerade bei einem bereits beendeten Vertragsverhältnis liegt es nahe, daß das gerichtliche Feststellungserkenntnis in seiner Wirkung auf den Feststellungsprozeß selbst beschränkt bleiben würde und es daher am rechtlichen Interesse fehlt. Bei einem solchen beendeten Vertragsverhältnis ist das rechtliche Interesse nur anerkannt, wenn das begehrte Urteil auch noch für die gegenwärtige Rechtslage von Bedeutung ist, also das ergehende Urteil immer noch geeignet ist, die Grundlage für weitere Rechtsbeziehungen der Parteien untereinander zu schaffen (GesRZ 1980, 37 = GesRZ 1980, 86 mwN). Gerade im Falle eines beendeten Vertragsverhältnisses ist das Festellungsinteresse nicht mehr offenkundig und bedarf es konkreter Behauptungen darüber (6 Ob 651/83). Die im vorliegenden Fall zur Begründung des rechtlichen Interesses aufgestellten Behauptungen (Entwertung des Hauses aufgrund des ungünstigen Mietvertrages sowie Ansprüche aufgrund schleppender Mietzinszahlungen) würden aber - wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat - bereits eine Leistungsklage rechtfertigen und begründen kein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung. Während also im ersten Rechtsgang bei aufrechter Miteigentumsgemeinschaft das Feststellungsinteresse noch offenkundig war, hätte die klagende Partei im zweiten Rechtsgang aufgrund der geänderten Sachlage konkrete Behauptungen zur Begründung ihres rechtlichen Interesses aufstellen müssen. Die in der Berufung und in der Revision dargestellten Möglichkeiten von Streitigkeiten zwischen den Parteien, die durch das Feststellungsurteil geklärt werden könnten, sind keineswegs offenkundig, die klagende Partei verstößt daher mit den diesbezüglichen Behauptungen gegen das Neuerungsverbot.

Davon abgesehen, daß die klagende Partei auch ein rechtliches Interesse des Erwerbers der Liegenschaft nicht behauptet hat, würde das Urteil ihm gegenüber auch keine Rechtswirkungen entfalten, weil er nicht Partei des anhängigen Verfahrens ist (1 Ob 541/93; SZ 68/103 = JBl 1996, 463).

Es war sohin der Revision der klagenden Partei nicht Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die § 41, 50 ZPO.

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