OGH 7Ob642/86

OGH7Ob642/8611.12.1986

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Petrasch und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz, Dr.Warta und Dr.Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Theodor P***, Kaufmann, und 2. Ingeborg P***, Hausfrau, beide wohnhaft in Klosterneuburg, Kierlingerstraße 44 b, beide vertreten durch Dr. Heinrich Schmiedt, Rechtsanwalt in Kitzbühel, wider die beklagten Parteien 1. Rudolf H***, Installateurmeister, Kitzbühel, Im Gries Nr. 34, vertreten durch Dr.Raimund Noichl, Rechtsanwalt in Kirchberg i.T., 2. Hannelore H***, Geschäftsfrau, Aurach Nr. 250, vertreten durch DDr. Hubert Fuchshuber, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Feststellung (Streitwert 65.000 S), infolge Rekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 24.April 1986, GZ 2 R 23/86-11, womit das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 24.September 1985, GZ 9 Cg 279/85-5, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Den Rekursen wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind als weitere Verfahrenskosten zu behandeln.

Text

Begründung

Mit der am 12. Juli 1985 beim Erstgericht eingelangten Klage begehren die Kläger die Feststellung, daß die Beklagten den Klägern zur ungeteilten Hand für alle Schäden haften, die sich daraus ergeben, daß 1. die Grundgrenzen der Gpn 534/2 und 534/3 der Liegenschaft EZ 355 II KG Aurach laut Teilungsausweis des Dipl.Ing. Hubert K*** vom 19.April 1972, GZl. 10.669/72 und der Grundbuchsmappe nicht mit den in der Natur gegebenen und dem Teilungsausweis des Dr. B*** vom 2.August 1982, GZl. 20.538/82, entsprechenden Grundgrenzen übereinstimmen, und 2. die auf der Liegenschaft EZ 355 II KG Aurach errichteten drei Bungalows nicht gemäß den Baubescheiden des Bürgermeisters der Gemeinde Aurach, AZ 153/0-199 und 200 vom 14.Juli 1972 und AZ 153/0-204 vom 14.Oktober 1972 ausgeführt worden sind.

Die Kläger bringen vor, die Beklagten hätten ihnen mit Kaufvertrag vom 30.September 1974 die Liegenschaft EZ 355

II KG Aurach, bestehend aus den Gpn 534/2 und 534/3 mit drei darauf errichteten Wohnhäusern nach Bungalowart verkauft und bei Abschluß des Kaufvertrages zugesichert, daß sich der Grenzverlauf der Gpn 534/2 und 534/3 so gestalte, wie in der Natur durch Umzäunung der Grundstücke ersichtlich sei, sowie daß die Bauführung baubescheidmäßig erfolgt sei. Im Zuge einer Neuvermessung der Liegenschaft am 12.Juli 1982 habe sich allerdings herausgestellt, daß die Grundgrenzen laut Grundbuchsmappe (die dem Lageplan des Dipl.Ing.Hubert K*** vom 19.April 1972 entsprächen) mit den in der Natur gegebenen Grenzen nicht übereinstimmen. Da der Eigentümer der Nachbarliegenschaft, Alois P***, im Zuge der Vermessung die Erklärung abgegeben habe, man sei sich über den Grenzverlauf einig, eine Änderung der bestehenden Grenzen in der Natur habe nicht stattgefunden, habe zwar die Vermessung durchgeführt werden können. Mit Schreiben vom 11.Jänner 1983 aber hätten Alois und Elisabeth P*** die Behauptung aufgestellt, die Grundgrenzen entsprächen nicht dem tatsächlichen Grenzverlauf, die Bauführung auf der Liegenschaft durch die Beklagten sei darüber hinaus baubescheidwidrig erfolgt. Für die "fehlenden" Teilflächen sei allein an Kaufpreis ein Betrag von 314.000 S von den Klägern gefordert worden. Die Beklagten hätten den Klägern zugesichert, die Angelegenheit werde umgehend bereinigt. Im November 1984 hätten jedoch Alois und Elisabeth P*** ihre Forderungen an die Kläger wiederholt und eine baubehördliche Überprüfung veranlaßt. Am 25.April 1985 habe eine Verhandlung stattgefunden. Ein Bescheid sei bisher nicht ergangen. Es ergebe sich, daß der Eintritt eines Schadens im Vermögen der Kläger aus dem Kaufgeschäft mit den Beklagten zumindest nicht auszuschließen sei. Die Kläger hätten deshalb ein rechtliches Interesse an der Feststellung dieser Schadenersatzverpflichtung. In der Tagsatzung vom 24.September 1985

brachten die Kläger noch vor, ein Feststellungsinteresse bestehe, um eine allfällige Verjährung zu verhindern.

Die Beklagten beantragen die Abweisung der Klage und wenden ein, im Kaufvertrag sei jegliche Gewähr der Verkäufer für eine bestimmte tatsächliche und rechtliche Eigenschaft der Grundstücke ausgeschlossen worden. Die Bungalows seien nicht bescheidwidrig errichtet worden; über den Grenzverlauf herrsche Einvernehmen. Das Überprüfungsverfahren der Gemeinde Aurach habe keine Verstöße gegen die Baubewilligung aufgezeigt. Die Voraussetzungen für eine Feststellungsklage seien nicht gegeben.

Das Erstgericht wies die Klage ohne Durchführung eines Beweisverfahrens ab. Die Kläger hätten kein Interesse an der begehrten Feststellung. Nach dem Vorbringen der Kläger sei völlig ungewiß, ob überhaupt ein Schaden eintreten werde. Die Verjährungszeit habe daher noch nicht zu laufen begonnen. Das Berufungsgericht hob die Entscheidung des Erstgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt auf und sprach aus, daß der von der Abänderung betroffene Wert des Streitgegenstandes, über den das Berufungsgericht entschieden hat, 15.000 S, nicht jedoch 300.000 S übersteigt. Ein Interesse an einer Feststellungsklage sei schon dann gegeben, wenn durch die Klarstellung der Rechtsverhältnisse künftige Streitigkeiten vermieden werden können. Die Feststellungsklage diene nicht nur dem Ausschluß der Gefahr der Verjährung, sondern auch der Vermeidung späterer Beweisschwierigkeiten und der Klarstellung der Haftungsfrage dem Grunde nach. Den Klägern könne ein rechtliches Interesse an den begehrten Feststellungen nicht abgesprochen werden. Daß den Klägern ein konkreter Schaden noch nicht erwachsen sei, stehe dem nicht entgegen. Dies habe seine Ursache nur darin, daß Alois und Elisabeth P*** ihre Ansprüche gegenüber den Klägern noch nicht realisiert hätten. Gerade daraus aber erhelle insbesondere das rechtliche Interesse der Kläger an der begehrten Feststellung zur Klarstellung der Haftungsfragen dem Grunde nach, sollten die eingeleiteten Überprüfungen die Richtigkeit der Behauptungen des Alois und der Elisabeth P*** ergeben. Daß die Unsicherheit nicht von den Beklagten, sondern von Alois und Elisabeth P*** verursacht worden sei, stehe dem rechtlichen Interesse der Kläger an der begehrten Feststellung gegenüber den Beklagten nicht entgegen. Der Rechtskraftvorbehalt sei anzuordnen gewesen, weil der Entscheidung, ob ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Haftung für künftige Schäden aus der Verletzung eines Vertrages schon dann zustehe, wenn diese durch Behauptungen und Ansprüche eines Dritten unabhängig von dem zwischen den Streitteilen bestehenden Vertrag ausgelöst werde, erhebliche Bedeutung zukomme.

Die Beklagten bekämpfen den Beschluß des Berufungsgerichtes mit ihren Rekursen und beantragen, ihn aufzuheben und die Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen, allenfalls, dem Berufungsgericht eine neue Entscheidung unter Abstandnahme von der im angefochtenen Beschluß vertretenen Rechtsansicht aufzutragen. Die Kläger beantragen, den Rekursen nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Rekurse sind nicht berechtigt.

Die Beklagten beharren auf ihrer Meinung, es fehle ein rechtliches Interesse der Kläger an der alsbaldigen gerichtlichen Feststellung und an einem konkreten Anlaß hiefür. Die Drohung mit Schadenersatzforderungen sei mehr als drei Jahre vor Klagseinbringung erfolgt. Das Begehren der Kläger umfasse nicht nur künftige Ersatzansprüche, sondern auch solche, die bereits verjährt seien. Eine Gefährdung der Rechtslage der Kläger (gegenüber den Beklagten) könne nicht schon deshalb angenommen werden, weil ein Dritter, der in keiner Rechtsbeziehung zu den Beklagten stehe, Ansprüche gegen die Kläger erhebe. Eine Entscheidung im Sinne des Klagebegehrens habe keine Bindungswirkung und keine Rechtskraft in bezug auf die Beziehungen zwischen den Klägern und Alois und Elisabeth P***.

Das Revisionsgericht kann diesen Ausführungen nicht folgen. Das rechtliche Interesse an der alsbaldigen gerichtlichen Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses oder Rechtes im Sinne des § 228 ZPO ist vom Kläger durch Geltendmachung konkreter Umstände zu behaupten (SZ 54/180). Die Kläger haben diesem Erfordernis in der Klage entsprochen. Sie behaupten, daß ihnen die Beklagten - was von diesen bestritten wird - als Verkäufer einer Liegenschaft für alle Schäden zu haften haben, die sich aus der mangelnden Übereinstimmung der natürlichen Grundgrenzen mit dem tatsächlichen Grenzverlauf und daraus ergäben, daß bei der Bauführung der Beklagten auf dieser Liegenschaft die Bauvorschriften nicht eingehalten worden seien. Konkreter Anlaß für dieses Begehren ist nach den Klagebehauptungen die von den Voreigentümern der Beklagten, Alois und Elisabeth P***, wegen der dargestellten Umstände erhobenen Forderung von 314.000 S. Mit der Geltendmachung einer derartigen Forderung haben Alois und Elisabeth P*** den Klägern nach der Klageerzählung nicht mehr als drei Jahre, sondern erstmals zweieinhalb Jahre und sodann neuerlich wenige Monate vor der Klageführung gedroht, obwohl die Beklagten den Klägern eine umgehende Bereinigung der Angelegenheit zugesagt hätten. Alois und Elisabeth P*** haben überdies eine Überprüfung der Bauführung veranlaßt. Sind aber die Kläger in Sorge, Alois und Elisabeth P*** allenfalls Ersatz für Schäden leisten zu müssen, für die ihnen ihrer Ansicht nach die Beklagten auf Grund des zwischen ihnen vereinbarten Kaufvertrages haften, kann ihnen das rechtliche Interesse an der begehrten Feststellung nicht abgesprochen werden. Es fehlt nach den beschriebenen Umständen auch nicht an einem konkreten Anlaß hiefür.

Aus der Klage geht eindeutig hervor, daß das Begehren der Kläger lediglich - allfällige - zukünftige Schadenersatzansprüche umfaßt. Davon, daß irgendwelche Schäden bereits entstanden wären, ist nicht die Rede.

Mit Recht hat das Berufungsgericht das rechtliche Interesse der Kläger in der Klarstellung der Frage der Haftung der Beklagten dem Grunde nach gesehen. Es erübrigt sich deshalb, auf die Frage einzugehen, ob das rechtliche Interesse auch auf die Vermeidung späterer Beweisschwierigkeiten (vgl. hiezu SZ 41/153) und eine mögliche Verjährung des Anspruches gegründet werden kann. Nicht recht verständlich ist die Ansicht der Beklagten, eine Gefährdung der Rechtslage der Kläger ihnen gegenüber könne nicht schon angenommen werden, weil ein Dritter, der in keiner Rechtsbeziehung zu den Beklagten stehe, Ansprüche gegen die Kläger erhebe. Nach den Klagebehauptungen, von denen bei der Entscheidung des Erstgerichtes ausgegangen wurde, bestehen zwischen den Beklagten und Alois und Elisabeth P*** sehr wohl Rechtsbeziehungen, da sie die gegenständliche Liegenschaft im Jahr 1972 von Alois und Elisabeth P*** erworben haben, bis zum Verkauf der Liegenschaft an die Kläger Liegenschaftsnachbarn waren und als solche in die Eigentumsrechte des Alois und der Elisabeth P*** eingegriffen haben, was eben nunmehr Anlaß zu deren Forderungen gegen die Kläger gegeben hat. Weshalb die angestrebte Entscheidung Bindungswirkung in bezug auf die Beziehungen zwischen den Klägern und Alois und Elisabeth P*** haben müßte, bzw., weshalb zufolge des Fehlens einer solchen Bindungswirkung ein rechtliches Interesse der Kläger nicht angenommen werden könne, ist nicht einzusehen. Die Beklagten mißverstehen offensichtlich die von ihnen zitierten Ausführungen von Fasching, der in seinem Kommentar III 67 ein rechtliches Interesse verneint, wenn das gerichtliche Feststellungserkenntnis in seiner Wirkung auf den Feststellungsprozeß selbst beschränkt bleibt und weder für das weitere Verhalten noch für die Rechtssphäre der beiden Parteien von Bedeutung sein kann, und fortgesetzt, insbesondere fehle in der Regel das rechtliche Interesse für die Feststellung von Rechtsverhältnissen für einen anderen Rechtsstreit, wenn das Urteil dort keine Rechtskraft bewirken könne. Die Kläger streben keinesfalls an, daß das begehrte Feststellungsurteil Rechtskraft in ihrem Streit mit Alois und Elisabeth P*** wirke, wohl aber soll es Grundlage für die Rechtssphäre zwischen den Parteien sein. Für diesen Fall aber bejaht Fasching aaO das Bestehen eines rechtlichen Interesses ausdrücklich.

Mit Recht hat daher das Berufungsgericht das Urteil des Erstgerichtes aufgehoben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens und eine neue Entscheidung aufgetragen. Den Rekursen mußte deshalb ein Erfolg versagt bleiben.

Die Kostenentscheidung erfolgte nach § 52 ZPO.

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