European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1996:E43583
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.871,04 (darin S 811,84 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Am 11. 6. 1995 ereignete sich auf auf der Abfahrt der Süd‑Ost‑Tangente zum Gürtel ein Verkehrsunfall, an dem der vom Kläger gelenkte und gehaltene PKW Opel Senator und der bei der beklagten Partei haftpflichtversicherte und von Andreas B* gelenkte PKW Nissan Cherry beteiligt waren. Im Rahmen der durch den Kläger aufgenommenen Verfolgung des sich vom Unfallsort entfernenden gegnerischen Fahrzeuges kam es zu einem Folgeunfall, in den die beiden zuerst genannten Fahrzeuge und das von der Zeugin Roswitha W* gelenkte Fahrzeug Volvo 440 involviert waren.
Der Kläger begehrte von der Beklagten Zahlung eines Schadenersatzbetrages von (nach Teilzahlung für den Heckschaden) zuletzt S 59.900 sA an unfallskausalen Reparaturkosten und Nebenspesen. Der Lenker des Beklagtenfahrzeuges sei dem verkehrsbedingt angehaltenen Klagsfahrzeug aufgefahren und habe Fahrerflucht begangen, weshalb der Kläger dessen Verfolgung aufgenommen habe. Der Lenker des Beklagtenfahrzeuges sei in weiterer Folge gegen das zum Linkseinbiegen Ecke Landstraßer Gürtel‑Leberstraße eingeordnete Fahrzeug der Zeugin W* gefahren, wodurch dieses nach rechts versetzt und dadurch in die Fahrlinie des sich nähernden Klagsfahrzeuges geraten sei. Hiedurch sei es zur Kollision des Klagsfahrzeuges mit dem Zeugenfahrzeug gekommen, wodurch an ersterem noch ein Frontschaden entstanden sei.
Die Beklagte wendete ein, an der Kollision des Klagsfahrzeuges mit dem PKW Volvo treffe den Lenker des Beklagtenfahrzeuges kein Verschulden; diese Kollision sei auch nicht nicht im Zusammenhang mit einer Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeuges gestanden.
Das Erstgericht erkannte die Beklagte schuldig, dem Kläger S 3.071 sA zu bezahlen; das Mehrbegehren von S 56.829 sA wies es ab. Es ging hiebei im wesentlichen von folgenden Feststellungen aus:
Die Unfälle ereigneten sich alle bei Tageslicht, die Fahrbahn war jeweils trocken. Der Kläger befuhr zunächst die Südost‑Tangente und fuhr dann bei der Ausfahrt Gürtel ab. Er nähere sich einer Verkehrslichtsignalanlage auf dieser Ausfahrt an, die für seine Fahrtrichtung Rotlicht zeige. Der Kläger hielt daraufhin sein Fahrzeug verkehrsbedingt an. Als sein Fahrzeug im Stillstand war, fuhr das von Andreas B* gelenkte Beklagtenfahrzeug dem Klagsfahrzeug hinten auf. In der Folge fuhr der Lenker des Beklagtenfahrzeuges, ohne auf dem Gürtel anzuhalten und einen Datenaustausch zu ermöglichen, weiter in Richtung Schlachthausgasse, der Kläger folgte ihm. Als der Kläger das Beklagtenfahrzeug bei der Kreuzung Leberstraße‑Gürtel an der Weiterfahrt hindern wollte, fuhr das Beklagtenfahrzeug über den Gehsteig in Richtung Rennweg weiter. Der Kläger nahm die Verfolgung auf und fuhr in der Folge dem Beklagtenfahrzeug nach, das vom Rennweg nach rechts in die Grasbergergasse einbog und sich in dieser der Kreuzung mit der Leberstraße näherte. In Annäherung der beiden Fahrzeuge befand sich der PKW Volvo im Kreuzungsbereich. Roswitha W* wollte an der Kreuzung von der Grasbergergasse aus Richtung Rennweg kommend nach links in die Leberstraße einbiegen. Zu diesem Zweck brachte sie ihr Fahrzeug zum Stillstand. Das Beklagtenfahrzeug näherte sich mit einer Geschwindigkeit von etwa 50 km/h dem PKW Volvo an. Der Lenker des Beklagtenfahrzeuges wollte am PKW Volvo links vorbeifahren und stieß dabei mit dem Beklagtenfahrzeug an die linke vordere Seite des PKWs Volvo, während dieser noch im Stillstand war, an. Durch diese Kollision wurde der PKW Volvo seitlich nach rechts versetzt. In welcher Größenordnung dieser Seitenversatz des PKW Volvo durch die Kollision mit dem Beklagtenfahrzeug erfolgte, war nicht feststellbar. Der Kläger näherte sich der Kreuzung mit einer Geschwindigkeit von etwa 40 km/h an. Er plante ursprünglich, am PKW Volvo rechts vorbeizufahren. Als er die Kollision des Beklagtenfahrzeuges mit dem PKW Volvo sah, führte er eine Vollbremsung durch. In der Folge fuhr das Klagsfahrzeug auf den PKW Volvo auf. Daß es zur Kollision zwischen dem Klagsfahrzeug und dem PKW Volvo und damit zum Frontschaden am Klagsfahrzeug kam, weil das Beklagtenfahrzeug an den PKW Volvo anfuhr und dieser dadurch in die Fahrlinie des Klägers geschleudert wurde, war nicht feststellbar. Am Klagsfahrzeug entstanden durch den Kontakt mit dem Beklagtenfahrzeug Kontaktspuren im linken Abschnitt der Heckstoßstange. Durch den Kontakt mit dem PKW Volvo entstanden am Klagsfahrzeug Schäden am linken vorderen Kotflügel und am Motordeckel sowie ein Bruch der linken Leuchteinheit.
In rechtlicher Hinsicht erwog das Erstgericht, dem Kläger sei es nicht gelungen, die Grundlage für eine schadenersatzrechtliche Forderung des Ersatzes des Frontschadens gegen die Beklagte, nämlich die Kausalität des der Beklagten zuzurechnenden Handelns des Lenkers des Beklagtenfahrzeuges zu beweisen. Dementsprechend wäre dem Kläger nur mehr der restliche noch offene Betrag für die Reparatur des Heckschadens zuzuerkennen gewesen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers teilweise Folge, sprach ihm S 59.900 sA zu, wies lediglich ein Zinsenmehrbegehren ab und erklärte die ordentliche Revision - im Hinblick auf das Fehlen höchstgerichtlicher Judikatur zu Verfolgungsschäden Privater - für zulässig. Es übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen und führte zur Rechtsrüge folgendes aus:
Rechtswidriges, schuldhaftes und für den Schaden kausales Verhalten verpflichte zum Schadenersatz. Zweifelsohne könne zunächst der noch streitverfangene Unfall zwischen dem Klagsfahrzeug und dem Fahrzeug der Zeugin W* im Sinne der Äquivalenztheorie dem Erstunfall zwischen dem Klagsfahrzeug und dem Beklagtenfahrzeug sowie der anschließenden Fahrerflucht des Andreas B* im Sinne einer conditio sine qua non zugerechnet werden. Nach der Lehre vom adäquaten Kausalzusammenhang bestehe die Haftung für alle zufälligen Folgen eines schuldhaften Handelns, mit deren Möglichkeit in abstracto gerechnet werden müßte. Als adäquat seien alle Ursachen anzusehen, die generell geeignet seien, den Schaden herbeizuführen. Dabei genüge es, daß die Eignung von jedem vernünftigen Menschen habe erkannt werden könne, wenn auch die Einzelfolge nicht gerade erkennbar gewesen sei. Die Haftung bestehe nicht nur dann, wenn die Handlung den eingetretenen Schaden unmittelbar verursacht habe; der Kausalzusammenhang liege vielmehr auch vor, wenn eine weitere Ursache für den eingetretenen Schaden hinzugetreten sei, falls dieses Hinzutreten nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge als wahrscheinlich zu erwarten gewesen sei. Daß der Schädiger den Schaden vorausgesehen habe oder daß er dies gekonnt hätte, werde jedoch nicht vorausgesetzt. Der Lenker des Beklagtenfahrzeuges habe nun unzweifelhaft zunächst einen Auffahrunfall mit Schadensfolge am Klagsfahrzeug verursacht und in weiterer Folge Fahrerflucht begangen. Er habe hiedurch schuldhaft gegen die Bestimmungen der StVO, insbesondere gegen § 4 StVO verstoßen und habe letztlich mit seiner Verfolgung durch den geschädigten Kläger rechnen müssen. Mit Rücksicht auf die Notwendigkeit der Feststellung der Identität des schadenstiftenden Fahrzeuglenkers, zumindest aber des Kennzeichens, sei der Kläger auch berechtigt gewesen, die Verfolgung aufzunehmen. Daß derartige Verfolgungshandlungen im Rahmen der Verhältnismäßigkeit grundsätzlich auch durch Private erfolgen könnten und damit nicht rechtswidrig seien, ergebe sich unmittelbar aus dem Gesetz (§ 344 ABGB; § 86 StPO). Im Interesse des Geschädigten liegende Verfolgungshandlungen seien damit zulässig, wenngleich mit der Maßgabe, damit keine unverhältnismäßigen Gefahren für Dritte zu schaffen. Werde die Verfolgung jedoch unverhältnismäßig, das sei der Fall, wenn das Interesse am Unterbleiben der Gefahren der Verfolgung höher sei als das Interesse am Erreichen des Zwecks der Verfolgung (einfacher Verfolgungsexzeß), so falle die Rechtfertigung wieder weg und die Verfolgung werde wieder rechtswidrig. Die vom Kläger aufgenommene Verfolgung des Lenkers des Beklagtenfahrzeuges sei nunmehr - unter Abwägung des Interesses des Geschädigten an der Identitätsfeststellung des Schädigers - mit durchaus angemessenen Mitteln erfolgt, zumal selbst nach den Feststellungen des Erstgerichtes offenbar die im Ortsgebiet zulässigen Geschwindigkeiten als auch die zur Ordnung und Sicherung des Verkehrs dienenden Einrichtungen (Ampel) beachtet worden seien. Daß sich aus dem kurzfristigen Befahren des Gehsteiges durch den Lenker des Beklagtenfahrzeuges eine konkrete Gefahrensituation für Dritte ergeben hätte, könne den Feststellungen nicht entnommen werden; im übrigen habe sich die Beklagte auf das Vorliegen eines Verfolgungsexzesses nicht berufen. Selbst wenn man ein Fehlverhalten des Klägers in der Aufrechterhaltung der Verfolgung annehmen wollte, könne dieses mit Rücksicht auf die in der konkreten Situation bestehende Notwendigkeit zu raschem Handeln gegenüber der vom Kläger zu vertretenden, von der Rechtsordnung verpönten Fahrerflucht vernachlässigt werden. Die Vorschrift des § 4 Abs 1 und 5 StVO diene ua dazu, unüberlegte und spontane Handlungen des Geschädigten zur Feststellung der Identität des Schädigers zu verhindern. Die dem Auffahrunfall folgende Fahrerflucht des Lenkers des Beklagtenfahrzeuges habe geradezu typische Handlungen des Geschädigten ausgelöst, die die zitierte Vorschrift verhindern wolle. Die dadurch auch geschaffene Gefahrenlage für den Verfolger und die damit zusammenhängenden diesem entstehenden Schäden seien damit dem Flüchtenden zuzurechnen.
Gegen diese Berufungsentscheidung richtet sich die Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das erstgerichtliche Urteil wiederherzustellen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die Rechtsmittelwerberin macht im wesentlichen geltend, es fehlten Feststellungen, ob und wann der Kläger das Kennzeichen des verfolgten Fluchtfahrzeuges habe ablesen können. Der Kläger hätte das Kennzeichen bereits lange vor dem Unfall ablesen können und seine Verfolgungshandlung abbrechen müssen. Die Frage der Angemessenheit und der Verhältnismäßigkeit sei aufgrund der getroffenen Feststellungen nicht klärbar. Der Kläger sei aus dem Gesetz (§ 86 StPO, §§ 344, 19 ABGB) nicht zur Verfolgungshandlung berechtigt gewesen. Die StVO als lex specialis enthalte keine positive Bestimmung, daß der betroffene Geschädigte den Fahrerflüchtigen verfolgen dürfe. Für die Entscheidung 8 Ob 3/87 (= SZ 60/105) sei maßgeblich gewesen, daß der verfolgende Sicherheitswachebeamte zur Verfolgung im Sinne des § 24 Abs 1 StPO nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet gewesen sei; argumentum e contrario sei der Private im Straßenverkehr nicht zu Verfolgungshandlungen berechtigt. Der Kläger habe die Behauptung, der Verfolgte habe durch die Primäkollision mit dem dritten Fahrzeug dieses in die Fahrlinie des Klagsfahrzeuges hineingestoßen, nicht nachweisen können. Ein fahrtechnisches Fehlverhalten des Verfolgenden könne dem Verfolgten aber grundsätzlich nicht als adäquate Handlung zugerechnet werden. Dieses Fehlverhalten des Verfolgenden sei aus der Sicht des Verfolgten als Unterbrechung des Kausalzusammenhanges anzusehen bzw sei ein Fehlen des Risikozusammenhanges anzunehmen. Ein Unfall des Verfolgten sei nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge nicht als wahrscheinlich zu erwarten gewesen, weil sich ein vernünftiger Mensch vorsichtig und angepaßt verhalten hätte. Der Kläger habe aber im Eifer des Gefechtes die nötige Aufmerksamkeit unterlassen und wäre auch ohne Primärkollision mit dem Zeugenfahrzeug kollidiert. Prüfe man den Rechtswidrigkeitszusammenhang, so sei der Kläger zur Verfolgung weder berechtigt noch verpflichtet gewesen und habe er die Verfolgung auf eigenes Schadensrisiko aufgenommen.
Hiezu wurde erwogen:
Mit der Frage der Haftung für sogenannte Verfolgungsschäden hat sich der Oberste Gerichtshof in 8 Ob 3/87 = SZ 60/105 = JBl 1987, 785 = ZVR 1988/67 befaßt. Er hat in dieser Entscheidung eine Haftung des verfolgten Autolenkers, der der Anhaltepflicht gemäß § 97 Abs 5 StVO nicht nachgekommen war, für die an einem Polizeiauto wegen einer Verfolgungsjagd entstandenen Schäden dem Grunde nach bejaht und auch ein Mitverschulden des verfolgenden Organs berücksichtigt. Eingeräumt wurde, daß der Schutzzweck der Vorschrift des § 97 Abs 5 StVO nicht unmittelbar darin liege, eine Beschädigung des verfolgenden Fahrzeuges zu vermeiden. Der Verfolgte habe aber durch seine von der Rechtsordnung verpönte Flucht eine eminente Gefahrenlage - ua für seine Verfolger - geschaffen und sei daher schon nach dem in der Rechtsprechung entwickelten Grundsatz, daß jeder, der eine Gefahrenquelle schaffe, die notwendigen Vorkehrungen zu treffen habe, um eine Schädigung anderer nach Tunlichkeit abzuwenden, verpflichtet gewesen, ein Verhalten zu setzen, durch das diese Gefahrenlage wieder beseitigt werde. Dies habe nur in der alsbaldigen Aufgabe seines Fluchtversuches bestehen können; dazu sei er jederzeit in der Lage gewesen. Solange er aber diese durch seine Flucht geschaffene Gefahrenlage für den Verfolger aufrechterhalten habe, habe er diese auch dem Schutz seines Verfolgers dienende Rechtspflicht verletzt und erscheine es daher sachlich gerechtfertigt, ihn auch mit der Haftung für einen Schaden am verfolgenden Kraftfahrzeug zu belasten.
In der Lehre hat sich Koziol, Haftpflichtrecht I2 61, 98 f, 158 f, 171 f, mit der Problematik von Verfolgungsschäden befaßt und insbesondere auf das Herausfordern der Verfolgung durch den Verfolgten, der eine besondere Gefahrensituation durch eine von der Rechtsordnung mißbilligte Verhaltensweise heraufbeschworen habe, die erforderliche Verhältnismäßigkeit zwischen den vom Verfolgenden eingegangenen Risken und den Zwecken der Verfolgung sowie auf die gebotene Interessensabwägung hingewiesen.
Nach Reischauer in Rummel 2 § 1295 ABGB Rz 10 stehen dem durch die Rechtsverletzung Beeinträchtigten entstehende Kosten im Rechtswidrigkeitszusammenhang mit der Rechtsverletzung. Daher seien auch die angemessenen Kosten erlaubter Selbsthilfe, zB einer rechtmäßigen Verfolgungsjagd zu ersetzen. Unfälle bei angemessenen Maßnahmen gingen zu Lasten des Verfolgten. Der Lösungsansatz in SZ 60/105 über das Ingerenzprinzip scheine aber nicht recht überzeugend.
Harrer in Schwimann § 1295 ABGB Rz 18 lehnt die Auffassung, es bestehe eine Haftung, wenn der Verfolgte die Verfolgung "herausgefordert" habe, ab, ohne eine andere Lösung anzubieten. Schließlich haben sich auch Wagner, Zur Haftung aus Verfolgungsjagden, JBl 1984, 525 (mit Darstellung der Entwicklung in Deutschland), und Lewisch, Strafrechtliche Haftung für Verfolgungsschäden? ZVR 1989, 161 (auch zum Zivilrecht), mit der Problematik auseinandergesetzt.
Im deutschen Rechtsbereich ist seit langem anerkannt, daß der flüchtende Schädiger grundsätzlich für einen Schaden haftet, den ein Verfolger bei der Verfolgung erleidet. Für die Zurechnung wird darauf abgestellt, ob der Verfolger durch die Flucht vorwerfbar zur Verfolgung herausgefordert wurde; die Verfolgung darf nicht unverhältnismäßig sein (BGH NJW 1964, 1363; 1990, 2885 mwN uva; Grunsky im Münchener Kommentar3 Vor § 249 BGB Rz 62 mwN; Rixecker in Geigel, Der Haftpflichtprozeß21 1 Rz 18).
Der vorliegende Fall unterscheidet sich nun von dem in SZ 60/105 entschiedenen insbesondere dadurch, daß damals die Verfolgung von einem Sicherheitswachebeamten, der hiezu nach öffentlich‑rechtlichen Vorschriften berechtigt und unter Umständen sogar verpflichtet war, im Zuge einer Einsatzfahrt aufgenommen wurde, während es sich hier um die Verfolgungsfahrt eines privaten Unfallsgeschädigten, der wegen Fahrerflucht des Unfallsgegners um die Durchsetzung seiner privatrechtlichen Schadenersatzansprüche bangte, handelt. Entgegen der Ansicht der Rechtsmittelwerberin läßt sich aus SZ 60/105 aber nicht e contrario ableiten, daß Verfolgungshandlungen Privater jedenfalls unberechtigt wären. Vielmehr kann eine solche Handlung in erlaubter Selbsthilfe erfolgen, falls - wie im vorliegenden Fahrerfluchtfall - staatliche Hilfe zu spät käme und die Grenzen der Selbsthilfe beachtet werden (Reischauer in Rummel 2 § 1295 ABGB Rz 10, § 19 ABGB Rz 16 ff). Soweit die Rechtsmittelwerberin meint, § 19 ABGB diene nur der Abwehr eines rechtswidrigen Zustandes und nicht der Sicherung von Schadenersatzansprüchen, ist ihr zu entgegnen, daß der rechtswidrige Zustand, den der Kläger ändern wollte, darin bestand, daß der Unfallsgegner unter Mißachtung der ihn nach einem Unfall treffenden Pflichten von der Unfallsstelle flüchtete, sodaß der Kläger nicht wußte, gegen wen Schadenersatzansprüche zu richten wären, und daß auch vorbeugende Maßnahmen zur Selbsthilfe zählen können (vgl Reischauer aaO § 19 ABGB Rz 16).
Auf das Argument, der Kläger hätte seine Verfolgungsfahrt abbrechen müssen, weil er schon vor dem (zweiten) Unfall das gegnerische KFZ‑Kennzeichen hätte ablesen können, ist nicht näher einzugehen, weil die Beklagte hiezu in erster Instanz kein entsprechendes Vorbringen erstattet hat. Es mag zwar sein, daß eine als erlaubte Selbsthilfe begonnene Verfolgungsfahrt während ihrer Dauer unangemessen werden kann, sodaß ihre Fortsetzung nicht mehr dem Verfolgten zugerechnet werden könnte. Für die Voraussetzungen einer Beseitigung des bestehenden Rechtes auf Selbsthilfe wäre aber die Beklagte behauptungs‑ und beweispflichtig gewesen (vgl Fasching, LB2 Rz 882; Reischauer aaO § 19 ABGB Rz 21). Es kann daher auf sich beruhen, ob eine Verfolgungsfahrt nach dem Ablesen (oder der Ablesbarkeit) des gegnerischen Kennzeichens abgebrochen werden müßte, obwohl - worauf der Kläger in der Revisionsbeantwortung hinweist - damit die Identität des Fahrzeuglenkers nicht festgestellt ist und die Möglichkeit einer unerlaubten Schwarzfahrt besteht, für deren Folgen der Halter und dessen Versicherer allenfalls nicht haften (§ 6 EKHG).
Was das von der Rechtsmittelwerberin ins Treffen geführte Fehlen des Rechtswidrigkeitszusammenhanges anlangt, ist davon auszugehen, daß der Fahrerflüchtige gegen die gesetzlichen Bestimmungen über das Verhalten nach einem Verkehrsunfall (§ 4 StVO) verstoßen hat. Diese Bestimmungen haben ua den Zweck, eine geordnete Schadensregelung zu ermöglichen. Wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, sollen damit auch unüberlegte und spontane Handlungen des Geschädigten zur Feststellung der Identität des Schädigers vermieden werden, so eben die mit weiteren Unfallsrisken verbundene Verfolgung eines fahrerflüchtigen unbekannten Unfallsgegners. Die Vermeidung hiebei eintretender Verfolgungsschäden ist daher vom Schutzzweck der Norm noch umfaßt; der Rechtswidrigkeitszusammenhang ist gegeben. Schon das Berufungsgericht hat weiters zutreffend darauf hingewiesen, daß ein Fahrerflüchtiger durchaus mit seiner Verfolgung durch den Geschädigten rechnen muß. Entgegen der Ansicht der Rechtsmittelwerberin ist ein (weiterer) Unfall des Verfolgers nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge keineswegs unwahrscheinlich.
Soweit sich die Rechtsmittelwerberin schließlich darauf beruft, der Verfolgungsschaden des Klägers wäre auf dessen Unaufmerksamkeit und fahrtechnisches Fehlverhalten zurückzuführen, geht sie nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Es konnte zwar nicht festgestellt werden, daß es zur Kollision zwischen dem PKW des Klägers und dem PKW Volvo gekommen ist, weil das verfolgte Fahrzeug an den PKW Volvo anfuhr und diesen in die Fahrlinie des Klägers schleuderte; auch den Anscheinsbeweis hat das Berufungsgericht trotz des festgestellten, durch die Kollision mit dem verfolgten Fahrzeug herbeigeführten seitlichen Versatzes des PKWs Volvo als zumindest entkräftet angesehen. Da aber auch keine andere Unfallsursache, etwa aufgrund eines Fehlverhaltens des Klägers, festgestellt wurde, ist der zweite Unfall des Klägers unaufgeklärt geblieben. Dies geht zu Lasten der Beklagten, weil diese die Beweislast für ein Mitverschulden des Klägers - wie es auch bei Verfolgungsschäden denkbar wäre (vgl SZ 60/105) - trifft (Reischauer aaO § 1304 ABGB Rz 10 mwN).
Das Berufungsgericht hat den Schadenersatzanspruch des Klägers somit zutreffend als berechtigt erkannt, weshalb der Revision der Beklagten ein Erfolg zu versagen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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