OGH 2Ob32/95

OGH2Ob32/955.9.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Karoline W*****, 2. Johann W*****, 3. Gottfried W*****, vertreten durch Dr.Rudolf Tobler ua Rechtsanwälte in Neusiedl am See, wider die beklagte Partei Verband der Versicherungsunternehmungen Österreichs, Schwarzenbergplatz, 1010 Wien, vertreten durch Dr.Harald Beck und Dr.Klaus Dörnhöfer, Rechtsanwälte in Eisenstadt, wegen S 995.499,99 sA, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 23.Februar 1995, GZ 15 R 238/94-10, womit das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt vom 19.Oktober 1994, GZ 3 Cg 160/94k-6, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Am 14.10.1987 ereignete sich in Parndorf auf der B 10 ein Verkehrsunfall, an welchem Athanasios M***** als Lenker eines in Deutschland zugelassenen PKWs und Johann W***** als Fußgänger beteiligt waren.

Das Alleinverschulden des PKW-Lenkers ist unstrittig. Ein ursprünglich von der W***** als den Schaden regulierende Anstalt erhobener Mitverschuldenseinwand wurde bereits vor Einbringung der Klage fallengelassen.

Johann W***** erlitt durch den Unfall einen Schockzustand, ein Schädelhirntrauma mit Gehirnerschütterung und Rißquetschwunden an der Nase sowie Zahnverletzungen, weiters einen komplizierten Verrenkungsbruch des Beckens mit Schambeinfugenzerreißung und Harnröhrenriß, einen zweitgradigen offenen Unterschenkelbruch rechts, einen Kniescheibenbruch links mit instabilem Kniegelenk links durch Brandverletzung und Wadennervenlähmung links sowie eine Rißquetschwunde am linken Kniegelenk.

Die Ansprüche des Johann W***** wurden von dessen seinerzeitigem Rechtsvertreter Rechtsanwalt Dr.Walter N***** gegen die W***** Versicherung als die für die beklagte Partei regulierende Anstalt geltend gemacht und mit ca S 3,000.000 beziffert. Die W***** Versicherung leistete Akontozahlungen in der Höhe von S 1,000.000 unter ausdrücklicher Anerkennung der Haftung. Am 30.11.1990 fand bei der W***** eine Besprechung zwischen ihrem Mitarbeiter, Karl Z***** und Dr.N***** statt, bei der die Ansprüche des Johann W***** erörtert wurden.

Mit der am 9.6.1994 eingebrachten Klage begehren die Kläger als eingeantwortete Erben nach Johann W***** zuletzt je S 331.833,33 samt 6 % Zinsen seit dem 1.5.1991 für Schmerzengeld, Spitalkosten, Zahnersatz, Fahrtspesen, Besuchsfahrten und Trinkgelder, Pflegeaufwand, Verdienstentgang sowie Auslagen für Ersatzkräfte im Fleischereibetrieb des mittlerweile Verstorbenen unter Berücksichtigung der geleisteten Teilzahlung der Versicherung. Die Ansprüche seien der von der beklagten Partei beauftragten Versicherungsanstalt detailliert und aufgeschlüsselt zuletzt in der Besprechung vom 30.11.1990 bekanntgegeben worden. Bis zu dem Zeitpunkt seien auch Vergleichsverhandlungen geführt worden. Die beklagte Partei habe zu den geltend gemachten Schadenersatzansprüchen überhaupt keine schriftliche Stellungnahme abgegeben. Die Vergleichsgespräche seien nicht ergebnislos geblieben, vielmehr habe der Sachbearbeiter der W***** zu den geltend gemachten Ansprüchen Stellung genommen, einzelne anerkannt und hinsichtlich anderer ein Angebot erstellt bzw angekündigt, noch Rücksprache mit der Generaldirektion halten zu müssen. Die Vergleichsverhandlungen seien auch nie abgebrochen worden. Der Sachbearbeiter der Versicherung habe aufgrund telefonischer Urgenzen stets eine Erledigung durch Unterbreitung von Abfindungsangeboten zugesichert, wobei insbesondere die Forderungen für Spitalskosten, erhöhten Pflegeaufwand im Familienverband, Aushilfskräfte im Fleischereibetrieb anerkannt und hinsichtlich der Kosten für Aushilfskräfte in der Landwirtschaft eine Einigung über eine Pauschalentschädigung am 30.11.1990 erzielt worden sei. Im hinhaltenden Verhalten der den Schaden regelnden Versicherung sei ein Verzicht auf die Verjährungseinrede zu erblicken.

Die beklagte Partei bestritt das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach und wendete Verjährung der Forderung ein. Das Vergleichsgespräch am 30.11.1990 sei ergebnislos geblieben und auch nicht fortgesetzt worden. Da seit Abbruch der Vergleichsgespräche bis zur Einbringung der gegenständlichen Klage mehr als dreieinhalb Jahre vergangen seien, seien die Forderungen verjährt. Es sei weder ein Verjährungsverzicht noch die Anerkennung von Ansprüchen erfolgt. Sollte ein Anerkenntnis abgegeben worden sein, sei dies ebenfalls verjährt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Es ging von nachstehenden wesentlichen Feststellungen aus:

Am 14.6.1989 richtete der Rechtsfreund des Geschädigten ein Schreiben an die von der beklagten Partei mit der Liquidierung des gegenständlichen Schadensfalles beauftragte W***** Versicherungs AG. Darin verwies er auf die Vorkorrespondenz und forderte die Versicherung unter Anschluß der anspruchsbegründenden Unterlagen auf, sobald wie möglich eine meritorische Stellungnahme zu den im einzelnen aufgeschlüsselten Forderungen abzugeben. Nachdem er darauf keine Antwort erhielt, urgierte er telefonisch. Ende Juli bzw Anfang August 1989 erschien der zuständige Versicherungsreferent der Landesdirektion Eisenstadt in der Kanzlei des Rechtsanwaltes. Er entschuldigte die lange Nichtreaktion damit, daß es sich bei dem Akt um einen sogenannten "Direktionsakt" handle, bei dem wegen der Höhe der Forderung eine Stellungnahme der Generaldirektion in Wien erforderlich sei. In der anschließenden Besprechung des Anspruchsschreibens vom 14.6.1989 akzeptierte der Referent namens der Versicherung einige namhafte Positionen in voller Höhe. Hinsichtlich Verdienstentgang bzw der Kosten für Ersatzarbeitskräfte erfolgte keine Einigung. Aber auch sonst gab der Rechtsanwalt bei dieser Besprechung keine zustimmende Stellungnahme für seine Mandantin ab, sondern behielt sich diese vor.

Am 25.1.1990 fand eine "Befundaufnahme" mehrerer Herren der Landesdirektion Eisenstadt statt, wobei diesen alle gewünschten Unterlagen ausgefolgt wurden. Da bis zum 9.7.1990 keine weitere Tätigkeit der W***** erfolgte, richtete der Rechtsvertreter des Geschädigten an diesem Tag ein Schreiben an den Generaldirektor der W***** Versicherung, in dem er ersuchte, für Abhilfe zu sorgen. Daraufhin erschien am 28.8.1990 der Versicherungsreferent beim Rechtsvertreter des Geschädigten und erstattete Vorschläge für eine Teilliquidation. Dabei wurde das zu diesem Zeitpunkt bereits akute Problem der Verjährung der Schadenersatzforderung (Unfallszeitpunkt 14.10.1987) insoweit besprochen, als man davon ausging, daß durch die laufenden Akontierungen sowie die laufend stattfindenden Vergleichsgespräche die Verjährung gehemmt sei. Der Versicherungsreferent erklärte ausdrücklich, daß er jede notwendige und zielführend erscheinende Erklärung zusätzlich zu der auch von ihm geteilten Meinung abgeben könne, daß auf die Einrede der Verjährung verzichtet werde. Es konnte aber nicht festgestellt werden, daß eine derartige Erklärung ausdrücklich abgegeben wurde. Bei dieser Besprechung ging der Versicherungsreferent noch von einem Mitverschuldenseinwand aus und hielt diesen aufrecht. Der Rechtsvertreter verwies auf das im Strafverfahren erstattete Gutachten des Kfz-Sachverständigen, wonach der PKW-Lenker im Ortsgebiet eine Bremsausgangsgeschwindigkeit von 100 km/h eingehalten habe und kündigte an, daß es hinsichtlich des Verschuldens kein Nachgeben durch den Geschädigten geben werde. Der Rechtsanwalt vereinbarte mit dem Versicherungsreferenten, daß dieser entsprechende Weisungen der Generaldirektion einholen werde.

Am 30.11.1990 fand eine neuerliche Besprechung zwischen dem Versicherungsreferenten und dem Rechtsanwalt statt, bei der abermals die Höhe der geltend gemachten Beträge erörtert wurde. Eine endgültige Einigung wurde auch dabei nicht erzielt, so daß es am 20.12.1990 zu einer neuerlichen Konferenz kam. Bei diesen beiden Besprechungen hatte die W***** Versicherung ihren Mitverschuldenseinwand bereits fallengelassen. Beide Gesprächspartner gingen vom Alleinverschulden des Unfallsgegners und der Haftung der Versicherung für die geltend gemachten Ansprüche dem Grunde nach aus. Es konnte nicht festgestellt werden, daß bei diesen Besprechungen auf den Einwand der Verjährung seitens der Versicherung verzichtet wurde. Der Rechtsanwalt verstarb nach der Besprechung vom 20.12.1990 noch im selben Jahr. Am 9.6.1991 verstarb auch der Geschädigte. Daraufhin beauftragten die Kläger den nunmehrigen Klagevertreter mit ihrer weiteren Vertretung. Dieser gab der W***** Versicherung seine Vollmacht mit Schreiben vom 22.7.1991 bekannt und forderte die W***** auf, ihm ihre grundsätzliche Stellungnahme zugehen zu lassen. Kurz darauf fand ein Telefonat zwischen dem Klagevertreter und dem Versicherungsreferenten statt, in dem davon gesprochen wurde, "daß etwas weiter geschehen solle". Konkrete Vereinbarungen wurden jedoch nicht getroffen. Der Versicherungsreferent vertröstete den Klagevertreter damit, daß er "zusagte", daß er ein "Vergleichsanbot über die Restforderung" erstatten werde. In der Folge reagierte der Versicherungsreferent jedoch nicht weiter auf die Vollmachtsbekanntgabe und das Telefonat mit dem Klagevertreter. Bis zum 31.3.1993 wurden weder Gespräche noch Schriftverkehr zwischen den Streitteilen geführt. An diesem Tag urgierte der Klagevertreter vorerst schriftlich, und als darauf eine Reaktion ausblieb, telefonisch eine Stellungnahme. Der Versicherungsreferent teilte dem Klagevertreter dabei mit, daß für ihn die Angelegenheit schon längst abgeschlossen sei, es jedoch keine Abfindungserklärungen gebe. Er ersuchte um Übermittlung von Fotokopien der Briefe aus dem Jahre 1991 und 1993 und sagte zu, dann mitzuteilen, was bereits ausbezahlt worden sei. Daraufhin übermittelte der Klagevertreter dem Versicherungsreferenten am 28.5.1993 seine beiden Schreiben vom 22.7.1991 und 1.3.1993. Am 7.7.1993 urgierte der Klagevertreter neuerlich beim Versicherungsreferenten. Dieser erklärte, daß sich der Akt vermutlich in Eisenstadt befinde und versprach, sich der Sache anzunehmen. Er sagte weiters zu, sich in nächster Zeit wieder zu melden. Am 6.8.1993 urgierte der Klagevertreter abermals schriftlich eine meritorische Stellungnahme zu den bereits von Dr.N***** präzisierten bzw in der Konferenz vom 30.11.1990 besprochenen Ansprüche. Er übermittelte, da er bei den telefonischen Urgenzen erfahren hatte, daß der Akt nicht auffindbar sei, Kopien seines Handaktes an die W***** Versicherung. Als er wiederum keine Antwort erhielt, richtete am 2.3.1994 ein weiteres Schreiben an die W***** und ersuchte unter Bezugnahme auf seinen Brief vom 6.8.1993 um dessen Beantwortung binnen zwei Wochen. Seitens der Versicherung erfolgte abermals keine Reaktion. Eine schriftliche Ablehnung der mit Schreiben vom 14.6.1989 geltend gemachten Forderungen seitens der W***** ist "bislang" nicht erfolgt. Der genaue Zeitpunkt der geleisteten Akontozahlungen kann nicht festgestellt werden.

Rechtlich erörterte das Erstgericht, daß die in der Klage geltend gemachten Ansprüche nach § 1489 ABGB verjährt seien und § 23 Abs 2 KHVG nicht anwendbar sei, weil die Ansprüche zwar ziffernmäßig bestimmt geltend gemacht, jedoch niemals abgelehnt worden seien. Es seien diverse Vergleichsgespräche geführt worden, in denen die Streitteile davon ausgegangen seien, daß die Versicherung für die Schäden aufzukommen habe. Aus dem Gesamtverhalten der Versicherung sei zu schließen, daß sie die Forderungen dem Grunde nach anerkenne. Zwar bewirke auch ein Anerkenntnis dem Grunde nach nach § 1479 ABGB eine Unterbrechung der Verjährung. Da die Klage erst am 9.6.1994 bei Gericht eingelangt sei, sei auch die durch die Unterbrechung bewirkte neuerliche Verjährungsfrist abgelaufen, weil das letzte diesbezügliche Gespräch zwischen Z***** und Dr.N***** im Dezember 1990 stattgefunden habe. Der Einwand der Arglist durch das behauptete hinhaltende Verhalten der beklagten Partei sei nicht überzeugend, weil die Kläger auf die Schreiben ihres Rechtsvertreters in den Jahren 1991 und 1993 vom Versicherungsreferenten nur die Auskunft erhalten hätten, daß für ihn die Sache bereits erledigt sei bzw daß er sich nach Beischaffung des Schadensaktes wieder melden werde. Daraus habe keineswegs der Schluß gezogen werden können, daß die Beklagte auf eine Erhebung des Verjährungseinwandes verzichtet.

Das Berufungsgericht hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück.

Es legte in rechtlicher Hinsicht dar, daß nach neuerer Rechtsprechung Vergleichsgespräche einen Hemmungsgrund eigener Art darstellten und dann eine Hemmung des Ablaufs der Verjährungsfrist bewirkten, wenn die Klage innerhalb angemessener Frist eingebracht worden sei. Die Vergleichsverhandlungen seien spätestens mit dem zwischen dem Schreiben des Klagevertreters am 1.3.1993 und 28.5.1993 erfolgten Telefonat, also mehr als ein Jahr vor Klagseinbringung als gescheitert anzusehen. Die Klage sei daher nicht innerhalb angemessener Frist nach Ende der Vergleichsgespräche eingebracht worden. Auch die Replik der Kläger, die Einwendung der Verjährung verstoße gegen Treu und Glauben, versagte, weil aus dem Verhalten der Versicherungsanstalt objektiv kein Schluß gezogen werden könne, sie werde in Hinkunft auf die Einrede der Verjährung verzichten. Die Klage sei insgesamt nach Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist eingebracht worden.

Dennoch sei das Klagebegehren im Hinblick auf die Bestimmung des § 23 Abs 2 KHVG nicht verjährt. Nach dieser sei die Verjährung des Schadenersatzanspruches des geschädigten Dritten bis zur Zustellung einer schriftlichen Erklärung des Versicherers, daß er den Schadenersatzanspruch ablehne, unter der Voraussetzung gehemmt, daß der Schadenersatzanspruch dem Versicherer gemeldet worden sei. Die Hemmung nach dieser Gesetzesstelle sei eine Fortlaufhemmung, während Vergleichsgespräche nur eine Ablaufhemmung bewirkten, so daß schon wegen dieser unterschiedlichen Rechtsfolgen streng unterschieden werden müsse. Voraussetzung für die in § 23 Abs 2 KFG normierte Fortlaufhemmung sei lediglich die ziffernmäßig bestimmte Geltendmachung der Ansprüche des geschädigten Dritten und das Unterbleiben einer schriftlichen Ablehnung des Versicherers. Schon im Hinblick auf die Rechtssicherheit sei es bei einer derartigen Ablehnung erforderlich, daß eindeutig eine endgültige Bescheidung gewollt sei. Es werde daher in der deutschen Rechtsprechung die Auffassung vertreten, daß ein Vergleichsanbot nicht ausreichend sei, um die fortlaufhemmende Wirkung zu beseitigen. Der Anspruchsteller, der mit der Versicherung Vergleichsgespräche führe, sei damit nach den erwähnten versicherungsrechtlichen Bestimmungen insoweit bevorzugt, als die Verjährung seiner Ansprüche bis zum Zeitpunkt einer schriftlichen Ablehnung durch den Versicherer in ihrem Fortlauf und nicht nur hinsichtlich des Ablaufes gehemmt werde. Der Klageanspruch sei nicht verjährt, weil eine schriftliche Ablehnung der ziffernmäßig bestimmt erhobenen Ansprüche der Kläger zum Zeitpunkt der Einbringung der gegenständlichen Klage noch nicht erfolgt gewesen sei. Das Erstgericht werde im weiteren Verfahren die Sachverhaltsgrundlagen der geltend gemachten Schadenersatzansprüche festzustellen haben.

Das Berufungsgericht ließ den ordentlichen Rekurs zu, weil es mit seiner Entscheidung von der Rechtsprechung (ZVR 1976/51 und ZVR 1986/111), wonach die Bestimmung des § 23 Abs 2 KHVG nicht auf die Führung von Vergleichsverhandlungen anzuwenden sei, abgewichen sei.

Dagegen richtet sich der Rekurs der beklagten Partei mit dem Antrag auf Abänderung der angefochtenen Entscheidung dahingehend, daß das Ersturteil wieder hergestellt werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Kläger beantragen, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Das Berufungsgericht hat zunächst zutreffend darauf verwiesen, daß nach der nunmehrigen Rechtsprechung Vergleichsverhandlungen bis zum Ablauf der Verjährungsfrist einen Hemmungsgrund eigener Art bewirken. Es handelt sich dabei nicht um eine Fortlaufshemmung, sondern um eine Ablaufshemmung; es wird daher nicht der Lauf der begonnenen Verjährungsfrist an sich gehemmt, sondern nur das "Zuendegehen". Werden daher Vergleichsverhandlungen bis an das Ende der Verjährungszeit oder darüber hinaus geführt, wird der Ablauf der Verjährungsfrist hinausgeschoben. Verjährung tritt dann nicht ein, wenn nach Abbruch der Vergleichsverhandlungen unverzüglich (das heißt innerhalb angemessener Frist) die Klage eingebracht wird (Schubert in Rummel2 Rz 2 zu § 1501, SZ 58/58 JBl 1989, 460; ZVR 1990/51).

Da nach den Feststellungen die Vergleichsgespräche mindestens ein Jahr vor Klagseinbringung abgebrochen wurden, wäre das Klagebegehren unter diesem Gesichtspunkt tatsächlich verjährt.

Dem Berufungsgericht ist aber darin beizustimmen, daß die Bestimmung des § 23 Abs 2 KHVG 1987 (nunmehr § 27 Abs 2 KHVG 1994) die Ansprüche geschädigter Dritter gegenüber Versicherern aus der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung, soweit es die Verjährung dieser Ansprüche betrifft, privilegiert. Bei der Hemmungsbestimmung des § 23 Abs 2 KHVG (nunmehr § 27 Abs 2 KHVG), die der Bestimmung des § 12 Abs 2 VersVG nachgebildet ist, handelt es sich um die Regelung einer Fortlaufshemmung in der Weise, daß nach dem Fortfall des Hemmungsgrundes die bei Eintritt des Hemmungsgrundes (der Anspruchsanmeldung) noch nicht abgelaufenen Teile der Verjährungszeit abzulaufen haben, um die Verjährung herbeizuführen (vgl ZVR 1976/291, Messiner in ZVR 1989, 133 ff 7 Ob 1023/94). Durch die in beiden Bestimmungen (§ 12 Abs 2 VersVG bzw § 23 Abs 2 KHVG) bestimmte Hemmung der Verjährung bis zu einer Entscheidung des Versicherers soll verhindert werden, daß der Versicherungsnehmer gezwungen wird, eine Klage vorsichtsweise, nur zum Zweck der Verjährungsunterbrechung, einzubringen (Schauer Das österreichische Versicherungsvertragsrecht3, 206; SZ 33/90). Ohne Entscheidung des Versicherers ist der Anspruch jedenfalls nach zehn Jahren verjährt.

Unbestritten ist, daß bis zur Klagseinbringung eine schriftliche Ablehnung des geltend gemachten Anspruches durch die Versicherung nicht erfolgte und die Klage auch innerhalb des zehnjährigen Verjährungszeitraums des § 23 Abs 1 letzter Satz KHVG eingebracht wurde. Die Verjährung der geltend gemachten Ansprüche ist daher noch nicht eingetreten, zumal die übrigen Voraussetzungen (ziffernmäßige Geltendmachung der Schadenersatzansprüche des Geschädigten dem Versicherer gegenüber ZVR 1991/72 mwN) vorliegen und jedenfalls bis zur Klagseinbringung die geforderte schriftliche Entscheidung nicht vorlag (vgl dazu Prölss/Martin VersVG25 1366 zum inhaltsgleichen § 3 Nr 3 dPflVersG).

Dies bedeutet zusammenfassend, daß bis zum Vorliegen eines schriftlichen Ablehnungsschreibens im Sinn des § 23 KHVG 1987 innerhalb der normierten absoluten zehnjährigen Verjährungsfrist der Fortlauf der Verjährungsfrist im Sinne einer Fortlaufshemmung jedenfalls gehemmt ist, unabhängig davon, ob bis zum Vorliegen des Ablehnungsschreibens Vergleichsgespräche geführt wurden oder nicht. Diese Entscheidung steht auch mit der Entscheidung ZVR 1976/51 nicht in Widerspruch. Bei dem dort vorliegenden Sachverhalt kam eine Berufung auf den damals geltenden § 63 Abs 2 KVG schon deshalb nicht in Frage, weil eine ziffernmäßige Geltendmachung der angeblichen Schäden vor Klagseinbringung nie erfolgte. Soweit aus der Entscheidung ZVR 1986/111 Gegenteiliges hervorgehen könnte, kann dies nicht mehr aufrechterhalten werden. Zu berücksichtigen ist, daß derjenige, der in Vergleichsverhandlungen mit einer Versicherung steht, hinsichtlich der Verjährungsfrage wohl nicht schlechter gestellt werden kann als derjenige, der innerhalb der absoluten zehnjährigen Verjährungsfrist überhaupt untätig bleibt.

Dem Rekurs war daher ein Erfolg zu versagen. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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