OGH 3Ob214/60

OGH3Ob214/609.9.1960

SZ 33/90

Normen

Eisenbahn- und Kraftfahrzeug-Haftpflichtgesetz §5
Versicherungsvertragsgesetz 1958 §154
Eisenbahn- und Kraftfahrzeug-Haftpflichtgesetz §5
Versicherungsvertragsgesetz 1958 §154

 

Spruch:

Die Verjährung des Anspruches des Dritten bei der Haftpflichtversicherung gegen den Versicherer beginnt mit der Fälligkeit dieses Anspruches, d. i. nach § 154 Abs. 1 VersVG. 1958 zwei Wochen nach Rechtskraft des Urteils gegen den Versicherungsnehmer.

Der Vermieter bleibt in der Regel Halter des Kraftfahrzeuges.

Entscheidung vom 9. September 1960, 3 Ob 214/60.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:

Oberlandesgericht Graz.

Text

Der Maurer Johann S. kam am 22. September 1956 bei einem Traktorunfall als Beifahrer ums Leben. Adalbert A. wurde als Lenker und Franz H. als Halter des Traktors mit dem in zweiter und dritter Instanz bestätigten Urteil des Kreisgerichtes Leoben vom 15. November 1958 auf Grund der am 19. April 1957 eingebrachten Klage zum Schadenersatz in Geldbeträgen und Renten an die Witwe Maria S. und die beiden mj. Kinder Johann und Adalbert S. verurteilt. Dabei wurde festgestellt, daß die beiden Beklagten zur ungeteilten Hand auch für alle in Zukunft den Klägern erwachsenen Schäden ersatzpflichtig sind. Die Annahme eines Mitverschuldens des Verunglückten wurde in allen drei Instanzen abgelehnt.

Gemäß dem weiteren Akt des Kreisgerichtes Leoben 4 Cg 147/59 wurden über die am 10. April 1959 von der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter eingebrachte Klage Adalbert A. als Lenker und Franz H. als Halter des Traktors mit Versäumungsurteil vom 3. Juni 1959 zur ungeteilten Hand verurteilt, kraft dieses Feststellungserkenntnisses für die Pflichtaufwendungen an die Hinterbliebenen des Johann S. aus Anlaß seines tödlichen Unfalls vom 22. September 1956 insoweit Regreß zu leisten, als im Ersatzanspruch dieser Hinterbliebenen aus § 1327 ABGB. gegenüber den Beklagten ein übergangsfähiger kongruenter Deckungsfonds vorhanden sei, ferner den Betrag von 23.299 S 80 g s. A. zu zahlen.

Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Leoben vom 20. Juli 1959, 5 E 4708/59-1, wurde der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter auf Grund des vorbezeichneten Versäumungsurteiles zur Hereinbringung der Forderung von 23.299 S 80 g s. A. gegen Adalbert A. und Franz H. die Exekution durch Pfändung des den Verpflichteten aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag zwischen Franz H. und der E.- Versicherungsgesellschaft zustehenden Anspruches auf versicherungsmäßige Deckung des betriebenen Anspruches, allenfalls des vom Gesetzgeber gemäß § 158c VersVG. 1958 fingierten Deckungsanspruches aus diesem Pflichtversicherungsvertrag, und die Überweisung des gepfändeten Anspruches zur Einziehung bis zur Höhe der betriebenen Forderung samt Nebengebühren bewilligt.

Am 10. August 1959 brachte die Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter die vorliegende Drittschuldnerklage gegen die E.- Versicherungsgesellschaft auf Zahlung des Betrages von 23.299 S 80 g s. A. ein, wobei sie sich auf die negative Äußerung des Drittschuldners berief, der seine Deckungsablehnung auch damit begrunde, daß der Versicherungsnehmer die ihm gesetzte Frist, wider den Deckungseinwand Klage zu erheben, fruchtlos habe verstreichen lassen, so daß die beklagte Partei nicht mehr leistungspflichtig sei.

Bei der Streitverhandlung vom 20. Oktober 1959 wurde außer Streit gestellt, daß die beklagte Partei vom Verfahren 4 Cg 147/59 des Kreisgerichtes Leoben nicht verständigt wurde.

Das Erstgericht gab der Klage statt.

Das Berufungsgericht wies die Klage ab. Es nahm zwar entgegen den Berufungsausführungen gleich dem Erstgericht die Haltereigenschaft des Franz H. an dem Traktor als gegeben an, doch sei die von der beklagten Partei erhobene Verjährungseinrede gegen die am 10. August 1959 eingebrachte Klage gegeben, weil die Schadensmeldung über den Unfall vom 22. September 1956 am 23. September 1956 erstattet worden sei und daher noch in diesem Jahr der Schadenersatzanspruch aus dem Versicherungsvertrag hätte geltend gemacht werden können. Die klagende Partei habe die tatsächlichen Behauptungen der beklagten Partei gar nicht bestritten und ihrerseits Gegenbehauptungen über eine allfällige Hemmung der Verjährung oder einen späteren Beginn der Verjährungszeit nicht aufgestellt. Es erübrige sich auch, auf die weiteren in der Berufung aufgeworfenen Fragen einzugehen, ob die beklagte Partei auch aus einem anderen Grund im vorliegenden Fall leistungsfrei gewesen wäre.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei Folge, hob das Urteil des Berufungsgerichtes auf und verwies die Rechtssache an das Berufungsgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Mit Recht weist die klagende Partei zunächst darauf hin, daß das Berufungsgericht das für die Verjährungseinrede maßgebende Vorbringen der beklagten Partei nicht vollständig berücksichtigt hat. Die beklagte Partei hat in der Klagebeantwortung ausgeführt, daß sie als in Anspruch genommene Haftpflichtversicherungsanstalt nach der Erstattung der Schadensmeldung vom 23. September 1956 und nach Abschluß ihrer internen Erhebungen mit Schreiben vom 12. Jänner 1957 die Behandlung des Schadensfalles mangels Deckung abgelehnt und auf die Klagefrist von 6 Monaten gemäß § 12 Abs. 3 VersVG. 1958, § 8 AKB. hingewiesen hat. Darin liegt, im Zusammenhang mit der im Schriftsatz vom 15. Oktober 1959 erhobenen Einrede der Verjährung nach § 12 Abs. 1 VersVG. 1958, ein tatsächliches Zugeständnis, dem rechtliche Bedeutung zukommt. Gemäß § 266 Abs. 1 ZPO. ist zur Wirksamkeit eines gerichtlichen Tatsachengeständnisses dessen Annahme durch den Gegner nicht erforderlich. Wie Albert Ehrenzweig (Deutsches (österreichisches) Versicherungsvertragsrecht, S. 184) zutreffend ausführt, soll durch die neue Bestimmung des § 12 Abs. 2 VersVG. (dem § 19 Abs. 2 des österreichischen Gesetzes folgend) einer zögerlichen Behandlung und bloßen Verjährungsunterbrechungsprozessen vorgebeugt werden. Unter Anmeldung gemäß § 12 Abs. 2 VersVG. 1958 ist auch die Schadensmeldung zu verstehen, unter schriftlicher Entscheidung die abschließende Stellung zur Entschädigungspflicht (Albert Ehrenzweig a. a. O.; Prölß, VersVG., 11. Aufl. S. 91 ff. Anm. 4, 5 zu § 12). Es ist davon auszugehen, daß im vorliegenden Fall jedenfalls vom 23. September 1956 bis zum Eingang des Schreibens der beklagten Partei vom 12. Jänner 1957 der Lauf der zweijährigen Verjährungsfrist gemäß § 12 Abs. 1 VersVG. 1958 für den Versicherungsnehmer gehemmt war.

Im vorliegenden Fall handelt es sich aber um den Anspruch des Dritten bei der Haftpflichtversicherung gegen den Versicherer, nachdem der Anspruch des Dritten gegen den Versicherungsnehmer mit Versäumungsurteil vom 3. Juni 1959 festgestellt wurde. In diesem Fall hat gemäß § 154 Abs. 1 VersVG. 1958 der Versicherer die Entschädigung binnen zwei Wochen nach Rechtskraft des Urteils zu leisten. Damit ist also erst die Fälligkeit des Anspruches des Dritten gegen den Versicherer gegeben. Nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen beginnt, von besonderen Ausnahmefällen abgesehen, die Verjährung nicht vor der Fälligkeit bzw. der objektiven Möglichkeit, zu klagen (Ehrenzweig 2. Aufl. I/1 S. 306; Klang 2. Aufl. VI 600; ähnlich Palandt, BGB., 19. Aufl. S. 148). Bei der Bestimmung des § 154 Abs. 1 VersVG. 1958 handelt es sich gegenüber der allgemeinen Vorschrift des § 11 VersVG. 1958 über die Fälligkeit der Geldleistung des Versicherers nach Beendigung der notwendigen Erhebungen über den Versicherungsfall um eine Sonderbestimmung zugunsten des Dritten, so daß diese Sonderbestimmung und nicht die allgemeine Bestimmung über die Fälligkeit und damit den Verjährungsbeginn (§ 12 VersVG. 1958) anzuwenden ist. Es braucht daher im vorliegenden Fall auf die Frage der Wirkung der Hemmung der Verjährung nach § 12 VersVG. 1958 in der Zeit zwischen der Schadensanmeldung vom 23. September 1956 und der Ablehnung durch den Versicherer mit dem Schreiben vom 12. Jänner 1957 nicht weiter eingegangen zu werden. Der Verjährungseinrede der beklagten Partei kann daher entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes nicht stattgegeben werden.

Im übrigen hat sich das Berufungsgericht nur noch mit der Frage der Haltereigenschaft des Versicherungsnehmers Franz H. befaßt und diese, wie bereits ausgeführt, ebenso wie das Erstgericht bejaht, was zwar nicht in der Revision der klagenden Partei, dagegen in der Revisionsbeantwortung der beklagten Partei bekämpft wird. Infolge der Ausführung des Revisionsgrundes der unrichtigen rechtlichen Beurteilung hatte der Oberste Gerichtshof auch zu dieser Frage Stellung zu nehmen.

Das Berufungsgericht hielt sich im Rahmen der herrschenden Rechtsprechung (ZVR. 1958 Nr. 181, SZ. XXV 208), wenn es die Haltereigenschaft an einem Kraftfahrzeug auf den Gebrauch für eigene Rechnung (Nutzung bei Tragung der Kosten der Unterbringung, Instandhaltung, Bedienung und der Betriebsmittel) und den Besitz der entsprechenden Verfügungsgewalt (Bestimmung über die Verwendung des Kraftfahrzeuges nach Ort und Zeit während der Dauer des Gebrauches) abstellte. Ebenso bleibt im Sinne der vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung ZVR. 1957 Nr. 246 der Vermieter eines Kraftfahrzeuges regelmäßig Halter, insbesondere dann, wenn er das Kraftfahrzeug, z. B. als Inhaber einer Autoleihanstalt, für eine verhältnismäßig kurze Zeit einem Dritten entgeltlich überläßt.

Es können aber unter Umständen auch mehrere Personen, also auch Vermieter und Mieter, als Halter angesehen werden. In solchen Fällen ist bei jedem der Beteiligten zu prüfen, ob bei Würdigung seiner rechtlichen und wirtschaftlichen Beziehungen zum Betrieb des Fahrzeuges die Merkmale, die für die Haltereigenschaft wesentlich sind, bei ihm in so großer Zahl und so stark gegeben sind, daß seine Belastung mit der Haftung für Betriebsunfälle dem Wesen der gesetzlichen Haftpflicht des Halters entspricht (BGH. in VersR. 1958 S. 646). Im vorliegenden Fall hat die beklagte Partei schon in der Klagebeantwortung zugegeben, daß Eigentümer des Unfallsfahrzeuges Franz H. war, daß sie mit ihm den Haftpflichtversicherungsvertrag abgeschlossen hat und daß der Fahrer bei dem Unfall, Adalbert A., bei Franz H. angestellt war. Die beklagte Partei brachte in der Klagebeantwortung und bei der mündlichen Streitverhandlung weiter vor, im Zeitpunkt des Unfalles sei nicht der Fahrzeugeigentümer der Halter des Fahrzeuges gewesen, sondern der Verunglückte Johann S. selbst, weil er allein in der von Franz H. schon bisher geübten Weise das Fahrzeug entgeltlich gemietet und allein die Dispositionen über den Einsatz des Fahrzeuges zu treffen gehabt habe. Dieses Vorbringen reicht aber im Sinne der obigen Ausführungen nicht hin, um bei der gegebenen Sachlage die Haltereigenschaft des Fahrzeugeigentümers und Versicherungsnehmers Franz H. auszuschließen. Die Vorinstanzen haben daher die Haltereigenschaft des Franz H. bei der gegebenen Sachlage mit Recht bejaht. Da das Berufungsgericht im übrigen die Berufung der beklagten Partei zur Tat- und Rechtsfrage nicht erledigt hat, war auf die weiteren Fragen nicht einzugehen. Nachdem der vom Berufungsgericht gebrauchte Abweisungsgrund für die Klage nicht vorliegt, war im Sinne der vorstehenden Ausführungen mit der Aufhebung des angefochtenen Urteiles und mit der Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht vorzugehen.

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