OGH 7Ob2236/96s

OGH7Ob2236/96s30.7.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I. Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hüsseyin K*****, vertreten durch Dr.Ernst Gruber, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Cheung Choon L*****, vertreten durch Dr.Manfred Müllauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 188.638,12 s.A. und Räumung, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 21.März 1995, GZ 40 R 139/95-53, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 27.Dezember 1994, GZ 44 C 25/92i-48, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß Punkt 1.) des Ersturteils, das im übrigen unberührt bleibt, zu lauten hat:

"Die beklagte Partei ist schuldig, das Geschäftslokal top Nr. 3 im Haus 1040 Wien, S***** von ihren Fahrnissen zu räumen und der klagenden Partei binnen 14 Tagen geräumt zu übergeben."

Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei die mit S 15.878,60 (darin S 2.640,-- Barauslagen und S 1.619,60 USt) bestimmten Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte ist Mieter eines im Wohnungseigentum stehenden Geschäftslokales in 1040 Wien, S*****. Der Mietvertrag wurde mit einem Voreigentümer zunächst befristet auf ein Jahr abgeschlossen, aber in der Folge verlängert.

Der Kläger begehrt vom Beklagten Zahlung rückständigen Mietzinses in der Höhe von zuletzt S 160.861,60 s.A. sowie die Räumung des Bestandobjektes gemäß § 1118 ABGB. Der Kläger sei Eigentümer dieses Geschäftslokales und habe den Beklagten vergeblich zur Zahlung des rückständigen Mietzinses aufgefordert.

Der Beklagte bestritt das Bestehen eines Mietzinsrückstandes sowie die Aktivlegitimation des Klägers, weil grundbücherliche Eigentümerin des Objektes die Ehefrau des Klägers Nazli K***** sei.

Einem darauf erfolgten Antrag auf Berichtigung der Parteienbezeichnung der klagenden Partei in Nazli K*****. wurde rechtskräftig nicht stattgegeben.

In der Tagsatzung vom 28.4.1993 erklärte der Kläger, daß die Miteigentumsanteile samt der Eigentumswohnung mittlerweile von Nazli K***** an ihn verkauft worden seien; sämtliche Ansprüche aus dem Mietvertrag und damit auch der Räumungsanspruch seien dem Kläger abgetreten worden; der Kläger sei in den Mietvertrag eingetreten und daher aktiv zur Räumung legitimiert.

Im ersten Rechtsgang stellte das Erstgericht mit Sachberschluß den rückständigen Mietzins fest. Es bejahte die Aktivlegitimation des Klägers sowohl für das Zahlungs- als auch für das Räumungsbegehren, obwohl er zum Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz noch nicht grundbücherlicher Eigentümer gewesen sei, weil ihm die Ansprüche abgetreten worden seien.

Das Rekursgericht behob diese Entscheidung. Die Aktivlegitimation des Klägers sei zwar hinsichtlich des Begehrens auf Bezahlung des rückständigen Mietzinses gegeben, doch sei der Kläger zur Erhebung des Räumungsbegehrens nicht legitimiert. Der Eintritt des Erwerbers der Bestandsache in den Mietvertrag sei erst dann vollzogen, wenn sein Eigentumsrecht im Grundbuch einverleibt worden sei. Ein "außerbücherlicher" Erwerber sei nur dann zur Aufkündigung legitimiert, wenn er ausdrücklich oder stillschweigend in den Bestandvertrag eingetreten sei. Ein derartiger Eintritt sei nicht behauptet worden. Solange das Wohnungseigentumsrecht des Klägers nicht grundbücherlich einverleibt sei, sei dieser zum Räumungsbegehren nicht aktiv legitimiert.

Im zweiten Rechtsgang verwies das Erstgericht auf die Rechtsansicht des Rekursgerichtes, daß der Kläger für das Räumungsbegehren nicht aktiv legitimiert sei. Es schloß die Verhandlung gem. § 193 Abs 3 ZPO und trug dem Klagevertreter auf, eine Aufstellung über die Mietzinsrückstände vorzulegen.

Der Klagevertreter gab in dem aufgetragenen Schriftsatz die rückständigen Mietzinse bekannt und verwies außerdem auf die mittlerweile erfolgte Verbücherung des Eigentumsrechtes des Klägers.

Das Erstgericht gab im zweiten Rechtsgang neuerlich -rechtskräftigdem Zahlungsbegehren statt, wies allerdings das Räumungsbegehren unter Hinweis auf die bindende Rechtsansicht des Rechtsmittelgerichtes ab. Der Kläger sei vor Verbücherung seines Eigentumsrechtes zur Geltendmachung des Räumungsbegehrens nicht berechtigt. Die nach dem gem. § 193 Abs 3 ZPO erklärten Schluß der Verhandlung aufgestellte Behauptung, das Eigentumsrecht des Klägers sei nunmehr verbüchert worden, könne nicht mehr geprüft werden.

Der Entscheidung lag nachstehender für das Revisionsverfahren noch wesentlicher Sachverhalt zu Grunde.

Der Beklagte schloß im Jahre 1988 mit einem Voreigentümer der Eigentumswohnung 1040 Wien, S***** einen zunächst befristeten Mietvertrag, der in der Folge verlängert wurde.

Mit Kaufvertrag vom 25.6.1990 erwarb Nazli K*****, die Ehegattin des Klägers, das Eigentumsrecht an der gegenständlichen Wohnung. Der Beklagte kam in der Folge seinen Verpflichtungen aus dem Mietvertrag nicht nach und bezahlte im Jahre 1992 keinerlei Mietzins; im Jahre 1993 bezahlte er insgesamt S 24.000,-

Mit Kaufvertrag vom 27.4.1993, während des laufenden Verfahrens, verkaufte Nazli K***** die Eigentumswohnung an den Kläger. Mit Beschluß vom 29.4.1993 wurde die Vormerkung des Eigentumsrechtes im Grundbuch bewilligt. Am 15.3.1993 trat Nali K***** ihre Forderungen aus dem Mietvertrag an den Kläger ab.

Das Berufungsgericht gab der gegen die Abweisung des Räumungsbegehren gerichteten Berufung des Klägers nicht Folge. Es wiederholte seine bereits dargelegte Rechtsansicht über die Aktivlegitimation des "außerbücherlichen" Erwerbers und verwies darauf, daß ein Rechtsanspruch auf Wiedereröffnung des Verfahrens nicht bestehe. Es ließ die ordentliche Revision gegen diese Entscheidung nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene außerordentliche Revision des Klägers ist zulässig, weil das Berufungsgericht von der jüngeren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen ist. Sie ist auch berechtigt.

Der Oberste Gerichtshof hat zwar in der auch vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung 1 Ob 620/93 (= JUS Z 1994/1615) unter Ablehnung früherer gegenteiliger Entscheidungen die Ansicht vertreten, daß der Erwerber einer verbücherten Liegenschaft vor Einverleibung seines Eigentumsrechtes im Grundbuch in bestehende Bestandverträge nur eintrete, wenn ihm der Veräußerer im Vertrag Besitz, Verwaltung und Nutznießung überläßt und überdies der Bestandnehmer der Vertragsübernahme zumindest schlüssig zustimmt. Aus dieser Entscheidung ist aber für den vorliegenden Sachverhalt nichts gewonnen, weil dort die Frage zu prüfen war, ob der Mieter seine Ansprüche auf Erfüllung des Mietvertrages gegen den bücherlichen Eigentümer oder den Erwerber des Bestandobjektes, dessen Rechte noch nicht verbüchert sind, geltend machen muß.

Im vorliegenden Fall macht aber der außerbücherliche Erwerber das Recht des Bestandgebers auf Auflösung des Mietvertrages geltend. Mit der Frage, ob der Erwerber einer verbücherten Liegenschaft bzw. eines mit Wohnungseigentum verbundenen Miteigentumsanteils bereits vor Einverleibung seines Eigentumsrechtes im Grundbuch zur Kündigung legitimiert ist, hat sich der Oberste Gerichtshof in seiner ausführlich begründeten Entscheidung 3 Ob 507/95 (= JBl 1995,525) beschäftigt. Darin wurde unter anderem festgehalten:

"Wird im Zusammenahng mit der Veräußerung einer verbücherten Liegenschaft, die in Bestand gegeben wurde oder auf der sich in Bestand gegebene Objekte befinden, dem Erwerber der Besitz an der Liegenschaft schon vor der Eintragung im Grundbuch übertragen, so ist mangels gegenteiliger Anhaltspunkte aufgrund der zwischen den Vertragsparteien geschlossenen Vereinbarung davon auszugehen, daß der Veräußerer dem Erwerber seine Forderung auf Bezahlung des Bestandzinses abgetreten hat. Da in dem dargestellten Verhalten des Veräußerers aber auch zum Ausdruck kommt, daß er an der Geltendmachung von Rechten, die ihm aufgrund seiner Stellung als Vermieter zustehen, und damit auch an der Geltendmachung von Gestaltungsrechten kein Interesse mehr hat, kann es bei der gebotenen objektiven Betrachtungsweise nur dahin verstanden werden, daß er schlüssig seine gesamten Rechte als Vermieter an den Erwerber abgetreten hat. Die Abtretung ist daher unabhängig davon wirksam, ob der Bestandnehmer ihr zugestimmt hat." Diese Rechtsmeinung wurde vom erkennenden Senat ausdrücklich geteilt (7 Ob 602/95) und ausgesprochen, daß ein Erwerber bereits mit Kaufvertragsabschluß und nicht erst mit Verbücherung des Eigentums zur Aufkündigung legitimiert ist (vgl auch MietSlg 38.218 und 7 Ob 546/95). Von dieser Rechtsprechung abzugehen besteht kein Anlaß. Unabhängig davon ist aber darauf zu verweisen, daß das Eigentumsrecht des Klägers bei Schluß der Verhandlung erster Instanz (7.10.1994) bereits seit dem 7.4.1994 grundbücherlich einverleibt war.

Der Revision war daher Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden.

Die Abänderung des Urteils erster Instanz hätte auch eine Neuberechnung der Kostenentscheidung zur Folge. Das Erstgericht hat zwar nach der Begründung seiner Kostenentscheidung dem Kläger nur die Hälfte der verzeichneten Kosten zugesprochen, aus dem Spruch des Ersturteils ergibt sich aber, daß tatsächlich die gesamten bei Schluß der Verhandlung verzeichneten Kosten zugesprochen wurden. Da dem Kläger nach seinem Prozeßerfolg bereits die gesamten verzeichneten Kosten zugesprochen wurden, konnte eine Neufassung der Kostenentscheidung unterbleiben.

Die Kostenentscheidung hinsichtlich des Berufungs- und Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte