OGH 6Ob2103/96z

OGH6Ob2103/96z11.7.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Graf, Dr.Schiemer und Dr.Prückner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl.-Ing.Claus F*****, vertreten durch Dr.Peter Lambert, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Mag.Maria F*****, vertreten durch Dr.Johann Angermann, Rechtsanwalt in Wien, wegen Rechtsgestaltung (Streitwert 1,48 Mio S), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 26.Februar 1996, GZ 43 R 70/96-28, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 zurückgewiesen.

Text

Begründung

Nach ihrer Ehescheidung schlossen die Streitteile ohne Beisein ihrer Rechtsanwälte am 26.März 1993 in Ansehung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der Unterhaltsansprüche der beklagten Frau eine Vereinbarung, deren Punkt III.) wie folgt lautet:

"... (Kläger) bezahlt an ... (Beklagte) einen monatlichen Unterhalt von 30.000 S, beginnend ab ...

Auf diesen Unterhalt wird eigenes Einkommen nicht angerechnet. ...

(Beklagte) verzichtet auf eine Hinaufsetzung, ... (Kläger) auf eine Herabsetzung dieses Unterhaltsbetrages, ausgenommen den Fall der wirtschaftlichen und unverschuldeten Not."

Die Wendung "wirtschaftlichen und" wurde nach Erörterung durch die Streitteile vom Kläger handschriftlich in einen maschinschriftlichen Entwurf der Beklagten eingefügt und gesondert von beiden Teilen mit Datumsangabe unterfertigt. Der Kläger wollte eine Minderung der Herabsetzungsbeschränkung erreichen, wogegen sich die Beklagte diesbezüglich keine Gedanken machte, ob damit die Unterhaltsherabsetzungsmöglichkeiten für den Kläger erweitert oder eingeschränkt würden.

Die Vorinstanzen wiesen das auf Rechtsgestaltung (Aufhebung der obgenannten Vereinbarung) gerichtete Klagehauptbegehren sowie zwei Eventualbegehren ab.

Rechtliche Beurteilung

Erhebliche Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO liegen nicht zur Beurteilung vor.

a) Der Vorwurf des Klägers, zur Vereinbarung von der Beklagten durch List oder durch ungerechte und gegründete Furcht veranlaßt worden zu sein, wird in der außerordentlichen Revision nicht mehr aufrechterhalten.

b) War ein Teil über den Inhalt der von ihm abgegebenen oder dem anderen zugegangenen Erklärung in einem Irrtum befangen, der die Hauptsache oder eine wesentliche Beschaffenheit derselben betrifft, worauf die Absicht vorzüglich gerichtet und erklärt wurde, so entsteht für ihn keine Verbindlichkeit, falls der Irrtum ... diesem aus den Umständen offenbar auffallen mußte (§ 871 Abs 1 ABGB). Das Vorliegen eines wesentlichen Erklärungsirrtums (vgl dazu zuletzt 1 Ob 617/95 = ÖBA 1996, 382 mwN) des Klägers, der erkennbar den Passus "wirtschaftlichen oder unverschuldeten Not" wollte, im maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsabschlusses haben schon die Vorinstanzen zutreffend bejaht.

Erkennt der Anerklärte, was der Irrende erklären wollte, so gilt die Erklärung, so wie sie gewollt war (5 Ob 712/78). Eine entsprechende Feststellung fehlt, es kommt daher darauf an, ob der Irrtum der anerklärten Beklagten auffallen mußte. Dies ist eine auf der Basis der getroffenen Feststellungen zu lösende Rechtsfrage. Das offenbar "Auffallen-müssen" eines Irrtums ist nur dann anzunehmen, wenn der Anerklärte den Irrtum fahrlässig nicht erkannt hat. Maßgeblich ist dabei, ob er objektiv bei der im Verkehr üblichen und nach Treu und Glauben vorausgesetzten Aufmerksamkeit den Irrtum bemerken oder wenigstens den Verdacht eines Irrtums schöpfen hätte können (stRspr; JBl 1988, 783; SZ 51/144 [zustimmend Pfersmann in ÖJZ 1982, 61]; JBl 1967, 426 ua). Ob der Beklagten nach diesen Maßstäben der Irrtum auffallen mußte, hängt von der Art des Rechtsgeschäfts, den Umständen seines Zustandekommens und dem Vertragsinhalt, somit ganz vom Einzelfall ab und stellt demnach keine erhebliche Rechtsfrage dar.

Auf die Richtigkeit des berufungsgerichtlichen Arguments, der Kläger könne die Verantwortung für eine von ihm selbst vorgenommene Vertragsergänzung nicht seinem Vertragspartner anlasten, muß nicht mehr eingegangen werden. Festzuhalten bleibt, daß es zwar für die Irrtumsanfechtung belanglos ist, ob dem Irrenden sein Irrtum selbst hätte auffallen müssen (MietSlg 36.078; SZ 51/144), daß aber Bedenken gegen die Richtigkeit dieses Leitsatzes bestehen, wenn die Fahrlässigkeit des Irrenden größer ist als die seines Gegners (vgl JBl 1988, 783).

c) Der Kläger brachte in erster Instanz vor (ON 22 AS 105) vor, Punkt III.) der Vereinbarung so verstanden zu haben, daß er auf eine Herabsetzung des Unterhaltsbetrags verzichte, ausgenommen - alternativ - die Fälle der wirtschaftlichen oder der unverschuldeten Not. Die Beklagte habe hingegen die Bestimmung so verstanden, daß dies nur für den Fall der - kumultativ - eintretenden wirtschaftlichen und unverschuldeten Not gelte. Es liege daher ein versteckter Dissens in Ansehung eines Hauptpunkts der Vereinbarung vor, weil die Regelung die Unterhaltshöhe betreffe. Die Vorinstanzen nahmen zum Dissensproblem nicht konkret Stellung. Ein versteckter, das heißt einer der beiden Parteien entgehender Dissens, der gemäß § 869 ABGB ein Geschäft nicht zustandekommen läßt, setzt voraus, daß entweder von den Parteien sich nicht deckende Erklärungen abgegeben werden oder daß die Parteien zwar übereinstimmende, aber objektiv mehrdeutige oder unvollständige Erklärungen abgeben, die von ihnen jeweils anders ausgelegt werden (8 Ob 592, 593/78, insoweit nicht veröffentlicht in EvBl 1980/3; JBl 1975, 161; MietSlg 23.081, je mwN; vgl auch JBl 1989, 782 und Apathy aaO § 869 ABGB Rz 4). Daß der strittige Vertragspunkt nach seinem objektiven Erklärungswert einen mehrdeutigen - Unvollständigkeit kommt hier wohl nicht in Frage - Erklärungswert hätte, wurde nicht vorgebracht. Darauf, ob die Erklärung den subjektiven Vorstellungen der Parteien entspricht, kommt es bei Beurteilung von Dissens aber nicht an (Koziol-Welser10 I 109); nur auf solche subjektiven Vorstellungen bezieht sich aber das entsprechende Klagevorbringen, sodaß aus rechtlichen Gründen die behaupteten Verfahrens- und Feststellungsmangel nicht vorliegen.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluß nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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