OGH 2Ob2100/96d

OGH2Ob2100/96d30.5.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Unterbringungssache Karin S*****, vertreten durch Mag.Alfons Steiner, Patientenanwalt, pA Verein für Sachwalterschaft und Patientenanwaltschaft, Geschäftsstelle Linz, Wagner- Jauregg-Weg 15, 4020 Linz, infolge Revisionsrekurses der Kranken gegen den Beschluß des Landesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 25.Jänner 1996, GZ 13 R 405/95-17, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Linz vom 28.August 1995, GZ 7 Ub 696/95a-12, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

In Abänderung der vorinstanzlichen Entscheidungen wird gemäß § 33 UbG festgestellt, daß die am 1.8.1995 in der Station C 8 des Wagner-Jauregg- Krankenhauses Linz erfolgte Beschränkung der Kranken in ihrer Bewegungsfreiheit durch Anbringung von Hand- und Fußfesseln in der Zeit von 11.30 Uhr bis 15.10 Uhr unzulässig war.

Text

Begründung

Karin S***** wurde am 31.7.1995 wegen einer schizoaffektiven Psychose in das Wagner- Jauregg-Krankenhaus in Linz eingeliefert. Sie war bereits vorher vom 1.5. bis 4.5.1995 und zuletzt bis 29.7.1995 stationär in diesem Krankenhaus aufhältig gewesen. Bei ihrer Einlieferung am 31.7.1995 war sie alkoholisiert, distanzlos und enthemmt, im Gedankengang sprunghaft, zerfahren und zu keinem sinnvollen Gespräch fähig. Auf der Krankenstation C 8 zeigte sie sich in der Folge sehr fordernd und nicht lenkbar, sie war ständig außer Bett, wobei sie mit anderen Patientinnen Streit und Raufereien anfing und das Pflegepersonal beschimpfte. Sie konnte keinerlei Tagesstrukturen einhalten, rauchte in ihrem Bett und hatte sich das Nachthemd angebrannt. Dieser manische Zustand mit beträchtlicher Antriebssteigerung, Ruhelosigkeit und effektiven Ausbrüchen dauerte auch am 1.8.1995 an. Sie war trotz massiver Sedierung durch Medikamente sehr getrieben und dysphorisch, marschierte in der Station herum und rauchte immer wieder auch in ihrem Bett. Gespräche des Pflegepersonales und der Oberärztin mit ihr blieben erfolglos. Sie leugnete ihr gefährliches Verhalten und war davon nicht abzubringen. Auch die Abnahme von Zigaretten und Feuer erwiesen sich als zwecklos, weil sie dann Mitpatientinnen um Rauchutensilien anging. Zur Abwendung einer Brandgefahr und zur Beruhigung der ruhelosen Patientin wurde um 11.30 Uhr von der Oberärztin der Station eine Fixierung mit Hand- und Fußfesseln im Bett angeordnet. Eine medikamentöse Sedierung war nicht mehr möglich, weil die Medikamentendosis bereits ausgeschöpft war. Zusätzliches Spritzen von Medikamenten hätte bei der an sich schon hohen medikamentösen Einstellung ein großes Kreilaufrisiko für sie gebracht. Die Kranke lag zu Beginn der Fixierung in einem Raum mit anderen Patientinnen und wurde dann um die Mittagszeit zur Reizabschirmung in ein Einzelzimmer verlegt. Diese Fixierung wurde am 1.8.1995 erst unmittelbar vor der Erstanhörung der Patientin gelöst, als diese die Toillette aufsuchen mußte.

Bei der Erstanhörung am 1.8.1995, nach welcher der Erstrichter die vorläufige Unterbringung der Kranken nach § 20 Abs 1 UbG - unangefochten - für zulässig erklärte, beantragte der Patientenanwalt, die heutige "Fixierung" der Patientin von 11.30 Uhr bis 15.10 Uhr auf ihre Zulässigkeit hin zu überprüfen, weil dabei nicht das gelindestete Mittel angewandt worden sei.

Das Erstgericht erklärte sodann nach Durchführung der mündlichen Verhandlung am 14.8.1995 die weitere Unterbringung der Kranken gemäß § 26 Abs 3 UbG - unangefochten - für unzulässig. Nach weiteren Erhebungen erklärte es mit Beschluß vom 28.8.1995 die Fixierung der Kranken am 1.8.1995 in der Zeit von 11.30 Uhr bis 15.10 Uhr gemäß § 33 Abs 1 und 3 UbG für zulässig. Es ging dabei von folgenden weiteren Feststellungen aus: Eine Beaufsichtigung und Überwachung der Kranken durch das Pflegepersonal sei keine Alternative zur Fixierung gewesen, weil dann zur wirksamen Gefahrenabwehr ständig jemand vom Pflegepersonal direkt neben der Patientin hätte stehen müssen und eine derartige Maßnahme aus personellen Gründen nicht durchführbar gewesen sei.

In rechtlicher Hinsicht vertrat der Erstrichter die Auffassung, daß die getroffene Fixierungsmaßnahme die einzige Möglichkeit dargestellt habe, um der von dem unkontrollierbaren und gesundheitsgefährdenden Verhalten der Patientin ausgehenden Brandgefahr entgegenzuwirken. Da weder eine zusätzliche medikamentöse Sedierung noch eine ständige Überwachung am Bett möglich gewesen sei, sei kein gelinderes Mittel zur Gefahrenabwehr zur Verfügung gestanden. Die getroffene Maßnahme sei auch aus therapeutischen Gründen zur Beruhigung und Reizabschirmung der Patientin erforderlich gewesen und zu ihrem Zweck nicht außer Verhältnis gestanden.

Im Rekurs gegen diese Entscheidung stellte der Patientenanwalt zwar nicht in Frage, daß das Verhalten der Kranken (Rauchen im Bett) eine ernstliche und erhebliche (Fremd-)Gefährdung dargestellt habe. Er wandte sich aber gegen die Auffassung des Erstgerichtes, daß diese Fixierung das gelindeste, gerade noch zum Ziel führende Mittel der Gefahrenabwehr dargestellt hätte. Die Betroffene habe sich zu Beginn der Fixierung nicht in einem Einzelzimmer, sondern in der ersten der beiden Kojen des geschlossenen Bereiches der Abteilung C 8 befunden; in solch einer Koje befänden sich jeweils 6 Betten, die Station sei so gebaut, daß sich die einzelnen Kojen besonders gut zur Blicküberwachung eigneten. Es hätte genügt, eine Schwester zu beauftragen, die Kranke zu beobachten, wenn sie sich im Bett befunden hätte und zu befürchten gewesen wäre, daß sie dort rauche. Damit hätte man der drohenden Gefahr eines entstehenden Brandes rechtzeitig begegnen können, indem man das Rauchen der Patientin im Bett verhindert hätte. Auch aus therapeutischen Gründen sei die gegenständliche Fixierung nicht erforderlich, sondern überhaupt ungeeignet gewesen. Insgesamt erlaube es der Betreuungsschlüssel der Akutstation C 8, eine Patientin so zu überwachen, daß sie daran gehindert werde, im Bett zu rauchen.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte den Beschluß des Erstgerichtes und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es vertrat folgende Rechtsauffassung:

Gemäß § 33 Abs 1 UbG sind Beschränkungen der Bewegungsfreiheit "nach Art, Umfang und Dauer nur insoweit zulässig, als sie im Einzelfall zur Abwehr einer Gefahr im Sinne des § 3 Z 1 UbG sowie zur ärztlichen Behandlung oder Betreuung unerläßlich sind und zu ihrem Zweck nicht außer Verhältnis stehen". Mit dieser einfachgesetzlichen Bestimmung würden die in Art 1 Abs 4 PersFrG normierten Grundsätze für Beschränkungen im Freiheitsentzug näher präzisiert. Die Zulässigkeit von Bewegungsbeschränkungen setze zunächst einen bestimmten Schutzzweck voraus. Als legitime Zielsetzungen nenne § 33 Abs 1 UbG einerseits die Abwehr einer - hier unbestrittermaßen gegebenen - ernstlichen und erheblichen Gefährdung des eigenen oder fremden Lebens oder der eigenen oder fremden Gesundheit, andererseits die ärztliche Behandlung oder Betreuung. Mit dieser restriktiven Regelung werde der verfassungsrechtlich zulässige Rahmen von Beschränkungen während des Freiheitsentzuges deutlich unterschritten: Bewegungsbeschränkungen dürften weder ganz allgemein zur "Wahrung von Sicherheit und Ordnung" (Art 1 Abs 4 PersFrG), noch ausschließlich zur Sicherung therapeutischer Zwecke verhängt werden. Die Beschränkung müsse immer auch der Abwehr von ernstlichen oder erheblichen Selbst- oder Fremdgefährdungen im Sinne des § 3 Z 1 UbG dienen (Kopetzki, Unterbringungsrecht II 776 f mwN). Der Gesetzgeber sei davon ausgegangen, daß im Rahmen der Behandlung und Betreuung auf mechanische Zwangsmittel grundsätzlich zu verzichten sei und die angestrebten Zielsetzungen auf andere Weise, durch persönliche Zuwendung und Überwachung usw zu verwirklichen seien. Dem Mangel an personellen und technischen Ressourcen in diesem Zusammenhang komme keine selbständige, die gesetzlichen Eingriffsvoraussetzungen erweiternde rechtfertigende Bedeutung zu (Kopetzki aaO 778; 2 Ob 605/92). An der grundsätzlichen Zulässigkeit des Einsatzes mechanischer Zwangsmittel sei allerdings im Sinne der vom Gesetz aufgestellten Zweck-Mittel-Relation nicht zu zweifeln. Zu prüfen sei, ob die an sich zulässige Maßnahme des Fixierens an Händen und Füßen auch dem Verhältnismäßigkeitsgebot des § 33 Abs 1 UbG entspreche. Die Maßnahme müsse zur Erreichung des angestrebten Zieles sowohl in qualitativer (Art der Maßnahme), als auch in quantitativer (räumlicher Umfang und Dauer der Maßnahme) Hinsicht unerläßlich sein und dürfe zu ihrem Zweck nicht außer Verhältnis stehen. Beschränkungen der Bewegungsfreiheit sollten also, wie die Unterbringung insgesamt, nur als letztes Mittel in Betracht kommen. Dabei gelte der Grundsatz des geringstmöglichen Eingriffes. Die Fesselung der Patientin an Händen und Füßen stehe zu ihrem Zweck, der Abwehr einer ernstlichen und erheblichen Brandgefahr, grundsätzlich nicht außer Verhältnis im Sinne des § 33 Abs 1 UbG. Zu prüfen sei jedoch, ob die Fixierung in qualitativer Hinsicht dem Grundsatz des geringstmöglichen Eingriffs entspreche. Dabei sei auf das zur Unterbringung im allgemeinen entwickelte Prinzip der Subsidiärität gemäß § 3 Z 2 UbG zurückzugreifen. Eine Unterbringung sei nur zulässig, wenn der Betroffene "nicht in anderer Weise, insbesondere außerhalb einer Anstalt, ausreichend ärztlich behandelt oder betreut werden" kann. Ebenso sei eine weitergehende Freiheitsbeschränkung in der Unterbringung selbst nach § 33 UbG nur zulässig, wenn kein anderes Mittel in Betracht komme. Grundsätzlich sei jenes Mittel zu wählen, das die Bewegungsfreiheit am wenigsten einenge, aber den Zweck noch erfülle. Dabei sei zu beachten, daß das Subsidiäritätsprinzip ein wichtiges dynamisches Element enthalte (Kopetzki, UbG, Rz 76). Damit sei angesprochen, daß die zur Bewegungsbeschränkung alternativ vorgeschlagene Behandlungs- oder Betreuungsmöglichkeit auf ihre Eignung zu einer ausreichenden Gefahrenabwehr zu beurteilen sei. Der Alternativvorschlag zur Gefahrenabwehr müsse eine real existierende Möglichkeit darstellen. Wenn zur Gefahrenabwehr eine ständige Beobachtung der Patientin in Form einer 1:1-Betreuung notwendig gewesen wäre, diese Alternative aber real nicht durchgeführt hätte werden können, weil zu wenig Betreuungspersonal vorhanden gewesen sei, werde man diese Tatsache im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht außer Acht lassen können. So gesehen sei die angeordnete Bewegungsbeschränkung durch Anlegung von Fesseln an Händen und Füßen als letztes in Betracht kommendes Mittel in qualitativer Hinsicht zulässig gewesen. Auch in quantitativer Hinsicht sei die Maßnahme verhältnismäßig gewesen. Beim geschilderten Gesundheitszustand der Kranken stelle die Fixierung an Händen und Füßen für einen Zeitraum von 3 Stunden und 40 Minuten keine unverhältnismäßige Maßnahme dar, sei doch aus dem Akt ersichtlich, daß auch noch Stunden später eine weitere - nicht von ihr bekämpfte - Fixierung notwendig gewesen sei. Das kumulative Erfordernis einer gefahrenabwehrenden und therapeutisch - betreuenden Zielsetzung könne nicht dahin ausgelegt werden, daß auch die Abwehr erheblicher und durch die psychische Krankheit bedingter Gefährdungen des Lebens oder der Gesundheit der Patientin oder anderer Personen erst unter der zusätzlichen Voraussetzung zulässig wäre, daß eine hiefür erforderliche Bewegungsbeschränkung gleichzeitig auch noch einen positiven therapeutischen Nutzen für die Patientin aufweise. Vielmehr sei davon auszugehen, daß die Abwehr der von einem Patienten ausgehenden ernstlichen und erheblichen Gefährdung unter den Bedingungen der psychiatrischen Unterbringung immer auch eine Betreuung im Sinne des § 33 Abs 1 UbG darstelle, und zwar auch dann, wenn diese Gefahrenabwehr nur dem Schutz Dritter diene. Dies ergebe sich aus der Umschreibung des Betreuungsbegriffes in § 37 Abs 2 KAG und dem gleichlautenden (§ 51 Abs 2 des) OÖ-KAG (LGBl 1976/10), wonach die "erforderliche Betreuung" in Abteilungen und Sonderkrankenanstalten für Psychiatrie auch "die allenfalls nötige Abwehr von ernstlichen und erheblichen Gefahren für das Leben oder die Gesundheit des Kranken oder anderer Personen" einschließt, "wenn diese Gefahren im Zusammenhang mit der psychischen Krankheit stehen". Jede andere Auslegung geriete überdies mit den Schutzpflichten des Anstaltsträgers gegenüber den Mitpatienten in Konflikt. Daraus folge im Ergebnis, daß die therapeutisch-betreuende Zielsetzung im allgemeinen nicht gesondert geprüft werden müsse, sobald die Voraussetzung der Gefahrenabwehr erfüllt sei (Kopetzki aaO 777 f mwN).

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Beschluß erhobene Revisionsrekurs der durch ihren Patientenanwalt vertretenen Kranken ist zulässig und berechtigt.

Die Vorinstanz hat die für die Lösung der relevanten Frage, ob die Fixierung der Kranken am 1.8.1995 zwischen 11.30 Uhr und 15.10 Uhr durch Anlegung von Hand- und Fußfesseln unzulässig war, maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen sowie die Lehrmeinung Kopetzkis ausführlich und zutreffend dargestellt, sodaß insoweit auf die angeführte Entscheidung verwiesen werden kann (§ 16 Abs 3 AußStrG, § 510 Abs 3 ZPO). Ihrer Rechtsauffassung, die bekämpfte Maßnahme sei zur Abwehr der vom "Zigarettenrauchen im Bett" ausgehenden ernstlichen und erheblichen Brandgefahr die schonendste zweckerfüllende Betreuungsmaßnahme im Sinne des § 33 Abs 1 UbG und gleichsam die ultima ratio gewesen, kann indessen nicht beigepflichtet werden:

Im Grunde wird selbst im vorliegenden Revisionsrekurs nicht bestritten, daß zur Abwehr der von einer schwer psychisch kranken Person, die im wesentlichen unkontrolliert (sowohl durch eigene körperliche und/oder geistige Möglichkeiten, als auch durch Aufsichtspersonal) im Bereich ihres Krankenbettes Zigaretten raucht und zu diesem Zwecke mit offenem Feuer hantiert, ausgehenden Gefahr im Sinne des § 3 Z 1 UbG Maßnahmen im Sinn des § 33 UbG angewendet werden können, vielmehr wird - zutreffend - behauptet, daß auch weniger weitreichende Maßnahmen dieser Gefahr abgeholfen hätten. Mag auch in einer geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses die Aufstellung und Einhaltung einer (im übrigen Krankenhausbereich wohl selbstverständlichen) Anstaltsordnung mit der Festlegung von Rauchverboten (im Sinne der Grundsatznorm des § 6 Abs 1 lit e KAG idF des BGBl 1993/801, oder auch der allgemeinen Nichtraucherschutzvorschriften der §§ 12, 13 des mit 1.7.1995 in Kraft getretenen Tabakgesetzes, BGBl 1995/431) wegen der Eigenart der Patienten nicht allgemein günstig oder förderlich sein, weil etwa nikotinabhängige Patienten ("Raucher") bei vollständigem Entzug von Nikotin (noch) schwerer zu behandeln oder zu betreuen sein könnten, so muß doch in einem Fall wie dem vorliegenden - nicht zuletzt auch zum Schutz der "nicht rauchenden" Kranken - vor jeder Überlegung zu Bewegungseinschränkungsmaßnahmen ein spezielles Rauchverbot für die gefährdende Kranke ins Auge gefaßt werden. Dabei wäre nicht nur der bloße Entzug von Rauchutensilien, welchen die Patientin im Wege über ihre auch über Rauchzeug verfügenden Mitpatient(inn)en unterlaufen konnte, zu überlegen, sondern etwa auch die Eröffnung eines separaten Raumes für Rauchzwecke (Raucherzimmer), oder in dessen Ermangelung eben die in mehr oder weniger regelmäßigen zeitlichen Abständen vorzunehmende Ausfolgung der Rauchwaren zu entsprechend beaufsichtigten "Rauchpausen". Daß solche Betreuungsmaßnahmen etwa mit der Personallage der betroffenen psychiatrischen Abteilung nicht leicht zu bewältigen gewesen sein mögen, kann an der allgemeinen Effektivität und maßhaltenden Wirksamkeit solcher Maßnahmen nichts ändern. Die möglichst vollständige Gewährleistung von Grundrechten darf nicht an fehlenden Anordnungen (entsprechender Anstaltsordnungen) oder mangelhaften sachlichen und personellen Aufwendungen der entsprechenden Krankenhausträger scheitern. Bevor eine "geistig kranke Raucherin" am Zigarettenrauchen in einer geschlossenen Abteilung, das bei dessen Vornahme im Bett tatsächlich eine Brandgefahrenquelle bilden kann, durch vollständige Fesselung an Händen und Füßen und spätere Verschaffung in einen von ihr allein "benützten" Raum gehindert und damit in einer objektiv erniedrigenden und menschenunwürdigen Weise (gleichsam durch Einzelhaft in vollständiger Bewegungsunfähigkeit) in seiner Be- wegungsfreiheit völlig eingeschränkt wird, soll und muß sich das Betreuungspersonal der betroffenen Krankenabteilung (beginnend vom Oberarzt bis zum Pflegepersonal) für eine weniger in die Freiheits- und Bewegungsrechte eingreifende Abwehrmethode entscheiden. Solche Möglichkeiten wurden vom Patientenanwalt der Kranken bereits in der Tagsatzung zur Erstanhörung angedeutet und nunmehr auch im Revisionsrekurs erneut dargelegt. Der erkennende Senat vertritt dazu aufgrund des Vorgesagten die Auffassung, daß nicht einmal eine Teilfesselung der Kranken an den Händen nötig gewesen wäre, um das gefährliche Rauchen im Bett wirksam zu verhindern. Wollte sich das Betreuungspersonal der Anstalt (an ihrer Spitze deren Leiter) nicht dem Vorwurf aussetzen, bloß aus Bequemlichkeit oder doch in unstatthafter Disziplinierung der wenig bis gar nicht "kooperativen/ paktfähigen" Kranken diese in ihrem Grundrecht auf persönliche Freiheit entgegen Art 1 Abs 4 PersFrG in unverhältnismäßiger und menschenunwürdiger Weise beeinträchtigt zu haben, hätte es andere gangbare Wege zur Verhinderung der vom Rauchen der Patienten ausgehenden Brandgefahr finden können und müssen. Weil aber konkret eine solche Möglichkeit gar nicht ins Auge gefaßt oder auch nicht mit den vorhandenen personellen Möglichkeiten versucht wurde, sondern bloß mit der stereotypen Begründung, eine Betreuung im Verhältnis "1:1" sei nicht möglich gewesen, die völlige Bewegungseinschränkung der Patientin angeordnet und durch mehrere Stunden hindurch auch beibehalten wurde, ist die Unzulässigkeit dieser jedenfalls qualitativ unangemessenen Maßnahme im Sinne des zutreffenden Antrags des Patientenanwalts ungeachtet der mittlerweile längst beendeten Anstaltsunterbringung der Kranken (SZ 60/12; 1 Ob 584/93; 2 Ob 571/93

ua) festzustellen.

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