Spruch:
Das Urteil des Landesgerichtes Wels vom 14.März 1995, GZ 14 Vr 744/94-22, verletzt das Gesetz in der Bestimmung des § 217 Abs 1 StGB.
Gemäß § 292 letzter Satz StPO wird dieses Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Wels verwiesen.
Text
Gründe:
Hermine G***** wurde mit dem Urteil des Landesgerichtes Wels vom 14. März 1995, GZ 14 Vr 744/94-22, des Verbrechens des (gewerbsmäßigen) Menschenhandels nach § 217 Abs 1 letzter Halbsatz StGB schuldig erkannt.
Darnach hat sie in Wels als Betreiberin des Nachtlokales "Cafe M*****" Personen, mögen sie auch bereits der gewerbsmäßigen Unzucht ergeben gewesen sein, nämlich die Staatsangehörigen der Dominikanischen Republik
a) Dolores Antonia Ramos H***** in der Zeit vom 13.Juli 1992 bis 2. März 1994;
b) Luz Maria Castillo M***** in der Zeit von etwa Mitte 1993 bis ca Jänner 1994 sowie
c) Teodora Santos R***** in der Zeit von Dezember 1993 bis einschließlich Mai 1994,
der Unzucht in einem anderen Staat als in dem, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen (erg.: oder in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben), nämlich in Österreich, dadurch zugeführt, daß sie den Frauen Unterkunft gewährte und Räumlichkeiten zur Ausübung der gewerbsmäßigen Prostitution zur Verfügung stellte, wobei sie diese Taten gewerbsmäßig begangen hat.
Nach den wesentlichen Urteilsannahmen waren die angeführten Frauen aus der Dominikanischen Republik im Lokal der Angeklagten als Prostituierte tätig. Hermine G***** gewährte ihnen zu diesem Zweck Unterkunft in ihrem Haus und stellte ihnen die Räumlichkeiten zur Ausübung der Prostitution zur Verfügung.
Dolores Antonia Ramos H***** kam wegen besserer Verdienstmöglichkeiten zur Erhaltung ihrer Familie nach Österreich. Sie hätte in Österreich keinen anderen Beruf als den einer Prostituierten ausüben können. In ihrer Heimat hat sie vier uneheliche Kinder zurückgelassen, die von ihren Eltern betreut werden. Etwa 5.000 S ihres monatlichen Verdienstes sandte sie als Unterhalt an ihre Familie. Nach den Polizeierhebungen reiste sie am 2. März 1994 aus Österreich aus und kehrte am 31.Oktober 1994 - wieder in das Haus der Angeklagten - zurück. Sie hatte kurzfristig eine Beziehung zu einem österreichischen Mann.
Luz Maria Castillo M***** war von Mitte 1993 bis Jänner 1994 im Haus der Angeklagten als Prostituierte tätig. Auch sie schickte monatlich rund 300 bis 400 US$ an ihre Mutter für deren Unterhalt und den ihrer fünf Geschwister.
Teodora Santos R***** hat in ihrer Heimat zwei Kinder, die von den Großeltern versorgt werden. Auch ihr wurden von der Angeklagten im angeführten Zeitraum ein Zimmer zum Wohnen und Räumlichkeiten zur Ausübung der Prostitution zur Verfügung gestellt.
Die Frauen kamen aufgrund ihrer wirtschaftlich drückenden Notlage nach Österreich, obwohl sie vor ihrer Anreise keine sozialen Beziehungen in diesem Land hatten. Sie machten Österreich nur zum Mittelpunkt ihrer wirtschaftlichen Existenz. Diese Umstände waren der Angeklagten auch bekannt.
Diesen Sachverhalt beurteilte das Schöffengericht als das Verbrechen des gewerbsmäßigen Menschenhandels nach § 217 Abs 1 letzter Halbsatz StGB, weil Hermine G***** durch Gewährung von Unterkunft und Bereitstellung von Räumlichkeiten zur Ausübung der Prostitution die genannten Frauen (aus der Dominikanischen Republik) der gewerbsmäßigen Unzucht zugeführt hatte. Unter Zuführen sei nämlich jede Tätigkeit zu verstehen, die darauf abzielt, eine andere Person zur Ausübung der gewerbsmäßigen Prostitution im Ausland zu veranlassen, das Opfer also dazu zu bringen, die Prostitution in einem anderen als im Heimatstaat auszuüben (S 5/6).
Rechtliche Beurteilung
Diese rechtliche Beurteilung der Tat als Verbrechen des Menschenhandels steht - wie der General- prokurator in seiner zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt - zum Nachteil der Verurteilten mit dem Gesetz nicht im Einklang.
Das Erstgericht geht nämlich in rechtlicher Hinsicht offensichtlich davon aus, daß die (bloße) Eingliederung der - zur Prostitution im Inland entschlossenen - Frauen in den von der Angeklagten geführten Bordellbetrieb durch die im Urteilsspruch angeführten Handlungen für sich allein dem Begriff des "Zuführens" im Sinne des § 217 Abs 1 StGB entspreche. Es stützt sich dabei auf die zur Auslegung dieses Tatbestandsmerkmales ergangene Rechtsprechung (11 Os 134/93), in welcher diese Rechtsansicht in solcher Form jedoch keine Deckung findet.
Die bloße Untersütztung einer zur gewerbsmäßigen Unzucht in einem fremden Staat entschlossenen Person genügt nämlich zur Herstellung des Tatbestandes noch nicht, weil Zuführen mehr als bloße Hilfe bedeutet und die Einflußnahme, soll sie dem Begriff des Menschenhandels gerecht werden, mit Rat und Tat geschehen muß (Leukauf-Steininger Komm3 § 217 RN 5); sei es durch gezielte Beeinflussung der Frauen, im Ausland der Prostitution nachzugehen, sei es - wie im konkreten Fall - durch Aufnahme und Eingliederung von zur Ausübung der Prostitution bereits entschlossenen Ausländerinnen in einen Bordellbetrieb, sofern allerdings diese Eingliederung durch gezieltes Einwirken etwa unter Umständen erfolgt, die als (dolose) Ausnützung eines drückenden Abhängigkeitsverhältnisses zu beurteilen sind (14 Os 79/95 mwN, in diesem Sinne auch 11 Os 134/93).
Die Rechtsansicht, nach der bereits die Führung eines Bordellbetriebes mit ausländischen Prostituierten bzw die Aufnahme einer zur Prostitution entschlossenen Ausländerin in ein solches Etablissement den Tatbestand des Verbrechens des Menschenhandels verwirkliche, ist somit verfehlt. Vielmehr wird für den Begriff des "Zuführens" ein über das bloße Herbeiführen eines bestimmten Erfolges hinausgehendes, intensiveres Täterverhalten im Sinne einer gezielten Einflußnahme auf das Schutzobjekt oder Einengung seiner Freizügigkeit gefordert (13 Os 22/95), dem eine Prostituierte in einem fremden Staat etwa dann unterliegt, wenn es für sie unter den gegebenen Umständen keine Rückkehr in die Heimat und zu einem anständigen Lebenswandel gibt (EBRV 30 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates XIII.GP 364).
Feststellungen über die konkrete Einschränkung der Freizügigkeit der Prostituierten, also solche, die sich an diesen Kriterien des "Zuführens" (durch Rat und Tat) orientieren, hat das Schöffengericht ungeachtet der auszugsweisen Wiedergabe der schon zitierten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 11 Os 134/93 nicht getroffen. Derartiger Feststellungen hätte es aber gerade angesichts gewichtiger - der Annahme deliktstypischer Abhängigkeit ent- gegenstehender - Beweisergebnisse bedurft, weswegen ihr Fehlen Nichtigkeit des Urteils nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO bewirkt.
Es war daher spruchgemäß zu erkennen.
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