OGH 1Ob507/96

OGH1Ob507/9626.3.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Elisabeth B*****, vertreten durch Dr.Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in Bregenz, wider die Antragsgegner 1. Karl E*****, 2. Franz G*****, 3. Josef H*****, 4. Oskar B*****, und 5. Franz K*****, alle vertreten durch Dr.Erich Proksch und Dr.Diethard Schimmer, Rechtsanwälte in Wien, wegen Festsetzung einer Entschädigung gemäß § 77 Abs 1 Oö JagdG (Streitwert 224.050 S) infolge Rekurses der Antragstellerin (Rekursinteresse 91.400 S) gegen den Beschluß des Landesgerichts Wels als Rekursgerichts vom 11.Oktober 1995, GZ 22 R 325/95‑76, womit der Beschluß des Bezirksgerichts Haag am Hausruck vom 13.Juni 1995, GZ Nc 27/93‑69, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1996:0010OB00507.960.0326.000

 

Spruch:

1. Dem Rekurs wird Folge gegeben und die angefochtene Entscheidung aufgehoben. Die Rechtssache wird an das Gericht zweiter Instanz zur neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.

Die Rekurskosten sind weitere Verfahrenskosten.

2. Die Rekursbeantwortung wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

 

Die Antragstellerin ist Eigentümerin forstwirtschaftlich genutzter Grundflächen im Gesamtausmaß von rund 97 ha, die zu einem genossenschaftlichen Jagdgebiet gehören. Die Antragsgegner waren Mitglieder einer Jagdgesellschaft. Diese war Pächterin des genossenschaftlichen Jagdgebiets und als solche seit zumindest drei Jahre bis 31.März 1993 jagdausübungsberechtigt. Zum bevollmächtigten Jagdleiter wurde der Erstantragsgegner bestellt. Die Antragsgegner sind auch Gesellschafter der das Jagdrecht seit 1.April 1993 ausübenden Jagdgesellschaft. Deren bevollmächtigter Jagdleiter ist der Zweitantragsgegner.

Am 24.März 1993 behauptete die Antragstellerin in einem an den Erstantragsgegner gerichteten Schreiben Wildschäden in verschiedenen Gebieten ihres Waldes und forderte die Mitglieder der Jagdgesellschaft auf, einen Ersatzbetrag von insgesamt 224.050 S zu leisten. Diesem Schreiben war eine nach einer Waldbegehung am 23.März 1993 verfaßte Aufstellung über die behaupteten Wildschäden angeschlossen. Mangels gütlicher Einigung über das Ersatzbegehren meldete die Antragstellerin den gegenüber der Jagdgesellschaft bereits geltend gemachten Schadenersatzanspruch am 6.April 1993 beim Obmann der zuständigen Jagd‑ und Wildschadenskommission an. Diese sprach nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens mit Bescheid vom 4.Mai 1993 aus, daß ein Wildschaden „zu Recht bestehe“, setzte „das Schadensausmaß“ mit 27.500 S fest und trug der Jagdgesellschaft auf, der Antragstellerin binnen zwei Wochen nach Rechtskraft des Bescheids einen Entschädigungsbetrag in Höhe des ermittelten Schadensausmaßes zu überweisen. Die Jagdgesellschaft bezahlte schließlich diesen Betrag, der von der Antragstellerin nicht rücküberwiesen wurde.

Am 3.Juni 1993 begehrte die Antragstellerin bei Gericht, den Entschädigungsbetrag für eingetretene Wildschäden mit 224.050 S festzusetzen und den Antragsgegnern dessen Zahlung aufzutragen. Vorgebracht wurde im wesentlichen, daß der von der Jagd‑ und Wildschadenskommission festgesetzte Entschädigungsbetrag dem im Vermögen der Antragstellerin eingetretenen Schaden nicht entspreche. Der Schadensberechnung sei der Marktwert der geschädigten Forstkulturen zugrunde zu legen. Dabei sei insbesondere die Tatsache von Bedeutung, daß der Antragstellerin die Möglichkeit entgangen sei, die geschädigten Pflanzen als Christbäume zu verwerten. Der durch den Verbiß von Tannen entstandene Schaden sei je Hektar Verjüngungsfläche mit 20.000 S bis 30.000 S zu bewerten, da wegen des Ausfalls einer natürlichen Mischwaldverjüngung eine „künstliche Bestandsbegründung“ erfolgen müsse. Das Ausbleiben der Naturverjüngung führe außerdem zu einem Zeitverlust von 10 Jahren in der „Gesamtumtriebszeit“. Durch Wild verursachte Schäden seien erfahrungsgemäß jedenfalls mit jährlich 1.400 S je Hektar Wald zu beziffern.

Die Antragsgegner wendeten im wesentlichen ein, das Schadenersatzbegehren sei verfristet. Die Schadensmeldung an den bevollmächtigten Jagdleiter habe den Zeitpunkt der Schadensfeststellung nicht enthalten; diese sei überdies nicht ordnungsgemäß erfolgt und stamme auch nicht von der Antragstellerin. Diese habe überdies durch die Entgegennahme des von der Jagd‑ und Wildschadenskommission festgesetzten Entschädigungsbetrags von 27.500 S zu erkennen gegeben, daß damit eine vergleichsweise Bereinigung ihres Schadenersatzbegehrens erfolgt sei. Der eingetretene Schaden sei auch nicht vermeidbar gewesen, weil die Antragsgegner an die von ihnen „im wesentlichen“ erfüllten Abschlußpläne gebunden gewesen seien; gegen diese hätte die Antragstellerin Einspruch erheben können. Für den Entgang einer Christbaumnutzung gebühre schon deshalb kein Schadenersatz, weil Sonderkulturen dieser Art besonders zu schützen gewesen wären. Soweit ein Wildverbiß zu einer natürlichen Auslese der Sämlinge bzw zu einem stärkeren Heranwachsen der übrigen Bäume führe, fehle es an der Verursachung eines Schadens. Außerdem sei das Aufkommen eines natürlichen Tannenbestands infolge mangelhafter Waldpflege durch die Antragstellerin gar nicht zu erwarten.

Das Erstgericht setzte den der Antragstellerin von den Antragsgegnern zu ersetzenden Wildschaden mit 91.400 S fest und erkannte die Antragsgegner zur ungeteilten Hand schuldig, der Antragstellerin einen Betrag von 63.900 S zu bezahlen. Es legte seiner Entscheidung - abgesehen von dem bereits eingangs dargestellten und nicht strittigen Sachverhalt - im wesentlichen noch folgende Feststellungen zugrunde:

Die Streitteile hätten sich im Jagdjahr 1991/92 wegen der an insgesamt 86 Bäumen eingetretenen Wildschäden auf einen Ersatzbetrag von 386 S geeinigt, der von der Jagdgesellschaft auch bezahlt worden sei. Ein „Generalvergleich über sämtliche Schäden“ habe nicht stattgefunden. Es seien alle Bäume, die Gegenstand der Vereinbarung gewesen seien, gekennzeichnet worden. Diese seien im vorliegenden Verfahren ausgeklammert. Nicht feststellbar sei, daß die Antragstellerin von den „verfahrensgegenständlichen Wildschäden“ vor dem 23.März 1993 Kenntnis erlangt habe. Diese führe alljährlich einen Christbaumverkauf durch. Dafür würden aus deren Wald gewonnene Bäume (verschiedene Tannenarten und Fichten) in einer sogenannten „Vornutzung“ herangezogen. 1993 seien rund 1000 Christbäume geschnitten worden. Im Wald der Antragstellerin sei es auf insgesamt 15 verschiedenen Schadensflächen zu Verbiß‑ und Fegeschäden sowie zu Schäden wegen des Nichtaufkommens der Naturverjüngung gekommen. Die bis 31.März 1993 entstandenen Wildschäden betrügen einschließlich des Vermögensnachteils für die entgangene Christbaumnutzung insgesamt rund 91.400 S, wovon 7.616 S auf die für die Freilegung geschädigter Pflanzen entstandenen „Aufsuchungskosten“ entfielen.

In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht im wesentlichen die Ansicht, daß der Anspruch auf Ersatz eines Jagd‑ oder Wildschadens gemäß § 69 Oö JagdG binnen drei Wochen ab Bekanntwerden des Schadens bei sonstigem Anspruchsverlust beim Jagdausübungsberechtigten oder dessen Bevollmächtigten geltend zu machen sei. Dem habe die Antragstellerin entsprochen. Die Geltendmachung des Ersatzanspruchs gegenüber dem Erstantragsgegner sei ausreichend gewesen, weil dieser die Jagdgesellschaft als bevollmächtigter Jagdleiter gemäß § 21 Abs 3 Oö JagdG vertreten habe. Mangels gütlicher Einigung über das Ersatzbegehren habe die Antragstellerin gemäß § 73 Oö JagdG auch rechtzeitig den Antrag auf Entscheidung durch die Jagd‑ und Wildschadenskommission gestellt. Der Jagdausübungsberechtigte habe gemäß § 65 Abs 1 Oö JagdG allen entstandenen Jagd‑ und Wildschaden im gesetzlichen Ausmaß zu ersetzen, wobei gemäß § 68 Abs 1 und 5 Oö JagdG der Schadensermittlung der ortsübliche Marktpreis der beschädigten oder vernichteten Erzeugnisse zugrunde zu legen sei. Im Wald verursachte Wildschäden seien nach forstwirtschaftlichen Grundsätzen zu bewerten. Danach komme man zu einem gemäß § 273 ZPO gerundeten Ersatzbetrag von 91.400 S. Davon sei die von den Antragsgegnern geleistete Teilzahlung von 27.500 S abzuziehen, sodaß ein Differenzbetrag von 63.900 S zuzusprechen gewesen sei. Eine genaue zeitliche Zuordnung der eingetretenen Verbiß‑ und Fegeschäden sei nicht erforderlich, weil die Verjährung eines Schadenersatzanspruchs gemäß § 1489 ABGB erst ab Kenntnis des Schadens beginne und der Antragstellerin nicht habe nachgewiesen werden können, daß sie von den durch Wild verursachten Schäden schon vor dem 23.März 1993 gewußt habe. Der für das Jagdjahr 1991/1992 über Wildschäden abgeschlossene Vergleich habe nur einzelne, genau bezeichnete Bäume zum Gegenstand gehabt, sodaß die damals noch nicht bekannten Schäden von dieser Einigung nicht erfaßt gewesen seien. Der Antragstellerin stehe der ermittelte Schadensbetrag ungekürzt zu, weil sie keine gesetzliche Verpflichtung verletzt habe, der Verursachung von Wildschäden selbst vorzubeugen.

Das Rekursgericht hob diese Entscheidung auf, verwies die Rechtssache an das Erstgericht zurück, trug diesem die neuerliche Entscheidung nach Ergänzung des Verfahrens auf und sprach aus, daß der „ordentliche Revisionsrekurs“ zulässig sei. Es erwog rechtlich - soweit für das Verfahren dritter Instanz noch von Bedeutung - im wesentlichen, daß die §§ 65 ff Oö JagdG dem Liegenschaftseigentümer einen verschuldensunabhängigen Ersatzanspruch für Jagd‑ und Wildschäden gewähre, weil dem Grundeigentümer oder Nutzungsberechtigten die Möglichkeit einer Schadensabwehr weitgehend entzogen sei. Gemäß § 68 Abs 1 Oö JagdG sei der Ermittlung von Jagd‑ und Wildschäden der ortsübliche Marktpreis der beschädigten oder vernichteten Erzeugnisse zugrunde zu legen. Wildschäden im Wald (etwa an Stämmen, Pflanzungen, natürlichen Verjüngungen oder Vorkulturen) seien nach forstwirtschaftlichen Grundsätzen zu bewerten. Maßgeblich sei der durch das Wild „im konkreten Vermögen“ des Anspruchsberechtigten verursachte Schaden. Bei der Schadensermittlung seien jene beschädigten Pflanzen auszuscheiden, die im Zuge von Durchforstungsmaßnahmen ohnehin hätten entnommen werden müssen. Soweit der Antragstellerin durch Wildschäden die Möglichkeit entgangen sei, Christbäume im Rahmen einer „Vornutzung“ zu verkaufen, sei in deren Vermögen ein konkret meßbarer positiver Schaden eingetreten; dieser sei nach dem üblichen Marktpreis zu ersetzen. Allerdings komme es auch dabei auf die „konkrete wirtschaftliche Verwendungsmöglichkeit“ an, weshalb bei der Schadensermittlung darauf abzustellen sei, wie viele Pflanzen im Rahmen einer Vornutzung nach forstwirtschaftlichen Grundsätzen tatsächlich als Christbäume nutzbar und daher auch verwertbar gewesen wären. Die Aufzählung der in § 67 Abs 1 Oö JagdG genannten Kulturen sei taxativ. Andere Anpflanzungen unterlägen demnach den allgemeinen Vorschriften, die auch auf die Vornutzung von Pflanzen als Christbäume anzuwenden seien. § 68 Abs 5 Oö JagdG beziehe sich ausdrücklich auch auf Schäden an Vorkulturen. Bei der Marktwertermittlung müsse somit auf die Verwertungsmöglichkeit von Vorkulturen als Christbäume Bedacht genommen werden.

Die Fristen für die Geltendmachung und Anbringung eines Jagd‑ oder Wildschadens gemäß den §§ 69 und 73 Oö JagdG seien gesetzliche Fallfristen. Eine Fristversäumnis habe den Anspruchsverlust zur Folge. Berücksichtige man, daß die Antragstellerin schon in den Jahren 1991/1992 Kenntnis von den durch Wild verursachten und schließlich mit 386 S abgefundenen Schäden erlangt habe, könne nicht gesagt werden, sie habe an sich keine Kenntnis von Wildschäden gehabt, weil damals eine Waldbegehung stattgefunden habe, bei der die als geschädigt erkennbaren Bäume gekennzeichnet worden seien. Daß Wildschäden aufgetreten seien und wer dafür als Ersatzpflichtiger in Betracht komme, sei der Antragstellerin daher schon damals bewußt gewesen. Deren „vollständiges Wissen um die (genaue) Schadenshöhe“ sei nicht erforderlich gewesen. Der Begriff „Bekanntwerden des Schadens“ müsse „im Sinne des Bekanntwerdens (bzw objektiven Bekanntseins) jener Tatumstände (bzw Haftungsvoraussetzungen) verstanden werden, die für die Entstehung und Erhebung eines Anspruchs maßgeblich“ seien. Für „die Kenntnis bzw das Bekanntwerden des Schadens“ genüge aber schon die „sichere Vorhersehbarkeit des Schadenseintritts selbst“, soweit dem Geschädigten dadurch jene Tatsachen bekannt seien, die die Ausübung dessen Rechte erlaubten. Seien aber die Schäden des Jagdjahres 1991/1992 als Wildschäden erkennbar gewesen, als solche erkannt und auch abgefunden worden, dann habe die Antragstellerin an sich Kenntnis von eingetretenen Wildschäden gehabt. Deren vom Erstgericht festgestellte mangelnde Kenntnis habe sich also „nicht auf die früheren Schäden selbst, sondern auf deren Umfang bzw auf die Schadenshöhe“ bezogen. Die vor dem Jagdjahr 1992/1993 eingetretenen Wildschäden seien somit „verfallen“. Die von den Antragsgegnern als unrichtig gerügte Feststellung, die Antragstellerin habe von den im vorliegenden Verfahren geltend gemachten „weitergehenden Schäden“ vor dem 23.März 1993 keine Kenntnis erlangt, sei daher nicht entscheidungswesentlich. Da lediglich die im Jagdjahr 1992/1993 verursachten Wildschäden nicht verfristet seien, habe das Erstgericht im fortgesetzten Verfahren den entstandenen Gesamtschaden aufzugliedern und den Jagdperioden vor und nach 1992 zuzuordnen. Im fortgesetzten Verfahren werde das Erstgericht überdies ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen haben, weil zwischen der gutachtlichen Stellungnahme eines fachkundigen Zeugen und dem Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen krasse Divergenzen in Ansehung von Tatsachen bestünden, die für die Ermittlung der Schadenshöhe von Bedeutung seien.

Der Rekurs ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 69 Oö JagdG idF LGBl 1988/13 ist der Anspruch auf Ersatz eines Jagd‑ oder Wildschadens binnen drei Wochen nach Bekanntwerden des Schadens bei sonstigem Verlust des Anspruchs beim Jagdausübungsberechtigten oder dessen Bevollmächtigten geltend zu machen. Wie der erkennende Senat bereits in einem zwischen denselben Parteien geführten Vorverfahren (1 Ob 506/95) aussprach, beginnt diese gesetzliche Fallfrist ab dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Geschädigte von einem Jagd‑ oder Wildschaden Kenntnis erlangte (JBl 1996, 190 = ecolex 1995, 418 = ÖJZ‑LSK 1995/172, 174 und 175 [soweit jedoch nicht veröffentlicht]). Anders als etwa gemäß § 76 Kärntner JagdG genügt es daher nicht, daß der Ersatzberechtigte von Wildschäden am Wald bei Anwendung gehöriger Sorgfalt hätte Kenntnis erhalten können (3 Ob 539/93); maßgebend ist vielmehr nur, wann der Antragstellerin die ihrem Ersatzbegehren zugrunde liegenden Wildschäden nach deren Verursachung tatsächlich bekannt wurden. Allerdings vertrat die bisherige Rechtsprechung zu § 1489 ABGB die Ansicht, daß die dreijährige Verjährungsfrist auch dann zu laufen beginne, wenn zwar der Schaden noch nicht eingetreten, aber dessen Eintritt für den Geschädigten mit Sicherheit vorhersehbar sei (DRdA 1992/39 [Apathy/Riedler]; DRdA 1980/1 [Koziol]; JBl 1979, 261; ZVR 1979/22; SZ 50/50 uva). Von dieser Praxis ging jedoch der erkennende Senat als verstärkter Senat in 1 Ob 621/95 (EvBl 1996/11 = ecolex 1996, 91) ab. Unabhängig davon ist aber auch nicht vorhersehbar, wann und wo das im Wald frei lebende Wild Schäden an bestehenden Forstkulturen verursachen wird. Fragen der Vorhersehbarkeit von Wildschäden sind daher für den Beginn der in § 69 Oö JagdG geregelten gesetzlichen Fallfrist ohne Bedeutung. Deshalb ist für die Auslegung des § 69 Oö JagdG aber auch die im allgemeinen Schadenersatzrecht für die Lösung der Verjährungsfrage wesentliche Unterscheidung zwischen einem Primärschaden und vorhersehbaren Folgeschäden ohne Einfluß (vgl zu dieser Differenzierung: EvBl 1996/11 = ecolex 1996, 91; Riedler, Verstärkter Senat zum Verjährungsbeginn im Schadenersatz, ecolex 1996, 87). Jeder durch das Wild nach und nach verursachte Schaden ist nämlich als (neuer) Primärschaden anzusehen.

Entgegen der Ansicht des Rekursgerichts läßt sich demnach aus dem Bekanntwerden eines Wildschadens im Bagatellbetrag von insgesamt 386 S an gezählten 86 Bäumen in einem bestimmten Waldgebiet nicht darauf schließen, daß die Antragstellerin damit auch die Kenntnis von weiteren Wildschäden am Wald in anderen Bereichen ihrer rund 97 ha großen und in die Genossenschaftsjagd integrierten Forstfläche erlangt habe. Die Frist zur Geltendmachung eines Wildschadens gemäß § 69 Oö JagdG kann also nicht schon durch die vom Rekursgericht dargelegte Fiktion in Gang gesetzt werden, daß dem Geschädigten alle in einem großen Waldgebiet verursachten Schäden bekannt geworden seien, wenn er nur von einem bestimmten der in verschiedenen Waldgebieten bereits verursachten Wildschäden tatsächlich Kenntnis erlangte. Sind aber dem Ersatzberechtigten bestimmte Wildschäden gar nicht bekannt geworden, bleibt ihm soweit auch noch der Ursachenzusammenhang verborgen, ohne dessen Kenntnis eine Rechtsausübung durch Geltendmachung eines Ersatzanspruchs gemäß § 69 Oö JagdG nicht vorstellbar ist. Entgegen der Annahme des Rekursgerichts war daher der Antragstellerin in dem Zeitpunkt, als sie sich im Jagdjahr 1991/1992 mit den Antragsgegnern auf einen Ersatzbetrag von 386 S geeinigt hatte, nur ein bestimmter der damals in verschiedenen Waldgebieten möglicherweise bereits eingetretenen Schäden bekannt, falls die vom Erstgericht über deren Kenntnisstand getroffene Feststellung zuträfe. Der Antragstellerin wäre dann aber vor dem 23.März 1993 nicht nur die Höhe der im vorliegenden Verfahren geltend gemachten Wildschäden unbekannt gewesen, sondern sie hätte auch keine nachweisbare Kenntnis vom Schadenseintritt an sich gehabt.

Es wäre dann aber rechtlich dem Erstgericht bei dessen Erwägung zu folgen, daß die festgestellten Wildschäden keiner zeitlichen Zuordnung bedürften, wäre tatsächlich nicht feststellbar, daß die Antragstellerin „von den verfahrensgegenständlichen Wildschäden“ vor dem 23.März 1993 Kenntnis erlangt habe. Die Antragsgegner bekämpften diese Feststellung allerdings im Rekursverfahren (ON 72). Das Gericht zweiter Instanz ließ jedoch deren Beweisrüge soweit unerledigt, weil es die bekämpfte Feststellung - ausgehend von einer durch den erkennenden Senat nicht gebilligten Rechtsansicht - nicht für entscheidungswesentlich hielt. In der zu fällenden neuerlichen Entscheidung wird daher die Beweisrüge der Antragsgegner im aufgezeigten Punkt zu behandeln und zu erledigen sein.

Im Verfahren außer Streitsachen kann nämlich als Rekursgrund auch unrichtige Beweiswürdigung geltend gemacht werden. Das ergibt ein Größenschluß aus § 10 AußStrG. Danach können auch im Rekurs neue Umstände und Beweismittel angeführt werden, was nur dann sinnvoll ist, wenn das Gericht zweiter Instanz befugt ist, sich über diese Neuerungen selbst Klarheit zu verschaffen und dabei etwa auch die erforderlichen ergänzenden Beweise aufzunehmen. Umsomehr muß dann eine Beweisrüge im Rekursverfahren möglich sein (Dolinar, Österreichisches Außerstreitverfahrensrecht - Allgemeiner Teil 166; Klicka/Oberhammer, Außerstreitverfahren Rz 58). Es entsprach aber auch ständiger Rechtsprechung, daß im Verfahren außer Streitsachen der Grundsatz der Unmittelbarkeit nicht gilt und das Rekursgericht daher die aufgenommenen Beweise unabhängig von deren Würdigung durch das Erstgericht nach freier Überzeugung beurteilen darf (ÖA 1981, 87; RZ 1967, 17; JBl 1961, 232). Danach sprach allerdings der Oberste Gerichtshof durch einen verstärkten Senat in 6 Ob 650/93 (SZ 66/164) aus, daß das Rekursgericht auch in Verfahren, in denen der Grundssatz der Unmittelbarkeit nicht gilt, die vom Erstgericht unmittelbar aufgenommenen Beweise nicht umwürdigen darf. Obgleich das Verfahren außer Streitsachen in dieser Entscheidung keine ausdrückliche Erwähnung fand, gelten deren grundsätzlichen Ausführungen nicht minder auch für diese Verfahrensart (idS auch: Kodek in Rechberger, Kommentar zur ZPO Rz 4 zu § 526). Der verstärkte Senat hob jedoch auch hervor, daß eine neuerliche Vernehmung der vom Entscheidungsorgan im Verfahren erster Instanz selbst gehörten Personen durch nur ein Mitglied des Rekurssenats als dessen beauftragter Richter unzureichend wäre, um eine gleichwertige Beurteilungsgrundlage für die Abwägung der Beweismittel zu schaffen, wie sie für das Erstgericht gegeben war; es sei vielmehr erforderlich, daß sämtliche Mitglieder des Entscheidungsorgans einen persönlichen Eindruck von der zu vernehmenden Person gewinnen können. Die Vernehmung durch alle Mitglieder des Rechtsmittelsenats sei - anders als etwa gemäß § 526 Abs 1 ZPO - jedoch nur dann statthaft, wenn innerhalb besonderer Verfahrensarten „das Verfahren vor dem Rechtsmittelgericht nicht in bestimmter Weise festgeschrieben“ sei und demnach ein Spielraum für die Auslegung nach allgemeinen Verfahrensgrundsätzen verbleibe, ohne dadurch das Verbot einer mündlichen Rekursverhandlung zu umgehen.

Das trifft aber auch auf das Verfahren außer Streitsachen zu, dessen allgemeinen, das Rekursverfahren regelnden Bestimmungen kein solches Verbot einer mündlichen Rekursverhandlung enthalten. Der erkennende Senat sprach daher schon in zwei Verfahren nach dem 2. Kunst‑ und Kulturgutbereinigungsgesetz BGBl 1986/2 aus, daß die Ansicht, das Verfahren außer Streitsachen sei nicht vom Grundsatz der Unmittelbarkeit beherrscht, nicht für jene besonderen außerstreitigen Verfahren gelte, in denen die Beweise vom Erstrichter nach den Vorschriften des Zivilprozeßrechts in mündlicher Verhandlung unmittelbar aufgenommen und daher auch der in § 276 ZPO verankerte Grundsatz der Unmittelbarkeit zu beachten sei. Habe daher das Rekursgericht gegen die aufgrund eines unmittelbar durchgeführten Beweisverfahrens vorgenommene Beweiswürdigung des Erstgerichts Bedenken, könne es die Beweise nur dann anders würdigen und demgemäß von der angefochtenen Entscheidung abweichende Feststellungen treffen, wenn es die Beweisaufnahme wiederholt bzw. ergänzt habe. Da jedoch eine mündliche Rekursverhandlung im allgemeinen Rechtsmittelrecht des Verfahrens außer Streitsachen nicht vorgesehen sei, sei diese planwidrige Unvollständigkeit des Verfahrensrechts durch die analoge Anwendung der Regeln der Zivilprozeßordnung über die Berufung - insbesondere jener über die Anberaumung und Durchführung der mündlichen Berufungsverhandlung - zu beheben. Im Verfahren außer Streitsachen werde nämlich - ebenso wie im Zivilprozeß, wenn auch nur in Beschlußform - über Rechtsschutzbegehren und Sachanträge abgesprochen, was allein schon in erhöhtem Maße die Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung auch im Bereich der Tatfrage erfordere. Eine analogiefähige Grundlage für eine mündliche Rekursverhandlung ergebe sich überdies auch aus § 37 Abs 3 Z 17 lit f und g MRG für ein im Verfahren außer Streitsachen zu behandelndes Rechtsschutzbegehren (1 Ob 618, 619/94; 1 Ob 646/92).

Das Gericht zweiter Instanz muß daher eine mündliche Rekursverhandlung etwa dann durchführen, wenn es Bedenken gegen die Würdigung der vom Erstgericht unmittelbar aufgenommenen Beweise und die daraus abgeleiteten entscheidungswesentlichen Tatsachenfeststellungen hat, weil es nach der ratio der bereits referierten Entscheidungen auch in diesem Verfahren nicht von Feststellungen abgehen kann, die sich ‑ wie hier in der Frage der Fristwahrung durch die Antragstellerin - auf eine, hier noch dazu in mündlicher und kontradiktorischer Verhandlung durchgeführte unmittelbare Beweisaufnahme durch das Erstgericht stützen und daher eine höhere Richtigkeitsgewähr als Tatsachenfeststellungen haben, die nur nach einem Aktenverfahren getroffen würden. Ist aber eine mündliche Rekursverhandlung möglich, erfordert die in § 10 AußStrG ausdrücklich geregelte Neuerungserlaubnis nicht mehr die Aufrechterhaltung jener Rechtsprechung, die vor der bereits zitierten Entscheidung eines verstärkten Senats ganz allgemein die Ansicht vertrat, daß der Grundsatz der Unmittelbarkeit im Verfahren außer Streitsachen nicht gelte (vgl dazu: Klicka/Oberhammer aaO Rz 44).

Bliebe es aber - auch nach einer allfälligen Beweiswiederholung in einer mündlichen Rekursverhandlung - dabei, daß die Kenntnis der Antragstellerin von den „verfahrensgegenständlichen Wildschäden“ vor dem 23.März 1993 nicht feststellbar sei, wäre deren Ersatzanspruch auch nicht gemäß § 69 Oö JagdG erloschen, und zwar ohne daß es noch weiterer Feststellungen dazu bedürfte, wann die einzelnen, den Gegenstand des Ersatzbegehrens bildenden Wildschäden entstanden sind.

Nicht entgegengetreten wird der zutreffenden und unbekämpft gebliebenen Rechtsansicht des Rekursgerichts, soweit sich diese auf Fragen der Schadensermittlung gemäß § 68 Oö JagdG und des Anwendungsbereichs des § 67 Oö JagdG bezieht. Diese Ausführungen können jedoch nur dann entscheidungswesentliche Bedeutung gewinnen, wenn der durch die Antragstellerin geltend gemachte Ersatzanspruch nicht wegen Versäumung der in § 69 Oö JagdG geregelten gesetzlichen Fallfrist erloschen wäre.

Soweit sich der Rekurs dagegen wendet, daß das Gericht zweiter Instanz dem Erstgericht im angefochtenen Beschluß die Bestellung eines weiteren gerichtlichen Sachverständigen zur endgültigen Abklärung bestimmter Tatsachen auftrug, ist darauf hinzuweisen, daß der Oberste Gerichtshof auch im Verfahren außer Streitsachen, wie aus § 15 AußStrG idF der WGN 1989 folgt, nicht Tatsacheninstanz ist (3 Ob 1562/95; EFSlg 73.570; JUS Z 855; 4 Ob 554/90 uva). Die Frage, ob ein weiteres Sachverständigengutachten zur Klärung bestimmter Tatfragen einzuholen ist, gehört aber in das Gebiet der durch den Obersten Gerichtshof nicht überprüfbaren Beweiswürdigung der Vorinstanzen (1 Ob 620/94; SSV‑NF 7/12; SSV‑NF 6/28 uva). Die Rekursausführungen zum Auftrag auf Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens entziehen sich demnach einer weiteren Erörterung durch den Obersten Gerichtshof. Auch dieser Auftrag wird jedoch, wie anzumerken bleibt, für das weitere Verfahren nur dann von Bedeutung sein, wenn der von der Antragstellerin geltend gemachte Ersatzanspruch nicht gemäß § 69 Oö JagdG erloschen wäre.

Der gemäß § 44 EisbEG geltende Grundsatz der Einseitigkeit der Kostenersatzpflicht ist gemäß § 77 Abs 1 Oö JagdG idF LGBl 1990/2 auch im gerichtlichen Verfahren über einen Anspruch auf Ersatz von Jagd‑ und Wildschäden anwendbar (1 Ob 506/95). Das bedeutet, daß der Antragstellerin nur für ein erfolgloses Rechtsmittel kein Kostenersatzanspruch zusteht (SZ 60/17). Der Rekurserfolg der Antragstellerin liegt im vorliegenden Fall darin, daß es ihr gelang, das vom Gericht zweiter Instanz angenommene Erlöschen ihres Ersatzanspruchs für die im Jagdjahr 1991/1992 entstandenen Wildschäden vorläufig - nämlich vorbehaltlich der noch zu fällenden neuerlichen Entscheidung - abzuwehren. Die Rekurskosten sind daher weitere Verfahrenskosten, über deren Ersatz erst mit der noch ausstehenden abschließenden Sachentscheidung abgesprochen werden kann (1 Ob 506/95; SZ 60/17). Obsiegt der Grundeigentümer im Entschädigungsverfahren bloß teilweise, gebühren ihm - unter Ausschluß der Kostenteilung - volle Kosten vom ersiegten Betrag, wobei auch die im Rechtsmittelverfahren entstandenen Kosten der anwaltlichen Vertretung ersatzfähig sind (1 Ob 506/95; SZ 60/269; SZ 60/17; SZ 59/229).

Gemäß § 77 Abs 1 Oö JagdG idF LGBl 1990/2 ist im gerichtlichen Verfahren auf Ersatz von Jagd‑ und Wildschäden das Eisenbahnenteignungsgesetz 1954 sinngemäß anzuwenden. Gemäß § 30 Abs 4 EisbEG iVm § 77 Abs 1 Oö JagdG ist das auf die Entscheidung über die zu leistende Entschädigung bezogene Rechtsmittelverfahren zweiseitig (1 Ob 506/95; 7 Ob 551/94). Die Rekursfrist beträgt gemäß § 30 Abs 3 EisbEG 14 Tage. Gleiches gilt für die Frist zur Rekursbeantwortung gemäß § 30 Abs 4 und 5 EisbEG. Diese Regelungen sind auch auf Aufhebungsbeschlüsse gemäß § 14 Abs 1 AußStrG anzuwenden, wenn das Gericht zweiter Instanz ‑ wie hier - aussprach, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Den Antragsgegnern wurde eine Gleichschrift des Rekurses der Antragstellerin am 30.November 1995 zugestellt. Die Frist zur Rekursbeantwortung endete daher am 14.Dezember 1995, 24.00 Uhr. Die erst am 22.Dezember 1995 zur Post gegebene Rekursbeantwortung ist demnach wegen Verspätung zurückzuweisen.

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