OGH 5Ob511/96 (5Ob512/96)

OGH5Ob511/96 (5Ob512/96)26.3.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Adamovic und Dr.Baumann als weitere Richter in den zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Rechtssachen der klagenden und widerbeklagten Partei E***** B.V, ***** Niederlande, vertreten durch Heller, Löber, Bahn & Partner, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte und widerklagende Partei G***** AG, ***** vertreten durch Dr.Hannes Priebsch und DDr.Sven D.Fenz, Rechtsanwälte in Graz, wegen S 1,345.920,16 s.A. (16 Cg 144/93v des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz) und S 4,000.000,-- s.A. (16 Cg 256/93i des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz), infolge Rekurses beider Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 28.November 1995, GZ 5 R 185/95-32, womit das Teilurteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 24.Mai 1995, GZ 16 Cg 144/93v-24, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Dem Rekurs der beklagten und widerklagenden Partei wird nicht Folge gegeben.

Hingegen wird dem Rekurs der klagenden und widerbeklagten Partei Folge gegeben, der angefochtene Beschluß aufgehoben und das Teilurteil des Erstgerichtes, das in seinem klagsabweisenden Teil als unangefochten in Rechtskraft erwachsen ist, in seinem klagsstattgebenden Teil wiederhergestellt.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind als weitere Verfahrenskosten zu behandeln.

Text

Entscheidungsgründe:

Die österreichische Tochtergesellschaft der Klägerin, die E*****-GesmbH (bei deren Liquidation im Jahre 1988 die Klägerin sämtliche Rechte und Verbindlichkeiten aus dem streitgegenständlichen Vertragsverhältnis zur Beklagten übernahm), hat an die Beklagte auf Grund eines Anbots vom 7.1.1986 im Jahr 1986 und zu Beginn des Jahres 1987 (bis spätestens 1.7.1987) ein Fernwärme-Verbund-Rohr-System (vorisolierte Rohre und Formstücke) mit 5-jähriger Garantie geliefert. Zur Sicherung allfälliger Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche hat die Klägerin im Jahre 1989 eine Bankgarantie der E*****kasse über S 1,383.604,-- mit einer Laufzeit bis 1.12.1992 beigebracht. Die Beklagte hat diese Bankgarantie am 12.11.1992 zur Gänze abberufen. Sie begründete dies in einem Schreiben vom 18.11.1992 damit, daß am 7.10.1992 im Zuge von Anschlußarbeiten an zwei T-Abzweigern ungenügende Schweißnähte festgestellt worden seien; es sei das Auftreten weiterer Mängel an den insgesamt 100 bis 130 gelieferten Abzweigstücken zu befürchten.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin und Widerbeklagte (im folgenden Klägerin) von der Beklagten und Widerklägerin (im folgenden Beklagte) die Rücküberweisung des Garantiebetrages in der Höhe von S 1,345.920,16 samt 5 % Zinsen seit dem 14.11.1992 im wesentlichen mit der Begründung, die Beklagte habe im Zusammenhang mit der gegenständlichen Lieferung zunächst keine Mängel gerügt. Erst nach Ablauf der Bankgarantie und der Gewährleistungsfrist (diese habe nach § 933 Abs 1 Satz 2 ABGB mit der Ablieferung der Sache begonnen) habe die Beklagte im Schreiben vom 18.11.1992 das Auftreten undichter Schweißnähte bei zwei T-Abzweigern (bei einer maximalen Schadenshöhe von S 50.000,--) im Bereich des Objektes R*****gasse 24 in G***** geltend gemacht. Die Beklagte habe daher die Bankgarantie mißbräuchlich in Anspruch genommen und sei im Klagsausmaß ungerechtfertigt bereichert. Sie habe bisher noch nicht einmal nachgewiesen, daß die schadhaften Teile tatsächlich von der Firma E*****-GesmbH geliefert worden seien. Entgegen branchenüblichen Usancen habe die Beklagte der Klägerin keine Besichtigungsmöglichkeit eingeräumt und weder Protokolle noch Bautagebücher vorgelegt. Wegen der Geringfügigkeit der Mängel hätten die Streitteile am 25.11.1992 in Graz vereinbart, daß die Beklagte lediglich S 50.000,-- des eingezogenen Haftrücklasses behalte und den Rest von S 1,333.604,-- der Klägerin erstatte. Dafür sollte die Klägerin die vertraglich eingeräumte Gewährleistungsfrist bis 1.7.1993 verlängern, was auch geschehen sei. Allfällige undeutliche Äußerungen in dem über die Unterredung vom 25.11.1992 von der Beklagten erstellten Aktenvermerk (vom 26.11.1992) seien nach § 915 ABGB zum Nachteil der Beklagten auszulegen. Diese habe als Formkaufmann entgegen § 377 HGB bisher ihrer Pflicht zur unverzüglichen Mängelrüge nicht entsprochen. Mangels rechtzeitiger Prüfung der Rohre vor deren Verlegung habe die Beklagte für die von ihr behaupteten, selbst verschuldeten Schäden selbst aufzukommen. Die Beklagte habe überdies ihre Schadensminderungsverpflichtung verletzt, weil sie das Leck-Früh-Warnsystem der Klägerin nicht bestellt und nicht eingebaut habe. Ein Aufgraben des gesamten oder eines großen Teiles des Leitungssystems sei auf bloßen Verdacht hin in keiner Weise erforderlich gewesen.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie brachte vor, daß nach dem Sinn der von den Streitteilen geschlossenen Vereinbarung die Garantie nicht ab Übergabe, sondern erst ab der Montage der vorisolierten Rohre und Formstücke laufen sollte. Bei den vorliegenden verdeckten Mängeln könne die mit der Erkennbarkeit des Mangels beginnende Garantiefrist ebenfalls keinesfalls abgelaufen gewesen sein. Durch die zeitliche Fixierung der Bankgarantie bis 1.12.1992 sei der Beklagten zumindest die Möglichkeit eröffnet worden, Gewährleistung bis zu diesem Zeitpunkt zu fordern. Die Entdeckung der zwei Undichtheiten und die Besorgnis, es könnte kein Einzelfall, sondern ein verborgener Konstruktionsmangel sein, habe die Beklagte berechtigt, die Bankgarantie zu beanspruchen. Der Aktenvermerk vom 26.11.1992 gebe den tatsächlichen Willen der Vertragsteile etwas unvollkommen wieder. Voraussetzung für die Rückzahlung des eingezogenen Haftrücklasses bis auf S 50.000,-- sei eine ausreichende Garantieerklärung und eine bis 1.7.1993 zu findende Lösung für die übrigen E*****-Abzweiger gewesen, wozu die Beklagte eine Garantieverlängerung bis zum Jahre 1997 vorgeschlagen habe. Es könne nicht ernstlich angenommen werden, daß sich die Beklagte angesichts ihrer schwierigen Situation der Öffentlichkeit gegenüber als Fernwärmeversorger damit bereitgefunden hätte, die gesamte Bankgarantie bis auf S 50.000,-- zurückzuzahlen, bevor es eine ausreichende Garantieerklärung und Absicherung seitens der Klägerin wenigstens bis 1.7.1993 gab. Daß eine Rückzahlung ohne ausreichende wirtschaftliche Garantie nicht in Frage komme, habe die Beklagte auch in der Folgekorrespondenz der Klägerin ausdrücklich mitgeteilt. Deren Garantieerklärung vom 27.11.1992 sei keinesfalls ausreichend gewesen. Dies umsoweniger, als die Klägerin dort ihren Standpunkt aufrechterhalten habe, der Abruf der Bankgarantie in der gesamten Höhe sei zu Unrecht und mißbräuchlich erfolgt; sie habe die vertragliche Garantie für die eingebauten Abzweigstücke bis zum 1.7.1993 auch nur unter der Bedingung einer sofortigen Rückzahlung der Haftrücklaßgarantie gegeben. Dies sei gerade das Gegenteil von dem, was sich die Beklagte aufgrund der Unterredung vom 25.11.1992 erwartet habe. Das Garantieversprechen einer ausländischen Firma ohne jede Absicherung für einen Haftrücklaß oder eine entsprechende neue Bankgarantie sei für die Beklagte wirtschaftlich weitgehend wertlos gewesen. Innerhalb der am 25.11.1992 vereinbarten Überprüfungsfrist bis 1.7.1993 seien im Zuge der Netzerweiterung am 14.4.1993 gleich gravierende Mängel an weiteren zwei E*****-Abzweigern DN 80/25 entdeckt worden. Als Ursache sei eine schlechte Nahtverarbeitung bei der Verschweißung der Abzweigstutzen festgestellt worden. Eine Sanierung der Hauptversorgungsleitung DN 600/600 der Beklagten vom Fernheiz-Kraftwerk bis zur K*****brücke in G***** sei aus sicherheitsrelevanten und versorgungstechnischen Gründen zwingend erforderlich und würde samt den Reparaturen S 5,000.000,-- an Aufwand verursachen. Schon die durch die zufällig entdeckten verborgenen Mängel erforderlichen Überprüfungs- und allfälligen Reparaturarbeiten hätten einen erheblichen Aufwand zur Folge. Die Beklagte wende daher gegen die Klagsforderung (bis zu deren Höhe) aus dem Titel der Gewährleistung, des Schadenersatzes gemäß § 1299 ABGB und der Produkthaftung compensando eine Gegenforderung in Höhe von insgesamt S 5,500.000,-- ein. Die genaue Überprüfung des Versorgungsnetzes der Fernwärme habe bezüglich der Produkte, für die die Klägerin einzustehen habe, ein geradezu katastrophales Ergebnis gezeitigt. Bisher ausgegrabene vier von insgesamt 24 großen Abzweigern zeigten erhebliche Konstruktionsfehler; von den bisher zur Überprüfung freigelegten acht kleinen Abzweigern seien sieben aus denselben Gründen unbrauchbar. Ihre Gegenforderung machte die Beklagte dann auch noch am 22.7.1993 mittels Widerklage geltend (16 Cg 256/93i des LGZ Graz), wobei sie im Hinblick auf die bereits vorliegende Aufrechnungseinrede ihr Klagebegehren abgerundet mit S 4,000.000,-- bezifferte. Am 28.10.1993 hat das Erstgericht die Verfahren über Klage und Widerklage zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Mit Teilurteil vom 24.5.1995 hat das Erstgericht der Klägerin die zu 16 Cg 144/93v geltend gemachte Forderung im Betrag von S 1,333.604,-- samt 5 % Zinsen ab dem 26.11.1992 zugesprochen und das Mehrbegehren von S 12.316,16 samt Zinsenanhang und das vor dem 26.11.1992 liegende Zinsenbegehren abgewiesen. Die Kostenentscheidung blieb dem Endurteil vorbehalten.

Das Erstgericht stellte im wesentlichen noch fest, daß der Geschäftsführer der Klägerin am 25.11.1992 nach Graz kam, um an einem Treffen mit Organen der Beklagten zur freundschaftlichen Lösung der Angelegenheit teilzunehmen. Das Ergebnis dieser Besprechung wurde in einem von der Beklagten am 26.11.1992 formulierten Aktenvermerk und von der Gegenseite in einem Schreiben vom 27.11.1992 festgehalten. Diese Urkunden, die zu einem Bestandteil der Feststellungen gemacht wurden, haben folgenden Wortlaut:

Aktenvermerk vom 26.11.1992:

"Mit Herrn S***** von der Firma U***** wurde folgende Vorgangsweise für die Behebung des Schadens in der R*****gasse bzw für die Behebung der wahrscheinlich zu erwartenden Schäden bei den restlich eingebauten Abzweigstücken vereinbart. Die G***** AG bekommt von der Firma U***** eine schriftliche Garantieverlängerung auf die eingebauten E*****-Abzweiger bis zum 1.7.1993. Nach Erhalt der Garantieerklärung wird von der G***** AG der eingezogene Haftrücklaß bis auf S 50.000,-- wieder ausbezahlt. Bis zum 1.7.1993 ist eine Lösung für die übrigen E*****-Abzweigstücke zu finden. Seitens der G***** AG wird eine Garantieverlängerung bis zum Jahre 1997 vorgeschlagen."

Schreiben des Wil A. van S***** an die Beklagte vom 27.11.1992:

"Ich nehme Bezug auf unsere gemeinsame Unterredung in Graz vom 26.11.1992. In dieser Besprechung haben beide Seiten ihre Rechtsansicht ausführlich dargelegt. Wie Sie wissen, bin ich weiterhin der Ansicht, daß der Abruf der Bankgarantie in der gesamten Höhe zu Unrecht und daher rechtsmißbräuchlich erfolgt ist. Anläßlich der Unterredung wurde nachstehende Vereinbarung getroffen, die ich hiemit schriftlich festhalte:

Namens der Firma U***** B.V. erkläre ich hiemit, daß die vertragliche Garantie für die eingebauten E*****-Abzweigstücke bis zum 1.7.1993 verlängert wird. Diese Verlängerung erfolgt jedoch unter der Bedingung, daß die G***** AG die zu Unrecht eingezogene Haftrücklaßgarantie abzüglich eines Betrages in der Höhe von S 50.000,-- an U***** B.V. rücküberweist. Sollte daher der Betrag von S 1,333.604,-- binnen 14 Tagen auf unserem Konto .... eingehen, so sichern wir die Garantieverlängerung auf die eingebauten E*****-Abzweigstücke hiermit zu.

Der Zeitraum bis zum 1.7.1993 soll dazu dienen, für eventuell auftretende zukünftige Schäden eine gemeinsame und einvernehmlich Lösung zu finden."

Gegenstand des Gesprächs vom 25.11.1992 war auch die Beibringung einer neuen Bankgarantie mit Gültigkeit bis 1.7.1993 als Voraussetzung für die Überweisung des restlichen Garantiebetrages. Die bezügliche Forderung wurde aber vom Geschäftsführer der Klägerin abgelehnt und von der Beklagtenseite in der Besprechung am 25.11.1992 nicht weiterverfolgt, sodaß es bei dem in den erwähnten Urkunden formulierten Verhandlungsergebnis blieb.

Diesen Sachverhalt beurteilte das Erstgericht rechtlich dahin, daß die Beklagte aufgrund der Vereinbarung vom 25.11.1992 den S 50.000,-- übersteigenden Bankgarantiebetrag an die Klägerin zu überweisen habe, da diese ihrer Verpflichtung, die Garantie bis 1.7.1993 zu verlängern, entsprochen habe (auf die rechtskräftige Abweisung des Mehrbegehrens ist nicht weiter einzugehen). Selbst dann, wenn abweichend von den Feststellungen angenommen würde, daß die Gespräche am 25.11.1992 nicht zur aufgezeigten Vereinbarung geführt hätten, wäre, ohne weiter ins Detail zu gehen, für die Beklagte nichts zu gewinnen, da bei wirklichkeitsbezogener Betrachtungsweise nicht vermutet werken könne, daß die Bankgarantie auch für künftige, nach Ablauf ihrer Gültigkeit allenfalls eintretende Schäden beigebracht worden sei.

Das Berufungsgericht verwarf zwar die auf § 477 Abs 1 Z 9 ZPO gestützte Nichtigkeitsberufung der Beklagten gegen dieses Urteil und verneinte auch eine Verletzung der prozessualen Vorschrift über die Befugnis des Gerichtes zur Fällung eines Teilurteils, gab jedoch wegen sekundärer Verfahrensmängel dem Aufhebungsbegehren der Beklagten statt. Es hob das angefochtene Teilurteil, soweit es nicht in Rechtskraft erwachsen ist, unter Kostenvorbehalt auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Gericht erster Instanz zurück. Es führte aus:

Was die rechtliche Zulässigkeit eines Teilurteils betreffe, so sei vorauszuschicken, daß die beschlußmäßige Verbindung von Klage und Widerklage durch das Erstgericht zur gemeinsamen Verhandlung durch die Bestimmung des § 187 ZPO gedeckt sei und die Erlassung des Teilurteils bei erhobener Widerklage nur über die Klage, noch dazu über ausdrückliche protokollarische Ankündigung, nach Abs 2 des § 391 ZPO gerade auch ohne einen ausdrücklichen Aufhebungsbeschluß nach § 192 Abs 1 ZPO zulässig gewesen sei. Es könne nach der Entscheidung in ihrer Gesamtheit auch nicht zweifelhaft sein, daß sich das Teilurteil ausschließlich auf den in der Klage zu 16 Cg 144/93v verfolgten Anspruch beschränke und neben dem mit Widerklage begehrten Anspruch auch die compensando eingewendeten Gegenforderungen ausklammere. Selbst bezüglich der im Abs 3 des § 391 ZPO normierten Voraussetzungen sei die Fällung des Teilurteils zulässig gewesen, da ein rechtlicher Zusammenhang im Sinne dieser Bestimmung eine Parteienidentität vorausgesetzt hätte. Die Klagsforderung zu 16 Cg 144/93v werde aber von der Klägerin aufgrund der unstrittigerweise von ihr selbst beigebrachten, angeblich von der Beklagten mißbräuchlich beanspruchten Bankgarantie und auch aufgrund der von ihr selbst geschlossenen Vereinbarung vom 25.11.1992 geltend gemacht, während die von der Beklagten compensando eingewendeten Gewährleistungs-, Schadenersatz- und Produkthaftungsansprüche dieser primär gar nicht der Klägerin gegenüber, sondern deren seinerzeitigen Tochtergesellschaft E*****-GesmbH gegenüber zukämen und in einer (befreienden) Schuldübernahme auf die Klägerin als Muttergesellschaft überbunden worden seien. Durch eine solche Vorgangsweise habe aber ein rechtlicher Zusammenhang zwischen der Klags- und der Gegenforderung nicht geschaffen werden können (vgl SZ 22/50).

In der Sache selbst habe das Erstgericht seine Auffassung, daß die Klägerin die der Beklagten zugekommene Garantieleistung zu Recht zurückforderte, im wesentlichen auf das von den Streitteilen wechselseitig im Aktenvermerk vom 26.11.1992 sowie im Schreiben vom 27.11.1992 festgehaltene Ergebnis der Besprechung (und Verhandlung) vom 25.11.1992 gestützt. Zu diesem Aspekt sei zu sagen, daß für das Zustandekommen eines jeglichen Vertrages die Übereinstimmung der von den Parteien abgegebenen Willenserklärung Voraussetzung sei. Sie führten nur dann zu einem endgültig gesicherten Geschäftsabschluß, wenn sie fehlerfrei seien. Die Einwilligung in einen Vertrag müsse nach § 869 ABGB frei, ernstlich, bestimmt und verständlich sein. Erfolge etwa die Annahme unter anderen Bestimmungen als unter welchen das Versprechen geschehen ist, so entstehe kein Vertrag (§ 869 Satz 2 ABGB). Hätten die Parteien Willenserklärungen abgegeben, die zumindest äußerlich übereinstimmen, ausreichend bestimmt und verständlich sind, so bestehe ein Konsens der Parteien; sei hingegen keine solche Einigkeit erreicht worden, so liege Dissens vor, sodaß das Geschäft nicht zustandegekommen sei (Koziol/Welser I10 107 f mwH, Rummel in Rummel ABGB2 Rz 8 ff zu § 869). Die vom Erstgericht festgestellten schriftlichen Erklärungen der Streitteile wiesen nun eine nicht vernachlässigbare und mehrfache Diskrepanz auf. Jeweils die vom Partner geforderte Leistung werde nämlich wechselseitig zur Bedingung der eigenen gemacht. Die Beklagte gestehe für den von ihr zu erstattenden Haftrücklaß keine Leistungsbefristung zu, während die Gegenseite eine diesbezügliche Vorleistung binnen 14 Tagen fordere; diese wiederum lege Wert auf die Feststellung der Unrechtmäßigkeit des Einzuges der Haftrücklaßgarantie, während die Beklagte wertungsfrei vom Haftrücklaß spreche. Nach ihr sei bis zum 1.7.1993 eine Lösung für die übrigen E*****-Abzweigstücke zu finden; nach der Erklärung der Klägerin wiederum hätte der Zeitraum bis 1.7.1993 dazu dienen sollen, für eventuell auftretende zukünftige Schäden eine gemeinsame und einvernehmliche Lösung zu finden. Ohne daß es der begehrten Feststellung über den Inhalt allfälliger am 26.11.1992 (nach dem Gespräch vom 25.11.1992) dem Geschäftsführer der Klägerin zugekommenen (zusätzlichen) Verständigungen bezüglich der Forderung einer neuen Bankgarantie bedurfte, verhindere es schon der Dissens wegen der eben beispielsweise dargelegten Diskrepanzen in den Erklärungen der Parteien, von einer endgültig gesicherten verbindlichen Einigung der Streitteile am 25.11.1992 auszugehen. Die Erklärungen der Streitteile seien für das Zustandekommen einer Vereinbarung und damit für einen darauf gegründeten Zuspruch des Erstattungsbetrages von S 1,333.604,-- s.A. nicht tragfähig.

Entgegen der Auffassung des Erstgerichtes könne auch nicht damit argumentiert werden, daß die Beklagte jedenfalls den Bankgarantiebetrag der Klägerin zu überweisen habe, weil bei wirklichkeitsbezogener Betrachtungsweise nicht vermutet werden könne, daß die Bankgarantie auch für künftige, nach Ablauf ihrer Gültigkeit allenfalls eintretende Schäden beigebracht worden sei. Einer solchen Erwägung stehe die regelmäßige Abstraktheit der dreipersonalen Garantie entgegen, bei der der Garant selbst dann zur Leistung verpflichtet sei, wenn die Grundverhältnisse nicht gültig sind (Koziol/Welser aaO, 316; Koziol, Garantievertrag 21 ff; SZ 54/189; SZ 61/63; ÖBA 1988, 390, 615, 443 und 1230 ua).

Zum zweiten Rechtsgrund der Klagsforderung, der von der Klägerin behaupteten mißbräuchlichen Inanspruchnahme der Bankgarantie durch die Beklagte, fehlten noch Feststellungen. Diese Unvollständigkeit des entscheidungswesentlichen Sachverhalts sei darauf zurückzuführen, daß das Erstgericht wegen seiner anderen Rechtsauffassung solche Umstände zur Subsumtion nicht für erforderlich erachtete (§ 496 Abs 1 Z 3 ZPO).

Bei Prüfung der (vom Berufungsgericht als entscheidungswesentlich erkannten) Rechtsfrage, ob eine mißbräuchliche Inanspruchnahme der Bankgarantie durch die Beklagte vorliege, werde das Erstgericht davon ausgehen können, daß es Sinn und Zweck des Einredeausschlusses beim Garantievertrag sei, daß der Begünstigte die Leistung sofort erhalten soll und allfällige Streitigkeiten erst nachher zu bereinigen sind. Der Begünstigte solle also die für ihn vorteilhaftere Beklagtenrolle haben. Der Begünstigte sei jedoch dann nicht mehr schutzwürdig, wenn er eine Leistung in Anspruch nehme, obwohl schon eindeutig feststehe, daß er keinen derartigen Anspruch gegen den Dritten hat und daher das Erhaltene jedenfalls sofort wieder herausgeben muß. Die Inanspruchnahme der Garantie durch den Begünstigten wäre diesfalls eine mißbräuchliche Rechtsausübung (Koziol, Der Garantievertrag 56). Voraussetzung für Rechtsmißbrauch - dabei müsse an § 1295 Abs 2 ABGB im Sinne der neueren Judikatur und der Lehre (JBl 1990, 248, Rummel in Rummel, ABGB2 Rz 5 zu § 880a und Reischauer ebendort, Rz 59 zu § 1295) angeknüpft werden - sei, daß zwischen den vom Handelnden verfolgten eigenen Interessen und den beeinträchtigten Interessen des anderen ein krasses Mißverhältnis besteht. Der Schädigungszweck müsse augenscheinlich so sehr im Vordergrund stehen, daß andere Ziele der Rechtsausübung völlig in den Hintergrund treten (7 Ob 563, 564/91). Für den Vorwurf des Rechtsmißbrauches werde allgemein gefordert, daß das Nichtbestehen eines Anspruches des Begünstigten im Valutaverhältnis zur Zeit der Inanspruchnahme der Garantie als evident erwiesen wurde oder der Begünstigte in Schädigungsabsicht, also betrügerisch, handelte (Dullinger in JBl 1990, 177). Dem Begünstigten, der sich aus vertretbaren Gründen für berechtigt hält, könne kein arglistiges oder rechtsmißbräuchliches Verhalten vorgeworfen werden, wenn ihm nicht eindeutig nachgewiesen werde, daß er keinen Anspruch hat (7 Ob 563, 564/91; SZ 61/39; EvBl 1992/131 ua).

Erst nach Erweiterung der Entscheidungsbasis, insbesondere bezüglich der von den Streitteilen unterschiedlich dargestellten Umstände der Inanspruchnahme der Bankgarantie durch die Beklagte, werde demnach das Erstgericht beurteilen können, ob in der Inanspruchnahme der Bankgarantie durch die Beklagte in fallbezogener Sicht ein evidenter Rechtsmißbrauch lag, der der Klägerin einen Erstattungsanspruch in der Klagshöhe gewährte.

Diese Entscheidung enthält den Ausspruch, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Das wurde damit begründet, daß es zur Rechtsfrage (EFSlg 52.253/1 = EvBl 1986/179 = SZ 59/64) der auch nach § 391 Abs 3 (hier bezüglich eines Fehlens der Parteienidentität zufolge einer Schuldübernahme) gesetzlichen Zulässigkeit eines Teilurteils - soweit überblickbar - an einer höchstgerichtlichen Rechtsprechung fehle.

Den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes haben sowohl die Beklagte als auch die Klägerin fristgerecht mit Rekurs angefochten. Beide streben mit ihrem Rechtsmittel eine sofortige Sachentscheidung an, und zwar die Beklagte im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens, die Klägerin - offensichtlich - im Sinn einer Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Beide Rekurse enthalten darüber hinaus noch Aufhebungsanträge. Von beiden Seiten liegen schließlich noch fristgerecht erstattete Rekursbeantwortungen mit dem Antrag vor, dem jeweiligen Rechtsmittel des Gegners keine Folge zu geben; die Beklagte beantragte darüber hinaus noch die Zurückweisung des gegnerischen Rechtsmittels.

Die Rekurse sind, wie sich bei ihrer Behandlung ergeben wird, zulässig; berechtigt - und zwar im Sinn des Urteilsbegehrens (zur Möglichkeit, eine Sachentscheidung an die Stelle des Aufhebungsbeschlusses zu setzen, siehe § 519 Abs 3 letzter Satz ZPO) - ist allerdings nur der Rekurs der Klägerin.

Rechtliche Beurteilung

1.) Zum Rekurs der Beklagten:

Sie bekämpft lediglich die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, der Erlassung eines Teilurteils über die Klagsforderung stünde die Vorschrift des § 391 Abs 3 ZPO nicht entgegen, weil es iSd Entscheidung SZ 22/50 an der ursprünglichen Parteienidentität fehle. Entgegen dieser Rechtsansicht liege sehr wohl Konnexität zwischen Klagsforderung und aufrechnungsweise eingewendeter Gegenforderung vor, weil beide aus demselben Rechtsverhältnis, dem Vertragsverhältnis zwischen der Beklagten und der E*****-GesmbH, stammen und die Klägerin die Rechte und Pflichten aus diesem Vertrag voll übernommen habe. Dem ist folgendes entgegenzuhalten:

Nach der Judikatur liegt ein rechtlicher Zusammenhang zwischen Forderung und Gegenforderung dann vor, wenn sie aus einem einheitlichen Vertrag, einer einzigen gesetzlichen Vorschrift, einem einheitlichen unter einem gleichen rechtlichen Gesichtspunkt zu beurteilenden Lebenssachverhalt abgeleitet werden oder wenn zwischen den beiden Ansprüchen ein so inniger wirtschaftlicher Zusammenhang besteht, der die Durchsetzung des einen ohne Rücksicht auf den anderen als Treu und Glauben widersprechend erscheinen ließe (Rechberger in Rechberger, Rz 15 zu §§ 391, 392 ZPO mwN). In diesem Sinn wurde etwa gegen die Zulässigkeit eines Teilurteils bei prozessualen Aufrechnungslagen ins Treffen geführt, daß die Klags- und Gegenforderung einander bedingen oder die Parteien die Aufrechnung ihrer Forderungen vereinbart haben (vgl SZ 61/70 ua). Gleichzeitig wurde aber auch erkannt, daß später hinzutretende Tatsachen, die nur noch einen Anspruch betreffen, den rechtlichen Zusammenhang aufheben (RZ 1977, 36/14; SZ 61/70; Fasching III, 582).

Im gegenständlichen Fall liegt der Klagsforderung eine Vereinbarung der Streitteile zugrunde, die zwar vor dem wirtschaftlichen Hintergrund einer Auseinandersetzung um Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche der Beklagten zustandekam, aber doch einen eigenständigen Rechtsgrund bildet. Daß das Versprechen der Beklagten, die abberufene Garantiesumme (mit Ausnahme eines geringen Teils) zurückzuzahlen, mit einer Regulierung der Gewährleistungs- bzw Schadenersatzansprüche der Beklagten konditional verknüpft worden wäre, trifft, wie noch auszuführen sein wird, nicht zu. Es liegt aber auch kein Verstoß gegen Treu und Glauben vor, wenn auf Zuhaltung einer vertraglichen Vereinbarung geklagt wird, die zwar Absichtserklärungen über die Regelung weiterer Streitpunkte enthält, aber vorläufig nur für eine der strittigen Forderungen einen eigenen Titel schafft. Unabhängig davon darf an der Tatsache nicht vorbeigegangen werden, daß die Beklagte einen Großteil jener Gegenforderung, mit deren aufrechnungsweiser Geltendmachung sie die Zulässigkeit der Erlassung eines Teilurteils über die Klagsforderung bestreitet, mittels Widerklage geltend gemacht hat. Über diese müßte unabhängig von der Klagsforderung entschieden werden, weil aus dem Aufrechnungsanspruch - durch die Widerklage - ein selbständiger Anspruch geworden ist, über den schon § 391 Abs 2 ZPO durch Teilurteil entschieden werden könnte. Der Umstand, daß die mit Widerklage geltend gemachte Forderung bereits zum Gegenstand einer compensando-Einwendung gemacht wurde (was mangels Streitanhängigkeit durchaus möglich wäre: SZ 28/25; MietSlg 29.618 ua), stünde dem nicht entgegen (Rechberger in Rechberger, Rz 2 zu §§ 391, 392; vgl SZ 34/153). Fällung eines Teilurteils (über einer der beiden Begehren) wäre nur dann nicht möglich, wenn die Entscheidung des einen Prozesses der des anderen vorgreifen würde (Rechberger aaO mwN), also ein Fall der Präjudizialität vorläge (vgl Fasching III, 571; derselbe in Zivilprozeßrecht2, Rz 1418). Dafür bietet sich bei den in Rede stehenden Forderungen nicht der geringste Anhaltspunkt.

Der Rekurs der Beklagten erweist sich demnach als nicht berechtigt.

2.) Zum Rekurs der Klägerin.

Sie wendet sich vor allem gegen die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, die Streitteile hätten bei der Besprechung am 25.11.1992 keinen rechtsgeschäftlichen Konsens erzielt. Auszugehen sei von der mündlichen Vereinbarung und nicht von den im nachhinein von den Parteien abgegebenen schriftlichen Erklärungen. Demnach habe, wenn man sich die diesbezüglichen Zeugenaussagen in Erinnerung rufe, hinsichtlich der Kernpunkte des Rechtsgeschäfts, sofortige Rückzahlung der Garantiesumme bis auf S 50.000,-- gegen Verlängerung der Gewährleistungsfrist bis (vorläufig) 1.7.1993, volle Willensübereinstimmung bestanden. Die Forderung nach Ausstellung einer neuen Bankgarantie habe die Beklagte erst später erhoben, was die bereits zustandegekommene Vereinbarung weder geändert noch außer Kraft gesetzt habe. Selbst die beiden vom Berufungsgericht als widersprüchlich qualifizierten Urkunden, der Aktenvermerk der Beklagten vom 26.11.1992 und das Schreiben der Klägerin vom 27.11.1992, stimmten in den "essentialia negotii" überein. Das Verlangen der Klägerin nach Rückzahlung binnen 14 Tagen entspreche der Einräumung einer angemessenen Leistungsfrist; die konditionale Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung sei durch die von der Beklagten nachträglich erzeugte Unsicherheit über ihre Leistungsbereitschaft zu erklären.

Unabhängig davon habe das Berufungsgericht bei seinem Ergänzungsauftrag verkannt, daß die Verpflichtung der Beklagten, die abberufene Garantiesumme zurückzahlen, nicht von der Voraussetzung eines evidenten Rechtsmißbrauchs abhänge, weil diese Frage nur im Verhältnis zwischen der garantierenden Bank und dem Begünstigten, nicht aber im Grundverhältnis - zwischen den Parteien des gesicherten Rechtsgeschäftes - eine Rolle spiele. Die Abstraktheit der Bankgarantie sei bei ihrer Inanspruchnahme von Bedeutung, nicht aber im Streit um die Rückzahlung einer bereits ausbezahlten Garantiesumme zwischen den Parteien des Grundgeschäftes. Zu prüfen wäre demnach nur, ob tatsächlich ein von der Bankgarantie erfaßter Gewährleistungsfall vorliegt. Das sei nach der Aktenlage auszuschließen, weil die Bankgarantie nach Ablauf der Gewährleistungsfrist (die am 1.7.1992 geendet habe) abberufen worden sei. Insoweit könne sogar schon jetzt - wenn es überhaupt darauf ankäme - die rechtsmißbräuchliche Inanspruchnahme der Bankgarantie durch die Beklagte konstatiert werden.

Diesen Rechtsausführungen ist zumindest im ersten Punkt - den vermeintlichen Dissens betreffend - zu folgen. Da sich daraus bereits die Berechtigung des Rückzahlungsbegehrens der Klägerin im Umfang des vom Erstgericht ausgesprochenen Leistungsbefehls ergibt, sind die weiteren Rechtsfragen nicht zu prüfen.

Ein versteckter Dissens (wie er vom Berufungsgericht angenommen wurde) liegt vor, wenn die Parteien überzeugt sind, eine Einigung erzielt zu haben, dies aber nicht zutrifft, weil jede der äußerlich übereinstimmenden Willenserklärung ein anderes Verständnis beilegte (vgl MietSlg 20.094; SZ 49/142 und 162 ua). Entscheidend ist dabei, daß die Erklärungen der Parteien in ihrem objektiven Sinn aneinander vorbeigehen, ohne daß dies den Parteien bewußt wird, daß also die sich äußerlich deckenden Erklärungen objektiv in einem einander nicht entsprechenden Sinn zu verstehen sind (6 Ob 558/83; vgl Hofmeister in NZ 1987, 154). Decken sich die Willenserklärungen äußerlich (und umfassen sie alle wesentlichen Vertragspunkte) kann demnach von versteckten Dissens nur bei objektiver Mehrdeutigkeit der Erklärungen bei gleichzeitiger Nichtübereinstimmung des Gewollten gesprochen werden (vgl Rummel in Rummel2, Rz 10 zu § 869 ABGB mwN).

Davon zu unterscheiden ist der Irrtum über die Bedeutung und die Rechtsfolgen der eigenen Erklärung (JBl 1975, 161; JBl 1989, 782 ua). Es liegt also ein allenfalls zur Anfechtung des Vertrages berechtigender Irrtum und nicht Dissens (der gemäß § 869 ABGB einen Vertrag erst gar nicht entstehen ließe) vor, wenn bei nur einer der Parteien das Gewollte mit dem Erklärten übereinstimmt. Deckt sich das subjektive Verständnis auch nur einer der Vertragsparteien mit dem objektiven Vertragssinn, dann kommt der Vertrag nach Maßgabe dieser objektiven Vertragsinterpretation zustande (6 Ob 526/81).

Im gegenständlichen Fall sind die Streitteile - geht man vorerst nur vom objektiven Sinn des Erklärten aus - übereingekommen, daß die Beklagte die abberufene, allerdings um S 50.000,-- verminderte Garantiesumme zurückzahlt, falls die Klägerin die Garantiefrist bis 1.7.1993 verlängert. Insoweit behauptet lediglich die Beklagte ein Abweichen des Gewollten vom Erklärten, sodaß kein Dissens im dargelegten Sinn zu erkennen ist. Das Berufungsgericht hat denn auch ein Abweichen der beiderseitigen Willenserklärungen nicht in diesen Vertragspunkten, sondern in anderen, insbesondere die Leistungsfrist sowie die konditionale Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung betreffenden Fragen angenommen. Es bleibt zu untersuchen, inwieweit hier ein das Zustandekommen eines gültigen Vertrages hindernder Dissens vorliegen kann.

Für das Zustandekommen eines Vertrages ist die Einigung der Vertragsteile über den Vertragsinhalt und die ausdrückliche oder stillschweigende Erklärung des Abschlußwillens erforderlich. Fehlende Vertragspunkte (die fehlende Einigung über Nebenpunkte, die nicht besprochen wurden) sind aus dem Willen der Parteien zu erschließen oder aus dem Gesetz zu ergänzen (SZ 49/142 ua). In diesem Sinn ist auch eine durch versteckten Dissens in einem Nebenpunkt des Vertrages entstandene Regelungslücke durch ergänzende Vertragsauslegung und dispositives Recht zu schließen (vgl EvBl 1993/78). Den Ansatz hiezu bietet die Analogie zu § 878 Satz 2 ABGB. Es ist zu prüfen, ob "ein Punkt von dem anderen abgesondert werden kann". Wenn der Vertrag nach dem hypothetischen Parteiwillen auch ohne den betreffenden Nebenpunkt zustandegekommen wäre, bleibt er insofern aufrecht, und es greifen zum Ausfüllen allenfalls verbliebener Regelungslücken die aus dem dispositiven Recht oder ergänzender Vertragsauslegung gewonnenen Normen ein (vgl Rummel, Probleme des Dissenses beim Vertragsschluß, RZ 1996, 2 [8 f]; derselbe in Rummel, ABGB2 Rz 10 zu § 869 ABGB).

Im gegenständlichen Fall sind vom vermeintlichen Dissens (es könnten nach der Sachlage auch schlichte Regelungslücken sein) ausschließlich Nebenpunkte betroffen. Die Einigung der Streitteile, die Garantiesumme zurückzahlen, wenn die Frist für die Sachmängelhaftung verlängert wird, könnte nämlich von Rechts wegen für sich allein bestehen (vgl Rummel, Probleme des Dissenses, RZ 1996, 9). Es deutet auch nichts darauf hin, daß die Parteien die Gültigkeit dieser Einigung davon abhängig machen wollten, daß auch noch über die Frist für die Erfüllung des Rückzahlungsversprechens Einvernehmen hergestellt wird. Zu Recht bemerkt daher die Klägerin, daß die in ihrem Schreiben vom 27.11.1992 genannte Frist von 14 Tagen nur als Einräumung einer angemessenen Leistungsfrist gedeutet werden kann und insoweit Teil der Vereinbarung geworden ist. Auch die in diesem Schreiben (nachträglich) erklärte konditionale Verknüpfung von Leistung (Zurückzahlung der Garantiesumme durch die Beklagte) und Gegenleistung (Verlängerung der Haftung für Sachmängel durch die Klägerin) drückt nur aus, was entweder ohnehin vereinbart war oder redliche und vernünftige Parteien angesichts des verfolgten Vertragszweckes vereinbart hätten (vgl SZ 49/86 uva). Das Beharren der Klägerin auf ihrem Rechtsstandpunkt, die Bankgarantie sei von der Beklagten rechtsmißbräuchlich in voller Höhe abberufen worden, ist überhaupt belanglos, weil die Zurückziehung dieses Vorwurfs nicht Gegenstand des Vertrages war. Daß schließlich noch die Parteien eine einvernehmliche Lösung für die Mängel- und Schadensregulierung bei anderen (noch nicht untersuchten) Abzweigstücken finden wollten, war eine in ihrem Wesensgehalt ohnehin übereinstimmenden Absichtserklärung, aber keine inhalts- und formstreng einzuhaltende Bedingung für die Rückzahlungsverpflichtung des Beklagten (vgl Rummel in Rummel2, Rz 5a zu § 861 ABGB). Der vom Berufungsgericht unterstellte Dissens steht daher der Gültigkeit der am 25.11.1992 zwischen den Parteien zustandegekommenen Vereinbarung nicht entgegen.

Die hiezu getroffenen Feststellungen sind auch keineswegs unvollständig. Die Beklagte behauptete dies in ihrer Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil mit dem Argument, Beweise dafür erbracht zu haben, daß sie bereits am 26.11.1992 die Rückzahlung der abberufenen Garantiesumme von der Ausstellung einer neuen Bankgarantie (also nicht nur von der Verlängerung der Haftung für Sachmängel) abhängig gemacht habe, übersieht dabei jedoch, daß es - wie die Klägerin in ihrem Rekurs richtig bemerkt - nur auf die am 25.11.1992 (mündlich) zustande gekommene Vereinbarung ankommt. Bei diesem Gespräch wurde dieses Ansinnen, ohne daß die Beklagte ihren Wunsch weiterverfolgt hätte, von der Klägerin abgelehnt, womit auch klargestellt ist, daß sich ihr Versprechen, die 5-Jahres-Garantie bis 1.7.1993 zu verlängern, nur auf die Haftung für Sachmängel bezogen haben kann. Daß das Berufungsgericht auf Grund seiner vom erkennenden Senat nicht geteilten Rechtsansicht diesem Einwand nicht nachging, stellt daher keinen Mangel des Berufungsverfahren dar.

Aus allen diesen Gründen war wie im Spruch zu entscheiden.

Der Ausspruch über die Kosten des Rekursverfahrens stützt sich auf § 52 ZPO.

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