OGH 1Ob130/49

OGH1Ob130/4913.4.1949

SZ 22/50

Normen

ABGB §932
ABGB §1295
ABGB §1435
ABGB §1438
Drittes Rückstellungsgesetz §13
Drittes Rückstellungsgesetz §15
Drittes Rückstellungsgesetz §22
ZPO §391
ZPO §503 Z3
ZPO §503 Z4
ABGB §932
ABGB §1295
ABGB §1435
ABGB §1438
Drittes Rückstellungsgesetz §13
Drittes Rückstellungsgesetz §15
Drittes Rückstellungsgesetz §22
ZPO §391
ZPO §503 Z3
ZPO §503 Z4

 

Spruch:

Wird aus dem Titel der Gewährleistung oder Schadenersatzleistung eine Nachzahlung verlangt, so kann die Gegenleistung nicht wegen Wegfalls des Rechtsgrundes kondiziert werden. Mit einem nicht auf den Rechtsweg gehörigen Anspruch kann nur dann im Prozeß kompensiert werden, wenn der Gegenanspruch von der zuständigen Behörde rechtskräftig festgestellt worden ist.

Die Einrede der Aufrechnung mit einem Anspruch, von dem behauptet wird, er sei durch Gegenaufrechnung erloschen, ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil der gegenaufrechnungsweise eingewendete Anspruch mit dem compensando eingewendeten in rechtlichem Zusammenhang stehen soll.

Rechtlicher Zusammenhang setzt ursprüngliche Parteiidentität voraus; er kann nicht durch Zession des aufgerechneten Anspruches künstlich geschaffen werden.

Entscheidung vom 13. April 1949, 1 Ob 130/49.

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Die klagende Partei begehrt von der Beklagten für geleistete Kohlenlieferungen den Betrag von 31.384.69 S samt Nebengebühren.

Gegen diese Forderung macht die Beklagte eine Gegenforderung von 51.356.08 S geltend, die ihr als Vergütung wegen Nichtüberlassung von vollen 10% der Importquote der Klägerin in unbestrittener Höhe zusteht. Die Klägerin bestreitet aber die Berechtigung der Beklagten, mit dieser Forderung zu kompensieren, weil die Gegenforderung ihrerseits durch Aufrechnung erloschen sei. Die Beklagte habe die Geschäftsanteile der Klägerin arisiert und im Jahre 1945 an die M. A. G. (nunmehr Ceskoslovenske d. n. p.) in Prag weiterveräußert. Die ehemaligen jüdischen Eigentümer der Geschäftsanteile der klagenden Partei traten an das Ceskoslovenske d. n. p. wegen Rückstellung dieser Anteile heran; die Rückstellungssache wurde durch Vergleich vom 16. Jänner 1948 dahin geordnet, daß die Ceskoslovense d. n. p. 75.000 S und Kosten im Betrage von 5000 S an die geschädigten Eigentümer zahlte. Diese Beträge, insgesamt 80.000 S, kompensiert sie nun mit der eingewendeten Gegenforderung.

Die Beklagte wendet gegen die Gegenaufrechnung ein, daß 1. der Anspruch gar nicht der Klägerin zustehe, sondern der M. (Csl. d. n. p.), 2. daß die von ihr bestrittenen Rückstellungsgewährleistungsforderungen nicht im Prozeß vor einem ordentlichen Gericht einredeweise geltend gemacht werden können, 3. daß die Hauptforderung durch Kompensation bereits im Zeitpunkte der angeblichen Entstehung der Gewährleistungsforderungen erloschen war.

Die erste Instanz gab der Klage statt, indem sie den Standpunkt vertrat, die Kompensation sei unzulässig. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Die dagegen eingebrachte Revision macht die Revisionsgrunde der Z. 3 und 4 des § 503 ZPO. geltend.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei Folge und erkannte zu Recht, daß die Klagsforderung in der Höhe von 31.384.69 S samt Nebengebühren und die von der Beklagten einredeweise geltend gemachte Gegenforderung in der Höhe von 51.384.08 S in der Höhe der Klagsforderung zu Recht bestehe. Eine Gegenaufrechnung gegen die einredeweise geltend gemachte Gegenforderung von 51.356.08 S in der Höhe von 80.000 S finde nicht statt. Der Klagsanspruch auf Zahlung von 31.384.49 S samt Nebengebühren wurde daher abgewiesen.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Oberste Gerichtshof läßt es dahingestellt, ob gegenüber einer Aufrechnungseinrede eine nicht eingeklagte Forderung überhaupt in Gegenaufrechnung gebracht werden kann, weil auch dann, wenn dieser in der Entscheidung vom 4. November 1937, 3 Ob 564/37, JBl. 1937, S. 522, vertretenen Auffassung nicht beigetreten wird, die Gegenaufrechnung im vorliegenden Fall jedenfalls unzulässig ist.

Der Gewährleistungsanspruch, der gegenaufrechnungsweise geltend gemacht wird, steht nicht der Klägerin, sondern der Csl. d. n. p. zu, kann daher von ihr überhaupt nicht geltend gemacht werden. Das haben auch die Untergerichte zugegeben, doch meint das Erstgericht, unter Billigung des Berufungsgerichtes, daß in dem Briefe vom 20. Dezember 1947 eine Zession des Anspruches der Csl. d. n. p. an die Klägerin zu erblicken sei. Davon kann aber keine Rede sein. In diesem Schreiben teilt Rechtsanwalt Dr. A., offenbar in Beantwortung eines Mahnbriefes der Beklagten, namens der Klägerin der Beklagten mit, daß die derzeitige Eigentümerin der Geschäftsanteile der Klägerin mit dem früheren Inhaber dieser Anteile einen Vergleich geschlossen habe, um die Rückstellung des Mantels der Klägerin zu verhindern. Die Klägerin verlange daher Ersatz dieses Schadens und kompensiere diesen Betrag mit den an die Beklagte geschuldeten Beträgen. Von einer Zession der Ansprüche der Mantelinhaberin an die Klägerin ist in dem Briefe überhaupt nicht die Rede. Der bloße Umstand, daß Dr. A. beide Gesellschaften als seine Klientinnen bezeichnet, kann nicht als Abtretung von Ansprüchen einer seiner Klientinnen an die andere gedeutet werden. Auch die irrtümliche Rechtsauffassung des Briefverfassers, der offenbar der irrigen Anschauung war, die Klägerin könne die der Csl. d. n. p. zustehenden Forderungen im eigenen Namen in Rücksicht auf das bestehende Konzernverhältnis geltend machen, ersetzt eine Abtretung nicht. Die Auffassung der Untergerichte, daß sich aus dem Briefe vom 20. Dezember 1947 ergebe, daß die Eigentümerin der Geschäftsanteile ihren Gewährleistungsanspruch der Klägerin zum Zwecke der Kompensation "zur Verfügung gestellt habe", muß deshalb als rechtsirrig bezeichnet werden.

Abwegig ist auch die weitere Erwägung des Erstgerichtes, die ebenfalls vom Berufungsgericht gebilligt worden ist, daß die Frage auftauche, ob der Rückgriffsanspruch der Eigentümerin der Geschäftsanteile nicht mit dem Anspruch der Klägerin verbunden sei, die übernommene vertragliche Verpflichtung, eine Entschädigung für nicht gelieferte Kohle zu zahlen, bei Wegfall des Rechtsgrundes zu kondizieren, weil diese Verpflichtung nur im Zusammenhang mit dem Verkauf der Geschäftsanteile übernommen worden sei. Die Untergerichte setzen sich mit diesen Ausführungen mit den Grundprinzipien unseres Prozeßrechtes in Widerspruch, die es verbieten, Ansprüche, die von den Parteien gar nicht geltend gemacht worden sind, von Amts wegen zum Inhalt einer gerichtlichen Entscheidung zu machen. Die Klägerin hat im Laufe des Prozesses überhaupt nicht versucht, den Bestand ihrer Zahlungspflicht zu bestreiten, sondern nur deren Erlöschen durch Kompensation behauptet; die Unterinstanzen waren daher auch gar nicht befugt, die "Kondiktion dieser Verpflichtung" in Erwägung zu ziehen. Übrigens müßte ein solcher "Kondiktionsanspruch", auch wenn er geltend gemacht würde, verneint werden, da die Csl. d. n. p. gar nicht das Abkommen über die Veräußerung des Geschäftsanteiles der Klägerin anzufechten versucht, sondern nur mit Rücksicht auf die von ihr gezahlte Vergleichssumme von der Klägerin aus dem Titel der Gewährleistung oder Schadenersatzleistung eine Nachzahlung von 80.000 S verlangt wird, die Vertragsgrundlage an sich daher überhaupt nicht in Frage gestellt wird. Die "Kondiktion" der Verpflichtung zur Ersatzzahlung für nicht gelieferte Kohle würde aber voraussetzen, daß das Vertragsverhältnis überhaupt aufgehoben, also der Rücktritt erklärt und die Geschäftsanteile der Klägerin zurückgestellt werden usw. Von alldem aber war in der ersten Instanz überhaupt keine Rede.

Aber auch abgesehen von diesen Erwägungen, kommt die Gegenaufrechnung ferner deshalb nicht in Betracht, weil im Zeitpunkt der Entstehung der angeblichen Gegenforderung der Klägerin die zu kompensierende Gegenforderung bereits erloschen war. Gemäß dem im § 1438 ABGB. kodifizierten Grundsatz tritt die Aufrechnung ipso jure ein und nicht erst durch die Aufrechnungserklärung. Da nach dem Vertrag vom 21. September 1945 der Quotenüberlassungsvertrag am 31. Dezember 1947 erloschen ist, so folgt daraus, daß die Gegenansprüche der Beklagten vor Ende 1947 entstanden sein müssen und daher in der Höhe der Klagsforderung durch Kompensation erloschen sind. Der angebliche Gegenaufrechnungsanspruch der Klägerin kann aber nicht vor dem 16. Jänner 1948 entstanden sein, da erst an diesem Tage das Übereinkommen gemäß § 13 des Dritten Rückstellungsgesetzes zwischen den Eigentümern der Anteile der Klägerin und der früheren Eigentümerin derselben rechtsgültig abgeschlossen worden ist, nach der Praxis des Obersten Gerichtshofes aber Rückgriffsansprüche nicht bereits mit der gerichtlichen oder außergerichtlichen Geltendmachung der Eviktionsansprüche entstehen, sondern erst mit Rechtskraft des Rückstellungserkenntnisses oder dem Abschluß eines Vergleiches (SZ. XXI/154). Da aber mit einem bereits erloschenen Anspruch nicht mehr kompensiert werden kann, so fällt die Gegenaufrechnungserklärung der Klägerin ins Leere.

Übrigens konnte auch, abgesehen von diesen Erwägungen, auf die Gegenaufrechnungserklärung deshalb kein Bedacht genommen werden, weil auf die eingetretene Aufrechnung mit einem nicht auf den Rechtsweg gehörigen Anspruch nur dann Bedacht genommen werden kann, wenn der compensando (gegencompensando) eingewendete Anspruch von der zuständigen Behörde rechtskräftig festgestellt worden ist (E. v. 2. April 1912, GlUNF. 5855; v. 13. September 1927, Rsp. 1927, Nr. 281 u. a. m.). Nach § 22 Abs. 1 des Dritten Rückstellunggesetzes ist aber für Ansprüche, die in die sachliche Zuständigkeit der Rückstellungskommission fallen, der Rechtsweg ausgeschlossen; das gilt auch für Rückgriffsansprüche zwischen mehreren Erwerbern, über die gleichfalls ausschließlich die Rückstellungskommissionen zu entscheiden haben (§ 15 Abs. 1 des Dritten Rückstellunggesetzes).

Es ist daher Gerichten überhaupt verwehrt, die Frage zu überprüfen, ob die Gegenforderung der Beklagten durch Gegenkompensation erloschen ist.

Das wird auch von den Untergerichten nicht in Abrede gestellt, doch will das Erstgericht unter Billigung des Berufungsgerichtes daraus nicht die Unzulässigkeit der Gegenaufrechnungseinrede erschließen, sondern die Unzulässigkeit der von der Beklagten erhobenen Aufrechnungseinrede. Das Erstgericht meint, daß der Gewährleistungsanspruch der Klägerin und der Vergütungsanspruch der Beklagten in einem rechtlichen Zusammenhang stunden, weil beide Ansprüche an den Verkauf der Geschäftsanteile anknüpfen. Nun sei aber nach § 391 ZPO. die Entscheidung über beide Ansprüche untrennbar; daraus folge, daß infolge Unmöglichkeit der Gerichte, über den Gewährleistungsanspruch zu entscheiden, auch die Entscheidung über den Vergütungsanspruch als derzeit nicht liquid abgelehnt werden müsse.

Diese Ausführungen sind rechtlich verfehlt. Es ist zunächst unrichtig, daß zwischen dem Vergütungsanspruch der Beklagten und dem Gewährleistungsanspruch der Klägerin überhaupt ein rechtlicher Zusammenhang besteht, da der Gewährleistungsanspruch primär gar nicht der Klägerin, sondern ihrer Muttergesellschaft zusteht und ihr nur auf Grund einer angeblichen Zession zur Verfügung gestellt worden ist. Durch Forderungszession kann aber nicht ein vorher nicht bestandener rechtlicher Zusammenhang geschaffen werden. Rechtlicher Zusammenhang im Sinne des § 391 ZPO. setzt Parteiidentität voraus. Der rechtliche Zusammenhang fehlt daher, wenn in einem zwischen mehreren Parteien abgeschlossenen gekoppelten Vertrag auf der einen Seite jemand Rechte, auf der anderen Seite Pflichten gegenüber einem Dritten übernimmt und ersterer auf Zuhaltung der Verpflichtung von Dritten geklagt wird, die er diesem gegenüber übernommen hat. In diesem Fall kann der Beklagte nicht unter Berufung auf § 391 ZPO. verlangen, daß er nicht eher verurteilt wird, als der Dritte in dem vom anderen Vertragspartner gegen diesen eingeleiteten Rechtsstreit. Folgerichtig kann er diese Wirkung auch nicht dadurch erzielen, daß er sich die Forderung gegen den Dritten abtreten läßt.

Der rechtliche Zusammenhang ist aber auch abgesehen von dieser prozessualen Erwägung nicht gegeben, weil die bloße Tatsache, daß ein gekoppelter Vertrag abgeschlossen wird, noch nicht die Konnexität im Sinne des § 391 ZPO. begrundet; es ist vielmehr überdies erforderlich, daß Anspruch und Gegenanspruch aus demselben rechtlichen Verhältnis stammen. Der Verkauf der Geschäftsanteile und der unter einem geschlossene Kohlenbelieferungsvertrag stehen nun wohl in einem wirtschaftlichen Zusammenhang, aber in keinem rechtlichen, da die gegenseitigen Rechte und Verpflichtungen aus diesen beiden - nebenbei mit verschiedenen Personen geschlossenen - Verträgen einander in keiner Weise bedingen oder rechtlich zusammenhängen.

Aber selbst wenn ein rechtlicher Zusammenhang bestunde, so würde daraus doch nicht folgen, daß über die compensando eingewendete Gegenforderung einfach hinweggegangen werden und mit Endurteil ohne Eingehung auf die Gegenforderung entschieden werden darf, weil eine Gegenaufrechnung mit einer Forderung vorgenommen worden ist, die angeblich mit der Gegenforderung in rechtlichem Zusammenhange stehe.

Dies ergibt sich aus nachstehender Erwägung: Wäre die Vergütungsforderung von der Beklagten eingeklagt worden, so hätte das Gericht diese ohne Eingehung auf die compensando eingewendete Gewährleistungsgegenforderung zusprechen müssen, weil letztere nicht auf den Rechtsweg gehört und daher, solange sie nicht liquid gestellt ist, nicht aufgerechnet werden kann. Das Gericht wäre nicht berechtigt gewesen, den Vergütungsanspruch abzuweisen, weil er angeblich im rechtlichen Zusammenhang mit dem Gewährleistungsanspruch steht, der aufrechnungsweise nicht geltend gemacht werden kann. Und nicht anders liegt die Rechtslage, wenn der Vergütungsanspruch compensando eingewendet und der Gewährleistungsanspruch gegencompensando geltend gemacht wird. So wie im Vergütungsprozeß muß auch hier über die einredeweise geltend gemachte Gegenforderung entschieden werden, nur die Entscheidung über die Gegenkompensationsforderung muß, da nicht auf den Rechtsweg gehörig, entfallen.

Da die Gegenforderung dem Gründe und der Höhe nach unbestritten ist und nur die Zulässigkeit ihrer aufrechnungsweisen Geltendmachung bestritten worden ist, diese Bestreitung aber zu Unrecht erfolgt ist, war der Revision Folge zu geben und wie oben zu erkennen.

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