OGH 1Ob566/95

OGH1Ob566/9511.3.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Parteien 1.) Stephen A*****, und 2.) M***** Corporation, *****, beide vertreten durch Dr. Peter Lambert, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte und Gegnerin der gefährdeten Parteien H*****, Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Schönherr, Barfuss, Torggler & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 1 Mio S), infolge Revisionsrekurses der klagenden und gefährdeten Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgerichts vom 16. Februar 1995, GZ 3 R 3/95-31, womit der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 27. Oktober 1994, GZ 11 Cg 269/94-7, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die gefährdeten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der Gegnerin der gefährdeten Parteien die mit 24.927,44 S (darin 4.166,24 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die klagenden und gefährdeten Parteien sind Aktionäre der beklagten österreichischen Aktiengesellschaft und Gegnerin der gefährdeten Parteien; sie halten rund 10 % bzw 30 % deren Grundkapitals. Nach § 2 Abs 1 Z 1 deren Satzung ist Unternehmensgegenstand der „Erwerb, Besitz und die Verwaltung von Beteiligungen an anderen Unternehmungen, in welcher Form immer“, nach den Klagsbehauptungen hingegen ist er die operative Leitung des international, insbesondere im Bereich Klimatechnik und Bauwirtschaft tätigen H*****-Konzerns (im folgenden Konzern).

Die klagenden Parteien begehrten von der beklagten Partei, es zu unterlassen, ohne Zustimmung der Hauptversammlung mit Dreiviertelmehrheit Anteile an Tochtergesellschaften, insbesondere der H***** GmbH, der M***** GmbH, der H***** Ltd in Großbritannien, der H***** AG Schweiz, oder an Tochtergesellschaften dieser Gesellschaften, insbesondere der H***** N***** LDA in Portugal, der H***** LDA und der H***** Kft, an die H***** SpA in Italien oder an Tochtergesellschaften der H***** Spa in Italien zu veräußern oder abzutreten, sowie weiters es zu unterlassen, der H***** NV in den Niederlanden Weisungen zu erteilen, dass Anteile der H***** NV in den Niederlanden an Tochtergesellschaften, insbesondere aber nicht nur an der H***** SA in der Schweiz, der H***** GmbH, der H***** SA in Frankreich oder an Tochtergesellschaften dieser Gesellschaften, insbesondere der K***** GmbH in Deutschland und der H***** Verfahrenstechnik GmbH in Deutschland an H***** SpA in Italien oder an Tochtergesellschaften der H***** SpA in Italien veräußert oder anders abgetreten werden; das Eventualbegehren deckt sich mit dem Hauptbegehren, nur sollen danach die Rechtshandlungen der beklagten Partei, deren Unterlassung begehrt wird, nur dann zulässig sein, wenn die Hauptversammlung - auch ohne qualifizierte Mehrheit - zustimmt.

Dazu tragen sie im wesentlichen vor, der Vorstand der beklagten Partei habe im Juli 1994 in der Aufsichtsratsitzung bekanntgegeben, eine Totaländerung der Konzernstruktur zu planen: An die Stelle der beklagten Partei als zentrale Holdinggesellschaft solle deren italienische Tochtergesellschaft H***** SpA treten, alle bisherigen „Töchter“ der beklagten Partei mit Ausnahme zweier nicht operativer Gesellschaften sollten „Töchter“ der italienischen Tochtergesellschaft werden, eine dieser beiden ausgenommenen „Töchter“ solle innerhalb der gesamten Firmenstruktur verschoben und wesentliche Teile der Produktion der italienischen Tochtergesellschaft (Baubereich) sollten an eine eigene „Tochter“ der italienischen Tochtergesellschaft ausgelagert werden; die beklagte Partei werde dadurch ihre Kompetenz als steuernde Gesellschaft des Konzerns verlieren und zu einer reinen Finanzholding werden. Aufgrund dieser geplanten Maßnahmen würden die klagenden Parteien ihre Mitwirkungsbefugnisse im Konzern verlieren. Umverlagerungen in der Produktion der H*****-Gruppe oder die Strukturierung des gesamten Vertriebs würden zu Gesellschaftsagenden der italienischen Tochtergesellschaft werden und keine der beklagten Partei mehr sein. Damit würden die klagenden Parteien ihre gesetzlich festgelegten Mitwirkungsbefugnisse an der Geschäftsführung des Gesamtkonzerns verlieren. Mit der geplanten Umstrukturierung würde das gesamte Unternehmen der beklagten Partei an eine Tochtergesellschaft veräußert; dies sei deshalb so entscheidend, weil die beklagte Partei nicht mehr jenes Unternehmen betreiben würde wie bisher. Die Aktien der klagenden Parteien an einem operativen Konzern würden gleichsam gegen solche an einer Finanzholding ausgetauscht. Durch diese Umstrukturierung der H*****-Gruppe würde § 2 Abs 1 Z 1 der Satzung der beklagten Partei, in welchem die Tätigkeit der beklagten Partei als steuernde Gesellschaft des Konzerns umschrieben sei, unmittelbar verletzt, weil durch die geplante Umgestaltung diese Steuerungskompetenz wegfiele. Mit dem geplanten Vorgehen greife der Vorstand derart umfassend in die durch Satzung, Syndikatsvertrag und bisherige Geschichte des Konzerns verwirklichte Struktur und damit in den Gegenstand, die Geschäftsziele und das Unternehmen der beklagten Partei ein, dass er zu einer solchen Strukturänderung nur mit Zustimmung der Hauptversammlung berechtigt wäre. Diese Änderung des Unternehmensgegenstands durch die vom Vorstand geplante Umstrukturierung bedürfe gemäß § 237 AktG der Zustimmung der Hauptversammlung der beklagten Partei mit Dreiviertelmehrheit. Gemäß § 103 Abs 2 AktG läge es im Ermessen des Vorstands, ob Fragen der Geschäftsführung der Hauptversammlung zur Entscheidung vorgelegt würden oder nicht. Die Durchführung der vom Vorstand geplanten Transaktion bedürfe erheblicher Finanzmittel, wahrscheinlich eines zweistelligen Millionenbetrags, womit letztlich auch der Wert der Anteile der klagenden Parteien an der beklagten Partei reduziert würde. Aufgrund der derzeitigen Instabilität der italienischen Finanzmarktsituation sei es nicht sinnvoll, ja geradezu außergewöhnlich, den gesamten Konzern einer italienischen Konzerngesellschaft unterzuordnen. Zudem seien es nicht wirtschaftliche Motive, die der beabsichtigten Umstrukturierung zugrundeliegen, sondern massive Auffassungsunterschiede zwischen dem Alleinvorstand der beklagten Partei und gleichzeitigem „Generaldirektor“ der italienischen Tochtergesellschaft und den klagenden Parteien.

Mit ihrer Unterlassungsklage verbinden die klagenden Parteien einen mit dem Hauptbegehren gleichlautenden Sicherungsantrag.

Die Gegnerin der gefährdeten Parteien trat dem Sicherungsantrag aus tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen entgegen und beantragte in eventu, ihren Vollzug vom Erlag einer Sicherheitsleistung von 100 Mio S abhängig zu machen. Wesentliche und entscheidungsrelevante Teile des von den gefährdeten Parteien behaupteten Sachverhalts seien unrichtig: Anders sei die Konzernstruktur, anders verlaufe auch die ausschließlich von wirtschaftlichen Motiven bestimmte Umstrukturierung. Der Konzern sei ein italienisches, international tätiges Unternehmen; die Produktionsstandorte und die wesentlichen Teile der Wertschöpfung lägen in Italien. Die italienische Tochtergesellschaft sei vor der Umstrukturierung zu 99 % von der H***** NV, Niederlande, und nur zu 1 % von der Gegnerin der gefährdeten Parteien „gehalten“ worden. Der überwiegende Teil des operativen Geschäfts sei weder von der Gegnerin der gefährdeten Parteien noch unter einer direkten Beteiligung dieser Gesellschaft geführt worden. Zur Gründung der Gegnerin der gefährdeten Parteien sei es nur gekommen, weil die Einführung von deren Aktien an der Wiener Börse geplant gewesen sei. Im übrigen hätte die Umstrukturierung des Konzerns schon vor langem begonnen und sei bereits weit fortgeschritten. Die geplanten und im wesentlichen bereits durchgeführten Umstrukturierungsmaßnahmen hätten unter anderem den Zweck, die aufgeblähte Konzernstruktur zu straffen, mehrere nichtoperative Gesellschaften zu beenden und Intercompany-Konzernverbindlichkeiten zu verringern. So hätten durch die Beendigung nichtoperativer Gesellschaften erhebliche Einsparungen erzielt werden können. Wesentliche Teile der Fremdmittel würden in Italien finanziert, die Fortgewährung dieser Fremdmittel sei von der Durchführung der geplanten Wirtschaftlichkeitsmaßnahmen abhängig gemacht worden. An der rechtlichen Stellung der Gegnerin der gefährdeten Parteien würde sich durch die Umstruktierung nichts ändern, auch würde sie überhaupt nicht veräußert; schon gar nicht würden alle Anteile an H*****-Gesellschaften übertragen oder gar sämtliche Konzerngesellschaften an die italienische Tochtergesellschaft veräußert. Das Tatsachenvorbringen der gefährdeten Parteien stimme nicht mit den vorgelegten Urkunden überein, die überdies auch nicht den aktuellen Stand der Konzernstruktur wiedergäben. Darüber hinaus sei der Sachverhalt nicht bescheinigt worden, die vorgelegten eidesstättigen Erklärungen seien zu allgemein gehalten. Die Umstrukturierung des Konzerns erfolge auch deshalb, weil wesentliche Fremdmittel in Italien finanziert würden. Die Beendigung oder gar Umkehrung der geplanten Einsparungsmaßnahmen würde mit großer Wahrscheinlichkeit zur Fälligstellung von Krediten führen, die letztlich zur Beendigung des gesamten Konzerns führen könnte. Daher könne eine einstweilige Verfügung nur bei vorhergehender Sicherheitsleistung in der begehrten Höhe bewilligt werden.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Eine konkrete Gefährdung des geltend gemachten Anspruchs liege nicht vor, weil die Umstrukturierung eine wirtschaftliche Maßnahme darstelle, die im Provisorialverfahren nicht überprüft werden könne; auch sei die Höhe einer allfälligen Sicherheitsleistung im Provisorialverfahren nicht begründbar. Die Weiterführung der seit Anfang 1994 stattfindenden Umstrukturierung sei nicht zu untersagen, weil die klagenden Parteien im Fall ihres Obsiegens durch Rückabwicklung zufriedengestellt werden müssten.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts. Grundsätzlich komme den Aktionären in Geschäftsführungsangelegenheiten kein Mitbestimmungsrecht zu, bei einem verzweigten internationalen Konzern sei die Grenze zu zulässigen Umstrukturierungen und Maßnahmen, die einer Übertragung des ganzen Gesellschaftsvermögens iS des § 237 AktG gleichzusetzen seien, im Provisorialverfahren nicht feststellbar, weil bereits die Feststellung des faktischen und rechtlichen Ist-Zustands des Konzerns erhebliche Schwierigkeiten bereite. Im Hinblick auf § 103 Abs 2 AktG widerspreche die Entscheidung des deutschen Bundesgerichtshofs BGHZ 83, 122 dem österreichischen Rechtsanwendungsverständnis und sei aus dem Recht der Geschäftsführungsorgane, die Hauptversammlung mit Geschäftsführungsfragen zu befassen, keine Verpflichtung abzuleiten, die Zustimmung der Hauptversammlung zu bestimmten Geschäftsführungsmaßnahmen einzuholen. Eine als Vermögensübertragung iS des § 237 AktG anzusehende Umstrukturierung könnte ohne Zustimmung der Hauptversammlung rechtswirksam nicht durchgeführt werden, hingegen könnten Vorbereitungsmaßnahmen allein eine Gefährdung des Unterlassungsanspruchs der gefährdeten Parteien nicht begründen. Es sei weder der zu sichernde Anspruch noch dessen Gefährdung bescheinigt worden.

Rechtliche Beurteilung

Der von der zweiten Instanz zugelassene Revisionsrekurs der gefährdeten Parteien ist zulässig (§ 402 Abs 1 EO idF BGBl 1992/756), aber nicht berechtigt.

Die Tatsache, dass in Ansehung beider gefährdeter Parteien der in der Hauptsache gestellte Kautionsantrag der beklagten Partei (§ 57 ZPO) noch unerledigt ist - in Ansehung des Erstklägers hat der erkennende Senat den Europäischen Gerichtshof gemäß Art 177 EGV zur Lösung einer Vorfrage angerufen, in Ansehung der zweitklagenden Partei liegt ein unanfechtbarer Aufhebungsbeschluss der zweiten Instanz vor -, schadet nicht, weil im Sicherungsverfahren eine aktorische Kaution der antragstellenden Partei nicht auferlegt werden darf, erfüllt doch die jederzeit auch auf Antrag aufzuerlegende Sicherheit gemäß § 390 EO (auch) diese Funktion (König, Einstweilige Verfügungen im Zivilverfahren Rz 293).

Die klagenden und gefährdeten Parteien machen als Aktionäre Unterlassungsansprüche geltend, die sie in Behauptung der Verletzung aktienrechtlicher Mitbestimmungskompetenzen der Hauptversammlung bei wichtigen Geschäftsführungsmaßnahmen einerseits aus § 237 AktG (entsprechend § 361 dAktG), andererseits aus einer - der Entscheidung des deutschen Bundesgerichtshofs BGHZ 1983, 122 zur entsprechenden Bestimmung des § 119 Abs 2 dAktG folgenden - Auslegung des § 103 Abs 2 AktG ableiten. Der Sicherungsanspruch deckt sich mit dem Hauptbegehren und kann daher nur dann erfolgreich sein, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen des § 237 AktG bzw § 103 Abs 2 AktG - dessen durch die deutsche Rechtsprechung vorgezeichnete Auslegung einmal unterstellt - bescheinigt sind.

Nach § 237 Abs 1 erster Satz AktG ist eine Übertragung des ganzen Gesellschaftsvermögens einer Aktiengesellschaft, die nicht unter den neunten Teil dieses Gesetzes und die §§ 235 und 236 fällt, nur auf Grund eines Beschlusses der Hauptversammlung zulässig. Beim Begriff der Vermögensübertragung nach § 237 AktG kommt es nur auf die Aktiven der Gesellschaft an; dabei reicht es aus, wenn der wesentliche Teil dieser Vermögensaktiven erfasst ist. Für die nähere Abgrenzung wird man darauf abzustellen haben, ob so viele und solche Aktiven veräußert werden, dass die Veräußerung als solche - also ohne weitere Maßnahmen - materiell eine Änderung des Unternehmensgegenstands der Aktiengesellschaft bewirken würde oder sachlich eine Abwicklung der Gesellschaft praktisch vorwegnimmt (Jabornegg in Schiemer/Jabornegg/Strasser, AktG3, § 237 Rz 5). Dieser Tatbestand ist von einer Reihe von Sachverhaltsfragen - etwa von den Aktiven der Gesellschaft, somit dem faktischen und rechtlichen Ist-Status bei Beginn der Veräußerungsmaßnahmen - abhängig und im Streitfall regelmäßig wohl ohne Beiziehung eines Sachverständigen nicht zu lösen. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens durch das Gericht ist aber in der Regel kein parates Bescheinigungsmittel (ÖBl 1973, 34; ÖBl 1960, 90; 4 Ob 336/79, 4 Ob 309/77). Anders als das GmbHG und das GenG sowie das Aktienrecht des AHGB kennt das AktG keine initiativen Weisungen anderer Gesellschaftsorgane an den Vorstand. Gemäß § 95 Abs 5 AktG kann die Satzung oder der Aufsichtsrat bloß bestimmen, dass bestimmte Arten von Geschäften nur mit dessen Zustimmung vorgenommen werden dürfen. Die Hauptversammlung kam gemäß § 103 Abs 2 AktG über Fragen der Geschäftsführung nur entscheiden, wenn dies der Vorstand oder, sofern es sich um ein gemäß § 95 Abs 5 AktG seiner Zustimmung vorbehaltenes Geschäft handelt, der Aufsichtsrat verlangt. Der Vorstand ist dann insoweit in der gleichen Lage wie ein Weisungsempfänger, obzwar im Gegensatz zu diesem die Initiative von ihm selbst ausgegangen ist. Die Hauptversammlung kann nach dieser Bestimmung selbst allerdings nicht initiativ werden. In der Entscheidung des deutschen Bundesgerichtshofs BGHZ 83, 122, 131 = NJW 1982, 1703 = AG 1982, 158 „Holzmüller/Seehafen“ wurde indessen ausgesprochen, der Vorstand sei ungeachtet dieser auch in Deutschland bestehenden Regelungen verpflichtet, die Zustimmung der Hauptversammlung einzuholen, wenn er einen Betrieb, der den wertvollsten Teil des Gesellschaftsvermögens ausmache, durch Übertragung auf eine zu diesem Zweck errichtete Tochtergesellschaft aus dem bisherigen Gesellschaftsunternehmen ausgliedere. Dies folge aus Ermessenschrumpfung. Danach schlage das von § 119 Abs 2 dAktG vorausgesetzte Ermessen des Vorstands in eine Pflicht zur Vorlage an die Hauptversammlung um, wenn der Vorstand vernünftigerweise nicht annehmen könne, er dürfe die Entscheidung in ausschließlich eigener Verantwortung treffen, ohne die Hauptversammlung zu beteiligen. Im nachfolgenden überaus umfangreichen Schrifttum (vgl zum neusten Meinungsstand die Nachweise bei Hüffer, Aktiengesetz2 [1995] § 119 Rz 17) bildete sich keine einheitliche Linie heraus. In Österreich wurde, soweit überblickbar, noch in keiner Entscheidung zur Einschränkung der Verwaltungsbefugnisse durch erweiterte Kompetenz der Hauptversammlung Stellung genommen. In der Lehre vertreten dazu Schiemer (in Schiemer/Jabornegg/Strasser aaO § 103 Rz 10), Kastner/Doralt/Nowotny (Grundriß des österr. Gesellschaftsrechts5 233 ff) und Frotz (Zur Absicherung der Organmitglieder einer AG gegen Haftungsansprüche der Gesellschaft in Festschrift für Kurt Wagner zum 65. Geburtstag [1987], 139) ganz allgemein die Auffassung, die Hauptversammlung könne weder initiativ Geschäftsführungsfragen an sich ziehen, und verneinen auch die rechtliche Möglichkeit, diesen Mangel einer gesetzlichen Verpflichtung durch die Satzung zu kompensieren. Zur schon mehrfach zitierten Entscheidung des deutschen Bundesgerichtshofs haben Doralt in Kastner/Doralt/Nowotny (aaO 264 f) und Nowotny (Handels- und gesellschaftsrechtliche Probleme der Unternehmensteilung in DRdA 1989, 93, 94 f) aber auch ausdrücklich Stellung genommen: Ersterer meint, ein Schutz der Minderheit in derartigen Fällen lasse sich - auch in Anbetracht der Zurückhaltung des Obersten Gerichtshofs gegenüber Rechtsfortbildung - nach österr. Recht eher durch Analogie zu den Beschluss - und Mehrheitserfordernissen bei Satzungsänderungen begründen, wogegen letzterer für die Übernahme der deutschen Begründung plädiert. Die Frage, ob § 103 AktG einen abschließenden gesetzlichen Zuständigkeitskatalog für die Hauptversammlung enthält, muss hier aber nicht entschieden werden. Denn selbst wenn man zum Besten der klagenden Partei die in der genannten BGH-Entscheidung wesentlichen Gedanken auch für den österreichischen Rechtsbereich und im speziellen für die Frage der Organzuständigkeiten im Konzern (vgl dazu Lutter, Organzuständigkeiten im Konzern in Festschrift Stimpel [1985], 825, 843, 848 ff) fruchtbar machen wollte, müssten doch auch hier die notwendigen Tatsachen bescheinigt werden, die eine verlässliche Beurteilung zulassen, ob die Aktiengesellschaft mit dem zurückbehaltenen Betriebsvermögen noch in der Lage bleibt, satzungsmäßige Unternehmensziele, wenn auch in eingeschränktem Umfang, selbst zu verfolgen. Auch dies wird sich im Streitfall regelmäßig ohne Sachverständigenhilfe nicht klären lassen, im besonderen dann nicht, wenn in Übereinstimmung mit dem Rechtsmittel zur Auslegung der Satzung ein Syndikatsvertrag herangezogen werden muss und die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse bei zahlreichen ausländischen Tochter- und Enkelgesellschaften mituntersucht werden müssen.

Gemäß § 381 EO können zur Sicherung anderer Ansprüche - als Geldforderungen - wie hier einstweilige Verfügungen getroffen werde, wenn 1. zu besorgen ist, dass sonst die gerichtliche Verfolgung oder Verwirklichung des fraglichen Anspruchs, insbesondere durch eine Veränderung des bestehendes Zustandes, vereitelt oder erheblich erschwert werden würde ..... oder wenn 2. derartige Verfügungen zur Verhütung drohender Gewalt oder zur Abwendung eines drohenden unwiederbringlichen Schadens nötig erscheinen. Voraussetzung für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung ist die Bescheinigung des rechtlichen Bestands des Anspruchs und der den Sicherungsantrag begründenden Tatsachen, aus denen sich die in den §§ 379, 381 und 386 EO bezeichnete Gefährdung ergibt (1 Ob 597/94; HS XV/2 mwN ua). Die gefährdete Partei hat die ihren Antrag stützenden Tatumstände glaubhaft zu machen; damit ist zufolge § 402 Abs 4 und § 78 EO auf § 274 ZPO verwiesen (zuletzt 7 Ob 576/94).

Über das Begehren auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ist in der Regel allein auf Grund des Antrags der gefährdeten Partei und der von ihr beigebrachten Bescheinigungsmittel zu erkennen, ist doch das Provisorialverfahren als summarisches (Heller-Berger-Stix, EO4 2836) Eilverfahren grundsätzlich einseitig (1 Ob 10/94; Rechberger-Simotta, Exekutionsverfahren2 Rz 943; Feil, EO § 389 Rz 9). Das Gericht kann aber auch - ausnahmsweise, weil die einstweilige Verfügung den Gegner der gefährdeten Partei, soll sie ihr Ziel erreichen, möglichst überraschen soll - den Gegner der gefährdeten Partei darüber vernehmen, wenn dies dem Gericht zweckmäßig erscheint (Rechberger-Simotta aaO Rz 943), ohne dass ein Anspruch des Gegners dazu bestünde (ÖBl 1982, 83; ÖBl 1974, 89 = RZ 1974/97 uva, zuletzt 1 Ob 10/94; Heller-Berger-Stix aaO 2841), steht ihm doch in einem solchen Fall das Recht des Widerspruchs nach § 397 Abs 1 EO zu. Ob die Anhörung des Gegners der gefährdeten Partei stattfinden soll, hängt ganz von dem durch die Umstände geleiteten Ermessen des Gerichts ab. Das Gesetz enthält hierüber keine Vorschrift (EFSlg 32.186; 1 Ob 10/94). Im Rahmen der Ermessensübung wird die Anhörung jedenfalls zulässig sein, wenn ein Anlass hiefür vorliegt, etwa ungeachtet der Glaubhaftmachung Zweifel über das Vorhandensein der behaupteten Gefahr, die Zulässigkeit der beantragten Sicherungsmittel oder über deren Auswahl verbleiben (1 Ob 10/94). Dass der Erstrichter dabei das ihm eingeräumte Ermessen überschritten hätte, wird von den gefährdeten Parteien nicht vorgetragen. Die Tatsacheninstanzen waren demnach berechtigt, die von der Gegnerin der gefährdeten Parteien im Rahmen ihrer Äußerung zum Sicherungsantrag ON 5 - zur Entkräftung der Behauptungen der gefährdeten Parteien - vorgelegten Urkunden zu berücksichtigen und die insgesamt vorliegenden Bescheinigungsergebnisse erkennbar beweiswürdigend dahin zu beurteilen, dass die Umstrukturierung des Konzerns als wirtschaftliche Maßnahme im Provisorialverfahren nicht überprüft und somit der Anspruch nicht bescheinigt werden könnte.

Der Oberste Gerichtshof ist auch im Rekursverfahren, insbesondere im Provisorialverfahren, nur Rechts- und nicht Tatsacheninstanz (MR 1994, 66; ÖBl 1989, 167; ÖBl 1988, 78 ua). Daher ist die von den gefährdeten Parteien unter dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung unter teilweiser Wiederholung von Sachverhaltsdarstellungen in vorangehenden Schriftsätzen und nun auch neu erstattetem Vorbringen vertretene Auffassung, der Oberste Gerichtshof könne im Rahmen eines Revisionsrekurses die Sachverhaltsgrundlage aufgrund der vorliegenden Bescheinigungsmittel selbständig erweitern, unzutreffend, ist doch auch im Sicherungsverfahren die Anfechtung der Beweiswürdigung im Revisionsrekursverfahren unzulässig (MR 1994, 66 ua) und der Oberste Gerichtshof an den von den Tatsacheninstanzen als bescheinigt angenommenen Sachverhalt gebunden (ÖBl 1989, 167; ÖBl 1988, 78; SZ 51/21 uva). Auch die Beurteilung der Frage, ob die Mittel des Provisorialverfahrens ausreichen, um einen bestimmten Sachverhalt als bescheinigt oder nicht bescheinigt annehmen zu können, gehört ebenso dem Bereich der vom Obersten Gerichtshof nicht überprüfbaren Beweiswürdigung an (ÖBl 1984, 43) wie die Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Inhalts schriftlicher eidesstättiger Erklärungen (ÖBl 1989, 167) und die Tatsache, ob vorgelegte Urkunden konkret zur Bescheinigung tauglich sind (SZ 61/39 = ÖBA 1988, 609 mit Anm von Doralt). Dass die Tatsacheninstanzen die von der Gegnerin der gefährdeten Partei tatsächlich in englischer Sprache abgefassten und nicht übersetzten Urkunden Beilagen 3 und 4 ihrer Beweiswürdigung zugrunde legten, lässt sich deren Begründung nicht entnehmen. Solange erkennbar ist, dass sich das Rekursgericht mit dem gesamten sachlich faßbaren Vorbringen gegen die erstrichterliche Beweiswürdigung auseinandergesetzt hat, stellt es keinen Begründungsmangel dar, wenn nicht zu jedem einzelnen Argument des Rechtsmittelwerbers eine Stellungnahme formuliert wurde (vgl EFSlg 55.108). Selbst eine mangelhafte Begründung bewirkt keinen Verfahrensmangel (EFSlg 25.361 ua).

Als Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens machen die Rechtsmittelwerber weiters geltend, dass zu dem in deren Rekurs an die zweite Instanz gerügten Unterbleiben der Einvernahme der erstgefährdeten Partei als Auskunftsperson, obwohl diese binnen zwei Wochen hätte stellig gemacht werden können, von der zweiten Instanz nicht Stellung genommen worden sei. Hat das Erstgericht wie im vorliegenden Fall das Provisorialverfahren zulässigerweise zweiseitig gestaltet, dann liegt ein mit Rekurs geltend zu machender Verfahrensmangel vor, wenn es erhebliche Bescheinigungsmittel übergeht (4 Ob 30/95, 6 Ob 512, 513/95), wobei die unbeeidete Parteienvernehmung an sich ein geeignetes Bescheinigungsmittel darstellt, auch wenn das Provisorialverfahren seiner Natur nach nicht darauf abgestellt ist (JBl 1979, 550) ua). Die Frage, ob angebotene Bescheinigungsmittel parat sind, ist jeweils nach den Gegebenheiten des Einzelfalls zu beurteilen (EvBl 1971/111; ÖBl 1972, 156 ua), doch wird im Rechtsmittel nicht vorgetragen, die Vernehmung der erstgefährdeten Partei hätte mehr zur Aufklärung des Sachverhalts als seine Äußerung in der von ihm gefertigten eidesstättigen Erklärung Beilage D beigetragen und im besonderen die Beiziehung eines Sachverständigen überflüssig gemacht.

Ob hier der Mangel der Anspruchsbescheinigung durch Sicherheitsleistung nach § 390 Abs 1 ZPO ersetzt werden könnte (vgl JBl 1978, 424; SZ 50/25 ua), kann mangels entsprechender Ausführungen im Rechtsmittel nicht geprüft werden. Die Frage, ob im vorliegenden Fall die Gefahrerfordernisse nur nach § 381 Z 2 EO zu beurteilen wären und ob gerade die Unterlassung von bereits längst gesetzten Maßnahmen angestrebt wird (vgl RdW 1987, 168 mwN), bedarf keiner Klärung mehr. Auf § 145 AktG als Anspruchsgrundlage kommt das Rechtsmittel ausdrücklich nicht zurück (ON 35 AS 313). Dem Revisionsrekurs ist nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung fußt auf den §§ 78, 402 ZPO iVm §§ 41, 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte