Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit jeweils S 3.208,50 (darin je S 534,75 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Kläger sind die Kinder aus der Ehe des Gert und der Irmgard K*****, die am 8.4.1986 geschieden wurde. Im Jahr 1987 heiratete Gert K***** die Beklagte.
Mit Notariatsakt vom 23.8.1990 übergab Gert K***** der Beklagten seine 554/34193 Anteile an der EZ ***** KG *****, mit welchen das Wohnungseigentum an der rund 90 m2 großen Wohnung Nr 1 Stiege II verbunden ist. Die Beklagte verpflichtete sich zu Gegenleistungen im Wert von S 804.369,19. Zugunsten einer Tochter der Beklagten wurde ob diesen Anteilen ein Belastungs- und Veräußerungsverbot einverleibt.
Mit Testament ebenfalls vom 23.8.1990 bestimmte Gert K***** die Beklagte zu seiner Alleinerbin. Er verstarb am 29.1.1992. Eine Verlassenschaftsabhandlung fand mangels Nachlaßvermögens nicht statt.
Der Verkehrswert der Eigentumswohnung betrug zum Zeitpunkt der Errichtung des Übergabevertrages (23.8.1990) S 1,280.000, zum Todeszeitpunkt (29.1.1992) S 1,320.000, unter Berücksichtigung eines Wohnrechtes der Beklagten nur S 570.000. Die Kläger hatten von ihrem Vater Gert K***** zu dessen Lebzeiten keinerlei unentgeltliche Zuwendungen erhalten.
Mit ihren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Klagen begehrten die Kläger die Zahlung von je S 57.292,32 samt Anhang. Dieser Betrag entspreche ihrem Pflichtteilsanspruch von je 1/9 des im Übergabsvertrag enthaltenen Schenkungsanteiles, welcher, ausgehend von einem Wert zum Todeszeitpunkt des Erblassers von S 1,320.000 nach Abzug der von der Beklagten übernommenen Gegenleistungen insgesamt S 515.630,90 betrage und als Schenkungspflichtteil zu berücksichtigen sei.
Die Beklagte wandte ein, ihr stehe nach dem Erblasser ein gesetzliches Vorausvermächtnis auf die Ehewohnung zu, dessen Wert sich unter Berücksichtigung des fiktiven Mietwertes der Wohnung und einer Lebenserwartung der Beklagten von 30 Jahren mit S 720.000 errechne. Unter Hinzurechnung der im Übergabevertrag vereinbarten Gegenleistungen von S 804.369,90 werde der Verkehrswert der Wohnung erheblich überschritten, der Übergabevertrag könne daher nicht als gemischte Schenkung angesehen werden. Die Eigentumswohnung stelle die einzige Wohnversorgung der Beklagten dar, die daher ein dringendes Wohnbedürfnis habe.
Das Erstgericht verurteilte die Beklagte zur Zahlung von je S 52.847,67 samt Anhang an die drei Kläger und wies die Mehrbegehren von je S 4.444,45 ab.
Rechtlich seien nach § 785 Abs 1 ABGB unter anderem auf Verlangen eines pflichtteilsberechtigten Kindes bei der Berechnung des Nachlasses Schenkungen des Erblassers in Anschlag zu bringen. Der Gegenstand der Schenkung sei dem Nachlaß mit dem für die Anrechnung nach § 794 ABGB maßgebenden Wert hinzuzurechnen; dies sei bei unbeweglichen Sachen der Wert nach dem Zeitpunkt des Empfanges (Übergabevertrag). Nach Abzug der Gegenleistungen der Beklagten ergebe sich ein Schenkungspflichtteil für jedes der Kinder in der Höhe der zugesprochenen Beträge als Pflichtteil.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten teilweise Folge und änderte das Ersturteil dahin ab, daß es die Beklagte zur Zahlung von je S 52.847,87 an die drei Kläger nur mit der Einschränkung "bei sonstiger Exekution in die 554/34193 Anteile der Beklagten an der Liegenschaft EZ ***** Grundbuch *****, mit welchen Anteilen Wohnungseigentum an der Wohnung 1 Stiege II verbunden ist" schuldig erkannte.
Rechtlich könne nach § 951 ABGB der verkürzte Noterbe vom Beschenkten die Herausgabe des Geschenkes zur Deckung des Fehlbetrages verlangen, wenn bei der Bestimmung des Pflichtteiles nach § 785 ABGB Schenkungen bei Berechnung des Nachlasses in Anschlag gebracht worden seien. Dieser Anspruch könne nach ständiger Rechtsprechung auch dann erhoben werden, wenn, wie im vorliegenden Fall, kein Verlassenschaftsverfahren stattgefunden habe. Die genannten gesetzlichen Bestimmungen wollten den Übergangenen so stellen, wie er stünde, wenn die Schenkung unterblieben wäre. Der Wert der Verlassenschaft sei daher so zu ermitteln, als wäre die pflichtteilswidrige Verfügung nicht gemacht worden. Bei einer gemischten Schenkung sei der geschenkte Teil anzurechnen. Mangels Anfechtung des Ersturteiles durch die Kläger sei es nicht wesentlich, daß das Erstgericht bei der Berechnung des Schenkungspflichtteiles vom Wortlaut des § 794 ABGB und nicht von der nach herrschender Auffassung korrigierenden Auslegung (daß auch unbewegliche Sachen abgestellt auf den Todeszeitpunkt zu bewerten sind) ausgegangen sei.
Strittig sei nur, ob das gesetzliche Vorausvermächtnis des Ehegatten, sein Anspruch weiterhin in der Ehewohnung zu wohnen, gemäß § 758 ABGB wertmäßig zu berücksichtigen sei. Dieses Vorausvermächtnis habe im Verhältnis zu den erbrechtlichen Sonderregelungen über die Wohnung subsidiären Charakter. Es greife nur dann ein, wenn der überlebende Ehegatte das Recht auf Benützung der Ehewohnung nicht durch andere erbrechtliche Sonderregelungen erwerbe. Das gleiche gelte, wenn der überlebende Ehegatte Erbe des Eigentümers jener Liegenschaft sei, auf der sich die Ehewohnung befunden habe oder wenn er die Ehewohnung schon bisher (ganz oder zum Teil) aus eigenem Recht, Eigentum, Wohnungseigentum, dingliches Wohnrecht oder Mietrecht habe bewohnen können. Der subsidiäre Charakter des Wohnrechtes nach § 758 ABGB führe dazu, daß dieses Recht gar nicht entstehe, soferne der Überlebende aus eigenem Recht und unabhängig von der Mitwirkung anderer sein Wohnbedürfnis sichern könne. Da die Beklagte aufgrund des Übergabevertrages zum Todeszeitpunkt schon Wohnungseigentümerin gewesen sei, sei ein Wohnrecht nach § 758 ABGB gar nicht entstanden, so daß dessen Wert bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage für den Schenkungspflichtteil nicht zu berücksichtigen sei.
Die Berufung sei nur insoweit teilweise berechtigt, als bei anderen als Geldschenkungen - entgegen dem Wortlaut des § 951 Abs 1 ABGB - nicht auf Herausgabe des Geschenkes, sondern auf Zahlung des Ausfalles am Pflichtteil bei sonstiger Exekution in die geschenkte Sache zu lauten habe. Eine solche Einschränkung des schlechthin gestellten Zahlungsbegehrens stelle ein Minus dar, das im Rahmen der gesetzmäßig ausgeführten Rechtsrüge wahrzunehmen gewesen sei.
Das auf dem Anteil der Beklagten an der Liegenschaft einverleibte Belastungs- und Veräußerungsverbot für deren Tochter hindere die Exequierbarkeit des Urteiles nicht, weil zwar keine zwangsweise Pfandrechtsbegründung oder Zwangsversteigerung möglich sei, wohl aber eine Exekution durch Zwangsverwaltung.
Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei, weil, soweit ersichtlich, eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage des Einflusses des gesetzlichen Vorausvermächtnisses nach § 758 ABGB auf Schenkungspflichtteilsansprüche fehle.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.
Strittig ist im Revisionsverfahren nur mehr, ob das im § 758 ABGB normierte Vorausvermächtnis des Ehegatten bei der Pflichtteilsberechnung der Kläger wertmäßig (im Sinne eines Abzuges) zu berücksichtigen ist und ob das zugunsten der Tochter der Beklagten einverleibte Veräußerungs- und Belastungsverbot hinsichtlich der Eigentumswohnung eine Verurteilung zur Zahlung des Pflichtteiles "bei Exekution in das Geschenk" hindert.
Der Oberste Gerichtshof hat, entsprechend den Ausführungen in den Materialien zum ErbRÄG zu § 758 ABGB (1158 BlgNR 17.GP, 4 f) und in Übereinstimmung mit der Lehre (Eccher zum neuen Wohnrecht des überlebenden Ehegatten WoBl 1991, 1 f; Adensamer ErbRÄG 1989 ÖAV 1991, 6; Welser in NZ 1990, 142; Kralik Erbrecht 246) Wesen und Wirkungen des gesetzlichen Vorausvermächtnisses in seinen Entscheidungen 3 Ob 516/92 = SZ 65/67; 7 Ob 561/93 und 9 Ob 508/94 dargelegt. Danach gewährt das gesetzliche Vorausvermächtnis nur einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den Erben oder den sonst durch das Vorausvermächtnis Beschwerten. Der Anspruch des überlebenden Ehegatten bleibt in Ansehung der Ehewohnung inhaltlich gleich, sein bisher gegen den Ehegatten zustehendes Benützungsrecht setzt sich als Anspruch gegen den Vermächtnisschuldner fort. Das gesetzliche Vorausvermächtnis greift nur dann ein, wenn der überlebende Ehegatte das Recht auf Benützung der Ehewohnung nicht durch andere erbrechtliche Sonderregelungen erwirbt (MRG, WEG, WGG). Solchen Sonderregelungen über die Ehewohnung gegenüber ist das Vorausvermächtnis subsidiär. Erwirbt der überlebende Ehegatte aufgrund solcher Sonderregelungen das Recht, in der Wohnung zu wohnen, tritt er etwa in das Mietverhältnis ein oder wird er Alleineigentümer der Wohnung, so kommt das Vorausvermächtnis nicht zum Tragen, weil sein Anspruch aus § 758 ABGB damit erfüllt ist. Dasselbe gilt, wenn der überlebende Ehegatte Erbe des Eigentümers jener Liegenschaft ist, auf der sich die Ehewohnung befunden hat oder er die Wohnung schon bisher aus eigenem Recht (Eigentum) bewohnen konnte oder eine solche Berechtigung mit dem Tod des bisherigen berechtigten Ehegatten kraft Erbrechtes erwirbt. Ist das Recht nicht im Nachlaß enthalten, dann ist das gesetzliche Vorausvermächtnis aber wie das Vermächtnis einer fremden Sache (die nicht in den Nachlaß fällt) nach § 662 ABGB wirkungslos.
Im vorliegenden Fall kommt, da Nachlaßvermögen zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers überhaupt nicht vorhanden war, die Berechnung eines allgemeinen Pflichtteiles nicht in Betracht, es ist lediglich der Schenkungspflichtteil zu ermitteln. Es trifft zu, daß für die Festsetzung des Schenkungspflichtteiles auf den Erbanfall und nicht auf den Zeitpunkt der wirklichen Zuteilung abzustellen und zu fragen ist, welchen Wert die Verlassenschaft hätte, wenn die Schenkung unterblieben wäre. "Abstellen auf den Erbanfall" bedeutet aber nur die Bewertung des Geschenkes auf den Todesfall zum Zweck der Berechnung des Schenkungspflichtteiles, nicht aber, daß nun fiktiv nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge, also unter Berücksichtigung eines in den Nachlaß fallenden gesetzlichen Vorausvermächtnisses, das im Nachlaß tatsächlich nicht vorhanden ist, vorzugehen wäre. Überdies wurde die Beklagte vom Erblasser testamentarisch zur Alleinerbin eingesetzt. Der Beklagten wäre daher die Eigentumswohnung, wäre von deren tatsächlichem Vorhandensein im Nachlaß auszugehen, kraft Erbrechtes zugefallen, so daß das gesetzliche Vorausvermächtnis kraft seiner Subsidiarität auch nicht zum Tragen gekommen wäre.
Die Höhe des Schenkungspflichtteiles ist daher nach der gesetzlichen Regelung des § 951 ABGB ohne Berücksichtigung des Wertes eines gesetzlichen Vorausvermächtnisses, das mangels Vorhandenseins der Eigentumswohnung im Nachlaß nicht mehr wirksam werden konnte, zu ermitteln. Der Vollständigkeit halber sei angeführt, daß die Ansicht der Rechtsmittelwerberin, durch das Geschenk der Ehewohnung habe sie nur das erhalten, was ihr, wäre diese in Nachlaß gefallen, ohnedies zugekommen wäre, unrichtig ist. Das gesetzliche Vorausvermächtnis schafft, wie ausgeführt, nur ein obligatorisches Recht des überlebenden Ehegatten, in der Ehewohnung weiter zu wohnen und die zum ehelichen Haushalt gehörenden beweglichen Sachen, soweit sie zu dessen Führung entsprechend den bisherigen Lebensverhältnissen erforderlich sind; niemals aber kann es Eigentum oder anteiliges Eigentum an der Liegenschaft, auf welcher sich die Ehewohnung befunden hat, verschaffen. Unbillig wäre entgegen der Ansicht der Beklagten nicht das Unterbleiben einer Anrechnung eines durch das Gesetz für den Fall der Schenkung der Ehewohnung schon zu Lebzeiten des Erblassers nicht vorgesehenen Vorausvermächtnisses auf den Wert des Geschenkes, sondern vielmehr eine durch Verfügung des Erblassers zu Lebzeiten teilweise oder, wie hier, zur Gänze vom Gesetzgeber keineswegs gewollte Übergehung von Noterben.
Auch die Ansicht der Rechtsmittelwerberin, die Klagebegehren hätten mangels Exequierbarkeit der zuerkannten Beträge in die geschenkte Sache wegen des einverleibten Veräußerungs- und Belastungsverbotes abgewiesen werden müssen, trifft nicht zu. Im Erkenntnisverfahren ist nur zu prüfen, ob ein Begehren überhaupt im Exekutionswege durchsetzbar sein kann, nicht aber, ob im Einzelfall oder nur vorübergehend Exekutionshindernisse entgegenstehen könnten. Ob eine Zwangsverwaltung in concreto bewilligt werden kann und ob ein Belastungs- und Veräußerungsverbot zum Zeitpunkt des Exekutionsantrages (noch) aufrecht ist, das die begehrte Exekution hindern könnte, ist erst im Exekutionsbewilligungsverfahren zu entscheiden.
Der Revision ist daher insgesamt ein Erfolg zu versagen.
Der Ausspruch über die Kosten der Revisionsbeantwortung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
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