OGH 3Ob516/92

OGH3Ob516/9229.4.1992

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Klinger, Dr. Angst und Dr. Graf als weitere Richter in der Verlassenschaftssache ***** Leopold D*****, infolge Revisionsrekurses der Witwe des Erblassers Elfriede D*****, vertreten durch Dr. Walter Schlesinger, Rechtsanwalt in Baden, gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 16.Dezember 1991, GZ R 518/91-20, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Baden vom 2.September 1991, GZ 1 A 153/91-14, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Der am 2.2.1991 verstorbene Leopold D*****, zu dessen Nachlaß unter anderem ein Hälfteanteil an der Liegenschaft ***** samt dem darauf errichteten Einfamilienhaus ***** gehört, setzte in seinem Testament vom 17.1.1991 seine Frau Elfriede D*****, die Eigentümerin der anderen Hälfte der genannten Liegenschaft, zur Alleinerbin ein und beschränkte seine ae. Tochter Eveline P***** auf die Hälfte des Pflichtteils, weil zwischen ihnen ein Naheverhältnis im Sinne des § 773a (Abs.1) ABGB zu keiner Zeit bestanden habe.

Die von Elfriede D***** auf Grund des Testaments zum gesamten Nachlaß abgegebene unbedingte Erbserklärung wurde zu Gericht angenommen.

Eveline P***** erklärte, von ihrem Pflichtteilsrecht Gebrauch machen zu wollen.

Anläßlich der Schätzung der dem Erblasser gehörigen Liegenschaftshälfte stellte die erbl. Witwe durch ihren Vertreter den Antrag, im Hinblick auf die §§ 758 und 783 ABGB auch ihr Wohnungsrecht zu bewerten.

Das Erstgericht wies diesen Antrag ab. Das gesetzliche Vorausvermächtnis im Sinne des § 758 ABGB komme nicht zum Tragen, weil Elfriede D***** ohnedies auf Grund des Testamentes als Erbin zum gesamten Nachlaß berufen sei.

Eine von der Witwe erhobene Vorstellung blieb erfolglos. Elfriede D***** habe die Berechtigung zur Benützung der Ehewohnung als Erbin erworben; für ein Wohnrecht nach § 758 ABGB bleibe daher kein Raum. Entstehe das Wohnrecht aber gar nicht, so könne es auch nicht bei der Pflichtteilsbemessung Berücksichtigung finden.

Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteigt und daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Das Rekursgericht teilte die Rechtsansicht des Erstgerichtes.

Der Revisionsrekurs der erbl. Witwe ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Nach § 758 ABGB idgF - die hier anzuwenden ist, weil der Erblasser nach dem 1.1.1991 gestorben ist - gebührt dem Ehegatten, sofern er nicht rechtmäßig enterbt worden ist, als gesetzliches Vorausvermächtnis das Recht, in der Ehewohnung weiter zu wohnen, und die zum ehelichen Haushalt gehörenden beweglichen Sachen, soweit sie zu dessen Fortführung entsprechend den bisherigen Lebensverhältnissen erforderlich sind. Dieses Recht soll eine Lücke in der Rechtsordnung schließen und dem überlebenden Ehegatten das Dach über dem Kopf auch in jenen Fällen sichern, in denen nicht ohnehin Sondernormen (Mietrecht, Ehegattenwohnungseigentum) dafür sorgen. Im Verhältnis zu den erbrechtlichen Sonderregelungen über die Wohnung ist das Vorausvermächtnis subsidiär. Erwirbt der überlebende Ehegatte auf Grund solcher Sonderregelungen das Recht, in der Wohnung zu wohnen (tritt er etwa in das Mietverhältnis ein oder wird er Alleineigentümer der Wohnung), so kommt das Vorausvermächtnis nicht zum Tragen, weil sein Anspruch aus § 758 ABGB damit erfüllt ist (Adensamer, ÖA 1991,8; iglS Eccher, WoBl 1991,3, und Welser in NZ 1990,142). Dasselbe gilt, wenn der überlebende Ehegatte Erbe des Eigentümers jener Liegenschaft ist, auf der sich die Ehewohnung befunden hat (1158 BlgNR 17.GP,5), oder er die Wohnung schon bisher zum Teil aus eigenem Recht (Eigentum) bewohnen konnte und eine derartige Berechtigung im übrigen mit dem Tod des bisher berechtigten Ehegatten kraft Erbrechtes erwirbt (Eccher aaO).

Aus dieser bereits von den Vorinstanzen hervorgehobenen Subsidiarität des gesetzlichen Vorausvermächtnisses des Wohnrechts folgert, daß es einer Schätzung des Wohnrechts der Witwe im vorliegenden Fall nicht bedarf.

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