OGH 7Ob561/93

OGH7Ob561/931.9.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Graf, Dr.Schalich und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verlassenschaft nach Annette R*****, vertreten durch Dr.Julius Brändle und Dr.Karl Schelling, Rechtsanwälte in Dornbirn, wider die beklagte Partei Elmar R*****, vertreten durch Dr.Leonhard Lindner, Rechtsanwalt in Dornbirn, wegen Einräumung und Zustimmung zur Einverleibung eines Wohnungsrechtes (Streitwert S 40.000,--), infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch als Berufungsgericht vom 9.März 1993, GZ 1 a R 87/93-18, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Bregenz vom 8.Jänner 1993, GZ 2 C 767/92-13, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

Der angefochtene Beschluß wird in Ansehung des Begehrens, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei das Wohnrecht im Erdgeschoß des Hauses ***** und am gesamten Garten einzuräumen, bestätigt.

Im übrigen wird dem Rekurs teilweise Folge gegeben und in der Sache selbst mit Teilurteil zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, ihre ausdrückliche Einwilligung zu erklären, daß an der ihr gehörenden Liegenschaft EZ ***** Grundbuch ***** das Wohnrecht der klagenden Partei am Erdgeschoß des Hauses ***** und am gesamten Garten einverleibt werde, wird abgewiesen.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster Instanz und des Rechtsmittelverfahrens wird der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Annette R***** war die Ehefrau des vorverstorbenen Norbert R***** und die Mutter des Beklagten. Mit Notariatsakt vom 7.8.1990 hatte Norbert R***** seinem Sohn, dem Beklagten, die Liegenschaft EZ ***** Grundbuch *****, bestehend aus den Grundstücken Nr.***** und ***** sowie aus der Bauparzelle ***** auf den Todesfall geschenkt. In Punkt IV verpflichtete sich der Geschenknehmer, der Annette R***** in Anrechnung auf deren gesetzlichen Pflichtteil nach dem Geschenkgeber in der von seinen Eltern im ersten Obergeschoß des Hauses ***** bewohnten Wohnung samt Nebenräumen (Waschküche, Keller und Dachboden), unter angemessener Mitbenützung des Gartens das lebenslängliche unentgeltliche und über Verlangen grundbücherlich sicherzustellende Wohnungsrecht einzuräumen.

Das Haus ***** besteht aus Kellergeschoß, Parterre, erstem Obergeschoß und teilweise ausgebautem Dachgeschoß. Im Parterre befinden sich eine Garage, ein Lagerraum mit teilweise noch rohen Wänden sowie eine Waschküche. Eine weitere Garage steht abseits des Hauses im Garten. Das Haus steht in unmittelbarer Nähe einer Mühle, die der Ehemann der Annette R***** betrieben hatte.

Annette R***** begehrte (nach Einschränkung der Klage AS 46), den Beklagten schuldig zu erkennen, ihr das Wohnrecht am Erdgeschoß des Hauses ***** und am gesamten Garten, vorgetragen in EZ ***** Grundbuch ***** einzuräumen und die Aufsandungserklärung abzugeben, mit der der Beklagte als grundbücherlicher Eigentümer der Liegenschaft seine ausdrückliche Einwilligung erklärt, daß das Wohnrecht der Klägerin an der EZ ***** Grundbuch ***** eingetragen werde. Nicht bloß die in Punkt IV des Schenkungsvertrages genannten Teile des Hauses und der Liegenschaft sondern auch die Räumlichkeiten im Parterre des Hauses und der gesamte Garten hätten den Eheleuten Annette und Norbert R***** als Ehewohnung gedient. Soweit dieses Wohnrecht zugunsten der Annette R***** nicht durch den Schenkungsvertrag eingeräumt worden sei, sei es ihr als gesetzliches Vorausvermächtnis gegen den Beklagten zugestanden.

Der Beklagte beantragt die Abweisung der Klage. Für die grundbücherliche Eintragung des Wohnrechtes im Umfang des Punktes IV des Schenkungsvertrages habe er bereits im Schenkungsvertrag die erforderliche Aufsandungserklärung abgegeben. Ein Wohnrecht am ganzen Haus sei der Annette R***** jedoch nicht zugestanden. Die Räumlichkeiten im Erdgeschoß des Hauses hätten seinen Eltern nicht als Ehewohnung gedient; auch der Garten sei nicht zur Gänze von den Eheleuten genutzt worden.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Neben dem eingangs wiedergegebenen unstrittigen Sachverhalt traf es noch folgende Feststellungen:

In den Jahren 1977 bis 1984 deklarierte Norbert R***** in seinen Einkommensteuererklärungen Mieten betreffend die Parterreräumlichkeiten des Hauses Lauterach als Einkommen. Diese Parterreräumlichkeiten waren von ihrer Konstruktion her als Lagerraum für den nahegelegenen Mühlenbetrieb gedacht; sie dienten überwiegend dem Mühlenbetrieb zu Lagerzwecken. Teilweise wurden sie auch zur Lagerung des für die Ehewohnung bestimmten Brennholzes und zur Überwinterung von Topfpflanzen verwendet; diese Parterreräumlichkeiten waren nicht Teil der Ehewohnung der Ehegatten R*****.

In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Auffassung, daß die Einräumung des Wohnrechtes im Schenkungsvertrag durchaus dem Gesetz (§ 758 ABGB) entsprochen habe; das Wohnrecht umfasse nicht die im eingeschränkten Begehren enthaltenen Räume.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf und trug dem Erstgericht eine nach Verfahrensergänzung zu fällende neuerliche Entscheidung auf. Weiters sprach es aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Gemäß § 758 ABGB idF ErbRÄG gebührten dem hinterbliebenen Ehegatten, sofern er nicht rechtmäßig enterbt worden ist, als gesetzliches Vorausvermächtnis das Recht, in der Ehewohnung weiter zu wohnen und die zum Haushalt gehörenden beweglichen Sachen, soweit sie zu dessen Fortführung entsprechend den bisherigen Lebensverhältnissen erforderlich sind. Mit dieser Bestimmung solle dem überlebenden Ehegatten die Weiterbenützung der Ehewohnung auch in den Fällen sichergestellt werden, in denen sie nicht durch Sondernormen, etwa nach dem MRG oder dem WEG, auf ihn übergehen. Soweit Annette R***** als durch den Schenkungsvertrag begünstigte Wohnungsberechtigte keine Rechte an den übrigen Räumen im Erdgeschoß des Hauses sowie am ganzen Garten übertragen erhalten habe, stehe ihr gemäß § 758 ABGB das Recht zu, auch diese Teile der Liegenschaft weiter zu benützen, wenn sie "Ehewohnung" gewesen sind. Die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen ließen jedoch keine abschließende Beurteilung über Umfang und Intensität der Benützung dieser Teile der Liegenschaft als Ehewohnung zu. Dazu genüge es, daß diese Teile der Liegenschaft schon bisher irgendwie Haushaltszwecken gedient haben, wenn auch nur in untergeordneter Bedeutung. Maßgebend sei die Benützung in der letzten Zeit vor dem Tod des Erblassers. Wäre allerdings die Überlassung der von der Klage erfaßten Teile der Liegenschaft durch den Erblasser nur prekaristisch erfolgt, dann hätte Annette R***** keinen Anspruch im Sinne des § 758 ABGB auf die in der Klage genannten Räumlichkeiten und auf den Garten. Schließlich werde sich das Erstgericht auch mit dem Argument auseinanderzusetzen haben, daß die grundbücherliche Eintragung des durch § 758 ABGB normierten Rechtes im Gesetz nicht vorgesehen sei.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen vom Beklagten erhobene Rekurs ist teilweise berechtigt.

Eingangs ist darauf zu verweisen, daß Annette R***** nach der Mitteilung ihres Vertreters in der Rekursbeantwortung verstorben ist. Daher war die Parteienbezeichnung auf Klägerseite entsprechend richtigzustellen.

Der Auffassung des Beklagten, aus dem subsidiären Charakter des gesetzlichen Vorausvermächtnisses gemäß § 758 ABGB an der Ehewohnung ergebe sich, daß Annette R*****, die bereits über ein vertragliches Wohnrecht an Teilen dieser Liegenschaft verfüge, kein darüber hinausgehendes (gesetzliches) Recht mehr in Anspruch nehmen könne, kann nicht beigepflichtet werden.

Gemäß § 758 ABGB idF ErbRÄG BGBl. 1989/656 gebühren dem überlebenden Ehegatten, sofern er nicht rechtmäßig enterbt worden ist, als gesetzliches Vorausvermächtnis das Recht, in der Ehewohnung weiter zu wohnen, und die zum ehelichen Haushalt gehörenden beweglichen Sachen, soweit sie zu dessen Fortführung entsprechend den bisherigen Lebensverhältnissen erforderlich sind. Die Erweiterung des gesetzlichen Vorausvermächtnisses um das Recht, in der Ehewohnung weiter zu wohnen, ist am 1.1.1991 in Kraft getreten und anzuwenden, wenn der Erblasser nach diesem Zeitpunkt gestorben ist. Durch dieses Vorausvermächtnis sollen nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers (JAB 1158 BlgNR XVII.GP 3 f) dem überlebenden Ehegatten seine bisherigen Lebensverhältnisse erhalten und gesichert werden. Das gesetzliche Vorausvermächtnis an der Ehewohnung greift nur ein, wenn der überlebende Ehegatte das Recht auf Benützung der Ehewohnung nicht durch andere erbrechtliche Sonderregelungen (MRG, WEG, WGG) erwirbt (JAB aaO 5; JBl. 1992, 646 mwN). Das gesetzliche Vorausvermächtnis gewährt einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den Erben oder den sonst durch das Vermächtnis Beschwerten. Belastet kann somit auch jene Person sein, die die Ehewohnung oder die Liegenschaft, auf der sich die Ehewohnung befunden hat, durch ein Vermächtnis (JAB aaO 5) oder eine Schenkung auf den Todesfall erwirbt (vgl Koziol-Welser9 II 369, wonach auch diese nach dem Tod des Geschenkgebers "wie ein Vermächtnis behandelt wird"). Der Anspruch ist erfüllt, wenn die Erben (der Vermächnisnehmer) - ähnlich wie in § 97 ABGB für den Ehegatten angeordnet - alles tun, damit dem Ehegatten das Wohnen auf Dauer möglich ist (JAB aaO 4). Jede Art der Rechteeinräumung, die dem überlebenden Ehegatten das dauernde Weiterwohnen in der Ehewohnung ermöglicht, reicht dafür aus. Der Anspruch des überlebenden Ehegatten bleibt in Ansehung der Ehewohnung inhaltlich gleich; sein bisheriges, gegen den Ehegatten zustehendes Benützungsrecht setzt sich als Anspruch gegen den Vermächtnisschuldner fort (Eccher, Zum neuen Wohnrecht des überlebenden Ehegatten, WoBl. 1991, 1 ff [5]). Der Umfang einer Ehewohnung richtet sich daher nach den tatsächlichen Verhältnissen zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers. Auch eine Liegenschaft mit einem Haus sowie dem dazugehörenden Garten kann "Ehewohnung" sein (EFSlg. 57.305; Eccher aaO 2 f; Adensamer, Erbrechtsänderungsgesetz 1989, ÖAV 1991, 8).

Nach den dargelegten Grundsätzen kann in der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, wonach die erstgerichtlichen Feststellungen über die tatsächliche Benützung des Erdgeschoßes des Hauses und des Gartens durch Annette R***** und ihren Ehemann in der Zeit vor dessen Tod für die rechtliche Beurteilung, ob auch die noch strittigen Teile der Liegenschaft zur Ehewohnung gehört haben, kein Rechtsirrtum erblickt werden. Der durch die tatsächlichen Benützungsverhältnisse bestimmte Umfang des gesetzlichen Vorausvermächtnisses an der Ehewohnung konnte aber auch nicht durch eine vertragliche Vereinbarung zwischen dem Erblasser und dem mit diesem Vermächtnis belasteten Beklagten eingeschränkt werden. Auf andere, weiter zurückliegende Benützungsverhältnisse kommt es hingegen nicht an. Im fortgesetzten Verfahren wird allerdings zu beachten sein, daß das dem § 758 ABGB entspringende Recht mit dem Tod des Berechtigten erlischt. Auf diese Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse nach Schluß der Verhandlung erster Instanz konnte der Oberste Gerichtshof nicht Bedacht nehmen.

Im Recht sind die Rekursausführungen jedoch insoweit, als der Anspruch auf grundbücherliche Eintragung des Wohnrechtes in Abrede gestellt wird. Zunächst ist darauf zu verweisen, daß auch der Anspruch auf Abgabe der Aufsandungserklärung auf das Wohnrecht am Erdgeschoß und am gesamten Garten eingeschränkt wurde, also nur die Verbücherung des behaupteten gesetzlichen Anspruchs der Annette R***** gemäß § 758 ABGB umfaßt. Der mit dem gesetzlichen Vorausvermächtnis des überlebenden Ehegatten an der Ehewohnung Belastete ist nicht gehalten, ein dingliches Wohnrecht einzuräumen (JAB aaO 4; Welser, Die Erbrechtsreform 1989, NZ 1990, 137 ff [142]). Das gesetzliche Vorausvermächtnis im Sinne des § 758 ABGB gewährt dem überlebenden Ehegatten nur einen obligatorischen Anspruch gegen den Verpflichteten (JAB aaO 4; Adensamer aaO). Zur Erfüllung genügt jede Art der Rechteeinräumung, die dem überlebenden Ehegatten das Wohnen auf Dauer ermöglicht (JAB aaO 4). Auch seine Anlehnung an § 97 ABGB spricht gegen die Verpflichtung des Belasteten zur Einräumung eines verbücherungsfähigen dinglichen Rechtes. Demgemäß war aber die Rechtssache in Ansehung des Anspruches auf Abgabe einer Aufsandungserklärung zur Entscheidung reif.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster Instanz und des Rechsmittelverfahrens gründet sich auf § 52 Abs.1 ZPO.

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